OGH 3Ob18/00v

OGH3Ob18/00v20.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha K*****, vertreten durch Dr. Erwin Wartecker, Rechtsanwalt in Gmunden, gegen die beklagte Partei Friedrich P*****, vertreten durch Dr. Thomas und Dr. Christa Watzenböck, Rechtsanwälte in Kremsmünster, wegen S 118.875 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 8. November 1999, GZ 22 R 369/99t-45, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 22. Juni 1999, GZ 3 C 1029/96a-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Das vom Beklagten betriebene Gasthaus verfügt auch über einen Gastgarten bzw eine Gastterrasse. Auf diese Terrasse gelangt man entweder durch die Gaststube oder aber unter Benützung einer Stiege. Diese ist so beschaffen, dass sie - ebenso wie die bereits erwähnte Gastterrasse - unmittelbar an die Hausmauer des Gasthauses anschließt, und zwar so, dass die einzelnen Stufen zu der an den Gastgarten angrenzenden Hausmauer einen Winkel von ca 90 Grad einnehmen. Entlang der Mauer ist ein Handlauf montiert. Diese Stiege hat insgesamt sechs Stufen, wobei in dieser Zahl die oberste und die unterste Stufe mitgezählt sind. Die vier oberen Stufen weisen keine Krümmung auf und haben eine Gesamtbreite von 2,5 m, gemessen von der Hausmauer bis zur Außenkante der Stiege. Die vorletzte Stufe hat eine Breite von 2,12 m, wobei sie - wie im Folgenden stets aus der Sicht eines Abwärtsgehenden - mit der Kante auf einer Länge von 1,8 m ab der Hausmauer gerade verläuft und dann in eine Krümmung nach außen übergeht. Die unterste Stufe hat zum anschließenden Niveau des Vorplatzes bzw der Zufahrtsstraße auf Höhe der Hausecke nur noch einen Niveauunterschied von etwa 13 cm, auf Höhe der beginnenden Krümmung einen solchen von etwa 9 cm. Die Krümmung beginnt dabei auf gleicher Höhe wie bei der vorletzten Stufe. Auf dieser vorletzten Stufe ist eine Steinplatte so ausgebrochen, dass der verbleibende Rand unregelmäßig gegenüber den übrigen Stiegenplatten zurückbleibt, und zwar in einer Tiefe von etwa 4 bis 6 cm. Die abgebrochene Platte hat eine Stärke von etwa 1 cm gegenüber dem darunter liegenden Betonbett. Die Platten selbst haben keinen geraden regelmäßigen Rand, sodass auch die intakten Stufen eine unregelmäßige Begrenzung haben. Im Bereich der vierten Stufe von oben ist etwa in der Mitte und am rechten Bereich die Betonfuge etwas ausgebrochen. Auf der vorletzten Stufe ist etwa in der Mitte eine Platte in der Art ausgeformt, dass zur Betonfuge hin eine Einbuchtung entsteht, sodass der plattenäußere Rand etwa 3 cm gegenüber den übrigen Platten zurückspringt. Die Stufen haben eine durchschnittliche Aufstiegsbreite von ca 35 cm und eine Höhe von 17 bis 18 cm.

Die Beleuchtungssituation war zur Zeit des Unfalls so, dass an jener Hausmauer, an welche die Gastterrasse und auch der Stiegenabgang angrenzen, Wandlampen angebracht waren, wobei jedoch die letzte dieser Lampen vor der Stiege angebracht ist, sodass im Bereich der Stiege selbst an dieser Hausmauer keine weitere Lampe angebracht ist. Ebenso sind auf der straßenseitigen Hausmauer Wandlampen montiert, also links um die Hausecke herum. Die erste Wandleuchte ist dabei etwa 1,4 m von de Hausecke entfernt und befindet sich etwa 2,5 m über dem Straßennivenau. Zum Vorfallszeitpunkt war an dieser Mauer überdies in einer Höhe von 3,5 m über dem Straßenniveau in einer Entfernung von ca 20 cm von der Hausecke eine beleuchtbare Werbetafel montiert. Darin waren sechs Neonröhren zu jeweils 25 Watt montiert.

Am 15.7.1995 fand auf dieser Terrasse ein Treffen des Drachenflieger-Clubs statt, dessen Obmann der Ehemann der Klägerin ist. Gegen 21 Uhr kam die Klägerin zum Gasthof, um ihren Ehemann abzuholen. Es kann nicht festgestellt werden, ob sie über die Außenstiege oder durch die Gaststube auf die Terrasse gelangte. Ebensowenig kann festgestellt werden, ob sie sich vor dem Vorfall schon öfters im Gasthof des Beklagten aufgehalten hat und ob sie dabei (gegebenenfalls) den Weg über diese Stiege benutzt hat. Nachdem sie ein Achtel Wein konsumiert hatte, verließ sie gegen 21,30 Uhr bis 21,45 Uhr gemeinsam mit Johann S***** und ihrem Ehemann das Lokal über die Stiege. Angesichts der schon fortgeschrittenen Uhrzeit und da es an diesem Tag bewölkt war, war es schon dunkel, jedoch nicht "stockfinster". Es regnete nicht, die Stiege war daher trocken. Es waren sowohl die terrassenseitigen als auch die straßenseitigen Wandlampen eingeschaltet, ebenso die straßenseitige Reklametafel. Trotz dieser künstlichen Beleuchtung war nicht die ganze Stiege ausgeleuchtet, insbesondere der untere Bereich der Stiege war eher schlecht zu sehen, unter anderem deshalb, weil die davor befindlichen Stufen jeweils einen Schatten auf die unteren Stufen werfen.

Zunächst ging Johann S***** über die Stiege hinunter und unmittelbar hinter ihm die Klägerin, und zwar so, dass S***** den rechten Bereich der Stiege benützte und die Klägerin eher im Bereich der Mitte ging. Beim Hinabgehen redeten die beiden miteinander. Im unteren Bereich der Stiege kam sodann S***** zu Sturz, wobei er zunächst nicht darauf achtete, warum bzw wodurch er zu Sturz kam. Erst später sah er die in diesem Bereich ab- bzw ausgebrochene Stufe und führte den Sturz dann darauf zurück. Unmittelbar, nachdem er zu Sturz gekommen war, stürzte auch die Klägerin im unteren Bereich der Stiege. Ob sie dabei jenen Bereich beging, in dem sich auf der vorletzten Stufe die an früherer Stelle beschriebe Ausbrechungen bzw Ausformungen befinden, kann nicht festgestellt werden, ebensowenig die Ursache für den Sturz der Klägerin. Ob sie den Handlauf benützte, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Ob schon früher Gäste auf dieser Stiege zu Sturz kamen, kann schließlich auch nicht festgestellt werden.

Die Klägerin erlitt bei diesem Sturz einen Bruch des rechten Außenknöchels mit Teilverrenkung des Sprungbeins im Sprunggelenk, eine stärkere Zerrung des linken Sprunggelenkes und eine Hautabschürfung unter der rechten Kniescheibe. Mit dieser Verletzung waren starke Schmerzen in der Dauer von fünf bis sieben Tagen, mittelstarke Schmerzen in der Dauer von drei bis vier Wochen sowie leichte Schmerzen in der Dauer von sechs bis acht Wochen verbunden.

Die Klägerin wurde unmittelbar nach dem Unfall in ein Krankenhaus aufgenommen und dort bis zum 22.7.1995 behandelt. Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung bestand zwar keine Pflegebedürftigkeit, sie war jedoch erheblich behindert. Als Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgedrückt ist die Behinderung bei der Entlassung mit 40 bis 50 % zu bewerten. Der Entlassung folgten dann regelmäßige ambulante Kontrollen in der Unfallabteilung. Am 1.8.1995 wurden die Hautnähte aus der abgeheilten Operationswunde am rechten Außenknöchel durch ein Gipsfenster entfernt. Nach einer weiteren Gipskontrolle und einem Gipswechsel am 14.8.1995 wurde der Klägerin der Gipsverband am 25.8.1995 abgenommen. Danach erhielt sie noch einen elastischen Gummistrumpf angelegt. Nach Abnahme des Gipsverbandes ist die (fiktive) Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit etwa 30 % zu bewerten. Nach weiteren ambulanten Kontrollen im Krankenhaus konnte ab 8.9.1995 auch die Kunststoffschiene am linken Sprunggelenk weggelassen werden. Ab 13.9.1995 wurde die Klägerin zur weiteren Rehabilitation in die private Krankenanstalt Gmunden eingewiesen und dort vom 13.9. bis 13.11.1995 behandelt. Sie ist auch noch in weiterer ambulanter Kontrolle im Landeskrankenhaus Gmunden. Weitere Behandlungen erfolgten auch beim Hausarzt, der die Klägerin wiederholt zu Lymphdrainage-Behandlungen in die Privatkrankenanstalt Gmunden einwies.

Das Zusammentreffen eines Psoriasis-Schubes bei der Klägerin mehrere Monate nach dem Unfall und dem daraus resultierenden Knochenbruch ist als zeitlich zufällig zusammenfallend zu betrachten.

Spätfolgen im Sinn von medizinischen Komplikationen sind bei der Klägerin nicht auszuschließen. Der Außenknöchelbruch hat zu einer zumindest umschriebenen erheblichen Schädigung des Gelenksknorpels geführt. Das Auftreten einer posttraumatischen Arthrose im rechten Sprunggelenk ist nicht auszuschließen. Derzeit sind keine eindeutigen Arthrosezeichen zu finden. Infolge der Sturzverletzungen bediente sich die Klägerin einer Hilfe im Haushalt und im Garten. Für die Fahrten zu den wiederholten ambulanten Behandlungen bzw Kontrollen in die Krankenhäuser entstanden der Klägerin Fahrtkosten. An weiteren unfallsbedingten Aufwendungen hatte sie insbesondere den Versichertenanteil für diverse medizinische Hilfen zu begleichen, Spezialschuhe anzuschaffen und Kosten für diverse ärztliche Befunde zu tragen.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt S 110.000 Schmerzengeld, S 2.000 für eine Haushaltshilfe, S 3.500 für Fahrtkosten und S 3.375 für Spesen, insgesamt daher S 118.875 sA. Weiters stellte sie ein Feststellungsbegehren. Ihr Begehren begründete sie damit, dass der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei. Sie sei auf der Stiege deshalb zu Sturz gekommen, weil diese im Abgangsbereich Beschädigungen aufgewiesen habe und die vorhandene Beleuchtung nicht eingeschaltet bzw defekt gewesen sei. Überdies sei trotz eingeschalteter Beleuchtung insbesondere die vierte, fünfte und sechste Stufe äußerst schlecht ausgeleuchtet gewesen. Sie sei infolge des Zustandes der Stiege zu Sturz gekommen. Dieser rufe insbesondere bei Dunkelheit eine besondere Gefährdung für Passanten hervor. Es seien auch Spät- und Dauerfolgen des Unfalles nicht auszuschließen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, das er im Leistungsteil aber letztlich der Höhe nach außer Streit stellte. Ihn treffe am Unfall der Klägerin kein wie immer geartetes Verschulden und keine wie immer geartete Haftung. Die Klägerin habe vor dem Unfall sein Lokal bestens gekannt und sei schon mehrere Male dort auf Besuch gewesen. Sie sei auch am Unfallstag über denselben Weg in das Lokal gekommen, wie sie es auch verlassen habe. Zur Unfallszeit habe noch genügend natürliches Licht geherrscht. Ein Unfall wie der gegenständliche habe sich auch in der Vergangenheit niemals ereignet. Es gebe für ihn keine wie immer geartete Veranlassung, an den vorhandenen Stiegen zur Veranda irgendetwas baulich zu ändern. Eine Haftung bestehe nicht, weil dies eine enorme Überspannung der Verkehrssicherungspflicht darstellen würde und sich die Klägerin dieses Unfallsereignis selbst zuzuschreiben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen verneinte es zwar, dass der Zu- und Abgang von bzw zur Gastterrasse des Beklagten einen Zustand aufwies, den ein Gast üblicherweise erwarten darf. Die Klägerin sei jedoch den Beweis schuldig geblieben, dass sie ihren Schaden gerade durch die Nichterfüllung des Vertrages durch den Beklagten erlitten habe. Es liege auch kein einen prima-facie-Beweis rechtfertigender Ablauf vor, der die bei der Klägerin aufgetretenen Folgen typischerweise herbeiführen würde.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand insgesamt S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige, sowie, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht, welches keine Bedenken gegen die gerügten Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes hegte, führte aus, dass nach den Rechtsausführungen im Ersturteil davon auszugehen sei, dass der im Bereich der vorletzten Stufe beschriebene schadhafte Zustand bereits am Unfallstag bestanden habe. Auch im hier zu bejahenden Anwendungsbereich des § 1298 ABGB treffe den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang. Bleibe, wie im vorliegenden Fall, unklar bzw nicht erweislich, dass die Klägerin auf Grund des Zustandes und/oder unzureichender Ausleuchtung der Stiege gestürzt sei, dann sei das Klagebegehren abzuweisen (vgl 3 Ob 545/94).

Der (bloße) Verdacht eines bestimmten Ablaufes, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten vermuten lässt, gebe es für den Anscheinsbeweis keinen Raum (SZ 57/20; 1 Ob 2051/96s), weil der Anscheinsbeweis nicht dazu diene, Lücken in der Beweisführung aufzufüllen (Fasching, ZPR2 Rz 894 mwN; SZ 61/126; 2 Ob 119/88; 10 Ob 1606/95; 1 Ob 160/99g in RIS-Justiz RS0040287); unaufgeklärt bleibende Umstände gingen dann zu Lasten des Geschädigten (9 Ob 114/98z). Im vorliegenden Fall ließe zwar der Zustand der Stiege die Vermutung zu, er sei Sturzursache; andererseits liege in keinem Fall ein für die Klägerin sprechender typischer Geschehensablauf vor, komme es doch insbesondere beim nächtlichen Verlassen eines Gasthauses durch das Abwärtsgehen auf einer Stiege aus den verschiedensten Gründen, zumeist Unaufmerksamkeit in Bezug auf die Auftrittsfläche, zu Stürzen oder Gleichgewichtsverlusten, die dann in der Regel dem "nicht vor die Füße schauenden" (vgl ZVR 1990/85 ua) Fußgänger zuzurechnen seien; so sei auch im vorliegenden Fall unbedenklich nicht festgestellt worden, dass schon früher Gäste des Beklagten auf dieser Stiege zu Sturz gekommen wären. Daher bestehe kein Anlass, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zur Kausalitätsfrage in Zweifel zu ziehen, weshalb die Frage des von der Klägerin am Beginn des Verfahrens offenbar selbst erwogenen Mitverschuldens sowie die weitere Frage der an den Betreiber eines ländlichen Gasthauses zu stellenden Schutzpflichten keiner Beantwortung mehr bedürfe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der nach der Entscheidung SZ 70/179 der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden (vgl aber zB 7 Ob 23/83; 1 Ob 37/83 ua in RIS-Justiz RS0040196) Frage, ob hier ein die Verschiebung des Beweisthemas rechtfertigender Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliege, mangels Vorfindbarkeit wirklich vergleichbarer Fälle erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin begehrt, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von den

Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum

Anscheinsbeweis abgewichen ist, wie zu zeigen sein wird. Dies kann im

Rahmen der Revision aufgegriffen werden. Auch nach jenen

Entscheidungen, die nicht wie 6 Ob 2100/96h = SZ 70/179 = ÖBA

1998/713 (ablehnend Oberhammer) = RdW 1998, 129 die Frage der

Zulässigkeit des Anscheinsbeweises überhaupt zur rechtlichen

Beurteilung rechnen, sind ja die Grundsätze des Anscheins- oder

prima-facie-Beweises revisibel (7 Ob 23/83 = EvBl 1983/120 mwN; 1 Ob

37/83; SZ 61/61, ZVR 1989/112, 187 = VR 1989, 252, JBl 1994, 123 =

ZVR 1994/30, 85; SZ 68/191 ua E zu RIS-Justiz RS0040196). Fasching (ZPR2 Rz 897) rechnet die Fragen, ob es sich um einen Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf handelt, der eine Verschiebung des Beweisthemas ermöglicht und ob Erfahrungsgrundsätze vorliegen, zur rechtlichen Beurteilung. Dagegen wendet sich Oberhammer in seiner kritischen Besprechung der Entscheidung 6 Ob 2100/96h generell gegen die Revisibilität der Frage, ob ein bestimmter tatsächlicher Zusammenhang nach der Lebenserfahrung typisch ist. Das sei reine Tatfrage. Rechberger (in Rechberger, ZPO2 Rz 22) billigt die Rechtsprechung insoweit, als seiner Ansicht nach die Frage, ob ein materiell-rechtlicher Tatbestand vorliegt, der eine solche Beweismaßreduzierung (wie den Anscheinsbeweis) rechtfertigt, rechtliche Beurteilung sei. Wenn auch Oberhammer zuzugestehen ist, dass Erfahrungssätze bei jeder Beweiswürdigung eine Rolle spielen, lässt er doch außer Acht, dass es beim Anscheinsbeweis eben um eine Verschiebung des Beweisthemas geht, also sehr wohl auch um die rechtliche Beurteilung, ob die angestrebte Rechtsfrage nicht nur bei Beweis der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes, sondern auch eines bestimmten, diesem gegenüber zurückbleibenden anzuordnen ist.

Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Zutreffend ist das Berufungsgericht zur Auffassung gelangt, dass die Stiege, die dem Zu- und Abgang von der bzw zur Gastterrasse des Gasthauses des Beklagten dient zum Unfallszeitpunkt nicht jenen Zustand aufwies, den der Gast berechtigterweise von einer solchen Stiege erwarten darf. Dies beruht auf den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, dass die Stiege im unteren Bereich Ausbrechungen im Bereich der Stufenkante bzw Unebenheiten zwischen den einzelnen Platten aufwies und überdies die Ausleuchtung in diesem Bereich schlecht war.

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 66/179; SZ 69/8; DRdA 1997, 374 =

ecolex 1997, 794 = SSV-NF 10/106; 2 Ob 81/00a) sind auch bei der

Abgrenzung der Schutz- und Sorgfaltspflichten des

Beherbergungsvertrages die einschlägigen öffentlich-rechtlichen

Vorschriften bedeutsam. Auch für den Gastwirtevertrag, der keine

Beherbergung in sich schließt, kann nichts anderes gelten. Aus den

einschlägigen oberösterreichischen baurechtlichen Normen ergibt sich

die Bedeutung einer ausreichenden Beleuchtung, wenn man

berücksichtigt, dass nach § 16 Abs 4 OöBauTG 1994 Hauptstiegen (also

nicht Notstiegen: Abs 5), ausgenommen solche in Kellergeschoßen,

ausreichend durch Tageslicht erhellt werden müssen. Es leuchtet ein,

dass derartige Vorschriften unter anderem den Zweck verfolgen, die

Gefahr von Stürzen, die gerade wegen des durch Stiegen überwundenen

Höhenunterschiedes mit besonderer Verletzungsgefahr verbunden sind,

vermeiden zu helfen. Aber auch abgesehen davon ist die Verpflichtung

des beklagten Gastwirts, für eine ausreichende Beleuchtung einer

Stiege zu sorgen, die zu einer der Bewirtung von Gästen dienenden

Terrasse führt, auch aus dem Vertrag mit der Klägerin abzuleiten (Zur

Vertragshaftung des Gastwirtes bereits SZ 66/179 = ZfRV 1994, 161

[krit Schwind]; SZ 69/8; 3 Ob 44/99p).

Daraus folgt, dass der Beklagte bereits dadurch, dass er eine ausreichende Beleuchtung des unteren Teils der Stiege, die zur Gästeterrasse seines Gasthauses führt, unterlassen hat, gegen seine ihm den Gästen gegenüber obliegenden Schutzpflichten verstoßen hat. Dies gilt umso mehr, als sich in diesem Bereich die festgestellten Unregelmäßigkeiten der Stiegenoberfläche befanden. Auch wenn es sich bei der gegenständlichen Stiege um eine Außenstiege im ländlichen Bereich handelt, kann daraus eine Verminderung dieser Sorgfaltspflichten nicht abgeleitet werden; eine Überspannung dieser Pflichten ist schon deshalb ausgeschlossen, weil nach den Feststellungen die gegenständliche Stiege nicht die einzige Möglichkeit war, von der Terrasse auf die Straße zu kommen und es auch im ländlichen Raum einem Gastwirt zumutbar ist, eine gefährliche Stiege entweder ausreichend zu beleuchten oder aber mangels einer derartigen Beleuchtung eben bei Dunkelheit oder sonst schlechter Sicht zu schließen.

Nach den allgemeinen Regeln obliegt im Schadenersatzrecht, selbst im Anwendungsbereich des § 1298 ABGB, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, dem Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen schädigenden Handlung und seinem Schaden (vgl dazu etwa die Nachweise bei Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 16/11 FN 35). Es entspricht auch der Rechtsprechung, dass gerade in der Frage der Kausalität der Beweis des ersten Anscheins (prima-facie-)Beweis Anwendung findet. Dieser beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartig gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Der Anscheinsbeweis, also die Dartuung von Geschehensabläufen auf Grund von Erfahrungssätzen, stellt eine Beweiserleichterung für denjenigen dar, der anspruchsbegründende Tatsachen zu beweisen hat. Der Gegner kann diesen dann damit entkräften, dass er eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes als den typischen aufzeigt. Der Anscheinsbeweis wird in Fällen als sachgerecht empfunden, in denen konkrete Beweise von Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können (zuletzt ÖBl 2000, 77 mwN); in der Regel ist das der Fall, wenn es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des anderen liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur durch ihn beweisbar sind (SZ 70/179; MietSlg 50.740; ÖBl 2000, 77).

Die Vorinstanzen und somit auch das Berufungsgericht haben jedoch verkannt, dass es bei der schadenersatzrechtlichen Verursachungsprüfung nicht darum geht, ob eine bestimmte Ursache die alleinige war, sondern darum, ob ein bestimmtes zu prüfendes Ereignis auch eine Bedingung war (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/4 mN aus

Lehre und Rechtprechung; darunter etwa ZVR 1987/58 = DRdA 1986, 334).

In ähnlicher Weise wurde in SZ 68/191 = EvBl 1996/79 = ÖBA 1996/533

(mwN) dargelegt, dass ein Schaden dann adäquat herbeigeführt wird, wenn ein Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umstände geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen.

Im vorliegenden Fall kam die Klägerin auf einer schlecht erleuchteten, teilweise schadhaften Stiege zu Sturz. In so einem Fall ist typischerweise ein exakter Beweis über die Schadensverursachung praktisch nicht zu erbringen, weshalb von ihr nicht erwartet werden kann, einen vollen Beweis dafür zu erbringen, dass gerade die die Gehsicherheit auf dieser Stiege beeinträchtigenden Umstände ursächlich für ihren Sturz und die damit verbundenen Folgen waren. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann es aber nicht darauf ankommen, ob beim insbesondere nächtlichen Verlassen eines Gasthauses durch das Abwärtsgehen auf einer Stiege ein Sturz auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden kann. Abgesehen davon, dass der Beklagte lediglich vorbrachte, die Klägerin habe sich ihren Unfall selbst zuzuschreiben, und somit den Gegenbeweis gar nicht angetreten hat, hat das Berufungsgericht zu Unrecht lediglich geprüft, ob ein Sturz auf irgendeiner Stiege einen typischen für die Klägerin sprechenden Geschehensablauf darstellt. Richtigerweise hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob ein Sturz eines Gasthausbesuchers beim nächtlichen Abwärtsgehen auf einer schlecht beleuchteten und noch dazu nicht völlig gleichmäßig gebauten Stiege (vgl die festgestellten Unregelmäßigkeiten und die verminderte Höhe der untersten Stufe) typischerweise auf die dem Gastwirtvertrag widersprechende Beschaffenheit der Stiege zumindest mitzurückzuführen ist, zumal nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass ein nicht geh- oder sehbehinderter Mensch eine in ordnungsgemäßem Zustand befindliche und ausreichend beleuchtete Stiege auch bei Dunkelheit ohne Sturz herabgehen kann. Werden andere Verhältnisse festgestellt, spricht also der erste Anschein dafür, dass sie zumindest Mitursache für einen Sturz waren, der sich auf der Stiege ereignete.

Die Frage, ob im konkreten Fall der Beweis des ersten Anscheins gelungen ist, obliegt als Frage der Beweiswürdigung nur den Tatsacheninstanzen (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 22 vor § 266 mwN). Hier hat aber eine den Grundsätzen des Anscheinsbeweises genügende Prüfung, wie dargelegt, bisher nicht stattgefunden, weshalb es erforderlich isst, jedenfalls die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Da jedoch in erster Instanz die Frage des Anscheinsbeweises nicht erörtert wurde, ist zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung (vgl dazu 1 Ob 168/98g = [insoweit nicht veröffentlicht in MietSlg 50.740]) auch die Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz erforderlich, um dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, den Gegenbeweis anzutreten, der darin liegt, dass er eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes als des typischen aufgezeigt wird (zuletzt ÖBl 2000, 77 mwN). Dabei wird aber zu beachten sein, dass dieser Gegenbeweis erst dann erbracht ist, wenn der Gegner die ernstliche Möglichkeit aufzeigt, dass der Sturz selbst dann passiert wäre, wenn sich die Stiege in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden hätte und ausreichend beleuchtet gewesen wäre.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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