OGH 1Ob2051/96s

OGH1Ob2051/96s4.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Huberta K*****, vertreten durch Dr.Helmut Schmidt, Dr.Ingo Schreiber und Mag.Manfred Sommerbauer, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhold Kloiber und Dr.Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wegen S 148.280,14 sA und Feststellung (Streitwert S 15.000,- -) infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsgesamtstreitwert S 148.280,14) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 18.Jänner 1996, GZ 14 R 222/95-31, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 25.Juli 1995, GZ 23 Cg 526/93-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin kaufte von der beklagten Partei eine komplette Schiausrüstung, bestehend aus Schiern, Bindung und Schuhen. Über ihren Auftrag wurde aufgrund ihrer Angaben über Alter, Fahrkönnen und Körpergewicht die Bindung montiert und eingestellt. Die beklagte Partei nahm eine Überprüfung der Auslösewerte mittels eines elektronischen Einstellgeräts nicht vor und wies auf diesen Umstand auch nicht hin, obwohl vom Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs ein derartiger Hinweis (mittels Aufklebers am Schi) verlangt wird. Am 9.2.1993 stürzte die Klägerin beim Schifahren, die Bindung öffnete sich nicht. Die Klägerin erlitt bei diesem Sturz einen Riß des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie.

Die Verletzte begehrte Schadenersatz im Betrag von S 148.280,14 und die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei für alle zukünftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 9.2.1993 hafte. Die beklagte Partei habe die Kniegelenksverletzung durch eine fehlerhafte Einstellung der Schibindung verschuldet. Die Bindungsauslösewerte hätten das zulässige Ausmaß um mehr als 30 % überstiegen. Von der fehlenden elektronischen Überprüfung habe die Klägerin erst nachträglich erfahren.

Die Beklagte wendete ein, die Bindung korrekt eingestellt zu haben.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 133.082,14 sA zu und stellte fest, daß die beklagte Partei der Klägerin für alle zukünftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 9.2.1993, und zwar für jene Schäden, die aus der Verletzung des rechten Beins (Knie) resultierten, zu haften habe. Das Mehrbegehren von S 15.000,-- sA und das Feststellungsbegehren, soweit es die Verletzung des linken Unterarms der Klägerin betraf, wies es ab.

Es stellte fest, die beklagte Partei habe die Schibindung unter Verwertung der Angaben der Klägerin korrekt mit dem richtigen Skalenwert eingestellt. Eine Manipulation an der Bindung habe nachträglich nicht stattgefunden. Infolge eines Fehlers „an der Bindung selbst“ habe deren Auslösemechanismus nicht funktioniert, die Auslösewerte seien viel zu hoch gewesen. Dies wäre bei Vornahme einer elektronischen Kontrolle des von der beklagten Partei korrekt ermittelten und eingestellten Auslösewerts aufgefallen. Wäre die Klägerin von der mangelnden elektronischen Überprüfung informiert worden, hätte sie eine solche Überprüfung veranlaßt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, das Unterlassen einer entsprechenden Information sei der beklagten Partei als Verschulden anzulasten. Durch (korrekt eingestellte) Sicherheitsbindungen könnten zwar isolierte Kreuzbandverletzungen im Knie nicht verhindert werden, es sei auch die Feststellung nicht zulässig, daß im vorliegenden Fall bei korrekt eingestellter Bindung die Verletzung der Klägerin unterblieben wäre bzw. tatsächlich auf die Fehlfunktion der Bindung zurückzuführen sei, noch hafte die beklagte Partei der Klägerin, weil letztere einen unabdingbaren Anspruch auf eine korrekte Einstellung der Schibindung habe.

Das Berufungsgericht wies sowohl das Leistungs- wie auch das Feststellungsbegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Klägerin habe den Nachweis für einen Kausalzusammenhang zwischen der (letztlich) fehlerhaften Bindungseinstellung und ihrer Sturzverletzung nicht erbracht. Eine Schutzgesetzverletzung im Sinne des § 1311 ABGB liege nicht vor, sodaß die Klägerin für die Kausalität des der beklagten Partei vorgeworfenen Verhaltens beweispflichtig gewesen sei.

Die Revision der Klägerin ist unzulässig.

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das zur Haftung der beklagten Partei führende Fehlverhalten liegt nach Ansicht der Klägerin darin, daß jene auf die mangelnde elektronische Überprüfung des Bindungsauslösemechanismus nicht hingewiesen habe; nach den Behauptungen der Klägerin und den erstinstanzlichen Feststellungen hätte sie bei entsprechendem Hinweis eine elektronische Überprüfung vornehmen lassen. Gehe man von einem Verschulden der beklagten Partei - der Unterlassung dieses Hinweises - aus, dann trifft die Klägerin noch immer die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten (Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht) und dem eingetretenen Schaden, und zwar auch dann, wenn es sich - wie hier - um eine Unterlassung handelte. Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte. Keine Kausalität liegt vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (JBl 1994, 338; JBl 1988, 244; SZ 58/143; SZ 56/181; ZVR 1982/334; SZ 54/179 uva). An einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis dürfen allerdings keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden, weshalb der Beweis eines (sehr) hohen Wahrscheinlichkeitsgrades (besonders bei Unterlassungen) genügt. Die Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten, insbesondere die Unterlassung der beklagten Partei, herbeigeführt worden (JBl 1994, 338; JBl 1990, 458 uva). Häufig genügt der Nachweis, daß die Sachlage typisch auf einen solchen Kausalzusammenhang hinweist; allerdings läßt der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch eine andere Verursachungsmöglichkeit offenläßt, für den Anscheinsbeweis nach § 1296 ABGB keinen Raum (JBl 1992, 188; JBl 1988, 244; SZ 57/20 ua). Nun ist im vorliegenden Fall kein typischer, sich gleichmäßig wiederholender Geschehensablauf zu beurteilen, der die Bildung allgemein zugänglicher Erfahrungssätze erlauben würde, denn bei der von der Klägerin erlittenen Verletzung handelt es sich nicht um eine typische Verletzung, deren Vermeidung die Sicherheitsbindung dienen sollte (vgl 2 Ob 533/84). Die Klägerin müßte also einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit aufzeigen (vgl RZ 1979/24), daß die Unterlassung der beklagten Partei und die daraus folgende letztlich fehlerhafte Einstellung der Bindung für den Schadenseintritt ursächlich gewesen wäre, denn die beklagte Partei haftet auch bei einer fehlerhaften Einstellung der Bindung nur dann, wenn dies für die Verletzung der Klägerin kausal war (7 Ob 639/81). Einen solch hohen Grad der Wahrscheinlichkeit hat aber die Klägerin nicht nachgewiesen, vielmehr ist das Erstgericht, dessen Feststellungen vom Berufungsgericht übernommen wurden, deutlich erkennbar davon ausgegangen, daß eine verläßliche Schlußfolgerung bzw Feststellung dahin, daß die Verletzung auf die Fehlfunktion der Bindung zurückzuführen sei, nicht möglich sei, schloß es sich doch insoweit voll und ganz dem Gutachten des unfallchirurgischen Sachverständigen an, der dieses dort zum Ausdruck brachte (S 10 f der Entscheidung des Gerichts erster Instanz).

Die Empfehlung des Verbands der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs, die Kunden von der unterlassenen Überprüfung mittels eines elektronischen Einstellgeräts in Kenntnis zu setzen, kann keinesfalls als Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB angesehen werden. Mit ihrer Vorgangsweise mag die beklagte Partei eine rechtlich unverbindliche Richtlinie verletzt haben, es ist ihr aber keine Verletzung gezielter Schutznormen anzulasten (vgl Pichler, Haftungsfragen rund um die Schibindung, in ÖJZ 1976, 458 [462]; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 1311). Die „Umkehr der Beweislast“ wegen Übertretung einer Schutznorm kommt somit nicht in Betracht, sodaß erst gar nicht geprüft werden muß, welche Rechtsfolgen an eine solche zu knüpfen wären.

Die hier relevante Rechtsfrage, wen die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung der beklagten Partei und dem eingetretenen Schaden trifft, wurde - wie schon vorher aufgezeigt - vom Obersten Gerichtshof bereits wiederholt beantwortet. Die Kasuistik des vorliegenden Einzelfalls schließt eine beispielgebende Entscheidung aus. Demnach ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen; sie hat daher die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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