OGH 1Ob250/99t

OGH1Ob250/99t27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kraftwerke P***** Gesellschaft m. b. H. & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Georg Petzer und Dr. Herbert Marschitz, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Karl P*****, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen Vermarkung und Vermessung sowie Eigentumseinverleibung (Streitwert 40.000 S) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. März 1999, GZ 2 R 76/99m-33, womit aus Anlaß der Berufungen der Streitteile das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 16. November 1998, GZ 8 C 39/98f-27, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz eine Sachentscheidung über die Berufungen der Streitteile aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Beklagte ist aufgrund eines Übergabevertrags seit 1987 Eigentümer eines geschlossenen Hofs, zu dessen Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 174, 179/1, 465/2 und 465/8 gehören. Die klagende Partei ist seit 1994 Eigentümerin einer Nachbarliegenschaft, mit der Wasserbenutzungsrechte für bestimmte Wasserkraftanlagen verbunden sind.

Die klagende Partei begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Vermessung und Vermarkung von Teilen der eingangs bezeichneten Grundstücke zu dulden, in die Abschreibung dieser Teilflächen von seinem Gutsbestand sowie deren Zuschreibung zu ihrem Gutsbestand einzuwilligen und die dafür erforderlichen Aufsandungserklärungen abzugeben. Sie brachte vor, einer ihrer Rechtsvorgänger habe 1963 mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten im Zuge des wasserbehördlichen Verfahrens über einen Antrag auf Bewilligung der Errichtung einer Kraftwerksanlage vereinbart, daß letzterer jenem die für die "Überstauung" erforderlichen Teilflächen der Grundstücke 174, 465/2 und 465/8 gegen Zahlung einer Entschädigung übereigne. Dieses Übereinkommen sei im Bewilligungsbescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 3. April 1963 beurkundet worden. Schließlich habe sich herausgestellt, daß die "Überstauung" noch 226 m2 des Grundstücks 179/1 des Rechtsvorgängers des Beklagten erfassen werde. Deshalb hätten die Rechtsvorgänger der Streitteile 1987 anläßlich einer Verhandlung der Wasserrechtsbehörde, an der auch der Beklagte teilgenommen habe, vereinbart, das Eigentum an dieser Teilfläche gleichfalls an den Rechtsvorgänger der klagenden Partei zu übertragen. Dieses Übereinkommen sei im Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 30. März 1987 beurkundet worden. Der Beklagte müsse diese - von ihm anerkannte - schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung erfüllen. Er habe die Vereinbarungen aber auch als "Universalsukzessor" nach § 1409 ABGB zuzuhalten, habe er sie doch bereits bei Abschluß des Übergabevertrags gekannt. Wasserberechtigter sei der jeweilige Eigentümer der Betriebsanlage bzw Liegenschaft, mit der die Wasserbenutzungsrechte verbunden seien. Sie - die klagende Partei - sei nunmehr als Wasserbenutzungsberechtigte im Wasserbuch eingetragen und aus den in den Bescheiden der Wasserrechtsbehörde beurkundeten Übereinkommen als Rechtsnachfolgerin berechtigt und verpflichtet.

Der Beklagte wendete ein, allfällige Verpflichtungen aus dem im Bescheid vom 3. April 1963 beurkundeten Übereinkommen seien erloschen, weil der Rechtsvorgänger der klagenden Partei die vereinbarte Ablösezahlung nicht fristgerecht vollständig geleistet habe. Das Übereinkommen sei überdies nicht mehr als ein Vorvertrag gewesen. Der Abschluß eines Hauptvertrags innerhalb eines Jahres sei unterblieben. Das im Bescheid vom 30. März 1987 beurkundete Übereinkommen beziehe sich nur auf die Einräumung der für die Errichtung und Erhaltung der Kraftwerksanlage erforderlichen Dienstbarkeiten. Der Betrag von 20.000 S sei nicht bezahlt worden. Der Klageanspruch beruhe auf rein obligatorischen Rechten. Solche bestünden jedoch nicht ihm gegenüber, weil er 1987 aufgrund des Übergabevertrags auch an den nunmehr streitverfangenen Grundstücken gutgläubig unbelastetes Eigentum erworben habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in bisher zwei Rechtsgängen teilweise statt und wies es teilweise ab.

Das Berufungsgericht hob das bisherige Verfahren und das angefochtene Urteil aus Anlaß der Berufungen der Streitteile im zweiten Rechtsgang als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Wasserrechtsbehörde habe gemäß § 111 Abs 3 WRG jedenfalls im Bescheid vom 30. März 1987 eine privatrechtliche Vereinbarung über die Inanspruchnahme fremder Grundstücke für eine Wasserkraftanlage beurkundet. Ohne ein solches Übereinkommen hätte die Behörde gemäß den §§ 60 ff WRG über die Einräumung von Zwangsrechten absprechen müssen. Ein solches privatrechtliches Übereinkommen erhalte durch seine Beurkundung in einem wasserbehördlichen Bescheid den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Dem Verweis auf die sinngemäße Anwendung des § 117 WRG in § 111 Abs 3 WRG sei zu entnehmen, daß über die Auslegung und die Rechtswirkungen der in einem Bescheid beurkundeten Vereinbarungen über freiwillig eingeräumte Rechte an fremdem Grund gemäß § 117 Abs 7 WRG die Wasserrechtsbehörde zu erkennen habe. Die klagende Partei habe im zweiten Rechtsgang "unzweifelhaft klargestellt", das Klagebegehren ausschließlich auf ihre Rechtsstellung als Wasserberechtigte und die dingliche Wirkung von Übereinkommen, die in wasserbehördlichen Bescheiden beurkundet seien, zu stützen. Demnach seien die ordentlichen Gerichte, die in sukzessiver Zuständigkeit nur über Entschädigungsansprüche zu entscheiden hätten, "bei sinnhafter Auslegung des § 111 Abs 3 (§ 117 Abs 4 und 7) WRG in der geltenden Fassung "zu Unrecht angerufen" worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Der erkennende Senat mußte zur Auslegung der Bestimmungen des § 117 Abs 6 und 7 in Verbindung mit § 111 Abs 3 WRG in der geltenden Fassung nach der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 - also zu Fragen im Zusammenhang mit bescheidmäßig beurkundeten Übereinkommen - in den letzten Jahren mehrmals Stellung nehmen und kam in der später fortgeschriebenen (1 Ob 211/99g; 1 Ob 2/95; 1 Ob 40/94) Grundsatzentscheidung 1 Ob 27/93 (= SZ 67/6) zu folgendem Ergebnis:

a) Soweit im Übereinkommen zivilrechtliche Rechtsverhältnisse berührt werden, das heißt solche Fragen, die im Fall der Nichteinigung von der Wasserrechtsbehörde - mangels Entscheidungskompetenz - gemäß § 113 WRG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen wären, weil sie Rechtsbeziehungen der Bürger unter sich betreffen, ist im Streitfall nach § 1 JN die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, weil dieser Fragenkreis von § 111 Abs 3 zweiter Satz WRG nicht erfaßt wird. Solche Fragen müssen angesichts des Fehlens von Sondervorschriften im streitigen Verfahren ausgetragen werden.

b) Soweit im Übereinkommen "freiwillig" zivilrechtliche Rechte (Eigentum, Dienstbarkeiten etc) eingeräumt werden, die sonst grundsätzlich auch zwangsweise von der Behörde eingeräumt werden oder die als kraft Gesetzes eingeräumt gelten könnten (§ 72, § 111 Abs 4 WRG), entscheidet über Umfang und Inhalt der eingeräumten Rechte - nicht der allenfalls in diesem Zusammenhang vereinbarten Entschädigungen etc - die Wasserrechtsbehörde und nur im Rahmen der "sukzessiven Zuständigkeit" nach § 117 Abs 4 und Abs 6 WRG - also über Fragen der Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten in Ermangelung einer Vereinbarung - das Gericht; für dieses ist das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensnorm.

c) Soweit im Übereinkommen im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens Leistungen ausbedungen werden, die als "Entschädigungsleistungen" oder "Ersatz- oder Beitragsleistungen" iS von § 117 WRG zu deuten sind, entscheidet im Streitfall über die Auslegung oder die Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens gemäß § 117 Abs 7 WRG ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde ausschließlich das Gericht. Auch in diesem Fall ist das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensnorm.

1. 1. Die Inanspruchnahme fremder Grundstücke für Zwecke einer Wasserbenutzungsanlage hat nur dann dingliche Wirkung, wenn bei Zugrundelegung der Erwägungen unter 1. b) ein Zwangsrecht begründet oder ein gütliches Übereinkommen hierüber im Bewilligungsbescheid der Wasserrechtsbehörde beurkundet oder eine rechtsgeschäftlich begründete Dienstbarkeit verbüchert wurde bzw ein solches dingliches Recht zumindest offenkundig ist. Dagegen betrifft die Bestimmung des § 22 Abs 1 WRG nur das Wasserbenutzungsrecht als solches und die Rechtsnachfolge in dieses (SZ 60/84).

1. 2. Die Einräumung von Zwangsrechten gegen Dritte nach den §§ 60 ff WRG setzt ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung des beantragten Wasserbauvorhabens voraus (Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht Rz 1 zu § 60 WRG). Das ist im Anlaßfall in Hinsicht auf die Enteignung und die Einräumung von Zwangsdienstbarkeiten von Bedeutung. Die Voraussetzungen derartiger behördlicher Maßnahmen ergeben sich aus § 63 lit b) und c) WRG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat derjenige, der enteignet oder zu Lasten dessen Gutsbestands eine Zwangsdienstbarkeit begründet werden soll, ein subjektives öffentliches Recht auf Durchführung der gesetzlich gebotenen Interessenabwägung, um zu klären, ob die im öffentlichen Interesse liegenden Vorteile des jeweiligen Wasserbauvorhabens die Nachteile der Einräumung von Zwangsrechten überwiegen (10. 12. 1998 98/07/0034; 24. 10. 1995 94/07/0062; 20. 10. 1994 AW 94/07/0022).

2. Der Streitgegenstand ist nach herrschender Ansicht zweigliedrig;

er wird durch das Begehren und das ihm zugrunde gelegte Tatsachenvorbringen - den Klagegrund - bestimmt (SZ 68/220; SZ 64/71;

SZ 63/43; SZ 59/14; SZ 48/113 uva; Fasching, ZPR2 Rz 1158; Rechberger in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 15 Vor § 226) und ist auch für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgebend. Entscheidend ist also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs. Danach ist zu beurteilen, ob über den eingeklagten Anspruch die Zivilgerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben (SZ 68/220; SZ 61/88; SZ 58/156; JBl 1973, 155; SZ 36/115; MietSlg 23.613 uva). Im Anlaßfall sind für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit des ordentlichen (streitigen) Rechtswegs die voranstehend erläuterten wasserrechtlichen Implikationen des als Klagegrund behaupteten Sachverhalts ausschlaggebend.

2. 1. Vor dem Hintergrund aller bisherigen Ausführungen ist zu beachten, daß die klagende Partei zwar in einem frühen Verfahrensstadium vorbrachte, "Beurkundungen in öffentlich-rechtlichen Verfahren" hätten "dingliche Wirkung" (ON 7 S. 3) und ihr Rechtsvorgänger habe bei der Wasserrechtsbehörde einmal einen Antrag auf Enteignung einer Teilfläche von 226 m2 gestellt (ON 1 S. 3; ON 7 S. 2); aus ihren späteren Prozeßbehauptungen ist jedoch deutlich ableitbar, daß sie sich in Wahrheit nicht auf Sachenrechte stützt, die von der Wasserrechtsbehörde - in Ermangelung eines privatrechtlichen Übereinkommens - zwangsweise einzuräumen gewesen wären, sondern vielmehr der Ansicht ist, der Beklagte müsse die im wasserbehördlichen Verfahren geschlossenen Übereinkommen deshalb zuhalten, weil er die Vertragspflichten seines Rechtsvorgängers einerseits persönlich anerkannt habe (ON 24 S. 2; ON 26 S. 5 f), für deren Erfüllung andererseits aber auch "als Universalsukzessor im Sinne der Bestimmungen des § 1409 ABGB" hafte, habe er sie doch bei Abschluß des Übergabevertrags bereits gekannt (ON 24 S. 3).

Damit wird aber das Klagebegehren, wie zusammenzufassen ist, auf Tatsachen gestützt, die von § 111 Abs 3 zweiter Satz WRG vor dem Hintergrund der Erwägungen unter 1. a) nicht erfaßt werden. Der Streitfall ist daher angesichts des Fehlens von Sondervorschriften im ordentlichen Rechtsweg zu klären.

2. 2. Soweit das Berufungsgericht betonte, die klagende Partei habe im zweiten Rechtsgang "unzweifelhaft klargestellt ..., ihren Anspruch ausschließlich auf ihre Position als Wasserberechtigter und die dingliche Wirkung wasserrechtlicher Bescheide im Zusammenhang mit beurkundeten gütlichen Übereinkünften zu stützen", verkennt es zum einen den unter 1. 1. erläuterten Wesensgehalt des § 22 Abs 1 WRG und übersieht zum anderen, daß die klagende Partei die Behauptung einer Verdinglichung von Rechtspflichten durch die Beurkundung der im Anlaßfall maßgeblichen Übereinkommen in wasserbehördlichen Bescheiden im zweiten Rechtsgang - schlüssig - nicht mehr aufrechterhielt.

Somit ist aber dem Rekurs Folge zu geben und dem Gericht zweiter Instanz die Sachentscheidung über die Berufungen der Streitteile aufzutragen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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