OGH 1Ob136/63

OGH1Ob136/6318.9.1963

SZ 36/115

Normen

AHG §1
AHG §9 (5)
Postgesetz §4
AHG §1
AHG §9 (5)
Postgesetz §4

 

Spruch:

Die Organstellung gemäß § 1 AHG. kann auch durch einen Werkvertrag begrundet werden.

Ungeachtet der vom Organ dem Geschädigten gegenüber abgegebenen Erklärung, sich zum Ersatz des Schadens zu verpflichten, bleibt dem Geschädigten der Rechtsweg gegen das Organ verschlossen.

Die Postbeförderung im Weg der Postämter gehört zur Hoheitsverwaltung.

Verkehrsunfall als Amtshaftungsfall.

Entscheidung vom 18. September 1963, 1 Ob 136/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Fehring; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger begehrt mit der am 20. November 1962 überreichten Klage vom Beklagten eine Summe von 2866 S 56 g als Ersatz für den Schaden, den er am 21. Dezember 1961 durch einen Zusammenstoß mit dem nicht ordnungsgemäß beleuchteten, vom Beklagten gefahrenen Pferdepostwagen zwischen dem Bahnhof F. und dem Markt F. erlitten habe. Der Beklagte habe sich mit einer schriftlichen Erklärung vom 22. Dezember 1961 zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Nachdem ausschließlich in der Hauptsache über das vom Beklagten bestrittene Klagebegehren verhandelt worden war, erhob der Beklagte zu Beginn der Tagsatzung vom 5. April 1963 die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung, daß er als ständiger Lenker des posteigenen Stellwagens zum Transport der Brief- und Paketpost vom Bahnhof F. zum Postamt F. und zurück, den er mit seinen eigenen Pferden fahre, beim Unfall Organ im Sinne des § 1 (1) und (2) AHG. und in Vollziehung eines Auftrages der Postverwaltung tätig gewesen sei. Der Kläger beantragte die Abweisung der Einrede, über die das Erstgericht in der Folge durch die Vernehmung der Zeugin Johanna K. Beweis aufnahm.

Der Erstrichter gab in der weiteren Tagsatzung vom 17. Mai 1963 der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges statt und wies die Klage zurück, wobei er dem Kläger den Ersatz der Kosten für die beiden angeführten Tagsatzungen auferlegte. Der Erstrichter grundete seine Entscheidung auf die Feststellung, daß der Beklagte auf Grund eines mit der Post- und Telegraphendirektion für Steiermark abgeschlossenen Vertrages mit einem posteigenen Plateauwagen, für den er die eigenen Pferde zur Verfügung stelle, zweimal täglich, und zwar morgens und abends, die Postsendungen vom Postamt F. zum Bahnhof F. und zurück führe; hiefür bekomme er pro Fahrt eine Entlohnung von 29 S; zur Zeit des Unfalles habe sich der Beklagte, nachdem er mit dem Postwagen die Postsendungen vom Postamt F. zum Bahnhof F. gebracht hatte, auf der Rückfahrt zum Postamt befunden. Diesen Sachverhalt beurteilte der Erstrichter dahin, daß der Beklagte zur Unfallszeit eine Tätigkeit im Auftrag der Postverwaltung ausgeübt habe und somit ein Organ des Bundes im Sinne des § 1 AHG. gewesen sei; der Beklagte hafte daher nach § 1 (1) AHG. dem Kläger gegenüber für die Schadensfolgen nicht; er habe nach § 9

(5) AHG. vom Kläger im ordentlichen Rechtsweg auch nicht in Anspruch genommen werden können; die schriftliche Erklärung des Beklagten vom 22. Dezember 1961, mit der er sich zum Schadenersatz verpflichtete, sei irrelevant.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen, der Antrag auf Zurückweisung der Klage abgewiesen, der Kostenausspruch behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen werde; den Kostenrekurs des Beklagten verwies es auf diese Entscheidung. Es sah die Tätigkeit des Beklagten bei der Post als der Wirtschaftsverwaltung, nicht aber der Hoheitsverwaltung zugehörig an und vertrat die Rechtsansicht, daß dem Beklagten auch nicht die Stellung eines Organs, sondern nur die Stellung eines Vertragspartners der Postanstalt (Werkvertrag) zukomme.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge und änderte den zweitgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß mit dem Beisatz wiederhergestellt wird, daß das der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. April 1963 vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wird und die Kosten des nichtigen Verfahrens gegenseitig aufgehoben werden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Beklagten muß zunächst zugegeben werden, daß die Postbeförderung im Wege der Postämter der Hoheitsverwaltung des Bundes zuzurechnen ist (vgl. Art. 23 (5) B.-VG.), dem gemäß Art. 10 (1) Z. 9 B.-VG. auch die Vollziehung des Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens obliegt. Von einer bloßen Wirtschaftsverwaltung kann bei dieser Verrichtung nicht gesprochen werden, weil hierin keine grundsätzliche Gleichordnung der Körperschaft öffentlichen Rechts mit den anderen Rechtssubjekten besteht, sondern es sich um spezifische Leistungen handelt, die ausschließlich der Post übertragen sind (§§ 4 ff. PG.). Die Beförderung der Post im Auftrage einer Post- und Telegraphendirektion ist daher eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze (Hoheitsverwaltung), wobei es unerheblich ist, daß es sich um eine bloß tatsächliche Verrichtung handelt (Loebenstein - Kaniak, Komm. zum AHG., S. 49).

Gemäß § 1 (1) AHG. haftet unter anderem der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als seine Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigen haftet das Organ nicht. Diese Bestimmung deckt auch Schadensfälle, bei denen unter den darin angeführten Voraussetzungen durch das rechtswidrige Verhalten eines Organs im Straßenverkehr einem Dritten schuldhaft ein Schaden zugefügt wird (vgl. die Entscheidungen ZVR. 1961 Nr. 84, JBl. 1961 S. 425). Ein Organ ist gemäß § 1 (2) AHG. unter der Voraussetzung des Handelns in Vollziehung der Gesetze, aber auch jede physische Person, die, ohne gewählt oder ernannt zu sein, sonstwie bestellt ist, und zwar selbst dann, wenn ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach privatem Recht zu beurteilen ist. Auch durch Abschluß eines Werkvertrages kann also einer Person Organstellung verliehen werden, wenn ihr damit die Besorgung hoheitsrechtlicher Agenden übertragen wird (ebenso Loebenstein - Kaniak, a. a. O., S. 34).

Geht man von diesen Rechtsgrundsätzen aus, sind die Voraussetzungen für einen nach § 1 AHG. zu beurteilenden Schadensfall in der vorliegenden Rechtssache als gegeben anzusehen. Der Beklagte war von der Post- und Telegraphendirektion für Steiermark mit der täglichen Beförderung der Postsendungen zwischen dem Postamt F. und dem Bahnhof F. betraut. Er erfüllte mit der Postbeförderung tatsächliche Agenden im Rahmen der Hoheitsverwaltung des Bundes und war daher auch bei der Fahrt, auf der sich der Schadensfall ereignete, in Vollziehung der Gesetze tätig. Der nach Privatrecht zu beurteilende Auftrag genügte, um seine Organstellung zu begrunden. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf ein rechtswidriges schuldhaftes Verhalten des Beklagten, durch das ihm der Schaden, für den er Ersatz begehrt, entstanden sei. Er macht daher einen nach dem Amtshaftungsgesetz verfolgbaren Anspruch geltend. Für diesen Anspruch haftet der Beklagte dem Kläger nach dem Gesetz (§ 1 (1) AHG.) nicht.

Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte habe sich durch die Erklärung zum Schadenersatz verpflichtet, hat schon der Erstrichter zutreffend darauf verwiesen, daß der Geschädigte nach der zwingenden Bestimmung des § 9 (5) AHG. den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im § 1 AHG. genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen kann. An der Rechtsnatur des vom Kläger verfolgten Anspruchs hat sich durch die Erklärung des Beklagten nichts geändert.

Zusammenfassend ergibt sich also, daß vom Erstrichter zutreffend auf das im Amtshaftungsgesetz geregelte Verfahren verwiesen wurde.

Dem Revisionsrekurs ist daher dahin stattzugeben, daß der erstgerichtliche, die Unzulässigkeit des Rechtsweges und die Zurückweisung der Klage aussprechende Beschluß wiederherzustellen ist. Das Verfahren, das bis zur Erhebung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges in der Hauptsache durchgeführt wurde, muß aus Anlaß des Revisionsrekurses als nichtig aufgehoben werden (§ 477 (1) Z. 6 ZPO.). Die Kosten des als nichtig aufgehobenen Verfahrensteiles sind gegenseitig aufzuheben (§ 51 (3) ZPO.). Damit erweist sich aber auch der vom Beklagten gegen die Kostenbestimmung des Erstrichters erhobene Rekurs letzten Endes als unbegrundet, weshalb Rekurskosten hiefür nicht zugesprochen werden können.

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