OGH 1Ob27/93

OGH1Ob27/9325.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Friedrich E*****, 2.) Luise E*****, 3.) Michael E*****, 4.) Elisabeth R*****, alle vertreten durch Dr. Richard Kaan und andere, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Gemeinde R*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung und Festsetzung einer Entschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 2. Juli 1993, GZ 3 b R 28/93-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 8. Jänner 1993, GZ ANc 96/92-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird in Ansehung des Feststellungsbegehrens bestätigt, in Ansehung des Begehrens auf Festsetzung einer Entschädigung hingegen dahin abgeändert, daß in diesem Umfang die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Äußerung und Beantwortung des Revisionsrekurses der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind gemeinsam Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 58 Grundbuch 87114 R***** (Alpe K*****), zu der unter anderem die Grundstücke Nr 701/1, 701/3 und 701/5 gehören.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 25. September 1972, Zl I-1240/37-1972, wurde die wasserrechtliche Bewilligung zur Durchführung des Wildbachverbauungsprojektes „U*****-Bach - K*****-Bach - Ergänzungsprojekt 1971“ erteilt. Laut Punkt VIII. dieses Bescheides wurde die Entscheidung über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten einem Nachtragsbescheid vorbehalten. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. September 1974, Zl IIIa 1-4779/25, war der Gemeinde R***** (damals noch R*****; Antragsgegnerin) unter einer Reihe von „Bedingungen“ die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung ihrer im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Schwaz unter Postzahl 728 eingetragenen Wasserversorgungsanlage durch Fassung von vier Quellen auf „Gp 701/1 und 704 KG R*****“ erteilt worden. Zufolge Berufung der (nunmehrigen) Erst - bis Drittantragsteller behob der BMLuF diesen Bescheid mit Bescheid vom 20. Dezember 1974, Zl 88.426-I/1/74, und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz. Im Zuge dieses weiteren Verfahrens war ein zwischen den Antragstellern mit der Agrargemeinschaft S***** (als weiterem Hälfteeigentümer der obgenannten Liegenschaft) einerseits und mit der Antragsgegnerin andererseits geschlossenes umfangreiches Übereinkommen - auch in Ansehung der Entschädigung - mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 13.März 1975, Zl I-940/55-74, betreffend „Wildbachverbauungsprojekt U*****-Bach - K*****-Bach - Ergänzungsprojekt 1971 - Entschädigung“ (Beilage A) gemäß § 111 Abs 3 WRG beurkundet worden. Eine Ergänzung dieses Übereinkommens wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Dezember 1975, Zl IIIa1-4779/42 (Beilage B), gemäß § 111 Abs 3 WRG beurkundet. Dieses Ergänzungsübereinkommen lautet:

„I. Gegenstand ...

1) Die Geschwister E***** als Grundbesitzer des Hälfteanteils der K*****-Alpe gestatten der ... (Antragsgegnerin), die auf den Grundparzellen Nr 701/1, 701/3 und 701/5 der KG R***** entspringenden Quellen fachgemäß zu fassen und das Quellwasser mittels einer unterirdisch verlegten Rohrleitung über die Grundparzellen ... zum Zwecke der Versorgung der Ortschaft R***** abzuleiten, sowie die errichteten Anlagen zu benützen und zu erhalten.

2) Die Lage und der Umfang der zu errichtenden Anlagen sowie die Lage der Quellen sind im Projekt „Trinkwasserversorgung R*****“ aus dem Jahre 1974 der ... (Antragsgegnerin) festgehalten. Für dieses Projekt wurde vom Amte der Tiroler Landesregierung der Bescheid vom 2.9.1974, IIIa1 - 4779/25, erlassen, auf welchen hiermit verwiesen wird und der von den beiden Vertragspartnern als verbindlich anerkannt wird.

II. Dauer:

1) Dieses Übereinkommen wird mit Wirksamkeit vom 3.12.1975 auf unbestimmte Zeit, längstens auf die Dauer des konsensmäßigen Bestandes der im Punkt 1) angeführten Wasserversorgungsanlage abgeschlossen.

III. Entgelt:

1) Die projektsgemäße Nutzung der oben angeführten Quellen wird von den Grundeigentümern der ... (Antragsgegnerin) kostenlos gestattet.

IV. Wirtschaftliche Bestimmungen:

1) Die ... (Antragsgegnerin) als der Benützer ist berechtigt, auf den im Punkt 1.) bezeichneten Grundstücken alle Arbeiten durchzuführen, die für die Errichtung, die Benützung und Erhaltung der laut Projekt 1974 geplanten und bewilligten Wasserversorgungsanlage erforderlich sind. ...

2) Der Bau und Betrieb der Wasserversorgungsanlage hat entsprechend dem wasserrechtlichen Genehmigungsbescheid des Amts der Tiroler Landesregierung vom 2.9.1974, ... zu erfolgen. Der Benützer hat alle für die Benützung und Errichtung der vorgesehenen Anlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen auf seine Kosten einzuholen. Die Anlagen dürfen erst dann in Betrieb genommen werden, wenn alle hiefür erforderlichen Genehmigungen vorhanden sind. ...

6) Allfällige Zu- und Umbauten an der Wasserversorgungsanlage sind einem neuerlichen Projekt vorzubehalten. ...

VIII. Sondervereinbarungen:

6) ... Die ... (Antragsgegnerin) als Konsenswerber für das Projekt „Trinkwasserversorgung R*****“ und das Projekt „Wildbachverbauung U*****-Bach - K*****-Alpe verpflichtet sich, den ... erstellten Plan für die K*****-Alpe in vollem Umfange auszuführen. ... Es wird vereinbart, daß dieses Übereinkommen der Bezirkshauptmannschaft Schwaz als Wasserrechtsbehörde erster Instanz zur Beurkundung vorgelegt wird. Weiters wird vereinbart, daß dieses Übereinkommen dem Amte der Tiroler Landesregierung als der für die Trinkwasserversorgung zuständigen Wasserrechtsbehörde zur Beurkundung vorgelegt wird, womit die bisher offene Frage der Entschädigung der Quellnutzung einvernehmlich geregelt ist und dadurch sämtliche, das Projekt Trinkwassernutzung K*****-Alpe berührenden Fragen einvernehmlich gelöst sind.“

Aufgrund des Ansuchens der Antragsgegnerin vom 4. Mai 1981 „um die Durchführung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens für die bereits fertiggestellte Wasserversorgungsanlage R*****-K*****“ hat der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 24. November 1981, Zl IIIa1-4779/90, der Antragsgegnerin die wasserrechtliche Bewilligung für die Anlage erteilt und das Maß der Wassernutzung mit 16 Liter/sec. festgesetzt. Unter Spruchpunkt II. Wurde nach § 111 Abs 3 WRG festgestellt, „daß auf Grund des im ha. Bescheid vom 15.12.1975 ... beurkundeten Übereinkommens auf den Grundstücken der ... (Antragsteller) die für die oben bewilligte Anlage erforderlichen Dienstbarkeiten als eingeräumt anzusehen sind, und daß die ... (Antragsgegnerin) über die oben vereinbarten Entschädigungen hinaus keine weiteren Leistungen zu erbringen hat“. Der BMLuF hat mit Bescheid vom 19. November 1985, Zl 510.230/03-15/85, über Berufung der Antragsteller diesen mit Spruchpunkt I. die Hälfte der vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen errechneten Entschädigungssume zuerkannt und unter Spruchpunkt II. Die „Nachprüfung“ der genannten Entschädigungssumme sowie die Frage des rechtlichen Schicksals der anderen Hälfte des Entschädigungsbetrages einer „gesonderten Nachtragsentscheidung“ vorbehalten. Nach Aufhebung dieses Bescheides durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1986, Zlen 86/07/0021-8 und 86/07/0064-9, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes hob der BMLuF mit Ersatzbescheid vom 15. Jänner 1987, Zl 510.230/08-15/86, den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. November 1981 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens hat der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 22. August 1988, Zl IIIa1-4779/146 (Beilage D), unter Spruchpunkt I. die wasserrechtliche Bewilligung „für die im Befund näher beschriebenen Maßnahmen und Anlagen und die damit zusammenhängende Wasserbenutzung nach Maßgabe des eingereichten Bauentwurfes erteilt“. Unter Spruchpunkt II. wurde das Maß der Wasserbenutzung auf die Entnahme von 16 Liter/sec. Wasser aus dem Quellvorkommen K*****-Quellen zum Zwecke der Trink- und Nutzwasserversorgung festgesetzt. Unter Spruchpunkt XI. wurde festgestellt, „daß das mit Bescheid des Landeshauptmann von Tirol vom 15.12.1975, Zl IIIa1-4779/42, beurkundete Übereinkommen Gültigkeit hat und die projektsgemäße Grundinanspruchnahme der Grundstücke, die im Eigentum der ... (Antragsteller) bzw der Agrargemeinschaft S***** stehen, dadurch geregelt ist. Die „daraus sich ergebenden offenen Forderungen“ und die Forderung auf Zuerkennung einer Entschädigung für die bewilligungslose Wassermenge bzw für die bewilligungslose Grundinanspruchnahme werden mangels einer Einigung auf den Zivilrechtsweg verwiesen“. Der BMLuF änderte bzw ergänzte mit Bescheid vom 18. Dezember 1989, Zl 510.230/08-I 5/89 (Beilage E), in jeweils teilweiser Stattgebung der Berufungen der Erst- bis Drittantragsteller und der Antragsgegnerin (Spruchpunkt I.D) dahingehend ab, daß im Spruchabschnitt XI. des angefochtenen Bescheides das Wort „Gültigkeit“ durch das Wort „Rechtswirkungen“ ersetzt wurde. Unter Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, daß im übrigen beiden Berufungen nicht Folge gegeben werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl 91/07/0007-23 (Beilage F), den Bescheid des BMLuF vom 18.Dezember 1989 im Umfang des Spruchpunktes I.D) zum einen wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, und zwar insoweit, als mit ihm über die im bescheidmäßig beurkundeten Übereinkommen geregelte Frage der Entschädigung entschieden wurde, zum anderen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, und zwar insoweit, als mit ihm die „daraus sich ergebenden offenen Forderungen“ auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat, soweit hier relevant, im wesentlichen die Auffassung, Absicht der Parteien und damit Geschäftszweck sei es gewesen, die mit dem Projekt der Antragsgegnerin ex 1974 zur Erweiterung ihrer Wasserversorgungsanlage für die Antragsteller verbundenen Eigentumseingriffe und die sich daraus ergebende Entschädigung zum Gegenstand einer einvernehmlichen („gütlichen“) Regelung zu machen anstatt diese Fragen einem bescheidmäßigen Ausspruch nach § 60 Abs 2 WRG zu überlassen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von den Erst - bis Drittantragstellern im Rechtsmittel angeführten und auch aktenkundigen Abweichungen vom Projekt ex 1974 bei der Ausführung des Vorhabens durch die Antragsgegnerin dazu geführt habe, daß die von den Vertragsparteien als dauernd vorausgesetzte Sachlage weggefallen sei. Denn der Wegfall (die Änderung) der Geschäftsgrundlage bewirke noch nicht die Rechtsunwirksamkeit, sondern nur die - hier fehlende - Anfechtbarkeit der Übereinkunft bei den ordentlichen Gerichten. Was die Frage der Entschädigung („kostenlos“) anlange, habe die belangte Behörde eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen. Nach § 117 Abs 7 WRG idF der WRG-Novelle 1988 habe, soweit Angelegenheiten des Abs 1 (unter anderem Frage von Entschädigungen) geregelt würden, über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht zu entscheiden. Ungeachtet der Einführung dieser Vorschrift durch die Novelle sei der dasselbe Thema regelnde § 111 Abs 3 WRG unverändert bestehen geblieben. Diese Regelungs-Parallelität sei im Wege des Grundsatzes „lex posterior derogat legi priori“ aufzulösen, sodaß bei Streit über in einem Übereinkommen geregelte Entschädigungsfragen die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes gegeben sei. Die Verweisung der „daraus sich ergebenden offenen Forderungen“ auf den Zivilrechtsweg sei zu unbestimmt, weil sich weder aus dem Ausspruch selbst noch aus der Bescheidbegründung noch aus den Akten ergebe, welche aus dem Übereinkommen bzw der Grundinanspruchnahme ableitbare Forderungen damit gemeint seien. Die Verweisung der Forderung der Erst - bis Drittantragsteller auf „Zuerkennung einer Entschädigung für die bewilligungslose Wassermenge bzw für die bewilligungslose Grundinanspruchnahme“ auf den Zivilrechtsweg sei im Ergebnis zutreffend.

Der Ersatzbescheid des BMLuF steht offenbar noch aus.

Die Antragsteller stellten am 31. Dezember 1992 „vorbehaltlich der Erlassung eines Ersatzbescheides durch die Wasserrechtsbehörde“ die Anträge, das Erstgericht möge

1. feststellen, daß die zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin geschlossene und am 13.März 1975 sowie 15. Dezember 1975 gemäß § 111 Abs 3 WRG durch die Verwaltungsbehörde beurkundeten Übereinkommen keinerlei Wirkung hinsichtlich der von der Antragsgegnerin auf den Grundstücken der Antragsteller ...Nr 701/1, 701/3 und 701/5 errichteten Wasserversorgungsanlage habe;

2. eine angemessene Entschädigung für die Grundinanspruchnahme der Grundstücke der Antragsteller sowie die Ableitung von 16 Liter Wasser/sec. und die darüber hinausgehenden Mengen jeweils durch die Antragsgegnerin für den Zeitraum seit 18.Dezember 1989 (Bewilligung der Anlage) festzusetzen.

Dazu brachten die Antragsteller im wesentlichen vor, die Wasserversorgungsanlage sei mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 22. August 1988 bewilligt worden. Über die von den Antragstellern in letzter Instanz erhobene Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit - den Antragsteller am 4. November 1992 zugestelltem - (oben angeführten) Erkenntnis vom 22.September 1992 ausgesprochen, daß gemäß § 117 WRG für Fragen, die sich aus einem Übereinkommen gemäß § 111 Abs 3 WRG ergäben bzw für die Frage der von der Antragsgegnerin zu leistenden Entschädigung das Gericht zuständig sei. Gemäß § 117 Abs 4 WRG sei daher binnen zwei Monaten eine gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Zuständig sei das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich das Grundstück der Antragsteller befinde. Das Gericht sei auch für Fragen der Auslegung und der Wirkungen von Übereinkommen gemäß § 111 Abs 3 WRG zuständig. Zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin seien zwei solche Übereinkommen geschlossen worden, deren Interpretation nunmehr strittig sei. Grundlage dieser Übereinkommen sei das von der Antragsgegnerin geplante Projekt „Trinkwasserversorgung R*****“ aus dem Jahre 1974 gewesen. Die Antragsgegnerin habe nunmehr eine Wasserversorgungsanlage errichtet, die vom ursprünglich geplanten Projekt so verschieden sei, daß sie nach Meinung der Antragsteller von den beiden Übereinkommen nicht mehr gedeckt sei. Während beim ursprünglichen Projekt die Ableitung einer Wassermenge von 5 Liter/sec. geplant gewesen sei, sei für die verwirklichte Anlage eine Menge von 16 Liter/sec. bewilligt worden; darüber hinaus würden zum Teil auch wesentlich mehr als 16 Liter/sec. abgeleitet. Gemäß § 117 WRG stehe den Antragstellern eine Entschädigung für die Inanspruchnahme ihres Eigentums zu, zumindest soweit für das Projekt kein Übereinkommen gemäß § 111 Abs 3 WRG geschlossen worden sei. Dies sei hier der Fall. Entgegen der Feststellung im Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung, daß das nunmehr ausgeführte Projekt durch Übereinkommen geregelt sei, habe nach Meinung der Antragsteller das Übereinkommen nur das ursprüngliche Projekt betroffen, das tatsächlich errichtete sei von den Übereinkommen jedoch nicht berührt.

Das Erstgericht wies die Anträge der Antragsteller a limine zurück, weil die Anträge „vorbehaltlich der Erlassung eines Ersatzbescheides durch die Verwaltungsbehörde“ gestellt und damit unzulässigerweise an eine außerprozessuale Bedingung geknüpft worden seien, weiters auch wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges. Die Verweisung in § 117 Abs 7 WRG auf Abs 6 leg. cit. beziehe sich nur auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichtes, also nur auf den ersten Satz des § 117 Abs 6 WRG, nicht auch auf den zweiten Satz dieser Bestimmung, worin die sinngemäße Anwendung des EisbEG 1954 auf das Verfahren nach § 117 Abs 4 und 5 WRG normiert sei. Über die Auslegung und die Rechtswirkungen eines Übereinkommens nach § 111 Abs 3 WRG habe daher das Gericht mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im streitigen Verfahren zu entscheiden (§ 1 AußStrG). Eine Entscheidung der Wasserrechtsbehörde nach § 117 Abs 1 WRG, welche durch die Anrufung des Gerichtes gemäß § 117 Abs 4 WRG außer Kraft trete, liege hier nicht vor. Die Frage der Entschädigung sei durch ein Übereinkommen gemäß § 111 Abs 3 WRG und nicht durch eine Entscheidung nach § 117 Abs 1 WRG geregelt worden. Die zu 1.) beantragte Feststellung sei durch Feststellungsklage (§ 228 ZPO) geltend zu machen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, daß es den angefochtenen Beschluß ersatzlos behob und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Anträge unter Abstandnahme von den gebrauchten Zurückweisungsgründen auftrug. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz im wesentlichen die Auffassung, daß die im Antrag gewählte Formulierung, wonach die Anträge „vorbehaltlich der Erlassung eines Ersatzbescheides durch die Wasserrechtsbehörde“ gestellt würden, keine echte Bedingung beinhalten „Vorbehaltlich ...“ sei hier, wie auch im Rekurs erläutert werde, nur als Hinweis darauf zu verstehen, daß ein allfälliger Ergänzungsbescheid der Wasserrechtsbehörde nicht gänzlich undenkbar sei. Diesem - überflüssigen - Hinweis der Antragsteller könne somit jedenfalls mit Eindeutigkeit nicht der Inhalt beigelegt werden, daß hiedurch die Tätigkeit des angerufenen Erstgerichtes nur unter einer außerhalb des Verfahrens gelegenen Bedingung, nämlich der Nichterlassung eines Ergänzungsbescheides durch die Wasserrechtsbehörde, in Anspruch genommen werde. Im übrigen normiere § 117 Abs 7 WRG nicht nur eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes, sondern erfolge auch die Entscheidung über die Auslegung und Rechtswirkungen eines iS des § 111 Abs 3 WRG getroffenen Übereinkommens im außerstreitigen Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Rechtsmittelbefugnis kann der Antragsgegnerin nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war; das Judikat 61 neu (= SZ 27/290) ist im Verfahren außer Streitsachen nicht anzuwenden (SZ 59/90 = EvBl 1987/20; MietSlg 36.517/19; SZ 44/161 = JBl 1972, 104 = RZ 1972, 153). Von dieser Auffassung abzugehen, bieten die Änderungen des AußStrG durch die WGN 1989, BGBl 1989/343, keinen Anlaß; § 14 Abs 4 AußStrG ist hier unanwendbar, weil keine aufhebende, sondern eine inhaltlich abändernde Entscheidung der zweiten Instanz vorliegt.

Daß keine unzulässige außerprozessuale Bedingung, sondern nur eine unklare, bereits im Rekurs klargestellte Ausdrucksweise vorliegt, hat schon das Rekursgericht zutreffend erkannt. Im übrigen müßte ein unzulässig bedingter Antrag vor Antragszurückweisung vom Gericht zur Verbesserung zurückgestellt werden; hier erfolgte die erforderliche Verbesserung bereits mit dem Rekurs der Antragsteller an die zweite Instanz.

Gemäß § 117 Abs 1 erster Satz WRG idgF entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind. Gemäß § 117 Abs 4 erster und zweiter Satz WRG ist gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs 1 leg. cit. eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Zuständig ist dabei nach § 117 Abs 6 erster Satz WRG jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung oder Belastung oder der für die Festlegung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten maßgebliche Gegenstand befindet. Gemäß § 117 Abs 6 zweiter Satz WRG finden auf das Verfahren die Bestimmungen des EisbEG 1954, BGBl Nr 71, sinngemäße Anwendung. Gemäß § 24 Abs 1 EisbEG hat das Gericht die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen anzuwenden. Es besteht daher kein Zweifel, daß für das gerichtliche Neufestsetzungsverfahren nach § 117 Abs 4 und 6 WRG die Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen „sinngemäß“ anzuwenden sind (Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Rz 12 zu § 117).

Nach § 111 Abs 3 WRG aF - die Bestimmung wurde aus dem WRG 1934 übernommen - waren alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen im Bescheid zu beurkunden. Über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens hatte im Streitfalle die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden, sofern den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse bilden, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre. Nach den durch die WRG-Novelle 1990 erfolgten Änderungen sind gemäß § 111 Abs 3 WRG alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen über Antrag der Beteiligten mit Bescheid zu beurkunden. Bilden den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre, findet bei Streitigkeiten über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens § 117 sinngemäß Anwendung. Die durch die WRG-Novelle 1990 eingeführte neue Zuständigkeitsregel des § 111 Abs 3 zweiter Satz WRG wird von Raschauer (aaO Rz 14 zu § 111) als „noch dunkler als die bisherige Judikatur“ bezeichnet, weil § 117 WRG nur „Entschädigungen und Beiträge“ betrifft. Der Oberste Gerichtshof teilt dazu im wesentlichen die Auffassung von Raschauer, daß vom Gesetzgeber damit insgesamt - erkennbar - folgendes, soweit hier relevant, gemeint war:

a) Soweit im Übereinkommen zivilrechtliche Rechtsverhältnisse, das heißt solche Fragen, die im Fall der Nichteinigung von der Wasserrechtsbehörde - mangels Entscheidungskompetenz - gemäß § 113 WRG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen wären, weil sie Rechtsbeziehungen der Bürger unter sich betreffen, ist im Streitfall nach § 1 JN die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, weil dieser Fragenkreis von § 111 Abs 3 zweiter Satz WRG nicht erfaßt wird. Schon bisher wurden etwa von einem Übereinkommen erfaßte allgemeine Schadenersatzbegehren eines Fischereiberechtigten als dem Rechtsweg vorbehalten erkannt (SZ 51/183; VwGH ZfV 1987/797).

b) Soweit im Übereinkommen „freiwillig“ zivilrechtliche Rechte (Eigentum, Dienstbarkeiten etc) eingeräumt werden, die sonst grundsätzlich auch zwangsweise von der Behörde eingeräumt werden können oder die als kraft Gesetzes eingeräumt gelten können (§§ 72, 111 Abs 4 WRG), entscheidet über Umfang und Inhalt der eingeräumten Rechte - nicht der allenfalls in diesem Zusammenhang vereinbarten Entschädigungen etc - die Wasserrechtsbehörde und im Rahmen der „sukzessiven Zuständigkeit“ nach § 117 Abs 4 und 6 WRG das Gericht; hiebei ist das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensnorm.

c) Soweit im Übereinkommen im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens Leistungen ausbedungen werden, die als „Entschädigungsleistungen“ oder „Ersatz- oder Beitragsleistungen“ iS von § 117 WRG zu deuten sind, entscheidet darüber im Streitfall betreffend die Auslegung oder die Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens gemäß § 117 Abs 7 WRG ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde ausschließlich das Gericht.

Daraus ergibt sich folgendes:

1.) Der Feststellungsantrag der Antragsteller (Punkt 1.) unterfällt nach Auffassung des erkennenden Senates § 117 Abs 7 WRG; inhaltlich geht es dabei über die Auslegung und Rechtswirkungen eines Übereinkommens nach § 111 Abs 3 WRG. Damit bleibt aber die weitere Frage, ob, wie im Fall der sukzessiven Kompetenz nach § 117 Abs 4 und 6 WRG, auch das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensart ist. Nach der durch die WRG-Novelle 1988 eingeführten Bestimmung des § 117 Abs 7 WRG hat, soweit Angelegenheiten des Abs 1 in Übereinkommen (§ 111 Abs 3 WRG) geregelt werden, über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht (Abs 6) zu entscheiden. Die Materialien (Regierungsvorlage 762 BlgNR XVII.GP, Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft 813 BlgNR XVII.GP) enthalten zur Frage, ob durch die Formulierung des § 117 Abs 7 WRG nur die Zuständigkeitsregel des § 117 Abs 6 erster Satz WRG übernommen wird - wovon das Erstgericht ausgeht - oder auch das anzuwendende Verfahren (§ 117 Abs 6 zweiter Satz WRG), nichts. Nach der Regierungsvorlage (aaO 12) soll die Anrufung des Gerichtes in solchen Fällen möglich sein, in denen die zur Entscheidung über ein Entschädigungsbegehren zuständige Wasserrechtsbehörde vom Ausspruch einer Entschädigung absehen konnte, weil darüber ein gütliches Übereinkommen zwischen den Vertragsparteien zustande gekommen und in einem wasserrechtlichen Bescheid beurkundet worden ist, wenn in der Folge Unklarheiten über die Auslegung und die Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens bestehen. Nun gehören nach einem allgemeinen Grundsatz Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das Verfahren außer Streitsachen verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg. Hier ergibt sich aber eine solche zumindest schlüssige Verweisung, weil in § 117 Abs 7 WRG durch das Klammerzitat auf den gesamten Abs 6 leg. cit. und nicht bloß auf dessen ersten, die Zuständigkeit regelnden Satz verwiesen wird. Damit erfaßt nach Auffassung des erkennenden Senates die Verweisung in Abs 7 leg. cit. auch die nach Abs 6 leg. cit. „sinngemäß“ anzuwendende Verfahrensart, somit über die Verweisung auf das EisbEG (§ 24 Abs 1) das Verfahren außer Streitsachen.

Somit hat in den Fällen des § 117 Abs 7 WRG das Gericht im Verfahren außer Streitsachen zu verhandeln und entscheiden (so auch Aichlreiter, Zur Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 in AnwBl 1989, 595 ff, 659 ff, 662 f, freilich zur Fassung des § 111 Abs 3 WRG vor der WRG-Novelle 1990).

Der Nichtigkeitsvorwurf des Rechtsmittels scheitert daran, daß iS der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 607/90 = Jus extra 1991, 806; SZ 56/87; EvBl 1976/124 ua) die hier sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des § 30 Abs 2 bis 5 EisbEG 1954 - über die Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens - nur für Rekurse gegen Entscheidungen über die zu leistende Entschädigung gelten, die Anfechtung anderer Beschlüsse im Entschädigungsverfahren sich aber nach den Vorschriften des AußStrG richtet. Dieses enthält aber keine Vorschrift über die Zweiseitigkeit des Rechtsmittels bei a-limine-Zurückweisungen.

Eine Entscheidung über die inhaltlichen Einwände der Antragsgegnerin gegen den Antrag (fehlende Antragsbefugnis der Antragssteller, Verfristung, fehlendes Feststellungsinteresse etc) wäre verfrüht, weil die Vorinstanzen nur über die Fragen der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges und der Bedingtheit einer Prozeßerklärung abgesprochen haben.

2.) Der Antrag der Antragsteller auf Leistung einer angemessenenen Entschädigung (Punkt 2.) fällt dagegen weder unter § 117 Abs 7 WRG noch unter die sukzessive Zuständigkeit des Gerichtes nach § 117 Abs 4 und 6 WRG. Die Wasserrechtsbehörde hat über diesen Anspruch nicht entschieden, sondern durch die Verweisung auf den Zivilrechtsweg (vgl § 113 WRG) eine meritorische Entscheidung abgelehnt. Das Gericht kann nach § 117 Abs 4 und 6 WRG aber im Zusammenhang mit dem Ersatz von Schäden nur angerufen werden, wenn die Verwaltungsbehörde eine Sachentscheidung getroffen hat, nicht wenn sie eine solche mangels Kognitionsbefugnis abgelehnt hat (Raschauer aaO Rz 2 zu § 26 WRG). Der Zurückweisung steht die Verweisung auf den Zivilrechtsweg gleich.

Die Natur des Anspruches der Antragsteller auf Leistung einer angemessenen Entschädigung muß hier nicht geprüft werden, weil sowohl Ansprüche nach § 26 Abs 1 und 2 WRG wie auch nachbarrechtliche und schadenersatzrechtliche Ansprüche nicht im außerstreitigen Verfahren auszutragen sind.Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben. Mangels Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens ist die Äußerung und Beantwortung des Revisionsrekurses durch die Antragsteller zurückzuweisen.

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