OGH 1Ob224/98t

OGH1Ob224/98t15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Elisabeth P*****, geboren am 17. März 1983, ***** in Obsorge ihrer Mutter Monika K*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gustav P*****, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. Mai 1998, GZ 1 R 258/98v-812, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Bregenz vom 6. April 1998, GZ 1 P 127/98f-805, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die jetzt 15jährige Minderjährige lebt im Haushalt ihrer obsorgeberechtigten Mutter, die halbtags berufstätig ist und daraus ein monatliches Nettoeinkommen von 6.700 S erzielt. Der jetzt 57jährige Vater wurde zuletzt mit Beschluß des Erstgerichts vom 30. Jänner 1998 rückwirkend ab 1. Februar 1995 zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 5.500 S für die Minderjährige verpflichtet, Grundlage dafür war ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters (inklusive anteiliger Sonderzahlungen) von 32.033 S.

Das Dienstverhältnis des Vaters wurde von dessen Dienstgeberin wegen Restrukturierungsmaßnahmen zum 31. Dezember 1997 aufgekündigt; er erhielt eine gesetzliche Abfertigung im Ausmaß von zwölf Monatsgehältern in der Höhe von 580.000 S netto ausbezahlt, seither ist er arbeitslos, stand zuletzt im Bezug von Krankengeld und erhält anschließend Leistungen von der öffentlichen Hand (AMS-Gelder).

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 1998 ON 792 begehrte der Vater aufgrund seiner solcherart geänderten Einkommenssituation die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf monatlich 1.400 S ab 1. Jänner 1998.

Das Erstgericht wies den Unterhaltsherabsetzungsantrag ab, weil die Abfertigung auf einen Zeitraum von zwölf Monaten aufzuteilen sei und in diesem Ausmaß bei der Unterhaltsbemessung einen Einkommensbestandteil bilde. Für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab dem 1. Jänner 1998 sei damit von den bisherigen Einkommensverhältnissen des Vaters auszugehen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Der Abfertigungsbetrag diene zur Überbrückung für die Zeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses; auch unter Berücksichtigung des Alters des Rekurswerbers und der allgemein bekannten Arbeitssituation könne noch nicht von einem Übertritt des Vaters in die Pension gesprochen werden. Unter Berücksichtigung des Rekursvorbringens, daß der Vater nach Beendigung seines Dienstverhältnisses eine Berufsausbildung zum "Lebens- und Sozialberater" begonnen habe, weise die ihm ausbezahlte gesetzliche Abfertigung geradezu typischerweise den Charakter einer Überbrückungshilfe bis zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung auf, weshalb der Abfertigungsbetrag auf soviele Monate aufzuteilen sei, als dieser Monatsentgelten entspreche.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Nach herschender Rspr ist die nach dem Gesetz gebührende Abfertigung - die (auch) Arbeitsentgelt ist (JBl 1986, 804; 3 Ob 28/94 = JBl 1994, 830; 3 Ob 183/94 mwN, insoweit nicht veröffentlicht in EFSlg 76.707) - im allgemeinen (zu den Ausnahmen siehe 7 Ob 550/93 = ÖA 1994, 67) als einmalige Zahlung bei der Unterhaltsbemessung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (1 Ob 683/90 = RZ 1991/35 = EFSlg 62.144; JBl 1994, 830; 1 Ob 2266/96h = RZ 1997/64 ua). Die Aufteilung einmaliger Zahlungen ist nach stRspr jedenfalls stets nach den Umständen und Lebensverhältnissen angemessen vorzunehmen (8 Ob 1562/91; 5 Ob 512/94 = EFSlg 75.588; 1 Ob 504, 505/95 = ÖA 1995, 124; ÖA 1996, 64; RZ 1997/64 ua; RIS-Justiz RS0009667). Wenn die Abfertigung als gesetzlich gebührende einmalige Zahlung für den Unterhaltsschuldner reinen Überbrückungscharakter - bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes - hat und dabei den Einkommensverlust durch den Berufswechsel ausgleichen soll (RZ 1991/35; JBl 1994, 830; 4 Ob 2327/96a = ÖJZ-LSK 1997/180), so kann sie nach einhelliger Rspr des Obersten Gerichtshofs auf soviele Monate aufgeteilt werden, als sie Monatsentgelten entspricht (RZ 1991/35; ÖA 1994, 67; JBl 1994, 830; 5 Ob 1561/94 = EFSlg 74.302; EFSlg 76.707 ua; RIS-Justiz RS0050466).

Anders verhält es sich freilich, wenn dieser Überbrückungscharakter in seiner Bedeutung zurücktritt. Je höher die erlangten Abfertigungsbeträge sind, desto eher müssen sie über einen längeren Zeitraum angemessen verteilt werden, um den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden (ÖA 1994, 67; JBl 1994, 830; 6 Ob 18/98k), dienen doch beträchtliche Einmalzahlungen bei wirtschaftlich sinnvoller Betrachtungsweise dazu, für einen längeren Zeitraum Vorsorge für ein höheres Einkommen zu treffen. Daran soll auch das unterhaltsberechtigte Kind im Rahmen seiner Lebensverhältnisse teilnehmen (ÖA 1995, 124). Bereits in der Entscheidung ÖA 1995, 124 ging es um eine hohe Abfertigung anläßlich des Übertritts des Unterhaltspflichtigen in den Ruhestand. Angesichts der nicht unbeträchtlichen monatlichen Pensionsbezüge des Vaters habe sich die Aufteilung der Abfertigung - wie dort ausgeführt wurde - zugunsten des Unterhaltspflichtigen billigerweise an seiner statistischen Lebenserwartung zu orientieren. Eine Abfertigung dient keiner bloßen Überbrückung, wenn der Unterhaltspflichtige laufend eine höhere Pension bezieht (8 Ob 1562/91; 6 Ob 18/98k). Nach Auffassung des erkennenden Senats tritt der Überbrückungscharakter einer Abfertigung auch dann in den Hintergrund, wenn der Unterhaltspflichtige zwar noch nicht das gesetzliche Pensionsalter erreicht hat, aber angesichts seines Alters und seines beruflichen Werdegangs sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist und mit keiner neuerlichen (unselbständigen) Beschäftigung, sei es auch mit einem zumutbaren geringeren Einkommen, mehr gerechnet werden kann. Auch in solchen Fällen ist die Abfertigung nicht auf so viele Monate, als sie Monatsentgelten entspricht, sondern auf so viele Monate aufzuteilen, als das der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht. Denn auch in einem solchen Fall steht die Vorsorge eines höheren Einkommens auf Lebenszeit, somit für einen längeren Zeitraum, eindeutig im Vordergrund, weil klar ist, daß der Unterhaltspflichtige nicht nochmals eine Abfertigung erreichen kann.

Da unter diesen Aspekten die bisherigen Verfahrensergebnisse zur abschließenden rechtlichen Beurteilung dieser Frage nicht ausreichen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und ist dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Im fortgesetzten Verfahren wird dabei, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen, besonderes Augenmerk auf die objektive Arbeitsmarktlage, das Alter des Unterhaltspflichtigen, die angesichts seiner Ausbildung und Fähigkeiten zumutbare Erwerbstätigkeit sowie auf ein allfällig zu erwartendes Einkommen des Vaters bei einer beruflichen Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater, dessen Ausbildung nach seinem Vorbringen (ON 802) erst im Jänner 2000 enden wird, zu richten sein. Zu berücksichtigen werden dabei auch die Ausbildungskosten des Vaters sein, falls er diese selbst zu tragen hat.

Demnach muß unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

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