OGH 8Ob218/78

OGH8Ob218/781.3.1979

SZ 52/30

Normen

ABGB §1325
ABGB §1497
EO §291
KO §1
KO §81
ZPO §235
ABGB §1325
ABGB §1497
EO §291
KO §1
KO §81
ZPO §235

 

Spruch:

Hat der Verletzte vor Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen einen Schmerzengeldanspruch noch selbst gerichtlich geltend gemacht, so fällt dieser in die Konkursmasse. Der Masseverwalter ist zur Aufnahme des Rechtsstreites und zur Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens befugt

Zur Frage der gehörigen Fortsetzung im Sinne des § 1497 ABGB bei Untätigkeit des Gerichtes

OGH 1. März 1979, 8 Ob 218/78 (OLG Wien 8 R 59/78; JG für ZRS Wien 33 Cg 753/76)

Text

Am 29. September 1970 ereignete sich auf der Autobahn Gleisdorf-Graz bei der Laßnitzhöhe ein Verkehrsunfall, an dem ein LKW der Autobahn-Oberbauleitung mit dem Kennzeichen G ... und L Z als Lenker des PKW

VW 11 mit dem deutschen Zollkennzeichen 357 Z ... beteiligt waren

Bei diesem Unfall wurde, A K als Insasse des letztgenannten Fahrzeuges verletzt. L Z wurde rechtskräftig einer Übertretung nach § 335 StG schuldig erkannt. Die Schadenersatzpflicht des beklagten Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs ist dem Gründe nach unbestritten.

Mit einer am 29. April 1971 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte A K aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall den Zuspruch von 87 550 S samt Anhang (darin enthalten Schmerzengeld von 40 000 S); überdies stellte er ein Feststellungsbegehren.

Die Beklagte anerkannte ihre Haftung dem Gründe nach, bestritt aber die eingeklagten Schadenersatzansprüche der Höhe nach ebenso wie das Feststellungsinteresse des Klägers.

Am 16. Jänner 1973 wurde zu S 8/73 des LG für ZRS Wien über das Vermögen des A K der Konkurs eröffnet.

Mit einer am 28. Feber 1973 beim Erstgericht eingelangten Eingabe erklärte der Masseverwalter (in der Folge Kläger genannt), in diesen Rechtsstreit einzutreten; er beantragte die Fortsetzung des Verfahrens.

In der Folge wendete die Beklagte ein, daß der Anspruch auf Schmerzengeld nicht in die Konkursmasse falle und daß daher der Masseverwalter zur Verfolgung dieses Anspruches nicht aktiv legitimiert sei. Dieser Anspruch sei vom ursprünglichen Kläger, dem nunmehrigen Gemeinschuldner, selbst zu verfolgen. Da der Gemeinschuldner keinen Fortsetzungsantrag gestellt habe, sei hinsichtlich des Schmerzengeldes und des Feststellungsbegehrens Ruhen des Verfahrens eingetreten.

Der Kläger entgegnete, daß der Gemeinschuldner "diese Ansprüche" der Masse gewidmet habe. Er habe seinen Schmerzengeldanspruch der Masse abgetreten, A K trat hierauf als Nebenintervenient auf seiten des Klägers dem Rechtsstreit bei. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. November 1973 trug das Erstgericht dem Kläger und dem Vertreter des Nebenintervenienten auf, innerhalb von drei Wochen Nachweise über einen Teil der eingeklagten Schadenersatzforderung vorzulegen. Da diesem Auftrag nicht entsprochen wurde, verfügte der Erstrichter am 31. Dezember 1973 die Abstreichung der Rechtssache gemäß § 391 Geo. Eine Verständigung der Parteien von dieser Verfügung erfolgte nicht.

Nachdem der Kläger mit einem am 13. April 1976 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz verschiedene Belege vorgelegt und die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung beantragt hatte, wendete die Beklagte Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. Der Kläger habe durch aktionsloses Verstreichenlassen des Zeitraumes vom 1. Jänner 1974 bis 13. April 1976 sich seines Anspruches verschwiegen bzw. konkludent darauf verzichtet. Dies gelte sowohl für den Leistungsals auch den Feststellungsanspruch.

Der Kläger bestritt "die Rechtsansicht der beklagten Partei hinsichtlich nicht gehöriger Fortsetzung bzw. Verjährung", ohne dazu ein weiteres Vorbringen zu erstatten.

Zuletzt war das Leistungsbegehren des Klägers einschließlich dieses Schmerzengeldes auf insgesamt 100 000 S gerichtet.

Das Erstgericht wies sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren ab.

Es stellte, abgesehen von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt, im wesentlichen fest, "daß A K seine Schmerzengeldansprüche dem Masseverwalter als Kläger abgetreten hat", sowie solche Verletzungsfolgen A K im einzelnen erlitt.

Das Erstgericht ermittelte den Unfallschaden des A K einschließlich eines Schmerzengeldes von 57 000 S mit insgesamt 77 723.24 S und führte aus, auch das Feststellungsinteresse sei zu bejahen, weil sich K noch einer Operation zur Entfernung der Glassplitter werde unterziehen müssen, eine unfallkausale Wiedererkrankung daher nicht ausgeschlossen sei.

Dennoch sei das Klagebegehren wegen Verjährung abzuweisen. Durch die Klagseinbringung sei zwar der auf der Verjährungsfrist unterbrochen worden. Der Kläger habe aber dem ihm am 21. November 1973 erteilten mit drei Wochen befristeten Auftrag zur Vorlage von Beweisurkunden erst am 13. April 1976, also erst rund 29 Monate später, und auch dann nur zum Teil entsprochen. Er habe daher die Klage durch beharrliches Nichtbetätigen, durch eine ungewöhnliche Untätigkeit nicht gehörig fortgesetzt. Daß diese Untätigkeit gerechtfertigt gewesen sei, habe er weder behauptet noch bewiesen.

Dieses Urteil blieb im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von 22 276.56 S samt Anlage unangefochten. Im übrigen wurde es vom Kläger mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil diesem Rechtsmittel Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger den Betrag von 77 723.44 S samt Anhang zu bezahlen, und auch dem Feststellungsbegehren dahin stattgab, daß es dem Kläger gegenüber feststellte, daß ihm die Beklagte für alle zukünftigen Schäden des A K aus diesem Verkehrsunfall im Rahmen des der internationalen Versicherungskarte für Kraftfahrverkehr Nr. D 178 336 002/90 zugrunde liegenden Haftpflichtversicherungsvertrages hafte.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes.

In rechtlicher Hinsicht verneinte es die Verjährung der Klagsansprüche im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 21. November 1973 nicht geeignet gewesen sei, einen Verfahrensstillstand herbeizuführen, der den Kläger verpflichtet hätte, von sich aus tätig zu werden und eine Prozeßhandlung zu setze,um das Verfahren wieder in Gang zu bringen. Dem Kläger könne daher keine Verletzung seiner Pflicht zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens vorgeworfen werden, und die Klagsansprüche.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Beklagte in ihrer Rechtsrüge darzutun versucht, daß der Kläger als Masseverwalter nicht berechtigt gewesen sei, den Rechtsstreit bezüglich des Schmerzengeld und des Feststellungsbegehrens des Verletzten K zu führen, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Wie sich aus § 1 Abs. 1 KO ergibt, verliert der Gemeinschuldner durch die Konkurseröffnung die Befugnis, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen; die diesbezüglichen Befugnisse gehen auf den Masseverwalter über. Dieser ist unter anderem legitimiert, alle "ganz oder teilweise die Masse betreffenden" Rechtsstreitigkeiten zu führen (§ 81 Abs. 1 KO). Nur insoweit, als es sich zumindest teilweise um Aktiv- bzw. Passivbestand teile der Konkursmasse handelt, ist demnach der Masseverwalter zum Einschreiten für den Gemeinschuldner legitimiert. In jenen Bereichen, die das zur Konkursmasse gehörende Vermögen überhaupt nicht betreffen, ist hingegen nicht der Masseverwalter, sondern ausschließlich der Gemeinschuldner selbst verfügungsberechtigt und damit allein zum Einschreiten legitimiert (SZ 46/52 und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung).

Zur Konkursmasse gehört im Sinne des § 1 Abs. 1 KO nur das der Exekution unterworfene Vermögen des Gemeinschuldners; das der Exekution entzogene Vermögen ist nicht Bestandteil der Konkursmasse (Bartsch - Pollak, Konkursordnung[3] I, 19 f.; Petschek - Reimer - Schiemer, Insolvenzrecht, 221 f.).

Gemäß § 291 EO sind Ansprüche auf Schmerzengeld, soweit sie nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind, der Pfändung nicht unterworfen. Daraus folgt, daß gerichtlich geltend gemachte Schmerzengeldansprüche jedenfalls pfändbar sind und damit zu dem der Exekution unterworfenen Vermögen des Gläubigers gehören. Dies gilt in gleicher Weise für Schmerzengeldansprüche nach § 1325 ABGB wie auch für solche nach den §§ 12, 13 EKHG (JBl. 1977, 35).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß zunächst jedenfalls der noch von A K selbst in der Klage geltend gemachte Schmerzengeldanspruch in der Höhe von 40 000 S in die Konkursmasse fällt, weil dieser Anspruch bei Konkurseröffnung bereits geltend gemacht worden war.

Zu prüfen bleibt, ob der Masseverwalter berechtigt war, das Schmerzengeldbegehren auszudehnen. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Rechtsentwicklung in neuerer Zeit, insbesondere die Exekutionsnovelle 1922 und die EKHG-Novelle 1968 (s. dazu JBI. 1977, 33) den in der Judikatur entwickelten Grundsatz, eine Schmerzensgeldforderung bedürfe zu ihrer Entstehung der ziffermäßig genauen gerichtlichen Geltendmachung, beeinträchtigt (dazu ausführlich Jelinek. Die Persönlichkeit des Verletzten und das Entstehen des Schmerzensgeldanspruches, JBI. 1977, 1 ff). Den für den hier vorliegenden Fall, daß der Verletzte vor der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen einen Schmerzensgeldanspruch noch selbst gerichtlich geltend macht, ergibt sich jedenfalls im Sinne obiger Ausführungen, daß dieser Anspruch in die Konkursmasse fällt. Während des anhängigen Konkursverfahrens kommt aber die gerichtliche Geltendmachung weiterer Schmerzengeldansprüche durch den Gemeinschuldner gegen den Schädiger deswegen nicht in Betracht, weil diese Ansprüche im Sinne des § 291 EO sofort mit ihrer Geltendmachung wieder pfändbar würden und damit in die Konkursmasse fielen, woraus sich eben ergibt, daß der Gemeinschuldner über derartige Ansprüche nicht verfügen und sie auch nicht gerichtlich geltend machen kann. Daraus folgt aber, daß im vorliegenden Fall der Masseverwalter jedenfalls befugt war, nicht nur den Rechtsstreit bezüglich des noch vom Verletzten selbst eingeklagten Schmerzengeldbetrages fortzusetzen, sondern auch den Schmerzengeldanspruch auszudehnen.

Es kann also entgegen dem von der Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkt keine Rede davon sein, daß der Kläger nicht berechtigt gewesen wäre, den Rechtsstreit bezüglich des Schmerzengeldanspruches des Verletzten aufzunehmen und weiterzuführen.

Aber auch das Feststellungsinteresse des Klägers ist zu bejahen. Ist er befugt, während des anhängigen Konkursverfahrens über das Vermögen des Verletzten dessen Schadenersatzforderungen aus dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall als Aktivbestandteile der Konkursmasse geltend zu machen, dann kann ihm auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten im Sinne des § 228 ZPO nicht abgesprochen werden, wenn die Unfallsfolgen noch nicht abschließend beurteilt werden können und insbesondere die Gefahr einer unfallsbedingten Wiedererkrankung des Verletzten besteht, wie dies im vorliegenden Fall zutrifft.

Es kann daher auch dem Standpunkt der Beklagten, der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, bezüglich des Feststellungsbegehrens des Verletzten den Rechtsstreit aufzunehmen und fortzusetzen, nicht gefolgt werden.

Aber auch in der Verjährungsfrage ist dem Berufungsgericht kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Aus § 1497 ABGB ergibt sich, daß die Klagserhebung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn in der Folge "die Klage gehörig fortgesetzt" wird. Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinne dieser Gesetzesstelle ist anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und solcherart zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen ist. Die Unterbrechungswirkung der Klage wird dann beseitigt.

Bei der Prüfung, ob ein solches Verhalten des Klägers vorliegt, sind vor allem die Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen, wie es überhaupt bei Beurteilung der Frage, ob ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung als ungebührliche Untätigkeit anzusehen ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch auf ihre Gründe ankommt, ob also diese Untätigkeit gerechtfertigt war oder nicht.

Es ist nicht Aufgabe des Gerichtes, von Amts wegen nach den Gründen für die Dauer der Untätigkeit des Klägers zu forschen. Wohl aber ist von Amts wegen zu prüfen, ob der Kläger überhaupt gehalten war, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Konnte oder mußte er eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten, kann nämlich aus seiner Untätigkeit nicht ohneweiteres der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen. Kundigte allerdings der Prozeßrichter an, daß er bei Nichtbefolgung des dem Kläger erteilten Auftrages das Verfahren nur auf Antrag fortsetzen werde, dann muß der Kläger zur Vermeidung der im § 1497 ABGB normierten Nachteile von sich aus für den Fortgang des Prozesses sorgen, selbst wenn der ihm erteilte Auftrag gesetzwidrig gewesen wäre (EvBl. 1976/6 und die dort ausgeführte Literatur und Rechtsprechung; 8 Ob 169/78 u. v. a.).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß der dem Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. November 1973 erteilte Auftrag zur Vorlage von Urkunden im Rahmen der materiellen Prozeßleitung des Erstrichters im Sinne der §§ 180 ff. ZPO erging. Eine gesetzliche Anordnung, daß die Nichtbefolgung eines derartigen Auftrages zu einem Verfahrensstillstand führe, besteht nicht. Das Erstgericht hat den Parteien derartige Rechtsfolgen in seinem Beschluß vom 21. November 1973 auch nicht (ohne gesetzliche Deckung) angedroht.

Unter diesen Umständen war es aber Aufgabe des Erstgerichtes, trotz Nichtbefolgung des dem Kläger erteilten Auftrages zur Vorlage von Urkunden das Verfahren ohne jeden weiteren Parteienantrag fortzusetzen. Für ein Abstreichen der Rechtssache im Sinne des § 391 Z. 7 lit. d Geo. bestand schon deswegen kein Anlaß, weil die Fortsetzung des Verfahrens eben nicht von einem Parteienantrag abhängig war.

Für den Kläger bestand im Sinne obiger Rechtsausführungen keine Notwendigkeit, von sich aus für den Fortgang des Prozesses zu sorgen; er konnte vielmehr damit rechnen, daß das Erstgericht den Prozeß von Amts wegen fortsetzen werde. Daß das Erstgericht diese Absicht nicht hatte, wurde dem Kläger niemals bekanntgegeben. Wenn der Kläger unter diesen Umständen - auch für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren - keine weiteren Anträge an das Erstgericht stellte, um einen Fortgang des Prozesses zu erreichen, kann ihm dies nicht zur Last gelegt werden. Er war, wie oben dargestellt, nicht gehalten, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einen Verfahrensstillstand zu vermeiden. Ohne diese Voraussetzung aber zur Vermeidung der im § 1497 ABGB normierten, Rechtsnachteile das von sich aus säumige Prozeßgericht zu betreiben, war der Kläger nicht verbunden (SZ 37/134; SZ 46/5; 8 Ob 169/78 u. a.).

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dem Verjährungseinwand der Beklagten die Berechtigung aberkannt.

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