OGH 2Ob276/64

OGH2Ob276/641.10.1964

SZ 37/134

Normen

ABGB §1497
ABGB §1497

 

Spruch:

Die "gehörige Fortsetzung der Klage" durch den Berechtigten kann begrifflich nur dann verneint werden, wenn dieser trotz einer - gesetzlich oder richterlich - normierten Pflicht zur Vornahme einer Prozeßhandlung damit in Verzug geraten ist. Der Berechtigte ist nicht verhalten, zur Vermeidung der in § 1497 ABGB. normierten Rechtsnachteile das - von sich aus säumige - Prozeßgericht zu betreiben.

Entscheidung vom 1. Oktober 1964, 2 Ob 276/64. I. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Adolf N., der Sohn der klagenden Parteien, hat am 11. Oktober 1958 auf der Drautal-Bundesstraße bei Irrschen durch den Zusammenstoß des von ihm gelenkten Kraftrades mit dem vom Zweitbeklagten gelenkten Personenkraftwagen des Erstbeklagten einen Verkehrsunfall erlitten, an dessen Folgen er noch am selben Tage gestorben ist. Wegen dieses Unfalls ist der Zweitbeklagte mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes vom 23. Juli 1959 des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG - rechtskräftig - schuldig gesprochen worden. Nunmehr nehmen die Eltern des Verunglückten die beklagten Parteien auf Ersatz ihres Schadens aus dem Unfalle vom 11. Oktober 1958 in Anspruch. Der Erstkläger ist am 8. August 1961 wegen Trunksucht und Verschwendung beschränkt entmundigt worden; die Prozeßführung des Beistandes des Erstklägers hat das Pflegschaftsgericht genehmigt. Die zunächst getrennt geführten Prozesse beider Kläger hat das Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens begehrt der Vater des Verunglückten (der Erstkläger) von den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand 5000 S s. A. und vom Zweitbeklagten darüber hinaus 5636 S s. A.; der Erstkläger hat seinen Schaden zuletzt mit 15.954 S beziffert; davon verlangt er zufolge eigenen Verschuldens des Verunglückten 2/3, d. s. 10.636 S; den Zweitbeklagten als Lenker des Kraftwagens nimmt er zufolge Verschuldens auf den Betrag von 10.636 S in Anspruch, bezüglich des erstbeklagten Kraftfahrzeughalters macht er nur die Haftung nach § 12 KraftfVerkG. in der Höhe von 5000 S geltend. Die Mutter des Getöteten (die Zweit-Klägerin) verlangt nach dem letzten Stande des Verfahrens erster Instanz die Verurteilung beider Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 5333 S s. A. sowie zur Leistung einer Monatsrente von 333.33 S seit 23. März 1960, wobei sie das Rentenbegehren gegen den Erstbeklagten als Kaftfahrzeughalter gemäß der bezogenen Bestimmung auf 19.667 S, d. s. 25.000 S weniger 5333 S, beschränkt hat.

Das Erstgericht hat die bezeichneten Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen.

Der Berufung beider Kläger hat das Berufungsgericht keine Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision des Erstklägers zurück, gab jedoch der Revision der Zweitklägerin dahin Folge, daß er im Verhältnis der Zweitklägerin zu den beklagten Parteien die Urteile beider Vorinstanzen aufhob und die Streitsache (über die von der Zweitklägerin erhobenen Ansprüche) zur Fortsetzung der Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision des Erstklägers ist gemäß § 502 (3) ZPO. (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1963, BGBl. Nr. 176; das Ersturteil ist am 7. März 1964 zugestellt worden) unzulässig. Es liegt ja ein bestätigendes Urteil der zweiten Instanz vor und der Streitgegenstand im Berufungsverfahren hat bezüglich keines der beiden Beklagten 15.000 S überstiegen (für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist das Begehren gegen den Erstbeklagten von jenem gegen den Zweitbeklagten auseinanderzuhalten; wie oben dargestellt, werden von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand 5000 S s. A. und darüber hinaus vom Zweitbeklagten weitere 5636 S begehrt).

Demgemäß war die Revision des Erstklägers beschlußmäßig als unzulässig zu verwerfen (§§ 513, 474 (2 und 502 (3 ZPO) .).

Die Revision der Zweitklägerin ist nach der dargestellten Aktenlage nicht gemäß § 502 (3) ZPO. unzulässig; sie ist im Sinne der folgenden Ausführungen auch begrundet.

Der Verkehrsunfall des Sohnes der Zweitklägerin hat sich am 11. Oktober 1958 ereignet. Noch innerhalb der in § 1489 ABGB. normierten dreijährigen Verjährungsfrist, nämlich am 23. März 1960, hat die Zweitklägerin die Entschädigungsklage gegen beide Beklagten zur ungeteilten Hand pcto. 8000 S s. A. und Leistung einer Monatsrente von 500 S ab Klagstag erhoben (später ist das Begehren auf den oben bezeichneten Umfang eingeschränkt worden). Der Zweitklägerin ist laut Prozeßakten der Erlag eines Kostenvorschusses für den Sachverständigen niemals aufgetragen worden. Die Berufungsinstanz hat dazu selbst ausgeführt, es treffe zu, daß der Zweitklägerin vom Erstgerichte die Leistung eines Kostenvorschusses "in Wahrheit ausdrücklich" nicht aufgetragen worden sei, sie hat aber die daraus für die Erledigung der von den Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung der Klage (§ 1497 ABGB.) notwendigen Folgerungen nicht gezogen, vielmehr ihre Erwägungen hinsichtlich der Verjährungsfrage unterschiedslos auf den Erstkläger und die Zweitklägerin angestellt. Zutreffend macht die Revision der Zweitklägerin - die Revision des Erstklägers ist als unzulässig nicht zu berücksichtigen - geltend, daß Verjährung der Ansprüche der Zweitklägerin nicht gegeben sei. In der Streitsache der Zweitklägerin (zunächst 15 Cg 96/60) hat das Erstgericht in der Tagsatzung vom 17. Juni 1960 Beweisbeschluß verkundet und die Verbindung der Streitsache 15 Cg 96/60 mit 15 Cg 95/60 (über die Klage des Gatten der Zweitklägerin) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung bekanntgegeben; hierauf ist die Tagsatzung zur Durchführung der zugelassenen Beweise auf unbestimmte Zeit erstreckt worden. Im Prozesse des Erstklägers wurde ebenfalls am 17. Juni 1960 Beweisbeschluß verkundet und dem Erstkläger zur Deckung der - Kommissions- und Sachverständigengebühren der Erlag eines Kostenvorschusses von 800 S binnen drei Wochen "bei den hiemit gegenseitig beantragten Rechtsfolgen nach § 279 ZPO." - auch den Beklagten war ein Kostenvorschuß (1000 S) auferlegt worden - aufgetragen. Aus den nach der Verbindung der Prozesse führenden Akten ergibt sich ferner, daß die Beklagten den Kostenvorschuß von 1000 S am 2. Juli 1960 erlegt haben. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1960 hat der damalige Machthaber beider Kläger den Antrag auf Erstreckung der bezeichneten Frist bis 20. Juli 1960 gestellt, diese Eingabe aber expressis verbis auf den dem Erstkläger erteilten Auftrag abgestellt. Am 13. Juli 1960 hat der Erstkläger unter Vorlage eines Armenrechtszeugnisses die Bewilligung des Armenrechtes beantragt; diesen Antrag des Erstklägers hat das Erstgericht am 15. Juli 1960 abgewiesen (ON. 8). Am 5. September 1960 hat Rechtsanwalt Dr. Jakob O. dem Erstgericht mitgeteilt, daß er dem Erstkläger die Vollmacht gekundigt habe; den Antrag dieses Rechtsanwaltes, die Vollmachtskündigung zur Kenntnis zu nehmen, hat das Erstgericht abgewiesen. Unter dem 29. Dezember 1961 findet sich der Antrag beider Kläger, dem Rechtsanwalt Friedrich K. Akteneinsicht zu gewähren. Am 22. Februar 1963 hat der Erstkläger den Antrag gestellt, Rechtsanwalt Dr. Wilfried S. Akteneinsicht zu gewähren. Schließlich haben die jetzigen Klagevertreter am 26. September 1963 den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht gestellt und am 3. Oktober 1963 die Vollmachten beider Kläger vorgelegt; zugleich haben sie die Fortsetzung des Verfahrens mit dem Bemerken beantragt, daß seit Fassung des Beweisbeschlusses "keine richterliche Erledigung erfolgt sei, um die Rechtsstreite der Entscheidung zuzuführen."

Am 22. Jänner 1964 hat eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung beim Erstgerichte stattgefunden, wo selbst die beklagten Parteien Verjährung geltend machten, weil das Verfahren "nicht rechtzeitig fortgesetzt worden sei"; darauf haben die Kläger unter anderem - erwidert, daß das Verfahren ausschließlich durch ein Versehen des Gerichtes nicht fortgesetzt worden sei. Aus dem Vermerk S. 40 der Prozeßakten ergibt sich, daß der Streitrichter am 27. September 1960 den Kalender Jahresende vorgeschrieben hat für das Abstreichen der Sache im Register mangels Fortsetzungsantrag.

Gemäß § 1497 ABGB. wird die Verjährung - unter anderem dann unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich darauf berufen will, von dem Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Der Ansicht der Vorinstanzen, die Zweitklägerin - die Ansprüche des Erstklägers stehen in diesem Zusammenhange nicht mehr zur Erörterung - habe die Klage nicht gehörig fortgesetzt, ist nach der dargestellten Aktenlage nicht zu folgen. Denn im gesamten Verfahren vor dem Erstgerichte war ja der Zweitklägerin nicht der Erlag eines Vorschusses binnen einer bestimmten Frist mit den im § 365 ZPO. normierten Säumnisfolgen aufgetragen worden und die erwähnte Verbindung der beiden Prozesse hatte nicht die Folge, daß der bezüglich des Erstklägers erteilte Auftrag auch für die Zweitklägerin wirksam geworden wäre; auch nach der Verbindung blieben die Prozesse in diesem Belange voneinander unabhängig. In bezug auf die Zweitklägerin bedeutet also die dargestellte Untätigkeit des Prozeßrichters nicht einen von der Zweitklägerin im Sinne des § 1497 ABGB. zu vertretenden Umstand. Die "gehörige Fortsetzung der Klage" durch den Berechtigten kann begrifflich nur dann verneint werden, wenn dieser trotz einer - gesetzlich oder richterlich - normierten Pflicht zur Vornahme einer Prozeßhandlung damit in Verzug geraten ist. Davon kann aber vorliegendenfalls bei der Zweitklägerin nach der skizzierten Aktenlage nicht die Rede sein. Die Zweitklägerin war nicht verhalten, zur Vermeidung der in § 1497 ABGB. normierten Rechtsnachteile das Prozeßgericht zu betreiben. Der seinerzeitige Machthaber beider Kläger hat - wie oben dargelegt in seinen Eingaben an das Erstgericht deutlich zwischen dem Erstkläger und der Zweitklägerin unterschieden. Daß das Prozeßgericht dennoch auch hinsichtlich der Zweitklägerin untätig geblieben war, biß schließlich am 3. Oktober 1963 ein Fortsetzungsantrag beider Kläger gestellt wurde, kann der Zweitklägerin nicht zum Nachteile gereichen; in diesem Zusammenhange ist nur noch zu bemerken, daß bereits mit dem Antrage vom 3. Oktober 1963 auf die nicht begrundete Untätigkeit des Gerichtes hingewiesen wurde; die Stellung des Fortsetzungsantrags als solchen bedeutet nach dem Zusammenhange in Ansehung der Zweitklägerin nicht, daß sie bis dahin säumig gewesen wäre.

Bereits aus diesen Erwägungen kommt den Beklagten gegenüber der Zweitklägerin Verjährung nicht zustatten, so daß deren Revision Folge zu geben war.

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