VwGH Ra 2021/17/0088

VwGHRa 2021/17/008829.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M R in G, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. Dezember 2020, VGW‑002/007/13143/2020/E-10, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §53
VStG §44a
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170088.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis vom 17. September 2018 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz ‑ GSpG hinsichtlich acht näher bezeichneter Glücksspielgeräte schuldig, weil sich die von ihm vertretene Gesellschaft als Unternehmerin an verbotenen Ausspielungen beteiligt habe, indem sie ein näher bezeichnetes Spiellokal gegen ein monatliches Entgelt untervermietet habe, wodurch es der Untermieterin ermöglicht worden sei, zu einem bestimmten Zeitpunkt die genannten Glücksspielgeräte zu betreiben. Über den Revisionswerber wurden acht Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 15.000,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall deren Uneinbringlichkeit: jeweils 4 Tage) verhängt. Weiters wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 12.000,‑ ‑ auferlegt und die Haftung der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten ausgesprochen.

2 1.2. Mit Erkenntnis vom 5. Juni 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien u.a. die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass es den Spruch auf zwei Glücksspielgeräte einschränkte und die dafür verhängten Geldstrafen auf jeweils € 3.000,‑ ‑ (bei gleichbleibenden Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 4 Tagen) reduzierte. Weiters setzte das Verwaltungsgericht den Kostenbeitrag für das Strafverfahren mit € 600,‑ ‑ fest, legte dem Revisionswerber keine Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 1.3. Dieses Erkenntnis wurde aufgrund der Revision des Revisionswerbers im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Verfahrenskosten (des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie des Beschwerdeverfahrens) vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Schuldspruchs, wurde die Revision mit dem mit diesem Erkenntnis verbundenen Beschluss vom selben Tag zurückgewiesen (VwGH 6.10.2020, Ra 2019/16/0157).

4 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf seine Rechtsprechung (u.a. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/09/0004, mwN) aus, das Verwaltungsgericht habe die Herabsetzung der Höhe der Geldstrafen mit der Einschränkung auf zwei Übertretungen des GSpG und der somit gebotenen Anwendung des ersten (statt des vierten) Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG begründet. Eine Reduktion der Höhe der jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafe habe das Verwaltungsgericht jedoch ‑ ohne nähere Begründung ‑ in rechtswidriger Weise nicht vorgenommen.

5 2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde nach Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung unter Neufassung des Spruches Folge, setzte die beiden Geldstrafen mit jeweils € 1.500,‑ ‑ sowie die Ersatzfreiheitsstrafen mit jeweils einem Tag fest und bestimmte die Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG neu (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. sprach das Verwaltungsgericht aus, dass keine Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen seien. Weiter sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

6 Das Verwaltungsgericht traf u.a. nähere Feststellungen zur glücksspielrechtlichen Kontrolle, zur vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft, zu den Glücksspielgeräten sowie den angebotenen Spielen und Feststellungen, die zur Beurteilung der vom Revisionswerber behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG erforderlich sind. Im Übrigen begründete es u.a. seine Beweiswürdigung, traf rechtliche Erwägungen zu den angelasteten Verwaltungsübertretungen und begründete seine Strafbemessung.

7 2.2. Die Behandlung der vom Revisionswerber gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 255/2021‑5, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

8 2.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision.

9 3.1. Die Revision erweist sich als unzulässig:

10 3.1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision ‑ gesondert ‑ vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 3.1.2. Zunächst ist Folgendes auszuführen:

14 Da ‑ wie oben dargestellt ‑ mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2020, Ra 2019/16/0157, u.a. die Revision gegen die beiden Schuldsprüche zurückgewiesen wurde, sind die diesbezüglichen Absprüche des Verwaltungsgerichtes im ersten Rechtsgang im Rechtsbestand geblieben. Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang zur nochmaligen Entscheidung über die Schuldsprüche nicht mehr zuständig ist. Mit einer nochmaligen Entscheidung in der Schuldfrage überschreitet das Verwaltungsgericht insofern seinen Prüfungsumfang gemäß § 27 VwGVG und belastet sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit (vgl. zum Prüfungsumfang z.B. VwGH 27.1.2020, Ra 2019/02/0203, mwN).

15 Die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes ist vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen jedoch nur dann aufzugreifen, wenn der Revisionswerber eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung aufwirft (vgl. dazu z.B. VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0025, 0026; VwGH 22.11.2017, Ra 2015/06/0055, jeweils mwN).

16 3.1.3. Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, es bestehe ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung: Das Verwaltungsgericht habe den Spruch saniert und dem Revisionswerber die unternehmerische Beteiligung an illegalem Glücksspiel vorgeworfen; in der Begründung werde jedoch auf Seite 55 ausgeführt, dass es sich um ein Beschlagnahmeverfahren handeln würde. Damit verstoße das Erkenntnis gegen näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; der Revisionswerber habe einen Anspruch auf eine rechtsrichtige Entscheidung.

17 Zum vorgebrachten Widerspruch zwischen Spruch und Begründung hinsichtlich des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes ist auszuführen, dass ein solcher nicht aufgezeigt wird und auch nicht erkennbar ist. Stehen Spruch und Begründung einer Entscheidung zueinander im Widerspruch, erweist sich eine solche Entscheidung als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, sofern sich der vorliegende Widerspruch nicht als bloß terminologische Abweichung darstellt, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/09/0189; VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0155, jeweils mwN).

18 Im vorliegenden Fall werden dem Revisionswerber im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zwei Verwaltungsübertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angelastet; in der Begründung ist u.a. davon die Rede, dass es im „Beschwerdefall [...] um ein Beschlagnahmeverfahren sowie illegales Glücksspiel“ geht. Die Tatsache, dass zusätzlich zum Beschwerdegegenstand des „illegale[n] Glücksspiel[s]“ auch das Wort „Beschlagnahmeverfahren“ vorkommt, bewirkt jedoch noch keinen solchen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung (vgl. dazu z.B. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0141; VwGH 9.8.2017, Ra 2017/09/0028). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen daher nicht aufgezeigt.

19 3.1.4. Weiters bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vor. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.

20 Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C‑347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C‑390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C‑464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C‑390/12.

21 Anders als die Revision behauptet, wurden im angefochtenen Erkenntnis (Seite 49 f) jedoch auch Unterlagen aus anderen Jahren herangezogen, nämlich der Glücksspielbericht 2017 ‑ 2019 (Juni 2020) sowie die Information der Stabstelle für Spielerschutz zu Spielerschutzregelungen des Glücksspielgesetzes sowie Maßnahmen in diesem Bereich und deren Wirksamkeit (5. Auflage, August 2020). Darüber hinaus wird hinsichtlich des Vorbringens, es wären Unterlagen nicht berücksichtigt worden, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt (vgl. VwGH 20.7.2020, Ra 2020/17/0050).

22 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher in diesem Zusammenhang nicht.

23 3.2. In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

24 4. Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte