Normen
AVG §68 Abs1;
AVG §69;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §3 Abs1;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §69;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §3 Abs1;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
Spruch:
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 2.692,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 I.1.1. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 7. Oktober 2015 schränkte die belangte Behörde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Klassen AM, A1, A2, A, B, E+B und F wie folgt ein:
2 Die Lenkberechtigung werde bis 6. Oktober 2016 befristet. Der Revisionswerber habe alle drei Monate, gerechnet ab 6. Oktober 2015 (dem Datum des amtsärztlichen Gutachtens Dris. N.), eine Haarprobe (3 cm) auf EtG sowie alle vier Monate eine Bestätigung über eine "2-monatliche Alkoholberatung" für die Dauer von einem Jahr abzugeben; darüber hinaus gelte für ihn Code "05.08" ("kein Alkohol"). Schließlich habe er sich in einem Jahr einer Nachuntersuchung durch den Amtsarzt zu unterziehen.
3 Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis vom 3. Dezember 2015 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde insofern statt, als die Auflage der Vorlage einer Bestätigung über eine Alkoholberatung aufgehoben wurde. Im Übrigen wurde der Bescheid der belangten Behörde bestätigt und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 I.1.2. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 wies die belangte Behörde einen Antrag des Revisionswerbers auf (Wieder)Erteilung der Lenkberechtigung für die Führerscheinklassen C, CE, C1 und C1E ab.
5 Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis vom 3. Dezember 2015 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde keine Folge und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde. Im Übrigen wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
6 I.2. Gegen diese beiden Erkenntnisse richten sich die vorliegenden, vom Verwaltungsgericht zusammen mit den Akten der Verfahren vorgelegten (außerordentlichen) Revisionen.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
8 II. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres rechtlichen, persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Revisionen erwogen:
9 II.1.1. Das FSG idF. vor der 16. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 74/2015, lautet (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. Die militärärztliche Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einer oder mehrerer Gruppe(n) gilt für die Dauer von 18 Monaten ab ihrer Ausstellung auch als solches ärztliches Gutachten.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
‚geeignet', ‚bedingt geeignet', ‚beschränkt geeignet' oder ‚nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten ‚geeignet' für diese Klassen zu lauten; 2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten ‚bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten ‚nicht geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten.
(3a) Die Dauer der Befristung ist vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen.
(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so sind diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
...
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse
zusammenhängt. ... .
..."
II.1.2. Die FSG-GV idF. der Verordnung BGBl. II Nr. 285/2015
lautet (auszugsweise):
"Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
...
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
..."
10 II.2. Die Revisionen sind schon deshalb zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie im Folgenden zu zeigen, entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen hat.
11 II.3. Die Revisionen sind begründet.
12 II.3.1. Das Verwaltungsgericht begründete die angefochtenen Erkenntnisse, auf das Wesentliche zusammengefasst, wie folgt:
13 Laut psychiatrischer Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 25. September 2015 bestehe beim Revisionswerber eine Alkoholabhängigkeit "mit derzeitiger Abstinenz". Die vom Revisionswerber vorgelegte Haarprobe vom 30. Juni 2015 könne als Abstinenznachweis für die davor liegenden zwei Monate ab Ende April 2015 gewertet werden. Durchaus glaubwürdig erscheine, dass der Revisionswerber "weiterhin nicht trinke". Sein psychopathologischer Status, die neurologische Untersuchung und der Gesamteindruck hätten keinen Hinweis auf fortgesetzten Alkoholkonsum gegeben, der Revisionswerber sei jedoch weiter wenig kritisch reflexionsfähig bezüglich seines zurückliegenden Alkoholkonsums, er könne auch nicht unterscheiden zwischen der Qualität des Lebens mit und ohne Alkohol. Angesichts dieses Befundes sei die Prognose ungewiss. Aus psychiatrischer Sicht bestehe grundsätzlich kein Einwand bezüglich des Lenkens von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1, jedoch würden als Auflagen die Vorlage einer 3 cm Haarprobe auf Ethylglucuronid (EtG) mit einem Cut-Off-Wert von 7 pg/mg Haar in Abständen von drei Monaten über einen Beobachtungszeitraum eines Jahres, der Kontakt zu einer EGO Beratungsstelle und kein Alkohol während des Lenkens von Kraftfahrzeugen vorgeschlagen. Für die Wiedererteilung der Lenkberechtigung der Führerscheingruppe 2 seien die Voraussetzungen aus psychiatrischer Sicht gegenwärtig noch nicht gegeben.
14 Gestützt auf das Ergebnis des psychiatrischen Facharztbefundes habe die Amtsärztin der belangten Behörde Dr. N. den Revisionswerber in ihrem Gutachten vom 6. Oktober 2015 als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 "befristet geeignet" beurteilt, und zwar auf die Dauer eines Jahres unter den Auflagen ärztlicher Kontrolluntersuchungen "in Form von Haarproben (3 cm) auf EtG" in Abständen von drei Monaten, zweimonatlicher Alkoholberatung mit Bestätigung alle vier Monate, "Code 05.08" und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung vor Befristungsablauf. Zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 habe die Amtsärztin den Revisionswerber gesundheitlich als "nicht geeignet" beurteilt. Die Amtsärztin habe in ihrer Gutachtensbegründung auf die fachärztlich diagnostizierte Alkoholabhängigkeit des Revisionswerbers mit derzeitiger Abstinenz mit weiterhin bestehender wenig kritischer Reflexionsfähigkeit bezüglich zurückliegenden Alkoholkonsums und der dadurch ungewissen Prognose verwiesen. Zwar hätten sich bei der aktuellen klinischen Untersuchung keine klinischen Auffälligkeiten gezeigt, doch bestehe beim Revisionswerber von persönlichkeitsbezogener Seite nach wie vor eine Uneinsichtigkeit bezüglich des eigenen Alkoholkonsumverhaltens. Die vorliegende Haarprobe zeige eine Abstinenz in den letzten drei Monaten, fachärztlich werde aber eine totale Abstinenz gefordert, die mittels Haarproben in regelmäßigen Abständen nachzuweisen sei. Wegen der erhöhten Anforderungen und zu kurzer Alkoholabstinenz sei der Revisionswerber noch nicht geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 zu lenken.
15 Der Revisionswerber weise - so das Verwaltungsgericht weiters - eine auffällige Alkoholvorgeschichte auf. Laut Führerscheinregister habe er zwischen 1990 und 2014 insgesamt 6 Alkoholdelikte wegen des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss und daraus resultierend Entziehungen der Lenkberechtigung zu verantworten gehabt. Außerdem sei ihm bereits im Jahr 2013 die Lenkberechtigung für die Gruppen 1 und 2 mangels gesundheitlicher Eignung (stark erhöhter CDT-Wert: 5,1 %) entzogen worden.
16 Die Amtsärztin Dr. N. habe schlüssig begründet, dass zur Überwachung der weiteren totalen Alkoholabstinenz ua. eine zeitliche Befristung für ein Jahr und die Vorlage von Haarproben in regelmäßigen Abständen sowie eine amtsärztliche Nachbegutachtung unabdingbar seien. Da es sich bei Alkoholabhängigkeit um eine Erkrankung handle, die mit sehr hoher Rückfallgefährdung verbunden sei, sei die bisherige Abstinenzdauer jedenfalls noch zu kurz und reiche die Vorlage einer negativen Haaranalyse auf EtG und mehrerer alkoholspezifischer Laborparameter, wie vom Revisionswerber in der Beschwerde dargestellt, noch nicht aus, "um hinsichtlich Gruppe 1 eine geänderte Beurteilung des relevanten Sachverhaltes zu begründen" und eine uneingeschränkte Eignung des Revisionswerbers annehmen zu können. Hinsichtlich Gruppe 2 könne eine Eignung nicht angenommen werden.
17 Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die aktenkundige ausgeprägte Alkoholvorgeschichte des Revisionswerbers deutlich auf ein zumindest in der Vergangenheit abhängiges Trinkverhalten und einen äußerst problematischen Umgang mit Alkohol schließen lasse, sodass die Gefahr des Rückfalls bei ihm derzeit durchaus noch begründet scheine und nicht auszuschließen sei.
18 Was die amtsärztlich vorgeschlagenen Auflagen und Einschränkungen - hinsichtlich Gruppe 1 - anlange, so erschienen diese zur Überwachung und Kontrolle der weiteren Abstinenz bzw. des künftigen Konsumverhaltens des Revisionswerbers sowie im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig. Die Auflage von Kontrolluntersuchungen ergebe sich überdies aus § 14 Abs. 5 FSG-GV. Die Haaranalyse sei ein in der Literatur ausdrücklich befürworteter Weg der Kontrolle. Die zeitliche Befristung der Lenkberechtigung der Gruppe 1 sowie die Auflage der ärztlichen Nachuntersuchung ergäben sich aufgrund der gebotenen Vorschreibung ärztlicher Kontrolluntersuchungen zwingend aus § 2 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV.
19 II.3.2. Schon mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte angesichts des Vorbringens in den Beschwerden eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, zeigen die Revisionen eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erkenntnisse auf.
20 II.3.3.1. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Erkenntnissen jeweils zugrundegelegt, dass der Revisionswerber einen Zustand nach Alkoholabhängigkeit aufweise, aber "derzeit" abstinent sei. Im Hinblick auf diese Annahme hat es als Grundlage für die Einschränkung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers (durch das erstangefochtene Erkenntnis) § 14 Abs. 5 FSG-GV herangezogen. Diese Bestimmung ist freilich von vornherein nur dann einschlägig, wenn der Betreffende alkoholabhängig war oder zumindest "damit gehäuften Missbrauch" begangen hat.
21 Die belangte Behörde hat in ihren Bescheiden keine Sachverhaltsfeststellung dahin getroffen, dass bzw. in welchem Zeitraum in der Vergangenheit der Revisionswerber alkoholabhängig gewesen sei. Das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit hat der Revisionswerber in der Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrags auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Gruppe 2 bestritten und in der Beschwerde gegen die Einschränkung seiner Lenkberechtigung für die Gruppe 1 ein auf vorgelegte Befunde gestütztes Vorbringen erstattet, das auf eine bereits ausreichende Abstinenz im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes abzielte, weshalb eine Einschränkung der Lenkberechtigung unzulässig sei.
22 Angesichts dieses Vorbringens durfte das Verwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht absehen, obwohl der anwaltlich vertretene Revisionswerber keinen ausdrücklichen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt hat, weil er jedenfalls nicht darauf verzichtet hat und der Sachverhalt - schon angesichts des Fehlens von Feststellungen in der Begründung der behördlichen Bescheide - nicht als geklärt angesehen werden durfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 2015, Zl. Ra 2015/20/0027, vom 8. Juli 2015, Zl. Ra 2015/11/0036, und vom 14. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/08/0101). Es sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung im Lichte der Entscheidung des EGMR Becker gegen Österreich (Urteil vom 11. Juni 2015) eine solche über "civil rights" iSd. Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt (vgl. den hg. Beschluss vom 16. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0091).
23 Die angefochtenen Erkenntnisse erweisen sich schon aus diesen Erwägungen als rechtswidrig.
24 II.3.3.2. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtslage aber noch in einem weiteren Punkt verkannt:
25 Einerseits fehlen begründete, auf fachärztliche Gutachten gestützte Feststellungen zu einer früheren Alkoholabhängigkeit des Revisionswerbers. Die vom Verwaltungsgericht verwertete fachärztliche Stellungnahme Dris. S. enthält dazu ebensowenig begründete Ausführungen wie das amtsärztliche Gutachten Dris. N. Es fehlen auch jegliche Feststellungen zum Zeitraum in der Vergangenheit, in dem der Revisionswerber alkoholabhängig gewesen sein soll. Dies ist aus folgenden Gründen von Bedeutung:
26 Das Verwaltungsgericht erwähnt in der Begründung der angefochtenen Erkenntnisse jeweils, dass dem Revisionswerber im Jahr 2013 die Lenkberechtigung für die Gruppen 1 und 2 habe entzogen werden müssen. Nicht festgestellt wird allerdings, wann dem Revisionswerber eine Lenkberechtigung für die Gruppe 1 wieder erteilt wurde, welche mit dem erstangefochtenen Erkenntnis unter Heranziehung des § 24 Abs. 1 FSG (nachträglich) erneut eingeschränkt wird. Dem Fehlen dieser Feststellungen kommt aus folgenden Gründen Relevanz zu:
27 § 24 Abs. 1 FSG erlaubt, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben hat, die Entziehung oder Einschränkung einer Lenkberechtigung nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung "nicht mehr gegeben sind". Eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kommt daher nur dann in Betracht, wenn seit ihrer Erteilung die Umstände in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4 FSG sich entscheidend geändert haben. Aus der Rechtskraft der Erteilung der Lenkberechtigung folgt, dass bei im Wesentlichen unverändertem Sachverhalt in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen die Lenkberechtigung nur als Folge einer Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens durch Abweisung des Erteilungsantrages oder Erteilung einer eingeschränkten Lenkberechtigung der Sache nach entzogen oder eingeschränkt werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, Zl. 99/11/0279, vom 17. Dezember 2002, Zl. 2001/11/0051, vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0183, vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0189, vom 20. April 2004, Zl. 2004/11/0020, und vom 18. September 2012, Zl. 2010/11/0151, jeweils mwN.). Entscheidend dafür, ob in Ansehung der gesundheitlichen Eignung des Betreffenden zum Lenken von Kraftfahrzeugen gegenüber dem Zeitpunkt der Erteilung der Lenkberechtigung eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist, ist, ob sich der Gesundheitszustand des Betreffenden in dem für das Lenken von Kraftfahrzeugen relevanten Bereich verschlechtert hat (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis Zl. 2001/11/0051).
28 Sollte dem Revisionswerber nach der Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Lenkberechtigung der Gruppe 1 - ohne Einschränkungen - zu einem Zeitpunkt wieder erteilt worden sein, zu dem der Revisionswerber noch alkoholabhängig gewesen oder zumindest in einem davor liegenden Zeitraum alkoholabhängig gewesen sein sollte, käme eine nachträgliche Einschränkung der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 FSG wegen der Rechtskraft der Erteilung nur in Betracht, wenn sich der Gesundheitszustand des Revisionswerbers seit der Wiedererteilung der Lenkberechtigung wesentlich geändert (verschlechtert) hätte. Dass dies der Fall wäre, hat das Verwaltungsgericht, das ja selbst eine "derzeitige" Abstinenz konzediert, nicht festgestellt.
Die nachträgliche Einschränkung der Lenkberechtigung für die Gruppe 1 erweist sich daher auch aus diesem Grund als rechtswidrig.
29 II.3.4. Da sich sowohl die mit dem erstangefochtenen Erkenntnis bestätigte nachträgliche Einschränkung der Lenkberechtigung für die Gruppe 1 als auch die mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis bestätigte Verweigerung der Erteilung einer Lenkberechtigung für die Gruppe 2 nach den bisherigen Ausführungen als rechtswidrig erweisen, waren beide Erkenntnisse - jeweils wegen Verkennung der Rechtslage - schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
30 II.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 21. April 2016
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