Normen
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Mai 1999 forderte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 des Führerscheingesetzes (FSG) auf, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B vorzulegen. Begründend wurde ausgeführt, aus einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 10. Mai 1999 sei zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer eine schwere körperliche und geistige Behinderung vorliege. Es finde sich in der Vorgeschichte seit dem 2. Lebensmonat ein Auftreten des Anfallsleidens, ein psychomotorischer Entwicklungsrückstand, residuelle hirnorganische Störungen mit hypotoner Cerebralparese, deutliche motorische Koordinationsstörungen und ein leicht ataktischer Gang. Es lägen somit neurologische Auffälligkeiten vor. Weiters bestehe der hochgradige Verdacht, dass durch das vorgeschädigte Hirn eine besondere Alkoholempfindlichkeit vorliegt. Es bestünden Bedenken, ob der Beschwerdeführer gesundheitlich geeignet sei, Kraftfahrzeuge zu lenken.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, im Hinblick auf sein Geburtsdatum (1972) habe er die Lenk(er)berechtigung frühestens mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, sohin nach dem 3. November 1990, erwerben können. Tatsächlich habe er den Führerschein am 9. Jänner 1995 bekommen. Schon damals habe die Regelung bestanden, dass der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen sei, aus dem sich ergibt, dass der Führerscheinanwärter zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erteilung der Lenkerberechtigung gesund gewesen sei, weil er ansonsten den Führerschein damals nicht erhalten hätte. Das Gutachten, auf das sich der erstinstanzliche Bescheid nunmehr stütze, stamme vom 28. Mai 1990 und vom 13. Juni 1990, beides also Zeitpunkte, die vor dem 9. Jänner 1995 lagen.
Laut einem Aktenvermerk im vorgelegten Berufungsakt handelt es sich bei dem am 9. Jänner 1995 dem Beschwerdeführer ausgestellten Führerschein um ein Duplikat. Die Lenkberechtigung sei erstmals am 2. Juli 1992 erteilt worden.
Mit Bescheid vom 21. Juli 1999 gab der Landeshauptmann von Vorarlberg der Berufung keine Folge, änderte den angefochtenen Bescheid jedoch dahingehend ab, dass der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert werde, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B vorzulegen, und die Frist zur Vorlage des Gutachtens gemäß § 59 Abs. 2 AVG mit sechs Wochen, gerechnet ab Zustellung des Berufungsbescheides, festgesetzt werde. In der Begründung führte der Landeshauptmann für Vorarlberg nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, der Erstbehörde sei im Wege des Amtsarztes die Mitteilung zugegangen, dass nach einer Bestätigung vom 15. Juni 1990 an die Stellungskommission eine schwere körperliche oder geistige Behinderung (beim Beschwerdeführer) vorliege. Nach Auffassung des Amtsarztes bestünde der hochgradige Verdacht, dass durch das vorgeschädigte Hirn eine besondere Alkoholempfindlichkeit vorliegt. Auf Grund dieser neurologischen Auffälligkeiten sei empfohlen worden, die Lenkereignung zu überprüfen. § 24 Abs. 4 FSG entspreche der bisherigen Rechtslage, nämlich § 75 Abs. 2 KFG 1967. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügten zur Einleitung eines Verfahrens, dass begründete Bedenken vorliegen. Diese Bedenken seien in Anbetracht der vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahme gerechtfertigt, zumal der Verdacht auf Alkoholempfindlichkeit als hochgradig eingestuft werde. In diesem Zusammenhang sei es für die Berufungsbehörde unerheblich, ob dieser gesundheitliche Mangel bereits bei der Erteilung der Lenkerberechtigung (am 2. Juli 1992) bestanden habe. Tatsache sei, dass der gesundheitliche Mangel nunmehr hervorgekommen sei, weshalb von der Behörde zwingend die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung zu erfolgen hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 24 FSG lautet (auszugsweise):
"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen
oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
...
(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 ... einzuholen."
Die belangte Behörde legt dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich die Rechtsansicht zu Grunde, es sei für sie unerheblich gewesen, ob der von ihr angenommene gesundheitliche Mangel des Beschwerdeführers bereits bei der Erteilung der Lenk(er)berechtigung (am 2. Juli 1992) bestanden habe. Tatsache sei, dass der gesundheitliche Mangel nunmehr hervorgekommen sei. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde ist verfehlt.
§ 24 Abs. 1 FSG erlaubt, wie schon seine Vorgängerbestimmung (§ 73 Abs. 1 KFG 1967) die Entziehung oder Einschränkung einer Lenkberechtigung nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung "nicht mehr gegeben sind". Daraus ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu § 73 Abs. 1 KFG 1967 ausgesprochen hat, zu entnehmen, dass eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkerberechtigung nur dann in Betracht kommt, wenn sich seit ihrer Erteilung die Umstände unter anderem in Bezug auf die bei der Erteilung angenommene geistige oder körperliche Eignung entscheidend geändert haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1983, Zl. 82/11/0254). Ist dies nicht der Fall, so folgt aus der Rechtskraft der Erteilung der Lenkberechtigung, dass diese - soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 AVG vorliegen - nur als Folge einer Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens oder einer Änderung des maßgeblichen Sachverhalts (z.B. einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes) entzogen oder eingeschränkt (befristet) werden darf (vgl. das bereits zu § 24 FSG ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0272). Auf Grund des systematischen Zusammenhangs der Abs. 1 und 4 des § 24 FSG ist weiters zu folgern, dass diese Überlegungen auch für die Zulässigkeit einer Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG gelten. Die bescheidmäßige Erteilung eines Auftrags zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens nach § 24 Abs. 4 FSG setzt die begründete Annahme der Behörde voraus, dass seit der Erteilung der Lenkberechtigung eine der für ihre Erteilung maßgeblichen Eignungsvoraussetzungen weggefallen ist (vgl. zu § 75 Abs. 1 KFG 1967 z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 89/11/0224).
In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer, wie er bereits in seiner Berufung vorbrachte, trotz einer bereits bestehenden Beeinträchtigung im Jahr 1992 die Lenk(er)berechtigung erteilt wurde (dafür spricht auch die oben wiedergegebene Mitteilung des Amtsarztes der Erstbehörde vom 10. Mai 1999), oder ob der von der belangten Behörde zum Anlass für einen Aufforderungsbescheid genommene gesundheitliche Mangel erst nach Erteilung der Lenk(er)berechtigung eingetreten ist.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. September 2001
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