AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2162654.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Clemens LAHNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 27.09.2015 zusammengefasst Folgendes vor:
Er sei verheiratet, Moslem/Schiit und gehöre der persischen Volksgruppe an. Er habe 12 Jahre lang die Grundschule und vier Jahre lang die Universität besucht. Er habe zuletzt als XXXX gearbeitet.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, er habe seine Heimat verlassen, da er zum Christentum konvertieren möchte. Dadurch würde er große Probleme in seinem Land bekommen. Er wäre seines Lebens nicht mehr sicher. Außerdem sei bei der Eheschließung ein Brautgeld von XXXX vereinbart worden, die er in der Folge nicht bezahlen konnte. Dadurch habe seine Frau den BF angezeigt. Es sei ein Haftbefehl gemäß islamischen Recht erlassen worden und drohe ihm dadurch eine schwere Strafe.
Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben [Aktenseite (AS) 51 ff.].
Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 11.05.2017 zu seinen Ausreisegründen ergänzendes Folgendes vor:
Er habe im Iran geheiratet. Er habe davor eine Hauskirche besucht. Nach seiner Heirat habe der BF ca. XXXX lang weiterhin die Hauskirche besucht. Seine Ehefrau habe dies dann herausgefunden. Der BF habe eines Tages die Bibel mit nach Hause genommen und habe seine Ehefrau ihn gefragt, was das soll. Sie habe sich deshalb sehr aufgeregt. Der BF habe seiner Frau gesagt, er lese nur ein Buch. Im Laufe der Zeit habe seine Ehefrau bemerkt, dass der BF zu gewissen Zeiten fehle und er ihre Anrufe nicht annehme. Die Ehefrau habe ihn dann vorgeworfen, dass er ungläubig sei und ihre gemeinsamen Kinder ebenso ungläubig und gottlos wären. Der BF habe ihr daraufhin über die Bibel, das Christentum und Jesus erzählt. Die Ehefrau des BF habe dies aber nicht akzeptiert. Die Probleme hätten sich XXXX hingezogen. Die Ehefrau des BF habe ohne den BF darüber informiert zu haben, mit ihrer Familie gesprochen. Deren Vater sei streng gläubig. Sie hätten versucht den BF wieder zum Islam zu bekehren. Dies habe der BF jedoch nicht akzeptiert. Sie hätten dann den BF bei Gericht angezeigt. Die Ehefrau des BF habe sich dann vom BF scheiden lassen, mit der Begründung, der BF habe seinen Glauben geändert. Daraufhin sei das Auto des BF beschlagnahmt worden und sein Hab und Gut. Alles wurde als Morgengabe der Frau des BF gegeben. Nach der Anzeige seien zwei Personen in zivil zum BF gekommen. Der BF sei aber nicht zu Hause gewesen. Das habe er von Nachbarn erfahren. Am nächsten Tag hätten sie das Elternhaus des BF aufgesucht und zu diesen gesagt, der BF solle sich zeigen. Auch im Geschäft des BF hätten sie nach ihm gesucht. Der BF sei in den XXXX gegangen und wollte schauen was passiere. Der BF habe dann bemerkt, dass seine Probleme schlimmer werden. Daraufhin habe er den Iran verlassen (AS 105 ff.).
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm 3 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 185 ff.).
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass der BF seine Verfolgungsgründe nicht glaubhaft machen konnte bzw. keine glaubhafte Konversion vorliege.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz vollumfänglich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben (AS 291 ff.).
I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.
I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich seiner Person Stellung zu nehmen.
I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Die Beschwerdeführerin
Beim BF handelt es sich um einen iranischen Staatsbürger und Angehörigen der Volksgruppe der Perser, welcher die Sprache Farsi spricht. Der BF stammt aus der Stadt XXXX .
Der BF besuchte im Iran bis zur Matura die Schule und studierte danach an einer XXXX . Anschließend absolvierte der BF seinen Militärdienst und arbeitete danach zusammen mit zwei weiteren Brüdern im Geschäft seines Vaters, der XXXX . im Anschluss daran war der BF beim XXXX bzw. daraufhin als XXXX tätig.
Der BF ist geschieden und hat keine Kinder. Im Iran sind die Eltern sowie eine Schwester und zwei Brüder des BF aufhältig. Der BF hat selten mit seiner Mutter Kontakt.
Der BF leidet an Schlafstörung (Insomnie), Diabetes, hohem Puls, einer Fettleber und Hämorrhoiden sowie Bluthochdruck. Es besteht ein depressives Zustandsbild. Der BF nimmt diesbezüglich Medikamente. Der BF ist arbeitsfähig.
Der BF reiste XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF hat am 16.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und hält sich seitdem im österreichischen Bundesgebiet auf.
In Österreich leben keine Verwandten des BF.
Der BF hat verschiedene Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht. Der BF hat die ÖSD Prüfung auf A2 Niveau am 08.11.2017 mit „bestanden“, die ÖSD Prüfung auf B1 Niveau am 25.04.2018 mit „ausreichend bestanden“ absolviert.
Der BF hat Info Module zu den Themenbereichen Sozial, Zusammen, Gesundheit, Wohnen, und Bildung absolviert. Der BF hat am 15.04.2016 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.
Der BF führte Renumerationstätigkeiten (Reinigungsarbeiten) für den XXXX durch.
Der BF lebt in einer Mietwohnung. Der BF erhielt vom XXXX bis XXXX Leistungen von der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF verfügte über einen Arbeitsvorvertrag, der jedoch in der Zwischenzeit nicht mehr aufrecht ist. Der BF verfügt seit dem XXXX über eine Gewerbeberechtigung „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten. Seit dem XXXX ist der BF bei der SVS sozialversichert und ist selbstständig berufstätig.
Der BF hat seit ca. XXXX eine Freundin, welche die iranische Staatsbürgerschaft hat. Diese ist in Österreich mit einem Aufenthaltstitel für Studierende aufhältig. Der BF lebt mit seiner Freundin seit dem XXXX zusammen.
Der BF hat Freunde in Österreich und geht in ein Fitnesscenter und ist dort Mitglied.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Gegen den BF und einer anderen Person wurde jeweils ein Strafverfahren gemäß § 83 Abs 1 StGB (Körperverletzung) eingeleitet. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX wurde das Strafverfahren gemäß § 203 StPO nach Ablauf der Probezeit endgültig eingestellt.
Eine unbekannte Person hat das BFA darüber informiert, dass der BF, der noch über keinen positiven Bescheid verfügt, seit Jahren den Staat ausnutzt und Ideale, Wertvorstellungen und Leitbilder verhöhnt.
Der BF nimmt seit XXXX in den Veranstaltungen der XXXX teil. Der BF wurde am 30.07.2016 nach dem Abschluss eines Taufunterrichtes in der XXXX getauft. Der BF ist Mitglied der Gemeinde und nimmt weiterhin an Veranstaltungen teil und beteiligt sich am Gemeindeleben.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:
COVID-19
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft, da das Land von einer erneuten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen ist. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 16.6.2021). Nach dem persischen Neujahrsfest Norouz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht. Danach stiegen die Infektionszahlen stark an. Die Regierung reagierte darauf mit einem Teil-Lockdown (SZ 1.5.2021). Mittlerweile scheint sich die Zahl der Infektionen einigermaßen stabilisiert zu haben, deshalb wurden einige der bisherigen Beschränkungen aufgehoben bzw. gelockert. Neben den Geschäften und Institutionen der Kategorie 1, also essentiell notwendigen, dürfen auch solche der Kategorie 2, also ein Großteil des Einzelhandels, auch in Einkaufszentren und Basaren, öffnen. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile leicht im Abnehmen begriffen ist, ist sie allerdings immer noch hoch (WKO 10.5.2021). Auch die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist weiterhin sehr hoch (WKO 10.5.2021; vgl. DW 23.4.2021), verschiedentlich gibt es noch Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Der Großraum Teheran und zahlreiche andere Städte wurden von der höchsten, ’roten’ Gefahrenstufe auf ’orange’ zurückgestuft (WKO 10.5.2021).
Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 16.6.2021). Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden befragt und bei COVID-19-Symptomen ärztlich untersucht werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird Selbstisolation angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen, und es ergehen weitere verpflichtende Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich (AA 16.6.2021).
In Teheran gilt von 21 Uhr bis 3 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Es kommt, abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen, abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen, ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 16.6.2021). Private Personenkraftwagen dürfen den auf den Kennzeichen angeführten Zulassungsbezirk nicht verlassen. Eine Ausnahme besteht für die Bezirke Teheran und Karaj, da täglich mehrere Millionen Berufspendler zwischen den beiden Orten verkehren. Die Beschränkungen gelten nicht für den öffentlichen Verkehr, Taxis und Internettaxis. In Behörden ist die Anwesenheit der Beschäftigten reduziert. In Orten der Warnstufe ’rot’ müssen Handelsunternehmen, die nicht wie Apotheken oder Lebensmittelhändler dringende Bedürfnisse abdecken, schließen (WKO 10.5.2021). Auch Touristen- und Ausflugsziele bleiben teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 16.6.2021). In allen Schulen und Universitäten wird auf teilweise Fernunterricht umgestellt. Religiöse und kulturelle Veranstaltungen dürfen nur in reduzierter Form stattfinden. Die Maßnahmen gelten auf unbestimmte Zeit (WKO 10.5.2021).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte und Reisen zu vermeiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Öffentlichen Personennahverkehr zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 16.6.2021).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 10.5.2021).
Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani im April 2021 zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende des Sommers 2021 zur Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren. Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindere. Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht. Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2.000 Euro verkauft (DW 23.4.2021). Laut iranischen Behörden, wurde am 13.6.2021 eine Notfallgenehmigung für einen im Inland entwickelten Impfstoff (COVIran Barekat) gegen COVID-19 erteilt. Der Schritt kommt aufgrund der erwähnten Probleme mit dem Import von genügend Impfstoffen (RFE/RL 14.6.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2021, unverändert gültig seit 14.6.2021): Iran: Reiseund Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/ de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 16.6.2021
• BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich]
(16.6.2021, unverändert gültig seit 11.4.2021): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv
.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 16.6.2021
• DW – Deutsche Welle (23.4.2021): Kein Licht am Ende des Corona-Tunnels im Iran, https://www. dw.com/de/kein-licht-am-ende-des-corona-tunnels-im-iran/a-57310659 , Zugriff 16.6.2021
• DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf, https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 , Zugriff 1.12.2020
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (14.6.2021): Iran Approves Emergency Use Of Domestic COVID Vaccine, https://www.rferl.org/a/iran-domestic-covid-vaccine-coviran-barekat/3130 7467.html , Zugriff 16.6.2021
• SZ – Süddeutsche Zeitung (1.5.2021): Welle des Todes in Iran, https://www.sueddeutsche.de/poli tik/iran-corona-1.5280191 , Zugriff 17.6.2021
• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.5.2021): Coronavirus: Situation im Iran, https://www. wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html , Zugriff 16.6.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der ’velayat-e faqih’, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel ’Revolutionsführer’ (GIZ 12.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 4.3.2020a; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021). Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren (DW 19.6.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl.
DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im vorhinein ausgesiebt
(Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsodent tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dasst er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt (Zeitonline 23.6.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 12.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die
Aufgabe, auf die Wahrung der ’Gesamtinteressen des Systems’ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl.
GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der
Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 12.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 12.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf,
Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020a): Politisches Portrait - Iran, https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 27.4.2021
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaertiges-amt .de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 27.4.2021
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante _Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 27.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 27.4.2021
• DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran,https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff
27.4.2021
• DW – Deutsche Welle (19.6.2021): Raeissi wird neuer Präsident im Iran, https://www.dw.com/de/ raeissi-wird-neuer-pr%C3%A4sident-im-iran/a-57961660 , Zugriff 25.6.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 27.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 27.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 27.4.2021
• Standard.at (19.6.2021): Hardliner Raisi gewann Präsidentenwahl im Iran, https://www.derstandar d.at/story/2000127545908/kleriker-raisi-fuehrt-laut-medienberichten-bei-praesidentenwahl-im-iran , Zugriff 25.6.2021
• Tagesschau.de (18.6.2021): Keine Macht dem Volk? https://www.tagesschau.de/ausland/asien/ir an-wahlen-kandidaten-stimmung-101.html , Zugriff 25.6.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 27.4.2021
• Zeitonline (23.6.2021): Wofür steht Ebrahim Raissi? https://www.zeit.de/2021/26/iran-praesidente nwahl-ebrahim-raissi-ali-chamenei , Zugriff 25.6.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.6.2021).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 14.6.2021; vgl. AA 14.6.2021b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 14.6.2021b).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 14.6.2021b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 14.6.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 14.6.2021).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 14.6.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften(EDA 14.6.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen
Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran
10.2020). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 14.6.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.6.2021b, unverändert gültig seit 17.5.2021): Iran: Reise-und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/ira nsicherheit/202396 , Zugriff 14.6.2021
• EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (14.6.2021, unverändert gültig seit 3.11.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertr etungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html , Zugriff 14.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
14.6.2021
Verbotene Organisationen
Letzte Änderung: 28.06.2021
Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).
Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2020) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um dadurch Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin
(MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019; vgl. Landinfo 12.4.2021).
Hinsichtlich des Risikos, für politische Aktivitäten verhaftet zu werden, ist die Art der Aktivität entscheidend. Andauernde politische Aktivitäten werden eher in einer Anklage enden. Auch Personen, die mit politischem Material oder beim Anbringen politischer Slogans an Wänden erwischt werden, laufen Gefahr, verhaftet zu werden. Eine Person, die nur eine einzige politische Aktivität auf niedrigem Niveau setzt - z.B. Verteilen von Flugblättern - läuft kaum Gefahr, deswegen angeklagt zu werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 4.5.2020
• AI – Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_152
9323691_mde1385982018english.pdf , Zugriff 4.5.2020
• AI – Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International’s written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February –22March 2019), MDE 13/9828/2019, https: //www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf , Zugriff 4.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ec oi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-in cluding-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 4.5.2020
• Landinfo [Norwegen] (12.4.2021): Iran. Mojahedin-e Khalq Organization (MKO), https://www.ecoi .net/en/file/local/2050252/Temanotat-Iran-MKO-12042021.pdf , Zugriff 14.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 4.5.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 28.06.2021
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2020). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA26.2.2020; vgl. BS 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 3.3.2021).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (USDOS 30.3.2021). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 13.1.2021; vgl. AA 26.2.2020, HRC 11.1.2021). Die Behörden setzen sich ständig über Bestimmungen hinweg, wie z.B. das Recht auf einen
Rechtsbeistand (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). In einigen Fällen wurde in Abwesenheit der
Angeklagten verhandelt, weil man sie nicht über ihre Verhandlungstermine informiert oder sie nicht vom Gefängnis zum Gericht transportiert hatte (AI 7.4.2021).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische
Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrerAuslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen ’göttlichen Wissens’ [divine knowledge] für schuldig befinden (USDOS 30.3.2021).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die ’Sondergerichte für die Geistlichkeit’ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BS 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere ’Feindschaft zu Gott’ und ’Korruption auf Erden’;
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Viele Gerichtsverfahren finden hinter verschlossenen Türen statt. Bei Verfahren vor Revolutionsgerichten herrscht offene Feindseligkeit gegenüber den Angeklagten, und Anschuldigungen von Sicherheits- und Geheimdiensten werden als Tatsachen behandelt, die bereits feststehen. Erzwungene ’Geständnisse’, die unter Folter und anderen Misshandlungen zustande kommen, werden vor Beginn der Prozesse im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Gerichte nutzen sie durchweg als Beweismittel und begründen damit Schuldsprüche, selbst wenn die Angeklagten ihre Aussagen widerrufen. In vielen Fällen bestätigen Berufungsgerichte Schuldsprüche und Strafen, ohne eine Anhörung abzuhalten. Häufig weigern sich Gerichte, Angeklagten, die wegen Straftaten in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit verurteilt wurden, das Urteil in schriftlicher Form zukommen zu lassen (AI 7.4.2021).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten:
Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020).
Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgteAmputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann (ÖB Teheran 10.2020). Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020). Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann der ursprünglich Verletzte auch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom ’Geschädigten’ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938
794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamisch en-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 7.4.2020
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445 204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-d er-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf , Zugriff 7.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020) – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Iran, http://www.bti-project.org/file admin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf , Zugriff 7.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (11.1.2021): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 4.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 2.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices
2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 30.06.2021
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum
Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Revolutionsgarde und die nationale Armee (Artesh) sorgen für die externe Verteidigung. Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Trotzdem können Angehörige der Sicherheitskräfte Misshandlungen begehen, ohne befürchten zu müssen, bestraft zu werden (USDOS 30.3.2021). Organisatorisch sind die Basij den Revolutionsgarden unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut macht. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten,
wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran
10.2020).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst (AA 26.2.2020). Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden und den Basij Milizen unterstützt. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BS 2020).
Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den Revolutionsgarden (BS 2020). Letztere nehmen eine Sonderrolle ein, ihr Auftrag ist formell der Schutz der Islamischen Revolution. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben die Revolutionsgarden neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 3.3.2021). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der Revolutionsgarden Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitäts-
werke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist also aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Präsident Hassan Rohani versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BS 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und
Gebäudesicherung. Neben dem ’Hohen Rat für den Cyberspace’ beschäftigt sich die iranische
Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und
Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EUMenschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des
Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete (BS 2020). Der Oberste Führer hat die höchste
Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (USDOS 30.3.2021). In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum
Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN -
House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish
Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom,
9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file /local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 7.4.2020
• DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.c om/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 7.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https: //www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/ , Zugriff 7.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
2.12.2020
• Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-s o-viel-macht-haben/19907934.html , Zugriff 7.4.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 30.06.2021
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind psychische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, DIS 7.2.2020). Folter betrifft vorrangig eben diese nicht registrierten, aber auch offizielle Gefängnisse - insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet, vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Zudem wurden 2020 mindestens 160 Personen zu Peitschen- bzw. Stockhieben verurteilt sowohl wegen Diebstahls oder Überfällen als auch wegen Handlungen, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z.B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche oder einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Männer als auch Frauen anwesend waren. In vielen Fällen wurden die Auspeitschungen vollstreckt (AI 7.4.2021). Berichten zufolge unterhalten Behörden abseits des nationalen Gefängnissystems auch noch inoffizielle, geheime Gefängnisse und Haftanstalten, in denen Missbrauch stattfindet (USDOS 30.3.2021).
Bei Delikten, die im Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischt-geschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser sowie die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).
Folter und andere Misshandlungen geschehen häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um dadurch Geständnisse zu erzwingen (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 13.1.2021). Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Ehemalige Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 3.3.2021).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of
Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 2.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices
2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 30.06.2021
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz nur willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Beamte betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte ’Bonyads’, leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in
Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen.
Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten,
Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020). Auch in der Polizei, bei sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und bei staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Nur selten werden Täter strafrechtlich verfolgt und wenn, dann ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BS 2020). Die Justiz setzt eine Antikorruptionskampagne fort, deren Motivation laut Beobachtern u.a. politische Auseinandersetzungen und das Ersetzen von Einnahmeverlusten aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen sind. Der oberste Führer genehmigte 2018 einen Antrag des Justizchefs, spezielle Revolutionsgerichte einzurichten, um Einzelpersonen wegen Wirtschaftsverbrechen vor Gericht zu stellen. Gleichzeitig forderte er Höchststrafen für diejenigen, welche die Wirtschaft ’gestört und korrumpiert’ haben. Er wurde zitiert, wonach Strafen für diejenigen, die der wirtschaftlichen Korruption beschuldigt werden, einschließlich Beamter der Regierung und des Militärs, schnell durchgeführt werden sollten.
Amnesty International kritisiert diesbezüglich das Fehlen eines fairen und ordnungsgemäßen Verfahrens durch die Gerichte (USDOS 30.3.2021).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionswahrnehmungsindex von 2020 mit
25 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 149 von 180 [2019: Platz 146 von 180] untersuchten Ländern (TI 2021) [2019: Platz 146 von 180]. Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 12.2020b).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 28.12.2021
• TI – Transparency International (1.2021): Corruption Perspective Index 2020 – Iran, https://www.tr ansparency.org/en/cpi/2020/index/irn , Zugriff 28.4.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices
2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene ’Hohe Rat für Menschenrechte’ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten ’Pariser Prinzipien’ (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
• Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
• Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
• Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
• Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
• UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
• Konvention über die Rechte behinderter Menschen
• UN-Apartheid-Konvention
• Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
• Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
• Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
• Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2020). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 12.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der ’schwersten Verbrechen’ entsprechen und ohne einen fairen Prozess; rechtswidrige oder
willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 7.4.2021, FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte; Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit; Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung; weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen; rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien; Menschenhandel; Gewalt gegen ethnische Minderheiten; strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten; Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten sowie Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten; und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Die Regierung unternimmt kaum Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (USDOS 30.3.2021).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr, der Spionage beschuldigt zu werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2020). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (BS 2020; vgl. ÖB Teheran
10.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 28.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Meinungs- und Pressefreiheit, Internet
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht ’schädlich’ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die ’Rechte der Öffentlichkeit’ sind (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In der Praxis sehen sich Meinungsund Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020, AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021). Die Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten, Dissidenten und Menschenrechtsverteidiger wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 13.1.2021), bzw. nutzen Behörden Gesetze, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. Die Behörden dulden es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (USDOS 30.3.2021).
Der staatliche Rundfunk wird von Hardlinern streng kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 3.3.2021). Insgesamt spiegelt die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter ’roter Linien’ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen ’Propaganda gegen das System’ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). ’Propaganda gegen das System’ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei ’Propaganda’ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden. Dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2020). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, FH 3.3.2021). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa ’regimefeindliche Propaganda’ verhängt (ÖB Teheran 10.2020).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer
Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 3.3.2021). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 3.3.2021). Alle Arten von Medien unterliegen der Zensur (AI 7.4.2021). Andererseits besitzt nahezu jede iranische Familie eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind (GIZ 12.2020c).
Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2020c). Etwa 70% der iranischen Bevölkerung sind aktive Internetnutzer. Seit 2009 haben die iranischen Behörden erhebliche Mittel für den Ausbau der Infrastruktur, aber auch für die Kontrolle ihrer Nutzung aufgewendet. Zensur und Überwachung sind umfangreich. Eine Cyberpolizei wurde eingerichtet, und auch mehrere andere Regierungsbehörden haben Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung des Internets und der sozialen Medien übernommen. Darüber hinaus haben die iranischen Behörden ein lokales, staatlich kontrolliertes Netzwerk entwickelt, das National Information Network (NIN). Die regimekritische Debatte findet vor allem in den sozialen Medien statt. Für illegale Oppositionsparteien ist das Internet der bevorzugte Kanal für den Informationsaustausch. Die iranischen Behörden konzentrieren sich insbesondere auf Personen, die die öffentliche Meinung in Iran beeinflussen können, wie beispielsweise diejenigen, die viele Anhänger in den sozialen Medien haben. Dies gilt auch für im Ausland lebende Iraner. Iranische Journalisten, die für internationale Medienhäuser arbeiten, werden streng überwacht (Landinfo 31.5.2021).
Gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder ’islamfeindliche’ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber ’gefiltert’ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen ’Cyber-Krieg’ gegen das Land führen zu
wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA
26.2.2020).
Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als ’Bürgerrecht’ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema ’Cyberspace’ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App ’Telegram’ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreiche Frauen, die ’unsittliche’ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen. Seitdem seit Februar 2020 konservative und erzkonservative Kräfte im iranischen Parlament die Mehrheit der Abgeordneten stellen, ist der Druck auf den jungen Telekom-Minister für eine Filterung der noch nicht gefilterten sozialen Medien wie Instagram und WhatsApp und die Einführung des bereits nach chinesischem Vorbild vorbereiteten internen Internets gewachsen. Der junge Minister mit seiner
Vergangenheit als Beamter des Geheimdienstes konnte sich bisher gegen diesen Druck wehren. Es ist aber zu erwarten, dass sich der Zugriff der Iraner auf die virtuelle Welt in Zukunft noch weiter einschränken wird (ÖB Teheran 10.2020). Die Internetseiten von Facebook, Telegram, Twitter und YouTube bleiben blockiert (AI 7.4.2021).
Die 1997 unter Khatami gegründete ’Association of Iranian Journalists’ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als ’unislamisch’ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist ’regimefeindlicher Propaganda’ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2020).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um einen Platz verschlechtert und liegt nun an Position 174 (2020: 173) von 180 (ROG 2021a). Iran bestätigt mit der weltweit ersten staatlichen Hinrichtung eines Journalisten seit 30 Jahren seine Stellung als einer der schlimmsten Unterdrücker der Pressefreiheit (ROG 2021b).
Hinsichtlich der Corona-Pandemie spielt die Islamische Republik die Opferzahlen herunter, verschärft die Einschränkungen für traditionelle Medien und soziale Netzwerke, verhört, verhaftet und verurteilt Medienschaffende für ihre unabhängige Berichterstattung (ROG 2021b). Die Behörden ergriffen im Jahr 2020 Maßnahmen, die eine unabhängige Berichterstattung über
Covid-19 und jegliche Kritik am staatlichen Umgang mit der Pandemie unterbinden sollten. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung wies Medien und Journalisten an, bei der Berichterstattung nur offizielle Quellen und Statistiken zu verwenden. Die Internetpolizei gründete eine spezielle Einheit, um gegen ’Internet-Gerüchte’ und ’Fake News’ über Corona in den sozialen Medien vorzugehen. Zahlreiche Journalisten, Nutzer Sozialer Medien, Mitarbeiter im Gesundheitswesen und andere Personen wurden festgenommen, verhört oder verwarnt. Im April 2020 erhoben die Behörden Anklage gegen einen Arzt aus Saqqez in der Provinz Kurdistan, wegen ’Verbreitung von Propaganda gegen das System’ und ’Störung der öffentlichen Meinung’, weil er auf Instagram Beiträge über Covid-19 veröffentlicht hatte (AI 7.4.2021).
Quellen:
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Demonstrationen der Opposition sind seit den Wahlen 2009 nicht mehr genehmigt worden, finden jedoch in kleinem Umfang statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden (AA 26.2.2020).
In den letzten drei Jahren haben die iranischen Behörden auf wiederholte und weit verbreitete
Proteste im ganzen Land mit übermäßiger und tödlicher Gewalt und willkürlichen Verhaftungen von Tausenden von Demonstranten reagiert (HRW 13.1.2021). Nach den regierungskritischen Protesten im November und Dezember 2019, die aufgrund einer Benzinpreiserhöhung ausgelöst wurden (DW 29.12.2019; vgl. DIS 7.2.2020), wurden Tausende Personen festgenommen (DIS 7.2.2020). Zudem wurden laut inoffiziellen Zahlen zwischen 300 und 1.500 Demonstranten getötet (DW 29.12.2019; vgl. AI 7.4.2021), unter ihnen 180 ’Rädelsführer’, denen die Todesstrafe droht. Die iranische Regierung weist diese Zahlen als völlig übertrieben zurück (DW 29.12.2019). Mit einer zeitweisen Internetblockade sorgte Teheran damals dafür, dass kaum Informationen, Bilder und Videos der Proteste verbreitet werden konnten (DW 29.12.2019; vgl. HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021). Sicherheitskräfte setzten exzessive und rechtswidrige tödliche Gewalt gegen massive Proteste im ganzen Land ein, insbesondere gegen Demonstranten, die Straßen blockierten oder in einigen Fällen Steinewarfen und versuchten, öffentliche Gebäude zu übernehmen (HRW 13.1.2021). Auch mehr als ein Jahr nach den Protesten schüchtern die Behörden die Familien der Opfer weiter ein und behindern die Bemühungen, die Zahl der getöteten Demonstranten zu klären (FH 3.3.2021).
Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021). Gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil unter dem Vorwurf der ’Propaganda gegen das Regime’ und ’Handlungen gegen die nationale Sicherheit’ verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 26.2.2020), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Mehrere inhaftierte Arbeiteraktivisten wurden 2019 zu Haftstrafen von 14 Jahren oder mehr verurteilt (FH 3.3.2021). Erlaubt sind nur ’Islamische Arbeitsräte’ unter der Aufsicht des ’Haus der Arbeiter’ (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Proteste gegen zu geringe oder gar nicht ausbezahlte Löhne mehren sich seit Anfang 2018, auch dabei kommt es immer wieder zu Festnahmen. SeitAnfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Eine Gruppe von Umweltaktivisten wurde aufgrund von Spionageverdacht verhaftet, unter dem Vorwurf der mitunter ’unbewussten’ Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen. Inzwischen sind einige von diesen Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Und dies obwohl selbst die Regierung und auch der iranische Geheimdienst in den vergangenen zwei Jahren der Meinung waren, dass der Vorwurf der Spionage auf die verhafteten Aktivisten nicht zutreffe. Aber sowohl die Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden als auch die iranische Judikative bestanden darauf, dass diese Umweltaktivisten Spionage betreiben wollten (ÖB Teheran 10.2020).
In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 12.2020a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Sowohl bei Präsidenten- als auch bei Parlamentswahlen nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert – dabei wurden auch schon ehemalige Präsidenten als ’nicht geeignet’ ausgeschlossen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020).
Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände (’regimefeindliche Propaganda’, ’Beleidigung des Obersten Führers’ etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen (ÖB Teheran 10.2020). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden also verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv (AA 26.2.2020). Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 7.4.2021; vgl. BS 2020, ÖB Teheran 10.2020, AA 26.2.2020).
An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 10.2020). Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Das Fehlen oppositioneller Führungspersonen zeigte sich auch bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/18 und den Protesten im November 2019 (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf , Zugriff 29.4.2021
• DW – Deutsche Welle (29.12.2019): Bericht: Iran geht von 1500 Toten bei Unruhen aus, https: //www.dw.com/de/bericht-iran-geht-von-1500-toten-bei-unruhen-aus/a-51780047 , Zugriff 29.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 29.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
3.12.2020
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt (ÖB
Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen (USDOS 30.3.2021). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung - in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Von mangelnden hygienischen Zuständen ist auszugehen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Im Allgemeinen verschlechterten sich die Haftbedingungen während der COVID-19-Pandemie erheblich (USDOS 30.3.2021). Politische Gefangene haben in den letzten Jahren wiederholt Hungerstreiks durchgeführt, um gegen Misshandlungen in Gewahrsam zu protestieren (FH 3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Von Februar bis Mai 2020 ließen die Behörden als Reaktion auf die Corona-Pandemie etwa 128.000 Gefangene vorübergehend frei und begnadigten 10.000 weitere (AI 7.4.2021), um die Ausbreitung von COVID-19 in Gefängnissen zu verhindern. Berichten zufolge befanden sich nur sehr wenige politische Gefangene unter jenen, denen Urlaub gewährt wurde (FH 3.3.2021). Hunderte gewaltlose politische Gefangene waren von Begnadigungen und vorübergehenden Freilassungen ausgeschlossen (AI 7.4.2021). Mehrere Menschenrechtsverteidiger wurden unter der richterlichen Anordnung bezüglich COVID-19 freigelassen. In vielen anderen Fällen haben sich die Behörden trotz der Gesundheitsrisiken geweigert, Menschenrechtsverteidigern vorübergehende Freilassungen zu gewähren (HRW 13.3.2021). Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Gefängnissen dürfte höher sein als von den Behörden angegeben (FH 3.3.2021).
In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mitAusländern pflegen, etc. (ÖB Teheran 10.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet - vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2020).
Eines der berüchtigtsten Gefängnisse ist nach wie vor das im Norden Teherans gelegene, von den Amerikanern für den Schah (und den Geheimdienst SAVAK) errichtete Evin-Gefängnis. Von außen fällt auf, dass es weniger aus Gebäuden, sondern eher aus Hügeln besteht, zumal sich ein Großteil des Gefängnisses in unterirdischen Anlagen befindet. Dies verstärkt den psychischen Druck (Mangel an Tageslicht). Manche Trakte unterstehen nicht der Justiz/Polizei, sondern direkt den Nachrichtendiensten der Revolutionsgarden. Aber auch andere Gefängnisse, wie das neue
’Große Teheraner Gefängnis’ im Süden der Stadt sind für ihre Haftbedingungen berüchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Straflosigkeit bei Vergehen von Beamten ist weiterhin ein Problem. Berichten zufolge hat Folter zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt (AI 7.4.2021). Gefangene können Beschwerden bei den Justizbehörden einreichen, werden jedoch häufig mit Zensur oder Vergeltung in Form von Verleumdung, Schlägen, Folter und Verweigerung von medizinischer Versorgung und
Medikamenten oder Urlaubsanträgen sowie Anklage wegen zusätzlicher Straftaten konfrontiert (USDOS 30.3.2021).
Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020), in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021). Im März und April 2020 protestierten Gefangene im ganzen Land mit Hungerstreiks und Aufständen, weil die Behörden nicht in der Lage waren, sie vor Corona-Infektionen zu schützen. Die Behörden reagierten mit rechtswidrigen Mitteln. Sie schlugen die Inhaftierten und beschossen sie mit scharfer Munition, Metallkugeln und Tränengas, um die Proteste niederzuschlagen. Dies führte dazu, dass am 31. März 2020 im Sheiban-Gefängnis inAhwaz in der Provinz Khuzestan mehrere Gefangene, die der arabischen Ahwazi-Minderheit angehörten, getötet und viele weitere verletzt wurden (AI 7.4.2021).
Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in ’sichere Häuser’ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen. Dort werden sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten (ÖB Teheran 10.2020). Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AI 7.4.2021).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 3.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices
2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 29.4.2021
Todesstrafe
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran ist auch weiterhin eines der Ländern, wo die Todesstrafe am häufigsten durchgeführt wird
(HRW 13.1.2021; vgl. CSW 3.2021). Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, ’Moharebeh’ (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB
Teheran 10.2020; vgl. HRW 13.1.2021, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten,
Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB
Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2020) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021, HRC 11.1.2021, AI 7.4.2021, CSW 3.2021). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2020). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer
Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilogramm Opium oder zwei Kilogramm industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2020). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 3.3.2021). Das neue Gesetz gilt rück-
wirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Ca. 9% aller Exekutionen stehen in Verbindung mit Drogenvergehen (AI 4.2021). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 3.3.2021). Im Jahr 2020 wurden mindestens 233 Menschen hingerichtet (HRC 11.1.2021; vgl. AI 4.2021, HRW 13.1.2021). 18 der Hinrichtungen betrafen Drogenvergehen und 11 Moharebeh oder Korruption auf Erden (HRC 11.1.2021). Mindestens drei jugendliche Straftäter wurden hingerichtet (AI 4.2021; HRW 13.1.2021, HRC
11.1.2021).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AI 7.4.2021): Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei politischen oder die ’nationale Sicherheit’ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom ’Geschädigten’ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen. Seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (4.2021): Todesurteile und Hinrichtungen 2020, https://www.amnesty. at/media/8345/amnesty_bericht-zur-todesstrafe-2020_web.pdf , Zugriff 30.4.2021
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920 /iran---march-2021-2.pdf , Zugriff 7.5.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran
[A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 30.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
3.12.2020
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten ’Buchreligionen’ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als ’mohareb’ (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer
wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI
7.4.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird
weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung vonAngehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zumAtheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laend erreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 18.12.2020
• BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analysesituation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920 /iran---march-2021-1.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN -
House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish
Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom,
9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file /local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran
[A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/d e/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 3.12.2020
• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober
2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex /laenderprofile/iran , Zugriff 19.1.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious
Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Christen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der
Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als ’christlich’ anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse
Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran
10.2020; vgl.AA26.2.2020 ); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der
Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vgl. BAMF 3.2019, FH 3.3.2021). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 12.5.2021; vgl. IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht ’Kultusfreiheit’ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem
Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen (’Hauskirchen’) oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vgl. Open Doors 2021). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 7.4.2021; vgl. CSW 3.2021). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 23.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
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• CSW - Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/i ran---march-2021-2.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN -
House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish
Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom,
9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file /local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
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• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/d e/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
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• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober
2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex /laenderprofile/iran , Zugriff 19.1.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel ’mohareb’ (’Waffenaufnahme gegen Gott’), ’mofsid-fil-arz/fisad-al-arz’ (’Verdorbenheit auf Erden’), ’Handlungen gegen die nationale Sicherheit’ (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), ’Organisation von Hauskirchen’ und ’Beleidigung des Heiligen’, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA
26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen ’mohareb’ (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen
Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen
Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige ’offizielle’ Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur
Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht alsApostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich ’konvertierte’ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden ’kontrolliert’, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der ’Assembly of God’-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). DieserAnstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind
– trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und OnlineAktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen ’illegaler Kirchenaktivität’ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie ’Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen’, ’Verbreitung vom zionistischen Christentum’ und ’Gefährdung der inneren Sicherheit’ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise,
welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen
Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein
Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen ’Verbrechen gegen Gott’ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch ’low-profile’ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung
wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass dieAnführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB
Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale
Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid
wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere
Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein ’high-profile’-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im
Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die
Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im
Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der ’Katholischen Jerusalem Bibel’ ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den ’Katechismus der Katholischen Kirche’ ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938
794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamisch en-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laend erreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920 /iran---march-2021-3.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN -
House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish
Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom,
9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file /local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 7.5.2021
• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/d e/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (16.10.2019): Iran: Kristne konvertitter – en oppdatering om arrestasjoner og straffeforfølgelse, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019853/Respons-Iran-Kristne-konvertitter-enoppdatering-om-arrestasjoner-og-straffeforf%C3%B8lgelse-AVA-16102019.pdf , Zugriff 5.1.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 7.1.2021
• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 –30. September 2020), https://www.opendoors.de/sites/default/files/country_dossier/8_lae nderprofil_iran.pdf , Zugriff 7.5.2021
• UKHO – UK Home Office [Großbritannien] (2.2020): Country Policy and Information Note Iran: Christians and Christian converts, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/sy stem/uploads/attachment_data/file/868800/Iran_-_Christians-Converts_-_CPIN_-_v6.0_-_Feb_2 020_-_EXT_PDF.pdf , Zugriff 7.5.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious
Freedom: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8%
Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten Irans leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2020c).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf
Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Allerdings ist die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 26.2.2020, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Staatliche Maßnahmen betreffen allerdings unverhältnismäßig oft Angehörige ethnischer Minderheiten wie Kurden, Ahwazi-Araber, Aseris und Belutschen. Unabhängig von der Art der vorgeworfenen strafbaren Handlung werden sie öfter zum Tode verurteilt, gefoltert und verbringen mehr Zeit in Untersuchungshaft (ÖB Teheran 10.2020). Zudem wird von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, werden mitunter bedroht, festgenommen und bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH
3.3.2021, AI 7.4.2021).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 22.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• BMI – Bundesministerium für Inneres [Österreich] / Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.6.2019
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff
4.12.2020
Frauen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Insbesondere junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen (GIZ 12.2020c).
Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2020c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen also vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden (AA
26.2.2020).
Iran hat die ’Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau’ als einer von wenigen Staaten weltweit nicht unterzeichnet. Im Global Gender Gap Report 2020 des World Economic Forum liegt Iran an Stelle 148 von 153 (WEF 2020). Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 26.2.2020; vgl. BAMF 7.2020). Es ist hier anzumerken, dass es sehr wohl einige Richterinnen - insbesondere an Familiengerichten - gibt. Ihnen steht es aber nicht zu, ein Urteil auszusprechen oder den Prozess zu leiten. Sie dürfen unter der Aufsicht eines männlichen Richters lediglich beratend tätig werden (BAMF 7.2020).
Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BS 2020). Zusätzlich sind Frauen seit dem Beginn der Coronakrise stärker als Männer vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen. Bereits zum Ende des Frühjahres 2020 haben 145.000 Frauen offiziell ihren Arbeitsplatz verloren. Da Arbeitgeber durch die Pandemie wirtschaftlich unter Druck geraten sind, versuchen diese, den ausbleibenden Umsatz durch eine Reduzierung der Lohnzahlungen auszugleichen. Am stärksten davon, aber auch vom Verlust des Arbeitsplatzes, betroffen sind die Lohnzahlungen von Frauen (BAMF 7.2020). Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 13.1.2021, ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF
7.2020). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 7.2020). Kinder unter 18 Jahren benötigen für die Ausstellung des Reisepasses die schriftliche Erlaubnis ihres Vaters. Wenn der Ehemann oder der Vater nicht anwesend ist, hat die Frau sich bei einem Wunsch zur Ausreise an die zuständige Behörde des Außenministeriums zu wenden, sofern die schriftliche Erlaubnis nicht vorliegt. Während dieses Verfahrens werden auch Unterschrift sowie personenbezogene Angaben überprüft (BAMF
7.2020). Unverheiratete und geschiedene Frauen und Witwen benötigen keine Erlaubnis ihres Vaters oder eines männlichen Vormunds um zu reisen (Cedoca 30.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 13.1.2021; vgl. BAMF 7.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Mädchen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Buben mit 15 Jahren) (AA 26.2.2020; vgl. BAMF 7.2020). Zeugenaussagen von Frauen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020, BAMF 7.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine Jungfrau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (USDOS 30.3.2021). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF
7.2020), jenes für Buben bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der
’Wert’ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2020). Nach offiziellen Angaben werden jedes Jahr etwa 30.000 Mädchen unter 14 Jahren verheiratet (AI 7.4.2021).
Im Juni erließ der Präsident ein Dekret, mit dem eine Änderung des Zivilgesetzbuchs in Kraft gesetzt wurde. Dadurch wird es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, ihren Kindern die Staatsbürgerschaft zu übertragen (USDOS 30.3.2021; vgl. BAMF 7.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen,
während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (USDOS 30.3.2021; vgl. BAMF 7.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über mögliche (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende bzw. alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2020).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2020).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich (ÖB Teheran 10.2020).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz betrachtet Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie staatliche Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (USDOS 30.3.2021).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z.T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2020). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2020). Die Sittenpolizei und Bürgerwehren gingen auch 2020 weiterhin massiv gegen Millionen Frauen und Mädchen vor, um den Kopftuchzwang durchzusetzen, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Mehrere Frauenrechtsverteidigerinnen, die sich gegen den Kopftuchzwang engagieren, befinden sich noch immer in Haft (AI 7.4.2021). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch in Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 7.2020). Die 2022 vorgesehene
Weltmeisterschaft erlaubt der FIFA starken Druck auf Iran auszuüben, um Frauen den Zugang zu ermöglichen (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 23.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 6.6.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport Nr. 28. Iran. Frauen - Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.easo.europa.eu/administr ation/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf , Zugriff 16.12.2020
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• Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus
_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 17.12.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 6.5.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 6.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043504.html , Zugriff 6.5.2021
• Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: ’Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch’, https://ww
w.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht-mehr_Besorgniserre gender-Widerstand , Zugriff 23.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 4.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 6.5.2021
• WEF – World Economic Forum (2020): Global Gender Gap Report 2020, http://www3.weforum.o rg/docs/WEF_GGGR_2020.pdf , Zugriff 28.12.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebe-
willigungen (USDOS 30.3.2021). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw% C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_i n_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• USDOS – US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices -
Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische
Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Sowohl auf Grund der ’Maximum Pressure’-Politik der USA als auch wegen der Zurückhaltung westlicher Unternehmen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran aber auch
wegen der Folgen der Corona-Pandemie steht die iranischen Wirtschaft schlechter da als jemals zuvor. Die Erdölexporte sind auf ein Minimum gesunken, auch die Devisenreserven sind erschöpft. Insofern sind die mittelfristigen Prognosen für die iranische Wirtschaft nicht gut (ÖB Teheran 10.2020).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger ’brain drain’, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b).
Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der
Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021) [Bezüglich der Unruhen vgl. Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vgl. BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 24.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046519.html ,Zugriff 29.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 29.4.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net /en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 14.1.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
4.12.2020
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten ’Hohen Versicherungsrat’ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die ’Organisation für Sozialversicherung’ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in deren System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 10.2020). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Iranischen Bürgern und Bürgerinnen stehen zwei Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung: 1. Bei der obligatorischen Versicherung wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber versichert. Dabei wird ein bestimmter Prozentsatz des monatlichen Gehalts abgezogen. 2. Eine freiwillige Abdeckung steht vor allem freiberuflichen Personen und Hausfrauen zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12%, 14% und 16% für die Versicherungspolizzen, bei denen die Regierung 2% der Prämie zahlen muss. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit,
Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen
Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2020). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variiert je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, die Organisation für soziale Sicherheit sowie 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50% der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25% und für Eltern 20% beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Im April 2020 lag der Mindestlohn bei 18,34 Millionen Rial (113 USD). Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi), wobei der Gesamtbetrag für einen unverheirateten Arbeitnehmer 25 Millionen Rial (155 USD) und 30 Millionen Rial (186 USD) für einen verheirateten Arbeiter pro Monat beträgt. Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen,
Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020). Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2020).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die ’sadeqe’, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern könnten beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 30.12.2020
• IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.b amf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4275%3Ahttps% 3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dotdsintegration%2Eredir ect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebamf%252Ede%252Fmilop%252Fc s%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&PreserveFragment=true , Zugriff 5.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2 036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 30.12.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
30.12.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 10.2020). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2020) und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2020). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2020).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen ’Behvarz’ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig,
wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise ’nahversorgt’ werden. In Städten übernehmen sogenannte ’Gesundheitsposten’ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2020). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2020). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2020).
Es ist anzuführen, dass derAnteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten
Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2020).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die ’Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste’ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die ’Imam Khomeini Stiftung’, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2020).
Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familienusw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden (IOM 2020).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2020; vgl. Landinfo 12.8.2020). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen (ÖB Teheran 10.2020). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.12.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#conte nt_5 , Zugriff 30.12.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
• IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.b amf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4275%3Ahttps% 3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dotdsintegration%2Eredir ect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebamf%252Ede%252Fmilop%252Fc s%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&PreserveFragment=true , Zugriff 5.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net
/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 11.1.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff
30.12.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 28.01.2021
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 26.2.2020). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der
Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 26.2.2020). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im
Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem
Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2020).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 29.4.2020
• Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administration/belgium/PLib/COI_Focus
_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 18.12.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ec oi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-in cluding-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 14.12.2020
Dokumente
Letzte Änderung: 01.07.2021
Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB
Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen ( AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020) (z.B. ein echtes Stammbuch - Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020).
Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,…) ist auch kaum möglich, da deren
Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2020).
Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA–AuswärtigesAmt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante
_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 28.4.2021
Individuell
Medizinische Versorgung:
Das Länderprofil der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2016 für den Iran gab an, dass 10,3 % der Bevölkerung irgendeine Form von Diabetes hatten. Es stellte ferner fest, dass Insulin und Meformin im Allgemeinen in Einrichtungen der Grundversorgung sowie zur Nierenersatztherapie durch Dialyse verfügbar waren. Darüber hinaus wurde im Profil angegeben, dass grundlegende Technologien wie Glukose- und Ketonmessungen auch in Einrichtungen der Primärversorgung allgemein verfügbar waren.
Quelle: UK Home Office (9.2019): Country Policy and Information Note Iran: Pakistan: Medical and healthcare issues
Ambulante und stationäre Behandlungen durch Internisten, Nephrologen, Ophthalmologen und Endokrinologen sind verfügbar. Sowohl Laboruntersuchungen zu Blutzuckerwerten und Nierenfunktion als auch Selbsttests bei Diabetes sind vorhanden.
Quelle: BFA, Staatendokumentation, Anfragebeantwortung (23.01.2019), Iran, Diabetes, Medikamentenverfügbarkeit
Bluthochdruck ist im Iran behandelbar. Eine stationäre und ambulante Behandlung durch einen Kardiologen, Internisten und Allgemeinmediziner ist verfügbar.
Quelle: BFA, Staatendokumentation, Anfragebeantwortung (21.08.2018), Iran, Gastriits, Zwölffingerdarmgeschwür und Bluthochdruck
Der Iran verfügt über hoch entwickelte kardiologische Einrichtungen und Behandlungen. Beispiele für Verfahren, die auf solchen Websites aufgeführt sind, waren:
• Operation am offenen Herzen
• Herz Transplantation
• Aortenklappenersatz
• Koronararterien-Bypass-Operation (CABG)
• Myektomie
• Aneurysma-Reparatur
• Perkutane Koronarintervention
Quelle: UK Home Office (9.2019): Country Policy and Information Note Iran: Pakistan: Medical and healthcare issues
Laut einem neuen Bericht des iranischen Gesundheitsministeriums leidet fast ein Viertel der iranischen Erwachsenen an einer psychischen Erkrankung.
MedCOI hat festgestellt, dass die folgenden Behandlungen in den folgenden Krankenhäusern verfügbar sind:
Stationäre Behandlung durch einen Psychiater
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
Ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychiater
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
Stationäre Behandlung durch einen Psychologen
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
Ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychologen
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Mehregan Private Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)Rezai Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
Psychiatrische Krisenintervention bei Suizidversuch inkl. Magenspülung/Magenspülung
- Iran Psychiatric Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
- Maymanat Psychiatric Hospital, Teheran (private Einrichtung)
- Rouzbeh Psychiatry Hospital, Teheran (öffentliche Einrichtung)
MedCOI stellte fest, dass die folgenden Medikamente (unter anderem) verfügbar sind:
• Antidepressiva
- Mirtazapin
- Trazodon
- Amitriptylin
- Duloxetin
- Venlafaxin
- Escitalopram
- Paroxetin
- Sertralin
- Vortioxetin
- Bupropion
Quelle: UK Home Office (9.2019): Country Policy and Information Note Iran: Pakistan: Medical and healthcare issues
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF tatsächlich überzeugter Christ geworden ist.
Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Iran aufgrund seiner religiösen Gesinnung seitens staatlicher Organe oder Privatpersonen Verfolgungshandlungen ausgesetzt war bzw. bei seiner Rückkehr sein wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ex-Frau des BF diesen wegen Abfall vom Islam angezeigt hat und der BF aufgrund seiner Scheidung bzw. der Zahlung der Morgengabe Verfolgung von staatlicher Seite oder Privatpersonen ausgesetzt ist.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse des BF in seinem Heimatland) ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben des BF, aus seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Aufgrund der Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente konnte die Identität des BF festgestellt werden (iranische Geburtsurkunde).
Der Gesundheitszustand des BF ist den Angaben des BF sowie den diesbezüglich vorgelegten medizinischen Unterlagen zu entnehmen. Der BF hat vor dem BFA in der Einvernahme am 11.05.2017 als auch am 10.01.2019 dargelegt, dass er keine gesundheitlichen Probleme habe und auch keine Medikamente benötige bzw. einnehme. Sämtlich diagnostizierten gesundheitlichen Probleme wurden erst im Beschwerdeverfahren vorgebracht und belegt. Die gesundheitlichen Beschwerden ergeben sich vorrangig aus dem Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin XXXX vom XXXX (OZ18).
Dass der BF nicht arbeitsfähig ist, dafür gibt es keine Hinweise. Der BF war in Österreich gemeinnützig tätig, hat zahlreiche Deutschkurse und Seminare besucht. Der BF geht derzeit in Österreich einer selbstständigen Arbeit nach. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulausbildung bzw. über universitäre Ausbildungen. Der BF könnte im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat seinen Unterhalt durch berufliche Tätigkeiten, wenn auch anfänglich durch Gelegenheitsjobs bestreiten.
Die illegale Einreise nach Österreich, die Asylantragstellung sowie die Dauer des Aufenthaltes in Österreich des BF ergeben sich aus den Unterlagen zu seiner Asylantragstellung, des Zentralen Fremdenregisters und einer Abfrage beim Zentralen Melderegister (ZMR).
Dass der BF keine Verwandte in Österreich hat, lässt sich anhand der unwiderlegten Aussagen des BF feststellen.
Der Besuch von Deutschqualifizierungsmaßnahmen sowie die Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 sind durch diesbezügliche Teilnahmebestätigungen und ÖSD Zertifikate belegt.
Die Feststellungen zur Absolvierung von Integrationsmaßnahmen und zur Ableistung von Renumerationstätigkeiten resultiert aus den vorgelegten Teilnahmebestätigungen von Info Modulen sowie Bescheinigungen über durchgeführte Reinigungstätigkeiten.
Die derzeitigen Wohnverhältnisse - der BF lebt in einer Mietwohnung- ist den dahingehend plausiblen Angaben des BF zu entnehmen. Dass der BF nunmehr nicht nur mit seinem Freund, sondern auch mit seiner Freundin in der Wohnung lebt, geht zudem aus dem zentralen Melderegister hervor. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber ergibt sich aus der Einsicht in das Betreuungsinformationssystem. Dass der BF über einen Arbeitsvorvertrag in der Vergangenheit verfügte bzw. derzeit selbstständig beschäftigt und sozialversichert ist, resultiert aus der Vorlage von Dokumenten, insbesondere dem Arbeitsvorvertrag, welcher der BF mit der XXXX abschloss (OZ 16), einer Mitteilung des Finanzamtes über die Steuernummer, Unterlagen der WKO, Unterlagen der SVS, Verständigung des XXXX vom XXXX bzgl. Ausübung eines Gewerbes (OZ 22).
Die Beziehung mit einer XXXX Staatsangehörigen ist den dahingehend unwiderlegten Angaben des BF sowie der vom BF vorgelegten Meldebestätigung sowie des Aufenthaltstitels seiner Freundin jeweils in Kopie zu entnehmen. Dass der BF mit dieser seit XXXX in einer gemeinsamen Wohnung lebt, geht unzweifelhaft aus dem zentralen Melderegister hervor.
Die Angaben des BF zu sozialen und freundschaftlichen Kontakten in Österreich fußt auf dem Sachvortrag des BF vor der belangten Behörde, dem erkennenden Gericht sowie Unterstützungsschreiben und der Mitgliedsvereinbarung zu einem Fitnessstudio.
Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, geht aus dem Strafregister der Republik Österreich hervor. Die Einstellung eines Strafverfahrens ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 29.01.2021.
Ein anonymes Schreiben wurde vom BFA vorgelegt und wurde der BF dazu am 10.01.2019 befragt.
Der vom BF in Österreich bestehende Kontakt zu seiner christlichen Glaubensgemeinschaft, die Taufe, sowie der Besuch von christlichen Veranstaltungen und die ehrenamtlichen Tätigkeiten lassen sich unter anderem aus dem vorgelegten Taufzeugnis (AS 179), dem Schreiben der XXXX vom 15.12.2017 und 18.07.2020 (OZen 6, 16).
II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).
Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen.
Anzumerken ist in diesem Kontext zweifelslos, dass aus der Berichtslage ableitbar ist, dass es im Iran nur eine in eingeschränktem Maße bestehende Religions- und Glaubensfreiheit gibt. So ist bspw. Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein.
Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt.
Zwar ist die Menschenrechtslage im Iran äußerst prekär, anhand der Auskunftslage kann nicht festgestellt werden, dass auch für jeden Bürger im Iran dadurch eine Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, vielmehr muss eine aktuelle Gefahr eigener und persönlicher Betroffenheit bestehen.
Vollständigkeitshalber wird noch darauf hingewiesen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des BF in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie dem Iran mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.
II.2.4. Das Vorbringen des BF, er würde im Iran aufgrund seines Interesses am Christentum bzw. aufgrund der Konversion zum Christentum von staatlichen Stellen bzw. Privatpersonen verfolgt werden, und würde aufgrund einer Anzeige seiner Ex-Frau gesucht werden, wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.
Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der BF wurden im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
II.2.4.1. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF zu seiner Konversion und seinen Rückkehrbefürchtungen bestehen.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG behauptete, er habe die Dolmetscherin im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde meist nicht verstanden. Sie sei eine XXXX oder (vom BF nachträglich korrigiert) eine XXXX gewesen, die die Sprache Farsi von ihrem Mann gelernt habe. Der BF habe deswegen Probleme gehabt. Seine protokollierten Angaben seien ihm zudem nicht rückübersetzt worden.
Der Sachvortrag des BF, dass die Dolmetscher nicht in der Lage war die Sprache Farsi zu übersetzen, muss als gescheiteter Versuch gewertet werden, mögliche unschlüssige bzw. unplausible Antworten des BF dadurch zu erklären. Anhand der Umstände, dass der BF am Beginn der Befragung vor dem BFA erklärte, er verstehe die Dolmetscherin sehr gut, und dass der BF am Ende der Befragung erklärte, er habe die Dolmetscherin gut verstanden, wird das Vorbringen des BF als nicht den Tatsachen entsprechend gewertet. Werden zudem die Angaben des BF in seiner Gesamtheit betrachtet, vor allem im Rahmen seiner freien Fluchtgrundschilderung, entstand beim erkennenden Gericht nicht der Eindruck, dass der BF die Fragen nicht verstanden habe bzw. völlig befremdliche Antworten gegeben habe. Eine Sichtung des Einvernahmeprotokolls vom 11.05.2017 seitens der erkennenden Richterin ergab, dass die Befragung offenbar ohne Probleme von statten ging. Die Fragen zum Ausreisegrund, zu den Rückkehrbefürchtungen, zum Leben in Österreich, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat und ebenso christliche Fragen wurden vom BF in grundsätzlich in einer nachvollziehbaren Art und Weise beantwortet. Der BF wurde über die Rolle der Dolmetscherin manuduziert bzw. wurde der BF explizit darauf hingewiesen, bei Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen zu können. Darüber hinaus stehen die protokollierten Fragen und Antworten in einem logischen Konnex, so dass nie der Eindruck entstand, dass irgendetwas falsch verstanden worden wäre oder nicht ausreichend übersetzt und daher nicht beantwortet werden hätte können. Auch wurde dem BF die Einvernahme rückübersetzt und bestätigte er deren Richtigkeit mit seiner Unterschrift. Korrekturen und Anmerkungen wurden nicht vorgenommen. Es ist daher auszuschließen, dass die Dolmetscherin die Niederschrift unkorrekt oder unvollständig rückübersetzt hat oder überhaupt eine falsche bzw. unrichtige Dolmetschtätigkeit durchgeführt hat.
Dem Vorbringen des BF, es sei vor dem BFA zu einer mangelhaften Übersetzung bzw. Rückübersetzung seiner Angaben gekommen, wird daher kein Glauben geschenkt und geht das erkennende Gericht davon aus, dass sämtliche Angaben des BF in seinen Befragungen rückübersetzt wurden und es zu keinen Missverständnissen oder Übersetzungsfehlern gekommen ist.
Als Hauptgrund für die Ausreise aus dem Iran brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er im Iran eine Hauskirche besucht habe und sich für das Christentum interessierte. Dies habe seine Frau erfahren und habe ihn diese dann angezeigt.
Das Interesse am Christentum habe ein Geschäftsinhaber geweckt, wobei dieser in der Nähe des BF sein Geschäft hatte. Der BF hat den Grund bzw. den Anlass Christ werden zu wollen, ohne jegliche persönliche glaubwürdige Darlegung seiner Lebensgeschichte präsentiert, sodass bereits anfänglich erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF bestehen.
Vor dem BFA am 11.05.2017 erklärte der BF zusammengefasst, dass er, bevor er eine Hauskirche im Iran besucht habe, XXXX lang Atheist gewesen sei. Eine Person, die in seinem Geschäft war, sei Christ gewesen. Er habe sich bereits mit 20 Jahren die Frage gestellt, warum es in islamisch geprägten Ländern vermehrt zu kriegerischen Auseinandersetzungen komme, hingegen in Europa, wo Christen die Mehrheit darstellen, alle friedlich zusammenleben. Der Islam sei zudem durch Zwang geprägt. Man müsse immer etwas machen, ansonsten komme man in die Hölle.
Die vom BF dargestellte Auseinandersetzung mit der Thematik Gewalt in Ländern mit Mehrheitsglauben Islams bzw. dem christlich geprägten Europa blieb oberflächlich und ließ keine zugrundliegende Überzeugung des BF erkennen. Es mag zwar durchaus nachvollziehbar sein, dass sich Menschen die Frage stellen, warum in überwiegend muslimischen Gesellschaften Konflikte entstanden bzw. entstehen, eine Verbindung von islamischer Religion und Gewalt ist jedoch für einen rational denkenden Menschen nicht erkennbar. Die Religion mag zwar durchaus dazu benutzt werden, um Konflikte anzuheizen, die jeweiligen politischen Systeme und nicht der Koran oder religiöse Botschaften sind jedoch die Ursache für Eskalationen. Ansonsten würden es auch – wie vom BF auch zutreffend angeführt, in christlich geprägten Ländern in denen es durchaus größere islamisch geprägte Bevölkerungsgruppen gibt, Gewalt geben. Gewalttaten werden zudem oft von Extremisten verübt, die mit religiösen Botschaften in keinster Weise nachvollziehbar in Verbindung gebracht werden können.
In Österreich wird bspw. die islamische Religion gewaltfrei sowie unter Einhaltung von Menschenrechten ausgeübt. Es scheint wenig nachvollziehbar zu sein, wenn sich der BF mit diesem wichtigen Grund seiner Konversion kaum auseinandergesetzt hat bzw. auch auf Nachfrage seine Überzeugung nicht nachvollziehbar darlegen konnte. So wurde der BF vor der belangten Behörde mit Gewalt von Christen in Zusammenhang mit den Kreuzzügen konfrontiert. Der BF erklärte, er wisse darüber nichts und wechselte das Thema, dass der Glaube ihm persönlich Liebe, Zufriedenheit und gemeinsames friedliches Leben gebe. Ein derartiges Verhalten zeigt, dass sich der BF nicht damit auseinandergesetzt hat bzw. auch nicht auseinandersetzen will, wie eine Religion damit umzugehen hat, wenn Gewalt fälschlicherweise in ihrem Namen ausgeübt wird. Dass aber wiederum veranschaulicht, dass sich der BF mit der christlichen Religionsgemeinschaft bzw. der Geschichte des Christentums, die immer wieder von religiös motivierter Gewalt, wie Kriege, Kämpfe, Ausgrenzung, Missbrauch von Menschen geprägt war bzw. ist, nicht beschäftigte. Der BF hat vor allem in diesem Zusammenhang nicht verdeutlichen können, inwiefern dieser Aspekt für den BF derart schwerwiegend war, dass er seine Religion wechselte, insbesondere deshalb, da er sich bereits im jungen Jahren (ab dem 20. Lebensjahr) damit beschäftigt hätte. Folglich muss es ein einschneidendes Erlebnis bzw. ein Erkenntnis oder einen Umstand gegeben haben, warum der BF erst Jahre später im Alter von ca. 35 Jahren, nämlich im XXXX eine Hauskirche besucht hat und seinen Winsch Christ zu werden, umsetzte.
Wenn der BF in diesem Konnex anführte, ein Inhaber eines in der Nähe befindlichen Geschäftes sei verantwortlich gewesen, dass der BF eine Hauskirche im Iran besuchte, der BF habe mit diesem über den Islam und Religionen gesprochen, erwähnte der BF dies erst so detailliert in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.
Der BFA erklärte vor dem BFA lediglich äußerst vage: „Einer, der in meinem Geschäft war, war auch Christ.“ (AS 194). Dass diese Person für den BF maßgebend war, dass sich der BF dem Christentum zuwandte, schilderte der BF damit kaum.
Generell gilt, dass ein Asylwerber in der Regel über tatsächlich erlebte Ereignisse lebhafter und spontaner berichten kann. Es ist zwar zweifelsohne zu bedenken, dass es gute Gründe dafür geben mag, dass sich ein Antragsteller nicht alle Einzelheiten eines bestimmten Ereignisses ins Gedächtnis zurückrufen kann, jedoch zeichnet sich eine Schilderung von Erlebten im Allgemeinen durch ganz persönliche, individuelle Umstände und die Art und Weise, in der ein Ereignis erfahren und zum Ausdruck gebracht wird, aus.
Die fehlende bzw. vage Schilderung, wie es dazu kam, dass der BF im Iran eine Hauskirche besuchte und vor allem die fehlende Erwähnung konkreter Gesprächsinhalte mit einem Geschäftsinhaber, deuten darauf hin, dass der BF Umstände schilderte, die sich tatsächlich nicht zugetragen habe. Eine Person, die zu einem „für ihn neuen“ Glauben konvertiert und eine Hauskirche, die im Iran verboten ist, aufsucht, wird diesen Weg zum Christentum mit persönlichen Gefühlen und Empfindungen schildern. Wenn etwa wie im gegenständlichen Fall ein Geschäftsinhaber wirklich eine wichtige Rolle für die Konversion des BF zum Christentum im Iran gespielt hätte, hätte der BF bspw. bereits vor dem BFA eine Übertragung im Fernsehen erwähnt, bei der der Koran vorgelesen wurde, der BF diese Übertragung abschaltete und der Geschäftsinhaber dem BF über seine Meinung zum Islam fragte. Hierbei ist zu erwähnen, dass Aussagen, die bloß schemenhaft geschildert werden, oft irrelevante Details, wie z.B.: Ungewöhnliches, Nebensächliches weniger enthalten. Der BF versuchte nachträglich vor dem erkennenden Gericht mit seiner Schilderung fehlende Aussageelemente nachzuholen. Der BF war in diesem Konnex nicht in der Lage das Gericht von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben zu überzeugen.
Wenn der BF zu Treffen mit dem Geschäftsinhaber vor dem BVwG Details angab, handelt es sich aus Sicht des erkennenden Gerichts um eine Steigerung des Vorbringens. Der BF versuchte hiermit offensichtlich nachträglich seinen Sachvortrag lebensnah zu gestalten. Es ist jedoch aller Lebenserfahrung nach in hohem Maße unwahrscheinlich, dass ein aus Sicht des Betroffenen einschneidender Umstand bzw. ein derartiges Geschehen nicht gleich bei der belangten Behörde, somit noch relativ frisch in Erinnerung, sondern erst im Beschwerdeverfahren vorgebracht wird.
Nicht völlig außer Acht gelassen darf der Umstand bleiben, dass der BF im Zuge seiner Erstbefragung sein Interesse am Christentum bzw. seine Konversion zwar erwähnte, jedoch eine bestehende Verfolgung dadurch im Iran nicht anführte. Der BF erklärte unter anderem: „Ich habe mein Land verlassen, weil ich erstens zum Christentum konvertieren will und dadurch große Probleme in meinem Land bekommen würde, ich wäre meines Lebens nicht mehr sicher.“
Der BF legte dadurch zwar einen behaupteten inneren Entschluss zum Religionsübertritt dar, es entstand damit jedoch ein unauflösbarer Widerspruch zu seinem späteren Vorbringen vor dem BFA und dem BVwG. Der BF erklärte sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Gericht, dass seine Frau herausgefunden habe, dass er eine Hauskirche besuche und er Christ sei. Daraufhin habe ihn diese angezeigt und hätten zwei Männer in Zivil nach dem BF bei ihm zu Hause gesucht.
Gerade aufgrund dieses Aussageverhaltens, der BF gab in der Erstbefragung keine staatliche oder jedenfalls durch keine staatsnahen iranischen Stellen begründete Verfolgung aufgrund seiner Religion an, drängte sich der Eindruck auf, dass der BF die von ihm geschilderten Geschehnisse nicht selbst erlebt hat, sondern ein konstruiertes und ausgedachtes Verfolgungsschicksal ohne eigenen Erlebnishintergrund vorgibt.
Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der Einvernahme im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gem. § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall stellt das Vorbringen in der Einvernahme jedoch kein im Verhältnis zur Erstbefragung detaillierteres Vorbringen, sondern ein anderes Geschehen dar als in der Erstbefragung und widerspricht dieser.
Es ist nämlich auch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0323, mwN).
Der BF wurde im Zuge seiner Erstbefragung darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung sind. Er wurde aufgefordert wahre und vollständige Angaben zu machen bzw. hingewiesen, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Der BF gab zudem an, dass er an keine Beschwerden oder Krankheiten leiden würde, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Weder in seiner Beschwerde noch im Zuge der Befragung vor dem BFA brachte der BF vor, dass er in der Erstbefragung gehindert war seine Fluchtgründe darzulegen. Der BF nahm lediglich Änderungen im Bezug auf sein Geburtsdatum vor. Folglich gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF nicht schlüssig darlegen konnte, warum er den Iran verlassen habe. Hinzuweisen ist auch vielmehr darauf, dass der BF am 16.09.2015 bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Asylantrag stellte, die Erstbefragung erst am 27.09.2015 stattfand. Der BF hatte somit Zeit sich von einer eventuellen anstrengenden und beschwerlichen Reise zu erholen.
Der BF vermochte auch durch sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung das erkennenden Gericht nicht davon zu überzeugen, dass er tatsächlich im Iran eine Hauskirche besuchte. Der BF führte nach entsprechender Befragung zu seinem ersten Besuch auszugweise aus: „Beim ersten Besuch waren sieben Personen, mit mir waren wir sieben Personen, anwesend. Ich habe bemerkt bzw. gespürt, dass es nicht zu übersehen war, dass ich willkommen war. Das hat mich sehr berührt. Dort habe ich zum ersten Mal die Bibel gesehen. Seit ich ein junger Erwachsener war, wollte ich gerne einmal die Bibel lesen. Ich war neugierig….“
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der BF ein detailliertes Vorbringen erstattet hätte, wäre der BF tatsächlich zu einem derartigen Treffen gegangen. Es handelt sich hierbei um ein substanzloses Vorbringen, welches sich darauf reduziert, dass der BF die Bibel gesehen habe und er sich willkommen gefühlt habe. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der BF eine Hauskirche besuchte. Dies könnte auch von jeder Person angegeben werden, die nicht an Hauskirchen teilgenommen hat, handelt es sich bei den vom BF gemachten Angaben, doch um Inhalte, die naturgemäß einer religiösen christlichen Gemeinschaft zuzuordnen sind und lassen diese jedoch keinerlei Rückschlüsse auf persönliche, individuelle Eindrücke und Erlebnisse des BF zu. Gerade von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewandt hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, an einer Hauskirche teilzunehmen, muss der erste Besuch doch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von äußerster Einprägsamkeit sein, weshalb bei tatsächlicher Teilnahme umfassendere und detaillierte Angaben erwartet werden können.
Der BF versuchte zudem mit der Schilderung der allgemeinen Lage im Iran in Bezug auf Christen bzw. das Christentum von seinen individuellen Erlebnissen abzulenken. Einr Person, der die Möglichkeit eingeräumt wird, erneut, nunmehr vor dem BVwG, ihre damalige Gefährdungslage zu veranschaulichen, würde sich selbst bzw. Umstände, die mit fluchtauslösenden Umständen im Zusammenhang stehen ins Zentrum stellen und darüber erzählen.
Als weiteren Aspekt für die Unglaubhaftigkeit des Vorbringend des BF ist festzuhalten, dass der BF im Asylverfahren unterschiedlichen Angaben zu seinem Familienstand tätigte. In der Erstbefragung erklärte der BF verheiratet zu sein. Vor dem BFA und dem BVwG gab der BF an, bereits geschieden zu sein. Es ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes in keinster Weise ersichtlich, warum der BF in diesem Zusammenhang derart widersprüchliche Angaben tätigte.
Wenn der BF in der Erstbefragung unmissverständlich darlegte, er habe das bei der Eheschließung vereinbarte Brautgeld nicht zahlen können, seine Frau habe ihn deshalb angezeigt und sei deswegen ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden bzw. drohe ihm eine schwere Strafe, steht dieser Sachvortrag gänzlich im Widerspruch mit seinen späteren Ausführungen. So gab der BF an, dass seine Frau den Umstand, dass er eine Hauskirche im Iran besuche und der BF Christ sei, nicht akzeptieren wollte. Seine Frau habe ihn dann wegen Abfall vom Islam angezeigt und habe sich auch deswegen scheiden lassen.
Wenn der BF tatsächlich aufgrund seiner Konversion zum Christentum von seiner Ehefrau angezeigt worden wäre bzw. seine Ehefrau die Konversion als Scheidungsgrund angegeben hätte, hätte der BF diesen für ihn zentralen Umstand einer Verfolgung im Iran bereits in der Erstbefragung dargetan.
Insofern der BF Angaben zu seiner behaupteten Scheidung anführte, stützte sich der BF lediglich auf Vermutungen und auf Spekulationen. Mit Tatsachen untermauerte glaubwürdige widerspruchsfreie Angaben, insbesondere auch schriftliche Unterlagen bzw. eine Ladung fehlen gänzlich. Es scheint dem Gericht lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der BF einerseits angab, aufgrund einer Ladung zu Gericht gegangen zu sein, andererseits jedoch gewusst zu haben, dass als Grund für seine Scheidung sein Abfall vom Islam von seiner Frau angeführt wurde. Gerade wenn jemand im Iran weiß, dass man wegen Abfall vom Islam beschuldigt wird, wäre es lebensnah keinen Kontakt mit staatlichen Behörde zu suchen. Unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen, dass Apostasie (Abfall vom Islam) nach der Scharia strafbar und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht ist, würde eine Kontaktaufnahme mit staatlichen Stellen zu Verfolgungshandlungen führen. Da sich der BF aufgrund einer Ladung an das zuständige Gericht wandte, drängt sich dem Gericht eher der Eindruck auf, dass gegen den BF überhaupt keine relevanten befürchteten Verfolgungsmaßnahmen seitens staatlicher Behörden im Iran bestehen, wie Anzeige wegen Apostasie und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.
In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass der BF völlig widersprüchlich vor dem erkennenden Gericht anfänglich erklärte, lediglich eine Ladung vom Gericht erhalten zu haben und darüber hinaus keinen Kontakt bezüglich der Scheidung mit Gerichten oder Behörden im Iran gehabt zu haben. Anschließend führte der BF dazu widersprüchlich an, dass er nach Erhalt einer Ladung vom Familiengericht noch am gleichen Tag zum Gericht gefahren sei, um sich zu erkundigen, warum er die Ladung erhalte habe.
Der BF vermochte das Gericht nicht zu überzeugen, dass er eine Ladung erhalten habe. Der BF wurde zum Inhalt der Ladung befragt. Der BF erklärte diesbezüglich: „Ich kann wirklich nicht genau und wortwörtlich sagen, was dort stand aber auf jeden Fall, nachdem ich es gelesen habe, wusste ich das meine Frau sich von mir scheiden lassen will. Ein paar Fragen oder Anzeigen bzw. andere Umstände weiß ich nicht, was drinnen stand. Die Ladung bekam ich ca. vor XXXX , daher kann ich mich nicht mehr genau erinnern.“. Wie der BF wissen konnte, dass diese Ladung in Zusammenhang mit seiner Scheidung erstellt wurde, hat der BF nicht lebensnah angeführt.
Vor diesem Hintergrund scheinen auch die widersprüchlichen Angaben des BF zu einem bestehenden Haftbefehl im Konnex mit seiner Scheidung ein tatsächlich erlebtes Geschehen nicht zu unterstützen. Der BF gab unmissverständlich im Zuge seiner Erstbefragung an, dass seine Frau ihn angezeigt habe, da er das Brautgeld nicht zahlen konnte. Daraufhin sei gegen den BF ein Haftbefehl erlassen worden und drohe ihn dadurch eine schwere Strafe. Der BF hat die Anzeige bzw. den Haftbefehl in keinster Weise mit dem Umstand, dass der BF von Isam zum Christentum konvertierte in Zusammenhang gebracht.
Zusammenfassend ist anzuführen, dass der BF insgesamt nicht nachvollziehbar widergeben konnte, wie sich die Bedrohung gegen die Person des BF in seinem Herkunftsstaat darstellte.
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre es jedoch Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. Wenn der BF aber - wie hier im gegenständlichen Fall – lediglich vage, unschlüssige und wenig nachvollziehbare Angaben macht, entsteht der letztlich bleibende Eindruck, dass der BF Situationen präsentiert hat, die er offenbar nicht selbst erlebt hat.
In gleicher Weise unglaubwürdig stellt sich die in Österreich vom BF behauptete Konversion zum Christentum dar.
Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der behördlichen Einvernahme vor, in Österreich dem christlichen Glauben zu folgen und getauft worden zu sein. Dem BF ist es jedoch aus nachfolgenden Gründen nicht gelungen, ein solches Interesse am christlichen Glauben bzw. eine Konversion glaubwürdig darzutun, weswegen in weiterer Konsequenz von einer Scheinkonversion auszugehen ist.
Zunächst ist hervorzuheben, dass der BF im Verfahren weder plausibel noch glaubhaft seine Beweggründe für seine Hinwendung zum Christentum verdeutlichen konnte und auch nicht nachvollziehbar darlegte, welche persönlichen bzw. welche religiösen Aspekte ihn zur einer Konversion zum Christentum bewegten.
Vor dem BFA nach den Gründen, warum er Christ sei, befragt, gab der BF an: „Weil ich mit dem islamischen Glauben nicht klargekommen bin und ich es von Herzen entschieden habe.“ Weiters erklärte der BF nach erneuter Befragung durch den Referenten vor dem BFA, dass es in islamisch geprägten Ländern vermehrt zu kriegerischen Auseinandersetzungen komme, hingegen in Europa, wo Christen die Mehrheit darstellen, alle friedlich zusammenleben. Der Islam sei zudem durch Zwang geprägt. Man müsse immer etwas machen.
Vor dem erkennenden Gericht durch seinen Rechtsvertreter erneut danach befragt, was er schon damals an den Islam gehasst habe, hinterließ der BF sowie der Rechtsvertreter mit seinen Ausführungen den Eindruck, dass der BF ein zielgerichtetes Vorbringen erstattete, bei dem es geradezu darauf ankommt, erlerntes Wissen widerzugeben, ohne, dass ein persönlicher Bezug zur Lebensgeschichte des BF vorhanden ist.
Ein Auszug aus dem Sachvortrag des BF soll dies verdeutlichen: … „Im Alten Testament wurde geschrieben, Ismael hat im jetzigen Irak gelebt. Danach ist er nach Syrien gegangen und nach Israel. Dort gründete er in Israel eine Familie, er lebte dort und starb dort. Er war niemals in Mekkah. Diese Stelle wurde 700 Jahre bevor der Koran geschrieben worden ist, geschrieben. Koran besteht aus Krieg, Vergeltung, Ehebrecher und Gewalt. Ich kann für jeden Punkt ein Beispiel nennen. Im Koran Hamd 4 steht, der Moslem soll die Ungläubigen umbringen, den Kopf von ihrem Leib trennen bis sie sich ergeben. Derselbe Inhalt kommt auch in Tobe 5 vor. Im Koran Ahzab 50 wurde geschrieben, Prophet Mohammed kann so viele Frauen heiraten wie er möchte. Wenn man diese Stelle liest bedeutet es, dass Mohammed gleichzeitig 1000 Frauen haben kann. Es ist egal ob Cousine, Mutter, Tochter, Verwandte. Er kann es sich aussuchen. Es gibt genug Beispiele. ….“
Da wohl grundsätzlich bei jedem Menschen eine Änderung des religiösen Bewusstseins und der religiösen Motivation als Ergebnis eigener Erfahrungen und Entwicklungen anzusehen ist, kann eine theologische wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Unterschiede zwischen Christentum und Islam kaum etwas über einen tatsächlich inneren Entschluss beim BF nach christlichen Werten leben zu wollen, aussagen. Wenn der BF dazu ausführt, er habe diese Informationen auf Google bzw. in You Tube Videos gefunden, wird dieser Eindruck verstärkt. Der BF hat offenbar leicht zugängliche Informationen gesucht, da es ihm lediglich darum ging, zu verdeutlichen, dass er sich mit dieser Thematik auseinandersetzte. Dieses Vorbringen wird jedoch von erkennenden Gericht als untauglicher Versuch gewertet, nachträglich seinen Sachvortrag mit Details zu bereichern.
An der Beschreibung seines ersten Kontaktes zu einer christlichen Gemeinde in Österreich mangelt es an persönlichen Momenten oder Gedanken über das Erlebte, aus denen abzuleiten wäre, dass der Kirchenbesuch den BF tatsächlich innerlich berührte und seinen Willen widerspiegelte den christlichen Leben auch in Österreich auszuüben. Konkret befragt, was der BF über den ersten Besuch der farsisprachigen Kirche erzählen kann, gab der BF an: „Ich bin in diese Kirche gegangen und sprach direkt mit dem Pfarrer. Ich erklärte, dass ich Interesse habe und er schrieb meinen Namen auf und das Datum meines ersten Besuches. Er hat mir gesagt, ich soll dabei zuhören, wenn er fertig ist, kann er mir erklären, wie es in der Kirche abläuft. Dann kann ich entscheiden, ob ich teilnehmen möchte oder nicht.“ Vorrangig war offensichtlich die Dokumentation des ersten Kirchenbesuches, jedoch in keinster Weise die bewusste Entscheidung eine christliche Glaubensgemeinschaft aufzusuchen, um dort den Glauben auszuüben.
Personen, die sich tiefgründig – wie der BF behauptet - mit dem christlichen Glauben beschäftigen und regelmäßig in die Kirche gehen, müssten auch verdeutlichen können, dass sie ihre Religion in einer überzeugenden Form ausüben. Der BF wurde in der Verhandlung vor dem BVwG am XXXX dahingehend befragt, welches christliche Fest er zuletzt gefeiert habe. Der BF erklärte, dies sei Weihnachten gewesen. Sie hätten gebetet und christliche Lieder gesungen. Jeder habe sich auf Weihnachten gefreit. Sie hätten einen Christbaum aufgestellt.
So fällt im Zusammenhang mit dieser Schilderung auf, dass sich die Ausführungen des BF hinsichtlich Weihnachten lediglich auf ein paar äußerst kurze Sätze beschränkten. Der BF gab weder an, dass zu Weihnachten die Geburt von Jesus Christus gefeiert wird oder wie konkret in seiner christlichen Gemeinde Weihnachten gefeiert wurde. Denn selbst wenn angenommen wird, dass das Erinnerungsvermögen mit zunehmendem Zeitablauf regelmäßig abnimmt, ist kaum erklärbar, warum bestimmte Tatsachen, Nebenumstände den BF diesbezüglich nicht in Erinnerung geblieben wären, hätte er bewusst das Weihnachtsfest gefeiert. Angesichts der Tatsache, dass die Geschehnisse um die Geburt Christi umfassend in der Bibel dargestellt werden und im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes der Glaube steht, dass Gott Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen und das Weihnachtsfest auch von christlichen Bräuchen geprägt ist und die Weihnachtsfeiertage einen längeren Zeitraum im Kirchenjahr einnehmen, vermochte der BF im Lichte seiner wenigen Angaben nicht von einem ernsthaften Begehen des Weihnachtsfestes als gläubiger Christ zu überzeugen.
Die vage Schilderung in Bezug auf das zuletzt gefeierte Weihnachten schlagen sich daher besonders gravierend auf die Glaubwürdigkeit der behaupteten Konversion des BF nieder, handelt es sich doch hierbei um eines der wichtigsten Hochfeste der Christen.
Auffällig und kaum erklärbar ist zudem, dass der BF nach Weihnachten keine christlichen Feiertage gefeiert hat. Sind doch zwischen Weihnachten und der mündlichen Verhandlung im September weitere Feste, wie Ostern, Christi Himmelfahrt oder Pfingsten. Es wird zwar nicht verkannt, dass in dieser Zeit die Corona Krise begann und ein Besuch von christlichen Gemeinden kaum möglich war, jedoch müsste ein gläubiger Christ insbesondere zu derart schwierigen Zeiten in der Religion seine Sicherheit finden und wichtige Feiertage auch zu Hause im privaten leben bzw. feiern.
Der BF legte im Verfahren eine Taufbestätigung vor. Diesbezüglich führte der BF unter anderem aus, dass es seine eigene Entscheidung war, sich taufen zu lassen. Anschließend schilderte der BF welche Kurse er vor seiner Taufe absolvierte. Auf das vom BF vorgelegte Schreiben von XXXX vom XXXX angesprochen, dass dieser bekannt gab, dass dieser entscheiden würde, ob jemand getauft werde oder nicht, änderte der BF seinen bisherigen Sachvortrag dahingehend ab, dass es doch auch so sei, dass dieser entscheide, wer getauft werde und dieser zum BF gesagt habe, er sei bereit. Hätte der BF tatsächlich eine individuelle, persönliche Bedeutung in seiner Taufe gesehen, dann wäre ihm auch die Aussage mit XXXX in Erinnerung geblieben.
Dass sich der BF lediglich taufen hat lassen, um im Asylverfahren eine Konversion anführen zu können und um eine günstigere Ausgangsposition im Asylverfahren zu erlangen, gilt aufgrund dieser Ausführungen daher als wahrscheinlich.
Unter Berücksichtigung des Mangels an individueller und spiritueller Auseinandersetzung mit dem Glauben sowie der nicht nachvollziehbar dargelegten Intention für den Religionswechsel, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF seinen Glauben gewechselt hat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der BF pro forma taufen ließ, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).
Anzuführen ist, dass der BF zwar einerseits über ein Grundwissen bezüglich des christlichen Glaubens verfügt und wichtige Eckpunkte der Glaubenslehre wie Nächstenliebe und Vergebung nennen kann, jedoch andererseits nicht in der Lage war, aus eigenem Ausführungen zu machen bzw. persönliche spirituelle Gedanken zu formulieren. Eine eigeninitiative Wiedergabe von Wissen verbunden mit Details oder Zusammenhängen, wie es von Personen, welche sich tatsächlich einem neuen Glauben zugewandt haben und gerade aus Begeisterung darüber sprechen wollen, erwartet wird, ließ sich nicht erkennen.
Sofern der BF angab, auf XXXX aktiv zu sein und religiöse Postings zu tätigen, stellt dies kein hinreichendes Indiz für eine ernsthafte christliche Identitätsprägung dar. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF, er habe vor ca. XXXX Jahren zwei christliche Inhalte unter einem XXXX Account gepostet. Diesen Account würde er nicht mehr benutzen. Dabei handelt es sich um Fotos, die offenbar Jesus Christus am Kreuz zeigen jeweils mit einem Spruch.
Sofern dieser Internetauftritt des BF zu berücksichtigen ist, ist anzumerken, dass der BF nicht unter seinem vollständigen Namen aktiv geworden ist, sondern unter „ XXXX “. Ebenso ist festzuhalten, dass diese Einträge als Element der Scheinkonversion und nicht als Ausdruck einer inneren Überzeugung zu qualifizieren sind. Unter Berücksichtigung der sonstigen Erwägungen erwecken diese Ausführungen den Eindruck „nachgeschoben“ worden zu sein, um dem Vorbringen des BF mehr Gewicht zu verleihen. Die vom BF angesprochenen Einträge sind daher kein hinreichendes Indiz für eine ernsthafte christliche Identitätsprägung.
Für Aktivitäten im Internet gilt ferner derselbe Maßstab wie für sonstige exilpolitische Tätigkeiten. Alle Aktivitäten sind im Zusammenhang zu würdigen. Untergeordnete exilpolitische Tätigkeiten, die nicht geeignet sind, auf die Verhältnisse im Heimatland ernsthaft einzuwirken, und aus der Sicht des iranischen Staates keine Gefahr begründen, können mit dem Gefährdungspotenzial inneriranischer Systemkritik via Internet nicht verglichen werden. Mit Internetauftritten wie einem Weblog und christlichen Artikeln und Bildern im Internet hebt sich jemand nicht aus der Masse der iranischen Asylwerber hervor, die im Internet präsent sind.
Aus derartigen Einträgen kann jedoch ohnehin nicht der Schluss gezogen werden, dass der iranische Staat dem BF dadurch den Abfall vom Islam bzw. eine Missionierungsabsicht des BF unterstellen würde. Es kann aufgrund solcher Einträge nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF umfassend zu christlichen Glaubensinhalten äußerte, den Islam dadurch herabwürdigte und seine eigene Einstellung dazu klar darlegte.
Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger im Internet überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Der BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich in keiner Weise exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von irgendeinem Interesse sein könnte.
Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei der Person des BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.
Hervorzuheben ist explizit auch folgende Feststellung der Staatendokumentation des BFA: Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden.
Im Lichte dieser Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF, der vor dem Verlassen des Iran keine Verbindung zum Christentum hatte (vgl. dazu die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen), aufgrund seiner behaupteten Aktivitäten im Internet im Rückkehrfall einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der BF derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe in Österreich nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle im Ausland vorgenommenen Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.
Hervorzuheben ist, dass Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagten, dass eine Taufe für die iranischen Behörden keine Bedeutung habe. Wenn im Bericht des Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (DIS/DRC) aus dem Jahr 2018 erwähnt wird, dass eine Quelle aussagte, dass dies nicht sicher sei, ist anzumerken, dass es sich bei der Quelle um einen Ausländer mit Kontakt zu Christen handelt. Auch wenn es sich bei dem Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile um eine Organisation handelt, die sich um Bedürfnisse von Asylwerbern, Vertriebenen kümmert, so steht dem Bericht dieser Organisation die Aussage von Amnesty International und einer anonymen Quelle vor Ort gegenüber, wonach eine Taufe keine Bedeutung für iranische Behörde hat. Das erkennende Gericht misst der Aussage von Amnesty International, in diesem Zusammenhang mehr Gewicht zu, handelt es sich doch hierbei um eine internationale Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt und Menschenrechtsverletzungen recherchiert und darüber berichtet, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Organisation im Falle, dass sie das alleinige Faktum der Taufe als problematisch ansehen würde, nicht berichten würde, dass diese keine Bedeutung habe. Auch ist nicht ersichtlich bzw. nicht davon auszugehen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von den Taufen des BF haben.
Aufgrund des oben umschriebenen Verhaltens des BF kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der BF sich tatsächlich aus innerer Überzeugung und ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat. Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten des BF, wie der Besuch eines Taufvorbereitungskurses oder von Gottesdiensten, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel des BF sprechen, zu kompensieren. Das Bundesverwaltungsgericht geht hierbei von reinen Scheinaktivitäten des BF aus, um sich im Asylverfahren einen Aufenthaltsstatus zu erschleichen.
Das Nachfluchtvorbringen des BF zu seiner behaupteten Konversion zum in Österreich ist schon deshalb unglaubhaft, weil der Kläger selbst in Kernpunkten, insbesondere was den Grund für seine Hinwendung zum Christentum betrifft, auf sein unglaubhaftes Vorbringen zu seiner Vorverfolgung bekräftigend Bezug genommen hat.
Wenn im Beschwerdeverfahren Fotos vorgelegt wurden, die den BF mit einem Kreuz zeigen, und diese Beweismittel als Beleg herangezogen werden, dass der BF bereits in jungen Jahren, als er studierte, den Islam ablehnte und schon damals Christ werden wollte, konnte der BF seinen Sachvortrag damit nicht bekräftigen. Hätte der BF nämlich bereits damals ein großes Interesse am Christentum gehabt, scheint es kaum nachvollziehbar, wenn der BF erst Jahre später Schritte unternahm Christ zu werden und sich einer Hauskirche im Iran anschloss. Vielmehr geht das erkennenden Gericht davon aus, dass der BF zum Zeitpunkt seines Studiums seinen modischen Stil unterstreichen wollte.
Wenn der BF weitere Fotos vorlegte, die den BF in seiner christlichen Gemeinde in Österreich zeigen, wird dadurch bestätigt, dass der BF ein nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten, wie Besuches des Gottesdienstes, Aktivitäten setzte, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt und nicht angezweifelt werden.
Sofern der BF in diesem Konnex davon sprach, dass er seine Freundin missioniert habe, ist folgendes in Betracht zu ziehen: Eine ernsthafte Missionsabsicht kann vor allem anhand des unglaubwürdig bewerteten Weges des BF vom Islam zum Christentum nicht gesehen werden. Der BF erklärte, dass er seine Freundin heiraten möchte und mit ihr eine Familie gründen wolle. Er habe über Gott und Jesus Christus erzählt und wolle seine Freundin auch Christin werden.
Von einer missionarischen Tätigkeit des BF, welche die überzeugte Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet, kann beim BF aufgrund der bisherigen Ausführungen nicht ausgegangen werden.
Vielmehr spricht die Schilderung zu seinem Beweggrund Christ zu werden, seinen Fluchtgründen, den Aktivitäten und Kenntnissen des BF in Österreich in Bezug auf das Christentum, worüber sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, dafür, dass der BF keine substantiierte spirituelle Haltung, welche von einer Person, die sich aus freien Stücken einem neuen Glauben zuwendet, diesen über mehrere Jahre praktiziert und sich sogar für die Taufe entschieden hat, hat, sondern dafür, dass sich der BF aus Opportunitätserwägungen der christlichen Gemeinschaft, die er derzeit auch besucht angeschlossen hat.
Dass der BF den christlichen Glauben ausübt und dieser für ihn identitätsstiftend ist, ist im Lichte der beweiswürdigenden Ausführungen naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein.
Wenn der BF seine Freundin jedoch dahingehend - dies wird von Gericht auch nicht in Zweifel gezogen – für seine christliche Gemeinschaft anwerben möchte und diese auch gemeinsam mit dem BF die Gottesdienste besucht und auch beabsichtigt sich taufen zu lassen, so erfolgte dies nicht aufgrund einer innerlichen Überzeugung und dem Bestreben seinen Glauben weiterzugeben, sondern aus anderen Gründen. Dass der BF bei seiner Rückkehr in den Iran Leute über das Christentum überzeugen möchte, ist ausschließen, da von keiner ernsthaften Hinwendung zum Christentum auszugehen ist.
Die erkennende Richterin kommt daher zweifelsfrei zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtbetrachtung die genannten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion des BF auszugehen ist.
II.2.4.3. Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht daher zu der Überzeugung, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.
Den Anträgen des Rechtsvertreters auf zeugenschaftliche Befragung namhaft gemachter Personen, war nicht stattzugeben. Beweisanträge dürfen dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0033, mwN). Im vorliegenden Fall wird als wahr unterstellt, dass der BF regelmäßig Gottesdienste besucht, an verschiedenen religiösen Veranstaltungen und Aktivitäten teilnahm bzw. teilnimmt und in der Gemeinde mitwirkte und auch seine Freundin in die Gemeinde mitnimmt und mit ihr zusammenlebt. Jedoch wird davon ausgegangen, dass der BF Aktivitäten im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben nur deshalb durchführt, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen und nicht, weil es zu einem inneren religiösen Einstellungswandel gekommen ist. Das erkennende Gericht ist aufgrund der oben angeführten Erläuterungen nicht überzeugt, dass der BF aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
Im gegenständlichen Fall wurde zudem darauf hingewiesen, dass sofern Erläuterungen von Personen im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden sollen, die Möglichkeit besteht schriftliche Erklärungen der Person vor bzw. im Zuge der mündlichen Verhandlung vorzulegen bzw. bekannt zu geben, warum eine schriftliche Erklärung nicht abgegeben werden kann bzw. eine zeugenschaftliche Befragung im gegenständlichen Verfahren für notwendig erachtet wird. Die Rechtsvertretung des BF als auch der BF haben weder schriftliche Erklärungen der beantragten Zeugen vorgelegt, noch erörtert, warum eine zeugenschaftliche Befragung notwendig erachtet wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.
..“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund bzw. zur Konversion insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist im Falle des BF eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründe daher nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.
Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.
Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG , kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.
Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.
Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.
Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen sowie der hg. beweiswürdigenden Erwägungen und auch der zitierten Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der formalen bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.
Gemäß § 3 Abs 2 AsylG kann Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, welche nach dem Verlassen des Herkunftsstaates liegen (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten, die der Fremde seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat und insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Dass der BF im Iran bzw. in Österreich zum Christentum konvertiert ist, kam im Verfahren nicht hervor, sondern waren die diesbezüglichen Angaben des BF aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren. Auch ist im Lichte der Scheinkonversion des BF nicht davon auszugehen, dass der BF das Bedürfnis hat, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein.
Der BF hat in Österreich wie viele andere iranische Konvertiten zwar an kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Gottesdiensten und anderen Aktivitäten in christlichen Gemeindeleben, teilgenommen, sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert und kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er missionierend tätig ist.
Dass dies dem BF im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund dessen, dass der BF aufgrund der festgestellten Scheinkonversion für die iranischen Behörden in keiner Weise von Interesse ist bzw. unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten des BF den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden.
Entsprechend den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen betreffen Repressionen vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher zum Schein konvertiert ist, den christlichen Glauben ausübt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass der BF aufgrund seines rudimentären und unsubstantiiert vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wären.
Den Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Ausland zum Christentum konvertiert waren, im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden. Beim BF handelt es sich jedoch um keinen Geistlichen, sondern um eine Person, welche formal und lediglich zum Schein konvertiert ist, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung des BF abzuleiten ist.
Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.
Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Das Verhalten des BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.
Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.
II.3.2.3. Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall nicht existent ist.
II.3.2.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten auszugsweise:
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwredeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl zB Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (zB VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird zudem festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei dem BF handelt es sich um einen mobilen, arbeitsfähigen Erwachsenen, bei welchen die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schul- und Universitätsausbildung. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass der BF aus einem Staat stammt, auf dessen Territorium einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Es steht dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Zum Gesundheitszustand des BF:
Der BF leidet an Schlafstörung (Insomnie), Diabetes, hohem Puls, einer Fettleber und Hämorrhoiden sowie Bluthochdruck. Es besteht ein depressives Zustandsbild. Der BF nimmt diesbezüglich Medikamente.
Nach der Rechtsprechung können außergewöhnliche Umstände wie etwa lebensbedrohende Ereignisse - in concreto das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung - ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
Außergewöhnlicher Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (statt aller jüngst VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086). Ein solches Risiko kann beim BF verneint werden. Entsprechend der getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat bestehen für psychische Krankheiten angemessene Behandlungsmöglichkeiten.
Als iranischer Staatsbürger hat der BF wie alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2019). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 12.8.2020, IOM 2019). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020; vgl. IOM 2019). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird.
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a).
Im Generellen gibt es keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).
Der BF ist in medizinischer Behandlung. Er war in Österreich bis dato nicht in stationärer Behandlung. Laut Berichtslage sind zahlreiche Behandlungen aufgrund psychischer Erkrankungen im Iran verfügbar, sowie auch in Bezug auf Bluthochdruck und Diabetes.
Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall außerordentliche Umstände im Sinne der zuvor zitierten Judikatur des EGMR zu Art 3 EMRK nicht vorliegen.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die derzeitige COVID-19 (sog. Corona-) Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zum Iran.
Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich der BF im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. auf dort wegen der Krise herrschende Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keine lebensbedrohenden Erkrankungen.
II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz des BF wurden bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt im obigen Sinn.
Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts Konkretes dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fallen, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.
Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,
innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.
II.3.4.4. Der BF reiste XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF hat am 27.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und hält sich seitdem im österreichischen Bundesgebiet auf.
In Österreich leben keine Verwandten des BF.
Der BF hat verschiedene Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht. Der BF hat die ÖSD Prüfung auf A2 Niveau am 08.11.2017 mit „bestanden“, die ÖSD Prüfung auf B1 Niveau am 25.04.2018 mit „ausreichend bestanden“ absolviert.
Der BF hat Info Module zu den Themenbereichen Sozial, Zusammen, Gesundheit, Wohnen, und Bildung absolviert. Der BF hat am 15.04.2016 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.
Der BF führte Renumerationstätigkeiten (Reinigungsarbeiten) für den XXXX durch.
Der BF lebt in einer Mietwohnung. Der BF erhielt vom XXXX bis XXXX Leistungen von der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF verfügte über einen Arbeitsvorvertrag, der jedoch in der Zwischenzeit nicht mehr aufrecht ist. Der BF verfügt seit XXXX über eine Gewerbeberechtigung „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten. Seit dem XXXX ist der BF bei der SVS sozialversichert.
Der BF hat seit ca. XXXX eine Freundin. Diese ist in Österreich mit einem Aufenthaltstitel für Studierende aufhältig. Der BF lebt mit seiner Freundin seit dem XXXX zusammen.
Der BF hat Freunde in Österreich und geht in ein Fitnesscenter und ist dort Mitglied.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Im Bundesgebiet lebt folglich die Freundin des BF. Der BF lebt mit seiner Freundin zusammen. Der Beziehung zu seiner Freundin entstammen keine Kinder.
Hinsichtlich der Beziehung des BF zu seiner Freundin ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei der Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK begründet, auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen abzustellen ist, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH 17.12.2019, Ro 2019/18/0006, mwN unter Verweis auf die Judikatur des EGMR).
Es liegt ein Familienleben des BF in Bezug auf seine Freundin vor.
II.3.4.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Der BF ist illegal nach Österreich eingereist und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Das Gewicht eines allfällig zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien – bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).
Bei der Gewichtung im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG kann maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass ein Großteil der vom BF gesetzten integrationsbegründenden Schritte vorwiegend in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Daran kann auch die Länge des Verfahrens, mag den BF daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0076).
Zugunsten des BF ist zu berücksichtigen, dass dieser während seines Aufenthalts in Österreich bemüht war, die deutsche Sprache zu erlernen, er ist derzeit erwerbstätig, war in der Vergangenheit ehrenamtlich tätig.
Aus grundlegenden Kenntnissen der deutschen Sprache vermag vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den Umstand, perfekt Deutsch zu sprechen, als kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal erachtete (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029), kein wesentliches Gewicht zukommen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Der Umstand, dass der BF gemeinnützige Tätigkeiten ausführte, fällt bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung nicht besonders stark ins Gewicht, zumal hierdurch ein Integrationswille gezeigt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch in seinem Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ro 2019/01/0003, bereits ausführlich dargelegt, dass es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.
Der BF geht einer selbstständigen Arbeit nach. Zwar kommt dieser Tätigkeit des BF im Rahmen der Interessensabwägung durchaus eine gewisse Bedeutung zu, es fällt seine Erwerbstätigkeit bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung jedoch nicht besonders stark ins Gewicht. Der BF hat im Verhältnis zu seiner Aufenthaltsdauer erst eine relativ kurze Zeit gearbeitet und den Großteil seines Aufenthalts Grundversorgung erhalten.
Soweit der BF über familiäre Bindungen in Österreich im Form seiner Freundin bzw. Freunden und Bekannten verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert wird, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.
Der Kontakt kann zwischenzeitlich auch über moderne Medien aufrechterhalten werden, so wie es dem Beschwerdeführer auch jetzt möglich ist mit seinen im Iran lebenden Verwandten den Kontakt aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass der Verweis auf Kommunikation über moderne Medien bei Kindern unzulässig ist (vgl. VfGH vom 25.02.2013, U2241/12; VfGH vom 19.06.2015, E426/2015). Dies gilt jedoch nicht für erwachsene Personen, welche sich auch der Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst sein mussten, dass nämlich eine spätere Fortsetzung des gemeinsamen Familie- und Privatlebens nur unter Einhaltung der entsprechenden rechtlichen Bestimmungen möglich ist.
Sofern der BF eine Freundin in Österreich hat, ist zunächst zu berücksichtigen, dass diese Beziehung zu einem Zeitpunkt entstand, in welchem dem BF grundsätzlich die Ungewissheit seines weiteren Aufenthalts bewusst sein musste. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Österreich auf und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Auch der Freundin BF musste im Zeitpunkt des Eingehens der Beziehung bewusst gewesen sein, dass der weitere Aufenthalt des BF in Österreich ungewiss ist. Werden Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet, zu dem der Fremde nicht mit einem weiteren Verbleib im Inland rechnen konnte, so erfahren die aus dieser Beziehung abzuleitenden persönlichen Interessen des Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet eine wesentliche, die Interessensabwägung nachteilig beeinflussende Minderung (vgl. VwGH 27.02.2003, 2002/18/0207).
Darüber hinaus wäre es für den BF auch zumutbar angesichts einer freiwilligen Rückkehr in den Iran vor dem Hintergrund der oben festgestellten Lebensumstände dort eine geordnete legale Einreise zu organisieren, um die Beziehung mit seiner zwischenzeitig in Österreich verbleibenden Freundin weiterzuführen. Der Kontakt kann zwischenzeitlich auch über moderne Medien aufrechterhalten werden.
Der BF ist – in Bezug auf sein Lebensalter – jedoch erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig. Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass im Iran Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass er vor seiner Ausreise in den Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.5. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Iran unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
II.3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerde getroffen.
Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
II.3.7. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkt III. und IV. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.
II.3.8. Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.
Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
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