BVwG W242 2219640-1

BVwGW242 2219640-121.10.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W242.2219640.1.00

 

Spruch:

W242 2219640-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit China, vertreten durch Ehrenhöfer & Häusler Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX 2021 zu Recht:

 

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

Die Beschwerdeführerin reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde noch am selben Tag unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Chinesisch einer niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Sie bestätigte die Rückübersetzung der Niederschrift in eine ihr verständliche Sprache, die Tatsache, dass sie keine Ergänzungen sowie Korrekturen zu machen habe und dass sie alles verstanden habe, mit ihrer Unterschrift.

 

Am XXXX 2019 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin statt, wobei diese durch ihre Unterschrift bestätigte, dass ihr die Niederschrift rückübersetzt worden sei und diese sowohl richtig als auch vollständig sei.

 

Mit Bescheid vom XXXX 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und erteilte der Beschwerdeführerin auch keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach China zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

 

Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am XXXX 2019 fristgerecht Beschwerde und brachte in dieser zusammengefasst die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor.

 

Mit Beschwerdevorlage vom XXXX 2019 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über gegenständliches Verfahren und übermittelte dem BVwG die Beschwerde samt Akt mit dem Antrag, das BVwG möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

 

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom XXXX 2021 wurde die gegenständliche Rechtssache neu zugwiesen – eingelangt am XXXX 2021.

 

Mit Schreiben vom XXXX 2021 informierte die Beschwerdeführerin über die Erteilung einer Vollmacht zur Rechtsvertretung.

 

Am XXXX 2021 erfolgte unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch sowie in Anwesenheit der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin die mündliche Einvernahme der Beschwerdeführerin im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Zur Person der Beschwerdeführerin:

 

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX . Sie ist chinesische Staatsangehörige, ihre Muttersprache ist Chinesisch. Sie wurde am XXXX in XXXX , Provinz XXXX geboren. Die Beschwerdeführerin ist verheiratet, hat jedoch ihren Ehemann seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen. Ihre Identität steht fest.

 

Die Beschwerdeführerin hat in China neun Jahre die Grundschule besucht. Eine Berufsausbildung schloss sich jedoch nicht ab. Sie hat 20 Jahre lang als Hilfskraft in einer Fabrik gearbeitet. Nach dem sie ihr Kind bekommen hat, blieb sie zu Hause. Sie hat China zuletzt im Jänner 2018 verlassen.

 

In China lebt die Mutter der Beschwerdeführerin, ihr Sohn sowie zwei Schwestern und ein Bruder. Die Beschwerdeführerin hat telefonischen Kontakt zu ihrem Sohn und zu einer Schwester.

 

Die Beschwerdeführerin leidet an Bluthochdruck und nimmt unregelmäßig Medikamente dagegen. Abgesehen davon leidet sie weder an chronischen, noch an akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen. Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig.

 

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

 

Die Beschwerdeführerin reiste spätestens am XXXX 2019 nach Österreich ein und stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich seit drei Jahren in einer Lebensgemeinschaft, wobei sie bei ihrem Lebensgefährten wohnt und dieser die Beschwerdeführerin versorgt. Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich nicht um eine Liebesbeziehung. Die Beschwerdeführerin ist derzeit nicht berufstätig.

 

Familienangehörige oder Verwandte hat die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet keine. Ein soziales Umfeld, insb. einen Freundeskreis, hat sie sich ebenso nicht aufgebaut.

 

Die Beschwerdeführerin ist seit XXXX 2019 an der Adresse XXXX gemeldet. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

 

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

 

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in China keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt ist, von Privatpersonen mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

 

Des Weiteren wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in China auch sonst keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt ist, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlicher Ansichten mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

 

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:

 

Die Beschwerdeführerin wird, insb. vor dem Hintergrund ihrer schulischen Bildung und ihrer mehrjährigen Berufserfahrung, im Falle der Rückkehr in der Lage sein, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft zu befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

 

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Abschiebung nach China somit keine Verletzung ihrer Rechte im Sinne der Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. im Sinne der Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 droht.

 

Zur maßgeblichen Situation in China:

 

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.01.2021 auszugsweise wiedergegeben:

 

„[…]

 

1. COVID-19

 

Letzte Änderung: 16.12.2020

 

Nach Bekanntwerden von COVID-19 Fällen im Dezember 2019, wurde von den Behörden trotz eines umfassenden, landesweit ausgebauten Meldesystems für Epidemien die bestehenden Vorfälle verharmlost und vertuscht (TNYT 1.2.2020). Die chinesischen Behörden haben medizinische Fachkräfte, die über das "geheimnisvolle Lungenleiden" informierten, vorgeworfen, Falschinformationen zu verbreiten (DP 4.4.2020).

 

Wuhan wurde als Ausgangspunkt der Pandemie rund eineinhalb Monate nach der Registrierung des ersten Patienten unter Quarantäne gestellt (DW 12.2.2020), nachdem von staatlicher Seite mehr als 55.000 Infektionsfälle gemeldet wurden (TG 23.4.2020). Später folgten weitere Regionen, in denen – je nach Anzahl der Infektionen – unterschiedlich strenge Maßnahmen durch die Regierung angeordnet wurden. Von den ergangenen drastischen Regelungen waren rund 60 Millionen Menschen betroffen (Addendum 20.3.2020; vgl. ZO 14.4.2020, SF 9.4.2020).

 

Die Industrieproduktion ging im Januar und Februar um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück (ZO 14.4.2020), was den stärksten Einbruch seit 30 Jahren bedeutet (LVAk 5.2020; vgl. ZO 14.4.2020). Mittlerweile meldet China kaum noch neue COVID-19 Fälle (DW 8.5.2020; vgl. FORBES 17.4.2020), doch treten vermehrt "importierte Fälle" auf (FORBES 17.4.2020; vgl. DS 27.3.2020). Verschwiegen wird jedoch in den Staatsmedien stets, dass es sich bei den eingereisten Infizierten bis zu 90 Prozent um Staatsbürger der Volksrepublik China handelt. Ausländer, darunter auch Diplomaten, durften damals nur in Ausnahmefällen ins Land (LVAk 5.2020).

 

Seit 28.3.2020 besteht ein Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger (WKO 10.12.2020). Das chinesische Gesundheitssystem hielt nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung mit. Gemäß aktuellen Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern und -pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar. Zwar räumt die Regierung Schwachstellen im zentralisierten Gesundheitswesen ein (HB 19.2.2020), jedoch haben Kritik am Vorgehen der Regierung, wie auch eine kritische Berichterstattung mitunter Verhaftungen wegen der "Verbreitung falscher Gerüchte" zur Folge (RSF 14.4.2020). Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich währenddessen verpflichtet, ein leistungsfähiges öffentliches Gesundheitssystem aufzubauen, das für Chinas Entwicklungsstrategie und nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist (SCMP 5.6.2020).

 

Im März und April 2020 nahmen Fabriken und unterschiedliche Unternehmen, ihre Arbeit wieder auf (LVAk 5.2020). In der Jahresmitte 2020 stellte sich die COVID-19-Gesamtsituation sich landesweit stabil dar, sporadische Fälle traten auf (XN 4.6.2020; vgl. FR 26.5.2020) und es wird von vereinzelten (XN 4.6.2020; vgl. DW 30.5.2020, FR 26.5.2020), vorrangig aus dem Ausland importierten Fällen von Neuinfektionen berichtet (CGTN 8.6.2020; vgl. FR24 1.6.2020, AnA 26.5.2020, TG 23.5.2020). Das seit 28.3.2020 gültige Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger nach Festlandchina, auch für solche mit gültiger Aufenthaltsberechtigung ist weiterhin aufrecht (BMEIA 24.11.2020; vgl. MoFA CH 26.3.2020).

 

Im Ursprungsland des Coronavirus bleiben die Neuinfektionen seit Monaten derart niedrig, dass an den offiziellen Zahlen Zweifel bestehen. Konstant vermelden die chinesischen Behörden zwar neue Infektionen, aber die sind nahezu täglich im niedrigen zweistelligen Bereich. Tauchen doch kleinere Cluster auf, müssen sich alle Bewohner einem Test unterziehen. Zudem werden für einzelne Stadtviertel oder gesamte Städte strikte Ausgangssperren verhängt. Verwunderlich aber ist es dennoch, dass die Zahl der Neuinfektionen so gut wie nie 30 überschreitet (DS 12.10.2020).

 

2. Politische Lage

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

Die Volksrepublik (VR) China ist mit geschätzten 1,395 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2020) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 24.11.2020).

 

China ist in 33 Verwaltungseinheiten, 22 Provinzen, die fünf autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) gegliedert. Es gibt sieben Militärzonen, die jeweils verschiedene Provinzen bzw. Teile umfassen (ÖB 10.2020; vgl. AA 6.11.2020).

 

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauer" beruht (BMBF 2020; vgl. Heilmann 2016). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 11.3.2020). Zentral für das politische System Chinas ist der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas, der auch in der Verfassung verankert ist. Andere politische Organisationen, Medien, Zivilgesellschaft und religiöse Aktivitäten haben sich den Zielen der Partei unterzuordnen und werden streng reguliert. Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem „inneren Kabinett“ aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (BMBF 2020; vgl. Heilmann 2016).

 

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird für fünf Jahre gewählt (FH 4.3.2020; vgl. BMBF 2020). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 4.3.2020; vgl. BMBF 2020) und ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019).

 

Eine parlamentarische Opposition zur KP Chinas gibt es nicht (AA 1.12.2020). Seit dem Massaker vom Tiananmen-Platz im Jahr 1989, als die Volksbefreiungsarmee (PLA) gewaltsam gegen eine von Studenten geführte pro-demokratische Bewegung vorgegangen ist, hat es keine Versuche gegeben, den politischen Wettbewerb zu erhöhen. Nach dem "Vorfall", der nach wie vor in China ein Tabuthema ist, wurden die politischen Reformer von der KP-Führung gesäubert (BS 29.4.2020). Zwar sind acht sogenannte demokratische Parteien offiziell anerkannt, jedoch sind alle der KP Chinas unterstellt (BS 29.4.2020). Chinas Einparteiensystem unterdrückt die Entwicklung einer organisierten politischen Opposition rigoros. Selbst innerhalb der KPCh hat Xi Jinping seit 2012 seine eigene Macht und Autorität stetig ausgebaut, sowie eine selektive Antikorruptionskampagne geführt, um potenzielle Rivalen auszuschalten (FH 4.3.2020).

 

Der vom Präsidenten Xi Jinping konzipierte "Chinesische Traum" soll China den Status einer Weltmacht wiedererlangen helfen. Die chinesische Regierung verfolgt gesellschaftliche Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung als zwei zentrale Anliegen in ihrer Agenda. Demgegenüber stellt eine Transformation zur Demokratie auf der Grundlage der Herrschaft des Rechts keines der langfristigen strategischen Ziele der Regierung dar. Vielmehr verfolgt die Regierung als bewusste Strategie, einer Bedrohung durch pro-demokratische Tendenzen und Herausforderungen für die politische Hegemonie der Partei entgegenzuwirken (BS 29.4.2020).

 

Zu Beginn der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte die Regierung an, dass trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich erhöht werden soll. Diese Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie den USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (FAZ 21.5.2020; vgl. WKO 1.12.2020).

 

Ungeachtet internationaler Proteste hat Chinas Nationaler Volkskongress die Einführung eines Sicherheitsgesetzes für Hongkong gebilligt, mit dem nach Ansicht von Kritikern die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone massiv beschnitten werden. Zum Abschluss der Jahrestagung beauftragten die Abgeordneten den Ständigen Ausschuss des Parlaments, das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Chinas Sonderverwaltungsregion zu erlassen (ZO 28.5.2020). Peking reagiert mit dem Sicherheitsgesetz auf die monatelangen, mitunter gewalttätigen Proteste der Hongkonger Demokratiebewegung im vergangenen Jahr. Das Gesetz soll "Abspaltung", "Subverson", "Terrorismus" und die "Gefährdung der nationalen Sicherheit" unter Strafe stellen und den offenen Einsatz festlandchinesischer Sicherheitsbehörden in Hongkong ermöglichen. Die Pekinger Pläne haben neue Proteste in Hongkong ausgelöst, bei denen es zu gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei kommt (ARTE 28.5.2020).

 

3. Sicherheitslage

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

Wegen der Ausbreitung von COVID-19 kommt es in China zu verschärften Einreisekontrollen, Gesundheitsüberprüfungen und seit 28.03.2020 zu einer Einreisesperre für Ausländer (BMEIA 24.11.2020). Die Fallzahlen haben sich in China auf einem niedrigen Niveau stabilisiert (AA 7.12.2020).

 

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 19.6.2020). Berichten zufolge wurden in den letzten zehn Jahren 170 Millionen Überwachungskameras in Städten und Gemeinden im ganzen Land installiert (DFAT 3.10.2020). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind in den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden (EDA 23.7.2020). Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die laufende Problematik der muslimischen Gemeinschaft über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (GW 17.6.2020).

 

Zwar gibt es in China noch keine unversöhnlichen ethnischen, sozialen oder religiösen Spaltungen, soziale Unruhen sind allerdings an der Tagesordnung. Auch wenn die meisten Demonstrationen als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik personell meist gering ausfallen, betreffen sie dennoch existentielle Fragen wie Lohnrückstände, dem Abriss von Häusern und der Umsiedlung oder Enteignung (BS 29.4.2020). Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlich Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt. Wesentliche Störungen sind aufgrund einer starken Sicherheitspräsenz unwahrscheinlich (GW 17.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, BS 29.4.2020).

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019). Die staatliche Kontrolle durch eine massive, sichtbare Polizeipräsenz an strategischen Punkten und wichtigen Orten wird aufrechterhalten (BS 29.4.2020). Medienberichten zu Folge haben die chinesische Polizei und die Sicherheitsbehörden 2016 damit begonnen, Fotodatenbanken, künstliche Intelligenz und Überwachungskameras mit Gesichtserkennungstechnologie zu kombinieren, um Verdächtige und "destabilisierende Akteure" in der Gesellschaft aufzuspüren (DFAT 3.10.2020). Berichten zufolge werden auch gewonnene DNA-Proben, Urinproben, Sprachaufzeichnungen, Fingerabdrücke, Fotos und eine Vielzahl von persönlichen Daten von den Sicherheitsbehörden gesammelt (BBC 19.12.2019; vgl. RFA 23.8.2019, HRW 16.5.2017).

 

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte der Ministerpräsident an, dass auch trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten, der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich steigen soll. Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie die USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (SN 22.5.2020; vgl. FAZ 21.5.2020, WKO 12.5.2020).

 

China und Russland:

 

Die chinesisch-russischen Beziehungen werden aus chinesischer Sicht als eine "stabile strategische Partnerschaft" betrachtet (LVAk 5.2020; vgl. GH 17.2.2016). Diese politische, wirtschaftliche und auch militärische Partnerschaft beruht auf einer nüchternen Einschätzung der jeweiligen nationalen Interessen (CISR 2020; vgl. LVAk 5.2020). Langfristigen Aussichten für die chinesisch-russische Partnerschaft sind ungewiss. Vor dem Hintergrund eines unruhigen internationalen Umfelds stehen China und Russland vor großen Herausforderungen, um die Dynamik ihrer Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten (CISR 2020).

 

Seit 2003 arbeiten Russland und China eng im UN-Sicherheitsrat zusammen. Um die jeweiligen Positionen zu koordinieren, werden die diplomatische Rahmenstrukturen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)-Gruppe und die SCO (Shanghai Cooperation Organization – SCO), Russland, China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan genutzt. Äußerst relevant stellt sich die Sicherheitskooperation innerhalb der SCO dar. Diese widmet sich dem Kampf der "three evil forces", Terrorismus, Separatismus (Taiwan, Tibet und Xinjiang) und Extremismus. In diesen Bereichen soll auch ein Austausch nachrichtendienstlicher Informationen erfolgen und Auslieferungsabkommen exekutiert werden (LVAk 5.2020; vgl. BAMF 2.2020).

 

China und Indien:

 

Der südasiatische Subkontinent ist der bedeutendste geopolitische Rivale Chinas in Asien (IPG 15.10.2020). Die Streitigkeiten zwischen China und Indien über den Grenzverlauf im bevölkerungsarmen Himalaya-Gebiet ist seit dem Grenzkrieg von 1962 nicht beigelegt (LVAk 5.2020). China und Indien beanspruchen gegenseitig Geländeabschnitte, wobei es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in diesem Grenzgebieten kommt (LVAk 5.2020; vgl. REUTERS 2.9.2020). Ein "Handgemenge" zwischen indischen und chinesischen Soldaten führte zuletzt am 15. Juni 2020 zum Tod von Soldaten auf beiden Seiten (WSJ 17.6.2020).

 

China betreibt im Zuge seiner "String of pearls Strategy" (CEFIP 13.8.2019; vgl. FA 9/10 2019) den weiteren Ausbau von Häfen in befreundeten Staaten an der nördlichen Küste des Indischen Ozeans wie Kambodscha, Myanmar, Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan, den Malediven und darüber hinaus in Afrika forciert aus und bedroht damit im Zuge der "Belt and Road"-Initiative Einflusssphären Indiens in diesem Raum (DRM 26.8.2019). Die guten Beziehungen zwischen China und Pakistan stellen besonders im Hinblick auf den verbindenden Wirtschaftskorridor und die Unterstützung Chinas der pakistanische Anliegen im Kaschmir ein weiterer Konfliktpunkt zwischen China und Indien dar (SWP 2016; vgl. DRM 26.8.2019).

 

China und USA:

 

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen China und den USA sowie eine zunehmend konfrontative diplomatische Sprache und militärische Haltung erhöhen das Risiko unbeabsichtigter Eskalationen in den umstrittenen Regionen (GW 23.8.2020; vgl. DRM 26.8.2020).

 

4. Rechtsschutz / Justizwesen

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

Die Führung unternimmt Schritte, das Rechtssystem auszubauen (AA 1.12.2020). Auf der Plenartagung des Zentralausschusses der KPCh im Oktober 2019 wurde die Notwendigkeit betont, die Macht der KPCh zu festigen und ihre Kontrolle über alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft auszuweiten (FH 4.3.2020). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt (DP 27.6.2019). Im März 2018 wurden neue Kontroll- und Ausgleichsmechanismen in die Verfassung aufgenommen, um die Umsetzung zentraler Richtlinien und Vorschriften durchzusetzen. Die Zentralregierung verlässt sich zunehmend auf große Datenmengen, die sie zur Überwachung und Kontrolle der Umsetzung der Reformpolitik auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einsetzt. Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 12 .2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 10.2020). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen (FH 4.3.2020; vgl. AI 30.1.2020). Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, den politisch-juristischen Ausschüssen (FH 4.3.2020). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020).

 

Die Richterernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es – vor allem auf unterer Gerichtsebene – noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 10.2020).

 

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden (AA 1.12.2020).

 

Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde Ende 2013 offiziell abgeschafft. Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten aber auch willkürliche Festsetzungen in sogenannten schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“) ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 1.12.2020).

 

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft befindlichen Personen innerhalb von 24 Stunden über die erfolgte Festnahme informiert werden. Es müssen von den Behörden jedoch keine Angaben zum Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort der festgenommenen Person gegeben werden. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein (ÖB 10.2020). Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu sechs Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können (ÖB 10.2020).

 

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 1.12.2020).

 

Das 2019 erneut revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert dem Wortlaut nach die Stellung des Beschuldigten/Angeklagten und des Verteidigers im Ermittlungs- und Strafprozess. Die Umsetzung steht aber in jedem Fall unter dem politischen Eingriffsvorbehalt der jeweiligen Parteiorgane, die fester integrierter Bestandteil auch bei den Strafgerichten sind (AA 1.12.2020).

 

Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 4.3.2020).

 

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 1.12.2020). Der Handlungsraum für Menschenrechtsanwälte zur Ausübung ihrer Tätigkeit wird immer weiter eingeschränkt. Menschenrechtsanwälte sind behördlicher Überwachung, Belästigungen, Einschüchterungen und Inhaftierungen ausgesetzt (AI 30.1.2020). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 1.12.2020).

 

Das mehrjährige harte Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte hat den Zugang der Angeklagten zu unabhängigem Rechtsbeistand geschwächt (FH 4.3.2020). Anwälten und Mitarbeitern von Kanzleien und Aktivisten droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 1.10.2019; vgl. ZO 29.1.2019, DP 19.1.2018). Von schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 1.10.2019; vgl. TT 29.3.2016).

 

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020). Eine neue Form der außergerichtlichen Inhaftierung für Ziele von Antikorruptions- und offiziellen Fehlverhaltensuntersuchungen, die als „Liuzhi“ bekannt ist, wurde 2018 zusammen mit der Einrichtung der National Supervisory Commission (NSR) eingeführt. Einzelpersonen können unter Anwendung dieser Maßnahmen bis zu sechs Monate lang ohne Zugang zu Rechtsbeistand inhaftiert werden (FH 4.3.2020).

 

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen seit einigen Jahren ab. Petitionäre, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

 

5. Sicherheitsbehörden

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

Zivile Behörden haben die Kontrolle über die Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020). Xi Jinping, Präsident und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (GX 10.11.2019). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 3.10.2019).

 

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Die Zuständigkeiten des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sind die innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Verantwortung für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 10.2020).

 

Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law" 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 3.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger „Blockwarte“ die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 10.2020).

 

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

 

6. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

 

In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente. Die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 10.2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 30.1.2020). 2019 kam es landesweit zu einer ungewöhnlich hohen Zahl gut dokumentierter Fälle, in denen politische und religiöse Gefangene in der Haft oder kurz nach ihrer Entlassung aufgrund der Verweigerung angemessener medizinischer Versorgung starben. Bürger, die Wiedergutmachung für Misshandlungen in der Haft oder Aufklärung verdächtiger Todesfälle von Familienmitgliedern einfordern, werden oft mit Repressalien oder mit Gefängnisstrafen belegt (FH 4.3.2020).

 

Menschenrechtsaktivisten äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind (USDOS 11.3.2020). Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 3.9.2019).

 

Die chinesische Führung erklärte 2014 das Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 10.2020; vgl. AI 22.2.2018).

 

Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 1.12.2020). Die Anwendung von Folter ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 4.3.2020).

 

Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 1.12.2020).

 

7. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Offiziell erkennt China die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Außerdem hat die Volksrepublik China einer Reihe von Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte der Vereinten Nationen zugestimmt (GIZ 9.2020a; vgl. ÖB 10.2020).

 

Die Menschenrechtslage in China bietet ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) oberste Prämisse und rote Linie (AA 1.12.2020).

 

Die Menschenrechtslage ist weiterhin durch ein systematisches Vorgehen gegen jede Form von Dissens gekennzeichnet (AI 30.1.2020). Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020).

 

Oberstes Ziel ist die Aufrechterhaltung „sozialer Stabilität“, die aus Sicht der chinesischen Führung unerlässlich für die weitere Entwicklung des Landes ist. Die chinesische Führung geht kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie beispielsweise regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Einschüchterungsmaßnahmen umfassen etwa Hausarrest, willkürliche Haft in sogenannten schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur "Sippenhaft". Flankiert wird dies durch neue Gesetzgebung sowie eine Verschärfung von bestehenden Verordnungen und Gesetzen in den letzten Jahren. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein – noch so loses – Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 1.12.2020).

 

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch willkürliche Inhaftierungen durch die Regierung, erzwungenes Verschwindenlassen von Personen, sowie Folter und unrechtmäßige Tötungen durch die Regierung, harte und lebensbedrohliche Gefängnis- und Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, Zensur und Sperrung von Webseiten, physische Angriffe und strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Anwälten, Schriftstellern, Bloggern, Dissidenten, Petitionären und anderen Personen sowie deren Familienangehörigen, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einer restriktiven Gesetzgebung gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGOs), strenge Einschränkungen der Religionsfreiheit, erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Korruption, Geburtenbeschränkungen, in manchen Fällen Zwang zur Sterilisation oder Abtreibung, Menschenhandel und Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

 

Häufig kommt es zu Übergriffen lokaler Amtspersonen bzw. von denen beauftragter Dritter. Dies betrifft im Schwerpunkt die Überwachung politisch Andersdenkender auf lokaler Ebene. Zumeist handelt es sich um Demonstrantinnen und Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Petentinnen und Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 1.12.2020).

 

Die chinesische Regierung hat 2020 ein soziales Kreditsystem (SCS) eingeführt, das Menschen in allen Lebenslagen bewertet und entsprechend belohnt oder bestraft (EuZ 29.8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Als Datenquellen werden das Verhalten in den sozialen Medien, beim Online-Shopping, beim Verfassen von Kurznachrichten, aber auch Kranken- und Gerichtsakten, Verkehrsdelikte, Steuersünden, rüpelhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit, Rauchen in öffentlichen Räumen etc. genutzt (EuZ 29.8.2019). Die derzeitigen Tests will die Regierung bis Ende 2020 abschließen, um dann landesweit ein verpflichtendes einheitliches SCS einzuführen. Starten soll es aller Voraussicht nach in Peking. Unklar ist derzeit noch, wie später auch ländliche Regionen angeschlossen werden sollen, die aktuell noch keinen Internetzugang haben. Trotz aller Kontrolle ist die Zustimmung hoch (HO 8.5.2020).

 

8. Meinungs- und Pressefreiheit

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Obwohl von der Verfassung garantiert, ist die Pressefreiheit in China stark eingeschränkt und nicht gewährleistet (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020, BS 29.4.2020). Die Behörden haben die Nutzungsmöglichkeiten des Internets weiter eingeschränkt und die Regierung behält eine strenge Kontrolle über das Internet und die Massenmedien (HRW 14.1.2020). Die Unterdrückung grundlegender Rechte, wie Rede- und Versammlungsfreiheit, sowie Reisefreiheit ist für Bewohner der autonomen Region Tibet (TAR) und anderen tibetischen Gebieten sowie für Uiguren ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes (USDOS 11.3.2020). Das in der chinesischen Verfassung theoretisch gewährte Recht wird durch Vorbehalte in der Verfassung selbst sowie durch zahlreiche einfach gesetzliche Regelungen und administratives Vorgehen weitgehend ausgehöhlt. Die Möglichkeiten von Bürgern zur offenen Meinungsäußerung im privaten Kreis und etwas abgestuft in den sozialen Medien sind teilweise vorhanden und wird geduldet, ist aber immer mit unkalkulierbaren persönlichen Risiken verbunden. Trotz weiter ausgreifender Zensur (Internet) bleibt es der eigentliche Ort der öffentlichen Meinungsbildung in China. So stehen die sozialen Medien besonders im Fokus der staatlichen Einflussnahme. De facto unterliegt die Meinungsfreiheit jedoch nach wie vor strenger Reglementierung. Regierungskritik wird immer wieder als Gefährdung der Staatssicherheit verfolgt und drakonisch bestraft (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

 

Als Sprachrohr von Partei und Staat bleibt es Hauptaufgabe der Medien, die "Einheit von Volk, Staat und Partei" und die politischen Ziele der Staatsführung zu propagieren. Verstöße gegen die Regeln werden teilweise empfindlich bestraft (AA 1.12.2020). Partei und Staat dominieren mit eigenen Medien die öffentliche Meinungsbildung (GIZ 9.2020a). Als Informationsquelle genießen sie in der Bevölkerung jedoch wenig Vertrauen (DFN 28.1.2020). Bei sensiblen Themen, vor allem im politischen Bereich, sind die Spielräume der Berichterstattung eng begrenzt und nehmen seit einigen Jahren wieder ab (GIZ 9.2020a).

Tausende Websites werden über Jahre hinweg blockiert. Die Auswirkungen der Zensur der chinesischen Regierung reichen weiterhin über die chinesischen Grenzen hinaus. WeChat, Chinas beliebte Messaging-Plattform, die von mehr als einer Milliarde Chinesen im In- und Ausland genutzt wird, unterliegt der üblichen chinesischen Zensur, die für alle inländischen sozialen Medien gilt (HRW 14.1.2020; vgl. AI 22.2.2018).

 

Allerdings durchläuft die chinesische Gesellschaft radikale und spürbare Wandlungsprozesse. Das ganz vorwiegend per Firewall-Sperren auf China beschränkte und systematischer Zensur unterworfene Internet (de facto eine Art Intra-Net) mit einer extrem hohen Nutzerquote (Mitte 2020 rund 904 Mio. Internetnutzer bei 1,4 Mrd. Einwohnern) und die ebenfalls rein innerchinesischen sozialen Netzwerke sind in manchen Fällen auch zu Sprachrohren von Frustrationswellen und der Aufdeckung von Missständen geworden (AA 1.12.2020).

 

China gehört nach der Evaluierung von "Reporter ohne Grenzen" auch 2019 weiter zu den Ländern mit den stärksten Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Es nimmt dort den 177. Platz von 180 Ländern ein (RSF 2020). Demnach befinden sich gegenwärtig 72 Journalisten und 45 Online-Aktivisten in Haft (Stand 9.12.2020) (RSF 2020; vgl. AA 1.12.2020).

 

9. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Art. 35 der Verfassung gewährt das Recht auf Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlung, der Vereinigung und der Demonstration; Art. 41 schützt das Recht der Bürger, Kritik oder Vorschläge hinsichtlich eines jeden Staatsorgans oder Funktionärs zu unterbreiten. Diese Verfassungsrechte sind jedoch für den Einzelnen nicht einklagbar und in der Praxis durch die Regierung stark eingeschränkt. Pressekonferenzen von Menschenrechtsaktivisten werden öfters ohne weitere Begründung verhindert. Jeder Anschein von Organisation wird als Bedrohung für die Stabilität verstanden und umfassend unterbunden. Art. 296 des Strafgesetzbuches sanktioniert "rechtswidrige Versammlungen" mit bis zu fünf Jahren Haft, was immer wieder als Delikt gegen Aktivisten vorgebracht wird (AA 1.12.2020; vgl. BS 29.4.2020).

 

Chinas Verfassung schützt das Demonstrationsrecht der Bürger. Doch in der Praxis erhalten Demonstranten selten eine Genehmigung zur Abhaltung von Demonstrationen und riskieren Strafen für Versammlungen ohne Erlaubnis. Von der offiziellen politischen Linie abweichende (ver-)öffentlich(t)e (auch via Internet) Meinungsäußerungen, welche die Führungsrolle der KP Chinas in Staat und Gesellschaft in Frage stellen, werden mit allen Mitteln unterdrückt. Die Vereins- und Versammlungsfreiheit ist wesentlich eingeschränkt. Spontane Demonstrationen stellen eine gemeinsame Form des Protestes dar (ÖB 10.2020; vgl. FH 4.3.2020). Oftmals werden Kundgebungen durch vorab verhängte Hausarreste im Keim erstickt. Auch rund um sensible Jahrestage werden "sensible" Personen unter Hausarrest gestellt (ÖB 10.2020).

 

Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht. Die in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes organisierten acht "demokratischen Parteien" sind nach ehemals sowjetischem Muster "gleichgeschaltet". Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein – noch so loses – Netzwerk gebildet werden könnte (AA 1.12.2020).

 

10. Haftbedingungen

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Die Haftbedingungen sind im Allgemeinen sehr hart (AA 1.12.2020), mit unzureichender Ernährung, regelmäßigen Misshandlungen und Entzug von medizinischen Hilfeleistungen (FH 4.3.2020). Das Gesetz verbietet körperliche Misshandlungen und Herabwürdigungen von Häftlingen, wie auch die Erzwingung von Geständnissen (USDOS 11.3.2020). In vielen Fällen wird Inhaftierten in Untersuchungsgefängnissen anfänglich der Zugang zu Rechtsbeistand verwehrt (AI 2.8.2019; vgl. AI 22.8.2019), was mit dem "Verdacht auf Untergrabung der Staatsgewalt" (AI 22.8.2019) oder der "Gefährdung der nationalen Sicherheit" begründet wurde (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2018 waren rund 1,7 Millionen Verurteilte in den 752 Haftanstalten (683 Gefängnisse, 41 Frauengefangenenhäuser und 28 Jugendstrafvollzugsanlagen) inhaftiert. Gemäß Zurechnungen von Personen in Untersuchungshaft erhöht sich die Zahl der Gefangenen auf rund 2,36 Millionen Personen. Der Frauenanteil beträgt etwa 8,4 Prozent (WPB 2018).

 

Neben der Freiheitsstrafe existieren verschiedene Formen freiheitsentziehender Maßnahmen, sogenannte Administrativhaft: "Haft zur Erziehung" (shourong jiaoyu), "Haft zur Umerziehung" und "Zwangsmäßige Drogenrehabilitation in Isolation". Sie zielen häufig auf Prostituierte und Drogenabhängige, aber auch politisch missliebige Personen (z.B. Anti-Falun Gong-Kampagne) ab (AA 1.12.2020). Nach Abschaffung des Systems "Umerziehung durch Arbeit" (laojiao) (AA 1.12.2020) wurden hunderte dieser Haftanstalten in sogenannte "legal education center" umbenannt (AA 14.12.2018).

 

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest (soft detention) ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt, insbesondere um wichtige politische Veranstaltungen oder Gedenktage herum (AA 1.12.2020).

 

Illegale und nicht deklarierte Anhaltezentren, sog. "black jails" sind weiterhin landesweit in Verwendung. In psychiatrischen Anstalten dürften unliebsame geistig gesunde Menschen zusammen mit geistig abnormen Rechtsbrechern weggesperrt werden (ÖB 10.2020; vgl. AA 14.12.2018).

 

Berichten zu Folge sind politische Gefangene, darunter Angehörige der Falun Gong, Uiguren, tibetische Buddhisten und im Untergrund ihren Glauben praktizierende Christen, in Haftanstalten der Gefahr von gewaltsamen Organentnahmen ausgesetzt (WSJ 5.2.2019).

 

Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 1.12.2020). Die Polizei kann in solchen Anstalten Personen nach eigenem Gutdünken ohne zeitliche Begrenzungen festhalten (ÖB 10.2020).

 

11. Todesstrafe

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Es gibt Anzeichen, dass China sich langsam in Richtung einer Verminderung der Anwendung der Todesstrafe bewegt (ÖB 10.2020). Die Regierung hat die Zahl der Verbrechen, die mit der Todesstrafe geahndet werden, reduziert (FH 3.4.2020). Die Todesstrafe wird bei 46 Verbrechen angewendet, von denen 21 keine Gewaltverbrechen sind (ÖB 10.2020). Die genaue Zahl der Hinrichtungen bleibt Staatsgeheimnis (AI 30.1.2020; vgl. ÖB 10.2020). Jedoch dürfte China jährlich mehr Menschen hinrichten als alle anderen Länder zusammen. Amnesty International geht von „tausenden Hinrichtungen“ aus (ÖB 10.2020; vgl. AI 21.4.2020). NGOs schätzen aber auch, dass die Zahl der Vollstreckungen seit mehreren Jahren abnimmt (AA 1.12.2020).

 

Obwohl die Regierung betont, dass die überwiegende Mehrheit der Chinesen für die Beibehaltung der Todesstrafe wäre, gibt es eine offene Debatte zur Anwendung der Todesstrafe, die in den vergangenen Jahren zu positiven Reformen geführt hat. Durch die verstärkte Praxis der außergerichtlichen Mediation, bei der ein Mörder die Familie des Todesopfers finanziell entschädigen kann, konnten ebenfalls einige Todesurteile abgewendet werden (ÖB 10.2020). Angesichts der Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Todesurteile in China für schwere Verbrechen wie Mord, Raubmord, Vergewaltigung oder Drogenschmuggel verhängt werden, wird die Beschränkung der Todesstrafe aber absehbar nicht zu signifikant weniger Todesurteilen in China führen. Todesurteile werden entweder zur sofortigen Vollstreckung oder mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt. In letzterem Fall werden die Urteile nach Ablauf der Frist, falls sich der Delinquent in dieser Zeit straffrei verhalten hat, regelmäßig in lebenslange Strafen umgewandelt. Seit 2007 müssen Todesurteile zur sofortigen Vollstreckung wieder vom Obersten Volksgericht (OVG) bestätigt werden. Offiziellen Angaben zufolge werden etwa zehn Prozent dieser Todesurteile im Rahmen dieses Verfahrens aufgehoben. Die NGO Dui Hua, die die Entwicklung seit Jahrzehnten verfolgt und aus verfügbaren Einzeldaten seriöse Hochrechnungen erstellt, geht von einer Reduzierung der Hinrichtungen von ca. 8.000 im Jahr 2008 auf etwa 2.000 im Jahr 2018 aus (AA 1.12.2020).

 

Die Regierung erklärte, dass sie die Verwendung von Organen hingerichteter Gefangener beendet habe. Jedoch übersteigen Umfang und Geschwindigkeit einer Verfügbarkeit von Organen bei weitem jene Parameter, welche von einem im Entstehen begriffenen freiwilligen Spendensystem erfüllt werden können. Beweise für die Fälschung von Daten im Zusammenhang mit diesem System tauchten 2019 auf. Rechtsaktivisten, Journalisten, Mediziner und ein unabhängiges Expertentribunal, das in London tagte, wiederholten im Laufe des Jahres ihre Besorgnis über unethische und illegale Organbeschaffung von Gefangenen, einschließlich Mitgliedern religiöser und ethnischer Minderheiten, wie Falun Gong und Uiguren (FH 4.3.2020).

 

Die Todesstrafe wird derzeit verstärkt wegen „Staatsverbrechen“, teilweise in Massenverfahren ohne Transparenz, verhängt (ÖB 10.2020).

 

12. Bewegungsfreiheit

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

Das Gesetz sieht eine innerstaatliche Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit von Auslandsreisen und die Möglichkeit einer Rückkehr vor (ÖB 13.8.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Doch werden diese Rechte nicht immer durch die Regierung ermöglicht. Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großen politischen Ereignissen, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).

 

Ein Umzug bzw. eine Umregistrierung in einer anderen Region ist (nur) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Hukousystems (Haushaltsregistrierungssystem) möglich – insbesondere wenn man in einem anderen Ort eine Arbeitsstelle hat und der Arbeitgeber entsprechend die Formalitäten erfüllt. In einigen Orten (z.B. Beijing und Shanghai) gibt es lange (mehrjährige) Wartezeiten für die Umregistrierung des Hukou nach einem Punktesystem, da der Zuzug hier streng geregelt wird (ÖB 28.5.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).

 

Durch das Hukou-System wird verhindert, dass rund 290 Millionen Arbeits- und Binnenmigranten in den Städten, in denen sie arbeiten, vollen legalen Status als Einwohner genießen. Durch die Regierung wurde angekündigt, das geltende System schrittweise zu reformieren und die Vorteile des städtischen Wohnsitzes auf 100 Millionen Migranten auszuweiten. Doch würde eine Umsetzung dieses Plans immer noch eine große Mehrheit der Migranten ohne gleiche Rechte oder vollen Zugang zu sozialen Diensten bedeuten (FH 4.3.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).

 

Anderswo in China, wo 2019 die ersten Stufen eines Sozialkreditsystems eingeführt wurden, sehen sich Berichten zufolge Millionen von Bürgern aufgrund ihrer niedrigen Punktzahlen mit Einschränkungen bei Flug- und Bahnreisen konfrontiert. Millionen Menschen, viele von ihnen Uiguren und Tibeter, sind von staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen (FH 4.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt zu ziehen. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 1.12.2020).

 

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. Kraftfahrzeuge mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht eine besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen, welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen – vor allem von jungen männlichen Uiguren – durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 10.2020).

Die Bewegungsfreiheit für Tibeter ist stark eingeschränkt (IHRWch 17.8.2018). Ohne zahlreiche Genehmigungen dürfen sie sich außerhalb ihres Wohngebietes nicht bewegen und auch nicht arbeiten. Das Alltagsleben für Tibeter ist durch eine Vielzahl von Kontrollen gekennzeichnet (ST 30.8.2019).

 

Seit 2016 gelten für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Personen in der Provinz Xinjiang müssen für Reisebewegungen zwischen Städten bei der Polizei eine Erlaubnis erwirken und eine Vielzahl von Kontrollpunkten durchlaufen. Es wird von einer Zunahme von Kontrollmaßnahmen auf Flughäfen, Bahnhöfen, sowie Kontrollpunkten an öffentlichen Bewegungslinien, wie Straßen, etc. berichtet (HRW 9.9.2018).

 

Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).

 

13. IDPs und Flüchtlinge

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

China hat das UN-Abkommen und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ratifiziert. Eine ausdrückliche Regelung zur Vergabe des Flüchtlingsstatus gibt es jedoch nicht. Der Großteil der Flüchtlinge in der Volksrepublik sind etwa 300.000 Personen, die Ende der 1970er Jahre aus Vietnam vertrieben wurden. Die Integration der Flüchtlinge, die bis auf die fehlende Staatsangehörigkeit die gleichen Rechte wie Chinesen genießen, ist aus Sicht des UNHCR vorbildlich (AA 1.12.2020).

 

In China halten sich Schätzungen zufolge bis zu 50.000 Nordkoreaner illegal auf. Nordkoreaner werden in China nicht als politische Flüchtlinge anerkannt, sondern als Wirtschaftsmigranten betrachtet. Damit ist ein legaler Aufenthalt mit formellem Flüchtlingsstatus in China nicht möglich. Sie müssen jederzeit mit einer Abschiebung durch die Sicherheitsbehörden rechnen, was auch immer wieder vorkommt. Die zum Teil sehr schweren Repressionsmaßnahmen, die bei einer Rückführung nach Nordkorea drohen, sind für China kein Abschiebehindernis (AA 1.12.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

 

China verzeichnete 2020 durch direkte Folgen von Naturereignisse wie Stürme, Überschwemmungen, Erdbeben und Erdrutsche innerstaatliche Verschiebungen der Bevölkerung. Diese kann auch durch vorbeugende Evakuierungsmaßnahmen der Regierung erfolgen. Auch die Durchführung von Entwicklungsprojekten bedingen angesichts der beispiellosen Modernisierung und Urbanisierung des Landes, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen durch solche Projekte verdrängt werden. 2019 waren mehr als vier Millionen Menschen, im ersten Halbjahr 2020 etwa 791.000 von Umsiedelungsmaßnahmen durch Naturkatastrophen und Umsiedelungen wegen der Umsetzung von Entwicklungsprojekte betroffen (IDMC 2020).

 

14. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Mit der Öffnung Chinas gegenüber dem kapitalistischen Westen schaffte es das Land, ausgelöst durch wirtschaftliche Reformen, in den letzten vier Jahrzehnten den Aufstieg von einem planwirtschaftlichen Agrarstaat zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt (Darimont 2020). Der Lebensstandard hat sich für die Bevölkerung dabei insgesamt verbessert (NZZ 26.5.2020).

 

In den Jahren von 2000 bis 2010 erreichte China ein Wirtschaftswachstum zwischen 8 und 14 Prozent (GIZ 6.2020b; vgl. BS 2020). China soll 2020 zu den wenigen Ländern zählen, die ein Plus vor das Wirtschaftswachstum setzen können. Wirtschaftsexperten rechnen mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von immerhin 1,7 Prozent. Auf ein vorgegebenes Wachstumsziel ist 2020 angesichts der Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung verzichtet worden (WKO 9.10.2020; vgl. WKO 10.2020).

 

Die Ausbreitung von COVID-19 im Dezember 2019 in der Provinz Hubei führte Anfang 2020 zum massiven Einbruch des Wirtschaftswachstums (GIZ 6.2020b). Quarantäneverordnungen und Reiseverbote legten das wirtschaftliche Leben in der Folge weitgehend lahm (ZO 14.4.2020). Zahlreiche Unternehmen konnten ihren Betrieb nicht wie geplant wiederaufnehmen. Nicht zuletzt aufgrund nachlassender internationaler Nachfrage kann davon ausgegangen werden, dass China sein Wachstumsziel verfehlen wird (WKO 9.10.2020).

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist seit einigen Jahren gewährleistet (AA 1.12.2020), doch kam es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise (ÖB 10.2020). Trotz beispielloser Erfolge bei der Armutsbekämpfung geht die UNO davon aus, dass derzeit noch über 124,5 Millionen Menschen unterernährt sind. Die ländliche Bevölkerung ist bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit, vor allem im unterentwickelten Westen des Landes, strukturell benachteiligt (GIZ 6.2020b). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt kontinuierlich an, der Abstand zwischen Stadt- und Landbevölkerung, deren Einkommen im Vergleich zur Stadt lediglich etwa ein Drittel beträgt, ist seit den 1990er-Jahren kontinuierlich gewachsen (AA 1.12.2020; vgl. UN DESA 2020). Neben Armutsproblemen hat China vor allem mit einer immer stärkeren Einkommensungleichheit zu kämpfen (GIZ 6.2020b). Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben im urbanen Umfeld (CIA 24.11.2020), Das aktuelle Pro-Kopf-Einkommen lag 2019 bei 42.359 Yuan (rund 5.300 EUR), wohingegen auf dem Land nur 16.021 Yuan (rund 2.000 EUR) verdient wurden (GIZ 6.2020b).

 

Alle der 2012 angegebenen 832, von landesweit insgesamt 2.851 Verwaltungseinheiten auf Kreisebene, die damals noch als arm eingestuft worden sind, gelten gegenwärtig auf der Grundlage statistischer Daten hinsichtlich des Durchschnittseinkommens nicht mehr als arm. Präsident Xi Jinping erklärte 2015, die Armut, in der noch etwa 70 Millionen Menschen der Landbevölkerung lebten, bis Ende 2020 beseitigen zu wollen. Kritiker argumentieren, dass China die Armutsgrenze zu niedrig angesetzt habe und dass die Nachricht eine starke Zunahme der Einkommensunterschiede zwischen Stadt und Land verdecke. Auch habe sich das Programm zur Beseitigung der Armut auf die Landbevölkerung konzentriert und berücksichtige nicht die in den Städten lebenden Armen. Seit den 1990er-Jahren wurden mit dem Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft in der Volksrepublik etwa 700 Millionen Menschen aus der Armut gehoben (BAMF 30.11.2020).

 

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, wobei auf dem Land mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen ist. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 10.2020).

 

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Bis 2030 soll ein Viertel der Bevölkerung Chinas älter als 60 Jahre sein. Auch die Einführung der Zwei-Kind-Politik 2016 hat zu keiner Entspannung beigetragen. Damit ist zu befürchten, dass wenige Menschen im arbeitsfähigen Alter somit für eine immer größer werdende Anzahl an Pensionisten aufkommen müssen und das chinesische Pensionssystem damit an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Angesichts der demographischen Entwicklung sind Gebiete mit vielen Wanderarbeitern übermäßig belastet (ÖB 10.2020). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (Darimont 2020).

 

Das Pensionsantrittsalter liegt bei Männern bei 60 Jahren, bei Frauen bei 50 bzw. 55 Jahren (öffentlich Bedienstete). Frühpension sowie eine Aufschiebung des Pensionsantrittes ist möglich, sofern die Voraussetzung einer Teilnahme am Arbeitsmarkt von 15 Jahren erfüllt ist. In Fällen von Schwerarbeit ist ein Pensionsantritt auch unter 15 Arbeitsjahren möglich. Grundsätzlich leisten Arbeitnehmer Beiträge in der Höhe von 8 Prozent ihres Einkommens, Arbeitgeber tragen mit maximal 20 Prozent bei. Bis 2015 mussten öffentliche Bedienstete keine eigenen Beiträge zur Pension leisten (ÖB 10.2020).

 

Das chinesische Sozialsystem deckt folgende Gruppen ab:

 Senioren: Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können.

 Waisen ohne Verwandtschaft.

 Ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind (IOM 2019).

 

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Dafür ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist, wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR) (ÖB 10.2020).

 

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Millionen Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen, wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen "Hukou" mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden fünf Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 288 Millionen Wanderarbeiter (ÖB 10.2020).

 

15. Medizinische Versorgung

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung (ÖB 10.2020).

 

Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für den (legalen) Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen Hukou (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen. Dieser Prozentsatz solle in den kommenden fünf Jahren auf 45 Prozent steigen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 288 Mio. Wanderarbeiter. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte Hukou-Karten oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).

 

Grundsätzlich wird es allen chinesischen Staatsbürger ermöglicht, am Ort ihrer Haushaltsregistrierung Leistungen der nationalen Grundkrankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Das gilt nach erfolgter Registrierung auch für chinesische Staatsbürger, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Dabei werden von der Krankenversicherung in der Regel eine medizinische Grundversorgung in für den Wohnort designierten Krankenhäusern abgedeckt. Dabei können medizinische Leistungen nur dann bezogen werden, wenn eine Hukou-Registrierung besteht (ÖB 13.8.2020).

 

Das chinesische Gesundheitssystem hält nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt. Gemäß aktuellen Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern/-pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar (HB 19.2.2020). Auch die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ist nach wie vor ungenügend. Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastungen dar. Wie auch in anderen Politikfeldern herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle vor. Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (ÖB 10.2020; vgl. IOM 2019, AA 1.12.2020). Ärztliche Behandlungskosten müssen von Patienten im Voraus bezahlt werden. Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (170 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Bedienstete von Staatsbetrieben erhalten nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich mehr in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung oft ungenügend. Besonders im ländlichen Raum müssen häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse für Behandlungen kranker Familienmitglieder aufwenden. Auch die staatlichen Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbst finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente (10.2020).

 

Chinas System der Haushaltsregistrierung (das Hukousystem) trägt zu beobachtbaren Ungleichgewichten und der Marginalisierung von Landbewohnern und Migranten in den urbanen Zentren bei. Neuzuwanderer in städtische Gebiete haben aufgrund der strengen Registrierungsanforderungen oft keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum (UNDESA 2020).

 

In China gibt es keine niedergelassenen, sondern nur in den Kliniken angestellte Ärzte (coliquio 10.8.2018). Krankenhäuser sind sowohl in großen als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 2019). Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal (ÖB 10.2020).

 

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 2019). Seit März 2016 wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter eine Anhebung der Kostenerstattung für Patienten, die Anhebung der Zahl der Ärzte auf 70.000, die zentralisierte Beschaffung von Medikamenten für Spitäler und der Aufbau eines nationalen Netzwerks für die Kostenerstattung in der Krankenversicherung, sodass Kosten landesweit erstattet werden können (ÖB 10.2020).

 

16. Rückkehr

 

Letzte Änderung: 18.12.2020

 

Grundsätzlich besitzen chinesische Staatsbürger nach ihrer Rückkehr nach China das Recht, sich wieder im Land niederzulassen und sich unter entsprechenden Bedingungen auch im "Hukou-System" registrieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist eine "Bescheinigung zur Rückkehr und Ansiedlung von Auslandschinesen". Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Rückkehrbescheinigung ist der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes und die Verfügbarkeit einer rechtlichen häuslichen Unterkunft für die rückkehrende Person. Auch wenn diese Bescheinigung verbindlichen Rechtsanspruch besitzt, obliegen dem Staat Möglichkeiten, diese Ansprüche bei Vorliegen von Straftaten betreffend der allgemeinen Sicherheit und Ordnung, deren Auslegung einen weiten Raum für Anschuldigungen bieten, zu verwehren. Für eine Registrierung an einem anderen Ort als dem bisherigen Lebensmittelpunkt sind zusätzliche lokal erlassene Bedingungen zu erfüllen, unter anderem auch eine Straffreiheit der Antragsteller (ÖB 10.2020).

 

Es erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 10.2020). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 1.12.2020). Es ist anzunehmen, dass die chinesischen Behörden über das Verhalten chinesischer Asylsuchender während ihres Aufenthalts außerhalb Chinas informiert sind (DFAT 3.10.2020). Im Oktober 2016 wurden zur Verstärkung der Überwachung von Auslandskontakten in einem ersten Schritt die Pässe der Einwohner Xinjiangs zurückgerufen. Zudem haben die Behörden in Xinjiang 2017 alle chinesischen Uigurinnen und Uiguren im Ausland aufgefordert, bis Ende Mai 2017 in die VR China zurückzukehren, um sich registrieren zu lassen. Verstöße dagegen können nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von den chinesischen Behörden sanktioniert werden. Doch auch die freiwillige Rückkehr in der vorgegebenen Frist ist keine Garantie für Straffreiheit und Sicherheit (AA 1.12.2020).

 

Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uiguren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt] verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020). Der Verbleib von Angehörigen dieser generalverdachtsmäßig als staatsgefährdend angesehenen Minderheiten bleibt nach deren Rückkehr oft ungeklärt und es ist mit einem ungewissem, auf unbestimmte Zeit festgelegten Verbleib dieser Personengruppen zu rechnen (AA 1.12.2020).

 

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden. Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uighuren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020).

 

Das chinesische Außenministerium konfisziert, annulliert oder verweigert die Verlängerung der Reisepässe von Uiguren und anderen im Ausland lebenden turksprachigen Muslimen, einschließlich Personen mit rechtmäßigem Daueraufenthaltsstatus oder Staatsbürgerschaft in anderen Ländern, als Zwangsmaßnahme, um sie zur Rückkehr nach Xinjiang zu bewegen (USDOS 10.6.2020).

 

Darüber hinaus fordert die Zentralregierung andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (NYP 22.9.2019). China übt dabei auf seine Nachbarstaaten Druck aus, uigurische Flüchtlinge, die pauschal des "Terrorismus" bezichtigt werden, beschleunigt nach China rückzuführen (DW 17.2.2020). Auch wurden entsprechende Auslieferungsabkommen mit einigen, an die Autonome Region Xinjiang grenzende Nachbarstaaten, wie Kasachstan (ÖB Nur-Sultan 7.2020a), Kirgisistan (ÖB Nur-Sultan 7.2020b), Tadschikistan (ÖB Nur-Sultan 8.2020) und Usbekistan (ÖB Moskau 17.5.2019) abgeschlossen. Die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beobachtet mit großer Sorge, dass sich der Einfluss Chinas bei der Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten weltweit immer weiter ausdehnt, wie das Beispiel der Uiguren in der Türkei zeigt (IGFM 22.6.2020; vgl. NM 19.5.2020). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan, Malaysia, Algerien und Ägypten (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020, SZ 12.4.2019, DW 17.2.2020). Es gibt auch Berichte, wonach die chinesischen Behörden die Rückkehr von Uigurinnen und Uiguren mit Aufenthaltsrecht in EU-Mitgliedstaaten zur „Umerziehung“ in ihren Heimatorten in Xinjiang erzwingen. Oftmals werden dafür in China lebende Familienmitglieder als Faustpfand benutzt. Über den Verbleib der rückkehrenden Personen ist oft nichts bekannt (AA 1.12.2020).

 

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 10.2020).

 

17. Dokumente

 

Letzte Änderung: 17.12.2020

 

China weist eine stark hierarchische Struktur in seiner Bürokratie auf. Staatsbedienstete werden relativ gut bezahlt und es gibt harte Strafen für Korruption innerhalb der Beamtenschaft ("liuzhi") (NMoFA 1.12.2020). Dennoch ist in ganz China die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit langem verbreitet (AA 1.12.2020). Gemäß verschiedener Angaben ist es möglich, durch entsprechende Kompensationsleistungen, auf falsche Identitäten bezogene Dokumente, die von autorisierten Stellen hergestellt und ausgestellt werden, zu erhalten (BW 26.10.2019).

 

Grundsätzlich erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 10.2020). Nach dem scharfen Vorgehen der Regierung gegen Korruption wird allerdings erwartet, dass Dokumentenbetrug mit Hilfe korrupter Beamter zurückgegangen ist. Dies hat zu einem verstärkten Trend zur elektronischen Manipulation von Dokumenten geführt. Die chinesische Regierung ist im Begriff, Identifikationsdokumente in einem Online-Portal zu zentralisieren. Dieser Schritt soll die Überprüfung von Dokumente online vereinfachen (DFAT 3.10.2019).

 

Bei der Aufdeckung von Dokumentenfälschungen im Zuge von Ein- und Ausreisen arbeiten die chinesischen Immigrationsbehörden zunehmend mit den ausländischen Verbindungsbeamten zusammen (AA 1.12.2020).“

 

2. Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch:

- Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insb. in das Protokoll der Erstbefragung vom XXXX 2019 (AS 3 ff), in die niederschriftliche Einvernahme vom XXXX 2019 (AS 99 ff) sowie in die Beschwerde vom XXXX 2019 (AS 211 ff);

- Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Urkunden;

- Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu China vom 05.01.2021;

- Einvernahme der Beschwerdeführerin am XXXX 2021 vor dem BVwG;

- Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister sowie

- Einsichtnahme in das Strafregister.

Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

 

Zur Identität der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass im Verfahren verschiedene Kopien von Identitätsnachweisen, insb. ein chinesischer Reisepass, vorgelegt wurden (AS 59 ff). Da die behauptete Identität der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens gleichgeblieben ist, steht ihre Identität im Zusammenhalt mit den im Akt einliegenden Kopien der Identitätsnachweise mit ausreichender Sicherheit fest.

 

Die Staatsangehörigkeit, die Muttersprache, der Geburtsort, ihr Familienstand sowie ihr Leben in China, ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (VP vom XXXX 2021 S. 2 und 6). Ihre dahingehenden Ausführungen sind im Verfahren im Wesentlichen gleichgeblieben, sodass das BVwG keinen Grund sieht, an den Schilderungen zu zweifeln.

 

Die Feststellungen zu den Geschwistern und zur Mutter der Beschwerdeführerin beruhen auf ihren dahingehenden Angaben im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 105). Der Kontakt zum Sohn und zu einer Schwester ergibt sich aus ihrer dahingehenden Angabe vor dem BVwG (VP XXXX 2021 S. 8). Der Vollständigkeit halber ist jedoch festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin auf die Frage des Richters, ob sie von Österreich aus noch Beziehungen zu Personen in China, insb. Kontakte zu dort lebenden Familienangehörige […] unterhalte, „nein“ zur Antwort gab (VP XXXX 2021 S. 13).

 

Ihr Gesundheitszustand, insb. ihr behaupteter Bluthochdruck, und ihre Arbeitsfähigkeit beruhen ebenso auf ihren glaubhaften Angaben vor dem BVwG (VP vom XXXX 2021 S. 3 f).

 

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

 

Die Feststellungen zur Einreise und Asylantragstellung ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbedenklichen Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zu ihrer Lebensgemeinschaft sowie insgesamt zu ihrer Lebenssituation im Bundesgebiet fußen auf ihren dahingehenden glaubhaften Angaben vor dem BVwG (VP vom XXXX 2021 S. 6 und 13 f). Der Umstand, dass es sich bei der Lebensgemeinschaft nicht um eine Liebesbeziehung handelt, ergibt sich aus ihren glaubhaften Schilderungen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 103). Dass die Beschwerdeführerin in Österreich weder Verwandte bzw. Familienangehörige noch ein soziales Netzwerk, insb. einen Freundeskreis, hat, beruht ebenfalls auf ihrer diesbezüglichen Schilderung vor dem BVwG (VP vom XXXX 2021 S. 13 f).

 

Ihre Wohnsitzmeldung ergibt sich aus dem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit ist aus dem amtswegig eingeholten Auszug aus dem österreichischen Strafregister ersichtlich.

 

Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

 

Soweit die Beschwerdeführerin vorbrachte, ihr drohe im Falle einer Rückkehr nach China die Gefahr einer Verfolgung durch Privatpersonen, kommt ihrem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am XXXX 2019 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe aufgrund der Krankheit ihres Sohnes hohe Schulden (Kosten für Medikamente und Behandlungen). Sie befürchte im Falle einer Rückkehr nach China von den Gläubigern bedroht zu werden. Außerdem sei ihr Leben in Gefahr.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2019 führte die Beschwerdeführerin im Grunde die gleiche Fluchtgeschichte nochmals aus, reicherte diese jedoch mit Details an.

 

Am XXXX 2021 wurde die Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu ihren Fluchtgründen einvernommen. Dabei gab sie, wie auch bei der Erstbefragung bzw. wie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass sie sich Geld für die Behandlung ihres kranken Sohnes ausgeborgt habe. Nun wollen die Gläubiger ihr Geld zurück. Die Beschwerdeführerin sei durch die Gläubiger auch geschlagen worden und man habe ihr vorgeschlagen ins Ausland zu fahren. Der Beschwerdeführerin sei auch ein Visum für Frankreich ausgestellt worden – sie sei dann nach Frankreich gefahren und man habe der Beschwerdeführerin gesagt, sie habe die Möglichkeit in Frankreich Geld zu verdienen. Sie habe sich aber „nicht verkaufen wollen“. Man habe sie dann in einen Raum eingesperrt. Sie habe dann nach Hilfe gerufen. Ein anderer Freund habe sie dann nach Österreich gebracht. Die Beschwerdeführerin wolle nicht zurück nach China oder Frankreich. Sie habe telefonisch von ihrer Schwester erfahren, dass die Gläubiger bis jetzt immer wieder zu ihrer Familie kommen und das Geld zurückhaben wollen. Die Schwester habe ihr gesagt, sie solle nicht nach China zurück. Die Gläubiger werden sie dort finden und schlagen, vielleicht werde die Beschwerdeführerin auch sterben.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es an der Beschwerdeführerin, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Zum Zweck der Glaubhaftmachung ist die Beschwerdeführerin verpflichtet, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und hat sie diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auf seine Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch auf das Kriterium der persönlichen Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin abzustellen. Diese persönliche Glaubwürdigkeit kann dadurch eingeschränkt werden, wenn die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt, wichtige Tatsachen verheimlicht bzw. diese bewusst falsch darstellt, ihr Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet, kein Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Hinzu kommt, dass das Vorbringen genügend substantiiert sein muss. Ungenügende Substantiierung ist dann gegeben, wenn die Beschwerdeführerin den Sachverhalt sehr vage schildert, ihre Angaben auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über ihre behaupteten Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein. D.h. es muss mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss ein Vorbringen auch in sich schlüssig sein, was nicht gegeben ist, wenn sich die Beschwerdeführerin in wesentlichen Aussagen widerspricht.

 

Das während des Verfahrens getätigte Fluchtvorbringen erfüllt diese Erfordernisse nicht.

 

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin ihre Fluchtgeschichte im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen zwar gleichbleibend wiedergab, diese jedoch durch hinzufügen von Details immer mehr gesteigert bzw. dramatisiert wurde. Zu ihrer Fluchtdarstellung im Zuge der mündlichen Einvernahme vor dem BVwG ist festzuhalten, dass die Fluchtgeschichte in Zusammenschau mit dem gewonnenen persönlichen Eindruck insgesamt als unglaubwürdig zu qualifizieren ist. Das Vorbringen ist durch unpräzise und größtenteils unzusammenhängenden Behauptungen sowie ungenaue Angaben gekennzeichnet. So beschreibt sie am Anfang ihres Vorbringens, dass sie schon eine lange Zeit von ihrem Ehemann getrennt gelebt habe und dass sie deswegen in Süd-China gearbeitet habe. Ob bzw. in welchem Zusammenhang diese Schilderungen mit der eigentlichen Fluchtbehauptung (Verfolgung durch Gläubiger) steht, lässt die Beschwerdeführerin offen.

 

Zu ihrem weiteren Fluchtvorbringen ist auszuführen, dass sie den Vorfall mit den Gläubigern sehr vage und oberflächlich beschreibt. Sie macht weder Zeitangaben noch Ortsangaben oder sonstige situationsrelevante Angaben. Von wem sie sich Geld tatsächlich ausgeborgt haben will, lässt sie ebenso unerklärt im Raum stehen. Dies erweckt den Anschein, dass es sich bei der Fluchtgeschichte insgesamt um ein erfundenes Konstrukt zur Erlangung von Asyl handelt.

 

Ihre Behauptung, wonach man ihr vorgeschlagen habe, ins Ausland zu fahren erscheint als ein weiterer Versuch ihr Vorbringen zu dramatisieren. Die Erzählung in diesem Zusammenhang ist äußerst oberflächlich gehalten. So beschreibt sie äußerst unpräzise, lückenhaft und detailarm, dass sie sich in Frankreich geweigert habe „sich zu verkaufen“ und dass man sie in einem Raum eingesperrt habe. Ihr Vorbringen, sie habe um Hilfe gerufen und ein anderer Freund habe sie dann nach Österreich gebracht, erscheint vor dem Hintergrund des tatsächlichen Ablaufs von Menschenhandel, realitätsfern. Darüberhinausgehende Erklärungen oder konkretere Ausführungen zu dieser Schilderung tätigt sie nicht. Über Fragen des Rechtsvertreters (VP XXXX 2021 S. 12), ob es zwischen den Leuten in China, die ihr das Visum für Frankreich besorgt haben und den Leuten in Frankreich, die sie in ein Zimmer gesperrt haben, einen Zusammenhang gegeben habe, gab die Beschwerdeführerin zur Antwort, „Ich habe nicht nur einen Gläubiger. Ich habe mehrere. Ein Gläubiger hat damit zu tun“ sowie auf die Frage, ob er Einfluss auf die Person in Frankreich habe bzw. ob die Gläubiger alle in China seien, zur Antwort „Sie arbeiten zusammen. Es gibt auch Gläubiger, die in Frankreich sind und auch in China sind und auch Gläubiger, die in China sind und Einfluss in Frankreich haben“. Insgesamt wirken ihre detailarmen Antworten bzw. ihre gesamte Fluchtdarstellung wie eine zurechtgelegte und auswendig gelernte Fluchtgeschichte.

 

Unglaubhaft sind teilweise auch ihre Antworten bezüglich der Fragen, ob die Beschwerdeführerin in China durch den Staat aus politischen Gründen verfolgt worden sei. Sie antwortete meist ausweichend und unpräzise. Auch durch mehrmaliges Nachfragen durch den Richter wird ihre Darstellung nicht schlüssig und auch nicht nachvollziehbar. Dahingehend sind ihre Antworten zu berücksichtigen (VP XXXX 2021 S. 9 f). Auf die Frage des Richters, wer sie gesucht habe, gab sie zur Antwort: „Die kommunistische Partei“. Auf die Frage, wann das gewesen sei und wie oft sie von der kommunistischen Partei gesucht worden sei, antwortete sie mit: „Vor vielen Jahren“. Auf die Frage des Richters, wie oft nach ihr gesucht worden sei, gab sie zur Antwort: „Wir sind eine Gruppe“. Ihr Aussageverhalten in der Beschwerdeverhandlung deutete auf die spontane Nutzung einer Gelegenheit einen weiteren Grund für die Erlangung von Asyl zu schaffen.

 

Bemerkenswert sind auch ihre Antworten bezüglich Erlangung eines Visums für Frankreich (VP XXXX 2021 S. 10). Dabei verstrickte sie sich mehrmals in Widersprüchen. Auf die Frage, ob sie persönlich beim Konsulat gewesen sei, gab sie zur Antwort: „Ja. Nein doch nicht. Man hat mich begleitet“. Auf die Frage, dass sie selbst dort gewesen sei und sich das Visum geholt habe, ob das richtig sei, antwortete sie jedoch: „Nein, jemand hat für mich das Visum geholt. Ich habe ihm das bezahlt“. Auf die nächste Frage: als sie das Visum beantragt habe, ob sie persönlich am Konsulat gewesen sei, antwortete sie: „Ich habe einen Fingerabdruck hinterlassen. Ich war in Begleitung“. Auffallend ist, dass ihre Antworten sehr ungenau und sehr widersprüchlich sind. Insgesamt wirken ihre Angaben, insb. vor dem Hintergrund, dass ihre Ausführungen letztlich nicht nachvollziehbar sind, unglaubwürdig.

 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ihre Fluchtgeschichte aufgrund der Widersprüche, der Unstimmigkeiten sowie der nicht nachvollziehbaren, unschlüssigen, lückenhaften und nicht zusammenhängenden Ausführungen insgesamt unglaubwürdig ist. So ist es der Beschwerdeführerin schlussendlich nicht gelungen, ihre Gründe glaubhaft darzulegen. Aus ihren Angaben kann keine konkrete individuelle Bedrohung gegenüber der Beschwerdeführerin, insb. durch Privatpersonen oder durch andere Gruppierungen, erkannt werden.

 

Auch sonst sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine konkret gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete asylrelevante Verfolgung für wahrscheinlich erscheinen lassen.

 

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat ergeben sich aus den aktuellen Länderberichten zu China im Zusammenhalt mit den dahingehenden Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren.

 

Insbesondere vor dem Hintergrund ihrer schulischen Bildung, mehrjährigen Berufserfahrung, ihres familiären Netzwerkes in China sowie des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin den Großteil ihres Lebens in ihrem Herkunftsland verbracht hat, ist anzunehmen, dass sie im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht in eine ausweglose oder existenzbedrohende Notlage geraten würde.

 

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt bzw. in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Der Beschwerdeführerin wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihr wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls dazu spätestens innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin ist den Länderberichten nicht konkret entgegengetreten.

 

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zuständigkeit und anzuwendendes Verfahrensrecht:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

 

Spruchteil A)

 

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

 

Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Die bloß entfernte Möglichkeit einer Verfolgung reicht nicht für die Annahme einer asylrelevanten Verfolgung (so z. B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt der Beschwerdeführerin hinsichtlich des konkreten Vorbringens zu ihrem Fluchtgrund (betreffend die Gefahr, bei der Rückkehr nach China von den Gläubigern gefunden und geschlagen zu werden oder auch die Gefahr zu Sterben) keine Glaubwürdigkeit zu. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist das gesamte Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin als unglaubhaft zu qualifizieren.

 

Der Beschwerdeführerin ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin aus den von ihr ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die allgemeine Lage in China ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

 

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (vgl. zur Unzulässigkeit einer teleologischen Reduktion des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und zur Fortschreibung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Lichte der Judikatur des EuGH zur Zuerkennung subsidiären Schutzes VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG 2005).

 

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen (z.B. VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Rechtsprechung fest, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 mwN; so etwa auch in inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Senat, 11.04.2018, A 11 S 1729/17).

 

Neben der Prüfung, ob in dem betreffenden Gebiet Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen, setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der „Zumutbarkeit“ nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; vgl. auch VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslands verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Art. 15 Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein „relativ normales Leben“ ohne unangemessene Härte führen kann. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

 

Es muss dem Beschwerdeführer möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

 

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Für den gegenständlichen Fall ist daher Folgendes auszuführen:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Bezüglich der Grundversorgung ist auf den zitierten Länderbericht einzugehen (Punkt 14), wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in China seit einigen Jahren gewährleistet ist. Mit der Öffnung Chinas gegenüber dem kapitalistischen Westen schaffte es das Land, ausgelöst durch wirtschaftliche Reformen, in den letzten vier Jahrzehnten den Aufstieg von einem planwirtschaftlichen Agrarstaat zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Der Lebensstandard hat sich für die Bevölkerung dabei insgesamt verbessert.

 

Hinsichtlich der medizinischen Versorgung in China ist unter Berücksichtigung der oben angeführten Länderberichte (Punkt 15) festzuhalten, dass es grundsätzlich allen chinesischen Staatsbürgern ermöglicht wird, am Ort ihrer Haushaltsregistrierung Leistungen der nationalen Grundkrankenversicherung in Anspruch zu nehmen.

 

Abgesehen davon befindet sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes, sodass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden kann, dass für die Beschwerdeführerin als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin in bestimmten Bereichen als problematisch darstellt (vgl. Punkt 7), kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Beschwerdeführerin begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine arbeitsfähige Frau, die in ihrem Herkunftsland mehrjährige Schulbildung genoss und viele Jahre als Hilfskraft in einer Firma arbeitete. Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin Familienangehörige in ihrem Herkunftsland. So leben ihre Mutter, zwei Schwester, ein Bruder und ihr Sohn dort, zu denen, insb. zur älteren Schwester, regelmäßiger Kontakt besteht. Insofern kann angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr zumindest am Anfang nicht auf sich alleine gestellt wäre. Vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin jahrelange Berufserfahrung in ihrem Herkunftsstaat sammelte, kann ebenso angenommen werden, dass sie in China wieder einen Beruf ergreifen und so auch wieder in der Arbeitswelt ihres Herkunftsstaates wirtschaftlich Fuß fassen wird können. Schließlich verbrachte die Beschwerdeführerin nicht nur den Großteil ihres Lebens in ihrem Herkunftsstaat, sondern spricht auch eine Landessprache auf muttersprachlichem Niveau, wodurch sie auch mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut ist. Insgesamt ist daher eine Gefährdung, in eine existenzielle Notlage zu geraten, nicht ersichtlich.

 

In Bezug auf die Covid-19 Pandemie ist auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach es nicht entscheidungswesentlich ist, ob sich für einen Asylwerber infolge der seitens der Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, weil es darauf bei der Beantwortung der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre (vgl. VwGH 05.03.2021, Ra 2021/14/0038, Rn. 16).

 

Im Ergebnis ist letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten werde.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

Zur Nichterteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.):

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführerin Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Da die Beschwerdeführerin auch sonst das Vorliegen einer der Gründe des § 57 AsylG nicht behauptet hat und ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen ist, war ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen.

 

Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG war daher als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.):

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Chinas, ist mangels österreichischer Staatsbürgerschaft Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

 

Im Rahmen der Entscheidung vom 07.05.2021, Ra 2021/19/0124, stimmte der VwGH einer Revision darin zu, dass im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen beschränkt ist, sondern auch andere faktische Familienbindungen umfasst, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2020/14/0191, mwN). Es ist aber in Fällen wie dem vorliegenden letztlich nur von untergeordneter Bedeutung, ob die genannte Beziehung als „Familienleben“ oder als „Privatleben“ zu qualifizieren ist, weil bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung im Ergebnis die tatsächlich bestehenden Verhältnisse maßgebend sind (vgl. näher VwGH 27.4.2020, Ra 2020/21/0121).

 

Die Beschwerdeführerin lebt seit ca. drei Jahren in einer Lebensgemeinschaft. Wie festgestellt, handelt es sich bei dieser Lebensgemeinschaft nicht um eine Liebesbeziehung. Die Beschwerdeführerin hat auch kein Kind mit ihrem jetzigen Partner. Laut Feststellungen wird die Beschwerdeführerin durch ihren Partner versorgt und kommt es ihr im Grunde genau auf diese Versorgung an, um ihren Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften zu müssen. Die Lebensgemeinschaft ist im Wesentlichen durch das bloße Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Partner gekennzeichnet. Ein tatsächliche Abhängigkeit der Beschwerdeführerin von ihrem Lebensgefährten ist nicht gegeben. Unter Heranziehung der durch den EGMR aufgestellten Kriterien kommt man zu dem Schluss, dass die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Lebensgefährten nicht das Niveau erreicht, welches durch Art. 8 EMRK geschützt wird.

 

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte jedoch in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingreifen.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Die "Schutzwürdigkeit des Privatlebens" iSv Kontakten zu engen Bezugspersonen hängt von Anzahl, Intensität und spezifischen sozialen Verflechtungen ab (VfGH B 328/07 B 1150/07 JAP 2007/2008/20 (221)).

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 18.08.2019, Ra 2019/18/0212, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden (der bei einem – wie im vorliegenden Fall – siebenjährigen Aufenthalt jedoch noch deutlich unterschritten wird) ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden (vgl. VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0026, mwN).

 

Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielt in der Judikatur des VwGH jedoch nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden, kein massives strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist (vgl E 26. März 2015, 2013/22/0303).

 

In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stand die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich Aufhältige nie in Frage (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121 bzw. s.a. jüngst EGMR 02.06.2020, Azerkane gg. Niederlande, 3138/16).

 

Ein Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK kann bei der Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der festgestellten Lebensgemeinschaft angenommen werden. Dahingehend ist jedoch festzuhalten, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle spielt. Die Beschwerdeführerin reiste spätestens am XXXX 2019 nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Sie hält sich demnach über zwei Jahre in Österreich auf. Diesbezüglich hat der VwGH bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 18.08.2019, Ra 2019/18/0212, mwN).

 

Im Rahmen der Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in diesen Staat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 17.04.2020, Ra 2019/21/0188, mwN). Auf das Bestehen einer Kernfamilie im Heimatland kommt es nicht an, sondern lediglich auf "Bindungen zum Heimatstaat des Fremden" (vgl. VwGH 02.12.2019, Ra 2019/14/0408, mwN).

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Dazu ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und dass sie sich seit ihrer Asylantragstellung in Österreich aufhält. Somit ist der bisherige Aufenthalt der Beschwerdeführerin ausschließlich auf den Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch sie nie über ein Aufenthaltsrecht, abgesehen des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund ihres Antrags auf internationalen Schutz, verfügte.

 

Zur Integration der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass dahingehende Bemühungen im Laufe des Verfahrens weder behauptet wurden, noch hervorgekommen sind.

 

Der Vollständigkeit halber ist hierbei festzuhalten, dass etwaige Integrationsbestrebungen maßgeblich dadurch relativiert werden würden, wenn diese integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt werden, in dem sich der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin seines bzw. ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2020/19/0139, mwN; VwGH 15.04.2020, Ra 2020/20/0104, bei rund sechsjährigem Aufenthalt). Da der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz letztlich abgewiesen wurde, konnte sie spätestens ab diesem Zeitpunkt keinesfalls von einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen.

 

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin den Großteil ihres Lebens in China verbrachte und daher ihre grundsätzliche Sozialisierung im Herkunftsstaat erfahren sowie dort auch ihre Schulbildung erworben hat. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin in China problemlos wieder eingliedern wird können (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/18/0457, mwN, zur Wiedereingliederungsfähigkeit eines Fremden, der den Herkunftsstaat im Alter von fünfzehn verlassen hat). Es ist der Beschwerdeführerin zuzutrauen, dass sie sich in ihrem Herkunftsstaat, trotz möglicher Anfangsschwierigkeiten, eine Existenzgrundlage schaffen wird können, zumal sie bereits in China viele Jahre berufstätig war. Schließlich hat die Beschwerdeführerin Familienangehörige in ihrem Herkunftsstaat und spricht eine Landessprache auf muttersprachlichem Niveau. Insofern ist auch anzunehmen, dass sie mit den kulturellen Gepflogenheiten in China vertraut ist.

 

Insgesamt stehen den vorhandenen privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0139, mwN), gegenüber, sodass auch hinsichtlich des Privatlebens der Beschwerdeführerin die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, im vorliegenden Fall schwerer wiegen, als die Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher im Ergebnis davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist ebenfalls nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG liegen vor: Da der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen wird, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. war daher als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG (Spruchpunkt V.):

 

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

 

Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht nicht.

 

Die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China ist daher zulässig und die Beschwerde gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt VI.):

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Nach Abs. 2 beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da bei der Beschwerdeführerin keine besonderen Umstände hervorgekommen sind bzw. diese das Vorliegen solcher auch nicht behauptet hat, war die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festzusetzen.

 

Spruchteil B)

 

Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

 

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte