BVwG L512 2205676-1

BVwGL512 2205676-130.9.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2205676.1.00

 

Spruch:

 

L512 2205676-1/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Helmut BLUM LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran (kurz: Iran), stellte nach illegaler Einreise am 16.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 18.09.2017 zusammengefasst Folgendes vor:

Der BF sei verheiratet, sei Christ/Protestant und gehöre der Volksgruppe der XXXX an. Er habe acht Jahre lang die Grundschule im Iran besucht und habe zuletzt als XXXX gearbeitet.

Zum Fluchtgrund legte der BF dar, er sei vor circa XXXX zum Christentum konvertiert. Ein Freund von ihm namens XXXX , der gemeinsam mit ihm in der XXXX gewesen sei, habe ihn damals missioniert. Kurz vor seiner Ausreise, vor circa 25 Tagen, sei XXXX von dem iranischen Geheimdienst verhaftet worden. Ein paar Tage später, sei der BF ebenfalls verhaftet und fünf Stunden lang mit verbundenen Augen einvernommen worden. Gleich nach der Entlassung habe der BF beschlossen, den Iran zu verlassen.

Bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte der BF mit der Todesstrafe bestraft zu werden.

[Aktenseite (AS) 9 ff.].

 

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 07.08.2018 zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen Folgendes vor:

Circa fünf Monate vor seiner Ausreise habe er XXXX in einer XXXX kennengelernt. Binnen einem Monat habe er den BF zum Christentum eingeladen und sei der BF zu dieser Zeit für das Christentum sehr zugänglich gewesen. Dem BF und dessen Ehefrau sei nämlich von Ärzten mitgeteilt worden, dass sie keine Kinder bekommen können. Zuvor hätten sich der BF und seine Frau urlaubsbedingt im XXXX aufgehalten, wo sie mit einem armenischen Freund namens XXXX gesprochen hätten. Jener habe für ihren Kinderwunsch in armenischer Sprache zu dessen Gott gebetet und ihnen mitgeteilt, dass sie auch auf Farsi zu Jesus Christus beten könnten. Der BF und seine Frau seien nach drei oder vier Tagen wieder nach XXXX zurückgekehrt und habe der BF begonnen zu Jesus Christus zu beten. Dann sei das größte Wunder in seinem Leben passiert und sei seine Frau eineinhalb Monate später schwanger geworden. Sie hätten erfahren, dass sie einen Sohn bekommen würden. Dies sei ein Start in ein neues Leben gewesen. Danach sei die Geschichte mit XXXX passiert; Gott habe dem BF XXXX gebracht, mit welchem er sich angefreundet habe. XXXX habe den BF und seine Frau eines Abends zum Abendessen eingeladen. Bei XXXX zuhause habe der BF gemerkt, dass dieser auch Christ sei, weil dort ein Kreuz gehangen sei. Als der BF XXXX vom erfüllten Kinderwunsch erzählt habe, habe er den BF missioniert und habe der BF aus tiefem Inneren zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Ab diesem Zeitpunkt habe XXXX mit dem BF private Sitzungen in dessen Haus gehalten, wo sie sich Filme angesehen hätten und er dem BF ein Buch übergeben habe. Die Sitzungen hätten ein bis zwei Mal wöchentlich stattgefunden, insgesamt habe er an drei oder vier solcher Sitzungen teilgenommen. Später habe XXXX dem BF auch eine Hauskirche gezeigt. Die Sitzungen dort hätten ein bis zwei Mal wöchentlich stattgefunden, einmal wegen dem Bibelkurs, das andere Mal wegen dem Gottesdienst. Ein bis zwei Wochen vor und eine Woche nach der Geburt seines Sohnes habe der BF an keinen Sitzungen teilgenommen. Als er sich eine Woche nach der Geburt seines Sohnes zum XXXX begeben habe, um dort die Geburt seines Sohnes zu feiern, habe ihm ein Freund mitgeteilt, dass der Sicherheitsdienst den XXXX aufgesucht habe und XXXX Schrank durchsucht worden wäre sowie dessen Inhalt mitgenommen worden sei. Zwei, drei Tage später habe der BF beim XXXX trainiert. Als er das Vereinsgelände verlassen wollte, habe sich ein Auto quer vor sein Fahrzeug gestellt und ihn an der Wegfahrt gehindert. Zwei Beamte seien ausgestiegen und hätten den BF aufgefordert sie zu begleiten. Während der Fahrt seien die Augen des BF verbunden worden. Er sei in einen Raum verbracht worden, wo ihm Fragen über sein Verhältnis zu XXXX gestellt worden seien. Der BF habe zunächst geleugnet diesen zu kennen, woraufhin er geschlagen worden sei. In der fünfstündigen Einvernahme sei er jedoch nicht zur Hauskirche befragt worden. Sein Mobiltelefon sei jedoch einbehalten worden. Der BF habe sich dann zuhause mit seiner Ehefrau und seinem Bruder über den Vorfall unterhalten und sich aufgrund des Verschwindens seines anderen Bruders dazu entschlossen, den Iran zu verlassen (AS 53 ff.).

Weiters wurden dem BF Fragen zu Inhalten des christlichen Glaubens und dessen Lebenssituation in Österreich gestellt.

 

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 219 ff.).

 

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass der BF aufgrund widersprüchlicher und nicht nachvollziehbarer Angaben die dargelegten Ausreisegründe nicht glaubhaft darlegen hat können und die dargelegte Konversion nicht von einer inneren Überzeugung getragen sei.

 

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wegen inhaltlicher Fehler, Verfahrensmängeln und falscher rechtlicher Beurteilung innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben (AS 353 ff.).

 

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.

 

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich seiner Person Stellung zu nehmen. Als Zeugin wurde Frau XXXX , Mitglied der Gemeindeleiter der Kirchengemeinde und Seelsorgerin der Kirchenmitglieder, befragt.

Dem BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung wurden Länderfeststellungen zum Iran übermittelt, wobei von der rechtsfreundlichen Vertretung im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme dazu abgegeben wurde.

 

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Beim BF handelt es sich um einen iranischen Staatsbürger und einen Angehörigen der Volksgruppe der Azeri. Der BF stammt aus XXXX . Der BF verfügt über eine achtjährige Schulbildung im Iran sowie über eine Berufserfahrung als XXXX . Der BF leistete seinen Militärdienst ab.

 

Die Identität des BF steht fest.

 

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankung; er ist gesund.

 

Der BF ist ein arbeitsfähiger und arbeitswilliger Mensch.

 

Der BF ist verheiratet und hat einen minderjährigen Sohn. Die Ehefrau des BF und sein Sohn leben nach wie vor im Iran. Darüber hinaus sind die Mutter, ein Bruder und eine Schwester des BF weiterhin im Herkunftsstaat des BF aufhältig. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu sämtlichen genannten Familienangehörigen.

 

Der BF reiste illegal XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält sich der BF durchgehend im Bundesgebiet auf.

 

Der BF bezog vom XXXX bis XXXX verschiedenste Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.

 

Der BF war von XXXX bis XXXX beschränkt haftender Gesellschafter der XXXX .

Seit 10.02.2020 verfügt der BF über eine Gewerbeberechtigung für XXXX und ist seit diesem Tag als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger sozialversichert. Der BF hat sämtliche Beiträge an das Finanzamt und die Sozialversicherungsanstalt bezahlt.

 

Der BF besuchte in Österreich verschiedene Deutschqualifizierungsmaßnahmen, zuletzt auf dem Niveau B1.

 

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

Der BF wurde am XXXX getauft (OZ 71) und ist seither Mitglied der XXXX , welche Teil der Freikirchen in Österreich ist (OZ 7).

Der BF suchte die Gemeinde bereits kurz nach seiner Einreise in Österreich auf, nahm dort an einem sechsmonatigem Taufvorbereitungskurs sowie am Bibelunterricht teil und besucht nach wie vor regelmäßig den Gottesdienst.

 

Der BF ist im Gemeindeleben aktiv und hat als freiwilliger Mitarbeiter in dem XXXX mitgewirkt (OZ 7). Der BF ist außerhalb der Pandemiezeiten für den Kaffeedienst vor und nach den Gottesdiensten zuständig und organisiert diesbezüglich alles, wenn es beispielsweise Feste gibt.

 

In Österreich hält sich eine Schwester des BF welche über einen Aufenthaltstitel, Rot-Weiß-Rot-Karte plus verfügt, mit deren Tochter und Ehemann auf. Der BF lebt mit diesen nicht (mehr) in einem gemeinsamen Haushalt, wurde von diesen nach seiner Einreise jedoch finanziell unterstützt. Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis.

Der BF lebt allein in einer Mietwohnung, für die er circa XXXX EUR monatlich an Miete bezahlt.

 

Der BF verfügt über einen Freundes-/Bekanntenkreis in Österreich.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

COVID-19

Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist nun auch von einer dritten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot= kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko) (AA 1.12.2020). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen (WKO 28.11.2020). Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 1.12.2020). Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten (WKO 28.11.2020). Die Spitäler kämpfen mit Überlastung (WKO 28.11.2020; vgl. ZDF.de 18.10.2020). Für alle der 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend (WKO 28.11.2020).

Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 1.12.2020; vgl. AA 1.12.2020). Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht (AA 1.12.2020).

Seit 21. November 2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020), obwohl sich die iranische Regierung - aus Angst vor Protesten - lang gegen einen Lockdown gewehrt hat (DW 18.11.2020). Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020). Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr (AA 1.12.2020). Es kommt – abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen – ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 1.12.2020). Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 1.12.2020). Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt (DW 18.11.2020). In allen Schulen und Universitäten wird auf Fernunterricht umgestellt (WKO 28.11.2020; vgl. DW 18.11.2020).

Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 1.12.2020; vgl. WKO 28.11.2020). Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 1.12.2020).

Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 28.11.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2020, unverändert gültig seit 18.11.2020): Iran: Reiseund

Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/

de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 1.12.2020

• BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich]

(1.12.2020, unverändert gültig seit 20.11.2020): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.

gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 1.12.2020

• DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf,

https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 ,

Zugriff 1.12.2020

• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (28.11.2020): Coronavirus: Situation im Iran,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavi

rus--.html , Zugriff 1.12.2020

• ZDF.de (18.10.2020): Wie die zweite Welle den Iran trifft, https://www.zdf.de/nachrichten/panoram

a/coronavirus-iran-zweite-welle-100.html , Zugriff 1.12.2020

 

Politische Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insideroder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

• AA-Auswärtiges Amt (4.3.2020a): Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.d e/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 7.4.2020

• AA-Auswärtiges Amt (4.3.2020b): Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aus senpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 7.4.2020

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie

bungsrelevante_Lage_in_deMslamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 20.4.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• DW - Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran,

https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 7.4.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 7.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

 

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA4.5.2020b). Im iranischirakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.au swaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 4.5.2020

• EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/ir an/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 4.5.2020

 

Verbotene Organisationen

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018).

Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1 435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf, Zugriff 4.5.2020

• AI - Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International’s written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February -22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde 1398282019english.pdf , Zugriff 4.5.2020

• DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www. ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic -minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 4.5.2020

• DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

 

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (’Iranian Bar Association’; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die ’Sondergerichte für die Geistlichkeit’ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere ’Feindschaft zu Gott’ und ’Korruption auf Erde’;

-Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020).

Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes (’Diya’) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten - wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit - dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. ImAugust 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).

Quellen:

• AA-Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_14504 45204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevan te-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf , Zugriff

7.4.2020

• AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1 548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage- in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 7.4.2020

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World’s Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 7.4.2020

• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-pr oject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff

7.4.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

• HRC - UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff

8.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 7.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben - nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eineAtmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

• DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http: //www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff

7.4.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

• DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-conv erts.pdf , Zugriff 7.4.2020

• Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolution sgarden/, Zugriff 7.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

• Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-rev olutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html , Zugriff 7.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle" Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vgl. US DOS 11.3.2020).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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bungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 8.4.2020

• DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

• HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020

• HRC - UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff

8.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 8.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 8.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 8.4.2020

 

Korruption

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte „Bon- yads", leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes.

Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020, BTI 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020).

Auch in der Polizei, sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Menschen werden jedoch selten strafrechtlich verfolgt und wenn sie es werden, ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BTI 2020).

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2019 mit 26 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 146 von 180 untersuchten Ländern (TI 1.2020).

Zum Vergleich im Jahr davor, 2018, lag Iran mit 28 (von 100) Punkten auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2020b).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 9.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 9.4.2020

• Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2018 - Iran, https: //www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018 , Zugriff 9.4.2020

• Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2019 - Iran, https: //www.transparency.org/cpi2019 , Zugriff 9.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 9.4.2020

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

• Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

• Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

• Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

• Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

• UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

• Konvention über die Rechte behinderter Menschen

• UN-Apartheid-Konvention

• Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

• Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention

• Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

• Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).

Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der „schwersten Verbrechen“ entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weitverbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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bungsrelevante_LageJn_deMslamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 1.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Geschicjteund Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 14.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 14.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020

 

Meinungs- und Pressefreiheit

Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht 'schädlich’ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die 'Rechte der Öffentlichkeit’ sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020, AI 18.2.2020, US DOS 11.3.2020) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 11.3.2020). Der staatliche Rundfunk wird streng von Hardlinern kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 4.3.2020). Die iranischen Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 14.1.2020).

Die iranische Presselandschaft spiegelt eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien" des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System" bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). „Propaganda gegen den Staat" ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda" nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden - dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verhängt (ÖB Teheran 10.2019).

Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 4.3.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber-Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).

Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 11.3.2020).

Die 1997 unter Khatami gegründete „Association of Iranian Journalists“ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran - wie alle politischen Gefangenen - besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).

Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafes (obligatorische Personenidentifikation und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder ’islamfeindli- che’ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2019).

Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist ’regi- mefeindlicher Propaganda’ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als „Bürgerrecht“ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema „Cyberspace“ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App „Telegram“ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreichen Frauen, die „unsittliche“ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen (ÖB Teheran 10.2019). Die Messenger App Telegram hatte in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten (HRW 17.1.2019).

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 173 (2019: 170) von 180. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).

Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafes (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2019c).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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bungsrelevante_Lage_in_deMslamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 14.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https: //www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 14.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2002197.html , Zugriff 14.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 14.4.2020

• ROG - Reporter ohne Grenzen (2020): Rangliste zur Pressefreiheit 2020, https://www.re porter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2020/Ra ngliste_der_Pressefreiheit_2020_-_RSF.pdf, Zugriff 14.5.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020

 

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019).

Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser" gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 15.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 15.4.2020

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh" („Waffenaufnahme gegen Gott") und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020).

Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).

Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vgl. HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen" oder die „nationale Sicherheit" betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten" gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste". Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (10.4.2019): Todesurteile und Hinrichtungen 2018, https://ww w.amnesty.at/media/5416/act50-9870-2019_uebersetzung_at.pdf, Zugriff 15.4.2020

• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020

• HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 15.4.2020

• HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (28.1.2020): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 15.4.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 15.4.2020

 

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFAAnalyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen -werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Baha‘f, konvertierte evangeli- kale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten-werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFAAnalyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäi- sche und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran" waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott", 34 wegen 'Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini' und 20 wegen „Korruption auf Erden" (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen 'Apostasie' (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• BFAAnalyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/ file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018- 05-03-ke.pdf, Zugriff 17.4.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 17.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 17.4.2020

• US DOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 17.4.2020

 

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusver- bot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 - Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• BFAAnalyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/ file/local/1431384/5818_1525418941Jran-analyse-situation-armenischer-christen-2018- 05-03-ke.pdf, Zugriff 20.4.2020

• DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-conv erts.pdf , Zugriff 20.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

• Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoor s.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020

• US DOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020

 

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" („Verdorbenheit auf Erden"), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb" (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit", „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit 'Konversion’ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese 'Konversion’ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nichtislamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Marktwaren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/459 8_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante -lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-conv erts.pdf , Zugriff 20.4.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 20.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

• Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoor s.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020

• US DOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020

 

 

Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen , Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2019c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden „separatistische Strömungen“ unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 18.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• BMI - Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics, http://www.ecoi.net /file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf, Zugriff 4.6.2019

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https: //www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 22.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 22.4.2020

 

 

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020).

Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie bungsrelevante_Lage_in_deMslamischen_RepublikJran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 24.4.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020

• US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 23.4.2020

 

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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• BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, htt- ps://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 24.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 24.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 24.4.2020

 

Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA26.2.2020).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen,

Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vomArbeitgeber und privatenAnbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alleAngestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe", die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie

bungsrelevante_LageJn_deMslamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 28.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 28.4.2020

• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https: //milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran _%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2 , Zugriff 28.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 28.4.2020

 

Medizinische Versorgung

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. IOM 2019). Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren.

Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khora- san, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedecktzu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private

Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).

Quellen:

• AA-Auswärtiges Amt (29.4.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https: //www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396#c ontent_5 , Zugriff 29.4.2020

• GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https: //www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 29.4.2020

• IOM - International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https: //milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran _%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2 , Zugriff 29.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 29.4.2020

 

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weitverbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie

bungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 29.4.2020

• DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https: //www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-conceming-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 29.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 29.4.2020

 

Dokumente

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2019).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie bungsrelevante_LageJn_deMslamischen_RepublikJran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 28.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 28.4.2020

 

 

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Heimatstaat aufgrund einer Freundschaft zu einem Christen bzw. seines eigenen Interesses am Christentum seitens staatlicher Organe Verfolgungshandlungen ausgesetzt war bzw. sein wird. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF tatsächlich überzeugter Christ geworden ist.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse des BF im Iran) ergeben sich aus in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben des BF sowie aus seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

 

Aufgrund der Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumentes konnte die Identität des BF festgestellt werden (iranische Geburtsurkunde, iranische Nationalkarte, iranische Militärkarte). An dieser Stelle ist anzumerken, dass der BF im Rahmen der Erstbefragung nicht seinen vollständigen Familiennamen anführte, sondern lediglich angab, XXXX zu heißen. Auch bezüglich seiner Volksgruppenzugehörigkeit machte der BF falschen Angaben und behauptete den XXXX anzugehören.Im Rahmen der behördlichen Einvernahme versuchte der BF dies auf Fehlprotokollierungen zurückzuführen und meinte weiters, dass es nicht zu einer Rückübersetzung gekommen sei und dem BF erst nach eigenständigem Lesen der Niederschrift aufgefallen sei, dass sein Name unvollständig protokolliert worden sei. Er sei danach sofort zurückgeeilt und habe den Dolmetscher angetroffen, der ihm aber gesagt habe, dass dies kein Problem sei (AS 50).

Dass diese Angaben jedoch nicht mit dem Erstbefragungsprotokoll in Einklang zu bringen sind, in dem eindeutig vermerkt wurde, dass es zu einer Rückübersetzung gekommen ist und welches vom BF auch unterschrieben wurde, wurde dem BF bereits vom Einvernahmeleiter des BFA mitgeteilt. Daraufhin änderte der BF sein diesbezügliches Vorbringen und gab zwar zu, dass es zu einer zumindest teilweisen Rückübersetzung gekommen sei, meinte jedoch unter Stress gestanden bzw. aufgeregt gewesen zu sein. Zwar wird von Seiten der erkennenden Richterin zugestanden, dass bei der Erstbefragung beim BF unter Umständen eine gewisse Aufregung bzw. Stress vorhanden war, dies vermag aber nicht zu erklären, weshalb der BF seinen Familiennamen und seine Volksgruppe und somit persönliche Daten, die ihm sein Leben lang bekannt waren, falsch angibt. Vom BF, der über eine achtjährige Schulbildung verfügt, müsste erwartet werden können, dass er seine persönlichen Daten jederzeit korrekt wiedergeben kann.

Diese widersprüchlichen Angaben des BF im Zusammenhang mit seinem Familiennamen erwecken den Eindruck, dass der BF die österreichischen Behörden über seine wahre Identität täuschen wollte und sind deswegen dazu geeignet erste Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF aufzuwerfen.

 

Die Eheschließung des BF ist der vorgelegten iranischen Geburtsurkunde zu entnehmen. Ebenso ist darin der Sohn des BF vermerkt (AS 65).

 

Dass der BF gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig ist, entspricht seinen dahingehend gleichlautenden Angaben sowie dem Umstand, dass der BF in Österreich als selbstständig Erwerbstätiger im XXXX tätig ist. Es liegen keine Hinweise vor, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat nicht in der Lage wäre seinen Unterhalt durch berufliche Tätigkeiten, wenn auch anfänglich durch Gelegenheitsjobs, zu bestreiten.

 

Die illegale Einreise in Österreich sowie die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet ergeben sich aus den Unterlagen zu seiner Asylantragstellung, einer Abfrage beim Zentralen Melderegister (ZMR) und den damit übereinstimmenden Angaben des BF.

 

Der kurzzeitige Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber ergibt sich aus der Einsicht in das Betreuungsinformationssystem.

 

Dass der BF von XXXX bis XXXX beschränkt haftender Gesellschafter der XXXX war, ist einem aktuellen Firmenbuchauszug zu entnehmen (OZ 16).

 

Die Feststellung, wonach der BF selbstständig erwerbstätig ist, über eine Gewerbeberechtigung für XXXX verfügt und sämtliche Beiträge an die Sozialversicherungsanstalt sowie an das Finanzamt bezahlt hat, konnte anhand eines vorgelegten GISA-Auszuges, eines SVS-Auszugs, der vorgelegten Buchungsmitteilung des Finanzamts und der vorgelegten Überweisungen an die SVS sowie den Angaben des BF getroffen werden (OZ 9, 13, 16, VHS 24).

 

Der Besuch von verschiedenen Deutschqualifizierungsmaßnahmen ist den vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen zu entnehmen (OZ 13).

 

Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, geht aus dem Strafregister der Republik Österreich hervor.

 

Die Taufe des BF sowie dessen Mitgliedschaft bei der XXXX ergibt sich aus der vom BF vorgelegten Taufurkunde (AS 71) und einem Bestätigungsschreiben der XXXX vom 15. Juli 2019 (OZ 7). Die Teilnahme des BF an Gottesdiensten, Glaubenskursen, insbesondere Taufunterricht sowie am Gemeindeleben (freiwillige Mithilfe am XXXX ) ergibt sich ebenfalls aus dem vorgelegten Schreiben der Kirchengemeinde sowie den Angaben des BF.

Dass der BF in der Gemeinde für den Kaffeedienst zuständig ist konnte anhand übereinstimmender Angaben des BF und der einvernommenen Zeugin festgestellt werden.

 

Dass in Österreich die Schwester des BF mit ihrer Familie lebt, er mit diesen jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Integrierte Zentrale Fremdenregister, das Zentrale Melderegister und den damit übereinstimmenden Angaben des BF. Ein Abhängigkeitsverhältnis zur Schwester des BF wurde von diesem verneint und konnte auch aufgrund der sonstigen Angaben des BF, wonach der BF gesund, arbeitsfähig und erwerbstätig sei, ausgeschlossen werden.

Dass der BF allein in einer Mietwohnung lebt konnte anhand des vorgelegten Mietvertrages und der unwiderlegten Angaben des BF festgestellt werden.

 

Dass der BF in Österreich über einen Freundes-bzw. Bekanntenkreis verfügt, ergibt sich aus den von der rechtsfreundlichen Vertretung des BF eingebrachten (OZ 13) bzw. vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Empfehlungs-/Unterstützungsschreiben.

 

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

 

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen.

 

Anzumerken ist in diesem Kontext zweifelslos, dass aus der Berichtslage ableitbar ist, dass es im Iran nur eine in eingeschränktem Maße bestehende Religions- und Glaubensfreiheit gibt. So ist bspw. Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein.

 

Vollständigkeitshalber wird noch darauf hingewiesen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des BF in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie dem Iran mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

 

II.2.4. Das Vorbringen des BF, er würde im Iran aufgrund seiner Freundschaft zu einem Christen bzw. seines eigenen Interesses am Christentum bzw. aufgrund der Konversion zum Christentum von staatlichen Stellen verfolgt werden, wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.

 

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist ( vgl. die Erkenntnisse vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, und vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084). Ähnlich fordert auch der Verfassungsgerichtshof, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).

 

II.2.4.1. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass es der BF nicht vermochte, sein Fluchtvorbringen glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen.

 

Als Grund für die Ausreise aus dem Iran brachte der BF zusammengefasst vor, sich aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches bereits im Iran dem Christentum zugewandt zu haben. Ein Freund namens XXXX habe ihn dazu gebracht, zu Jesus Christus zu beten und von einem weiteren Freund namens XXXX , welchen er in einem XXXX kennengelernt habe, sei er missioniert worden. Er habe mit XXXX in der Folge auch an christlichen Sitzungen und Hauskirchentreffen teilgenommen. Später sei der XXXX vom Sicherheitsdienst aufgesucht worden und XXXX Schrank durchsucht und dessen Inhalt mitgenommen worden. XXXX sei festgenommen worden und auch der BF sei für fünf Stunden festgehalten und mit verbundenen Augen einvernommen und geschlagen worden. Der BF habe sich daraufhin sieben Tage in einer Obstplantage in XXXX und fünf Tage in XXXX versteckt. Währenddessen sei die Wohnung der Mutter des BF vom Sicherheitsdienst gestürmt und nach dem BF gesucht worden.

 

Dieses Vorbringen kann jedoch aufgrund von Widersprüchen, Unschlüssigkeiten und der Zweifelhaftigkeit der lediglich vagen Angaben des BF nicht als glaubwürdig erachtet werden.

 

Zu Beginn ist anzumerken, dass schon die Behauptung des BF, dass er und seine Frau keine Kinder bekommen könnten, als unglaubwürdig qualifiziert wird. Abgesehen davon, dass der BF keine Unterlagen vorlegen konnte, die seine Aussagen bestätigen würden, waren die Angaben des BF diesbezüglich dermaßen vage und unkonkret, dass auch nicht davon ausgegangen wird, dass sie der Wahrheit entsprechen. Insbesondere vermochte es der BF nicht anzugeben, wer und wie konkret festgestellt habe, dass er und seine Frau keine Kinder bekommen könnten, sondern meinte dazu befragt bloß: „Der Arzt.“ (VHS 11). Details zu diesem Arzt, wie dessen Namen, Fachgebiet etc. gab der BF nicht preis und erklärte auch nicht näher, wie dieser zu seinen Feststellungen gelangt sei und ob er dafür den BF und oder dessen Frau untersucht habe. Der BF gab auch nicht bekannt, ob er selbst oder seine Frau aufgrund einer bestimmten Erkrankung nicht in der Lage waren, Kinder zu bekommen, obwohl es sich dabei um relevante Aspekte handelt, die für eine glaubwürdige Schilderung notwendig wären. Auch hinsichtlich des Zeitpunktes dieser ärztlichen Feststellung vermochte es der BF lediglich eine Jahreszahl zu nennen, was angesichts deren Tragweite für das weitere Leben des BF nicht nachvollziehbar erscheint.

 

Abgesehen davon, dass der Grund für den Glauben des BF an das Christentum an sich nicht glaubhaft ist, weist er aber auch keinerlei Bezug zu Inhalten des christlichen Glaubens auf. Der BF begründet seine Hinwendung zum Christentum zusammengefasst mit einem „Wunder“, nämlich der Geburt seines Sohnes, zu der es gekommen sei, nachdem ein Freund bzw. der BF selbst zu Jesus Christus gebetet habe.

Genauer befragt wie der BF „gebetet“ habe, gab er an, dass ihm XXXX gesagt habe, dass er nicht ein bestimmtes Gebet aufsagen müsse, sondern er mit einfachen Worten zu Jesus Christus beten und einen Wunsch äußern könne (VHS 16).

Dem bloßen Wunsch des BF an irgendeine Religion bzw. irgendeinen Gott ein Kind bekommen zu können, ist jedoch keine nähere Auseinandersetzung mit Christentum, dessen Inhalten und Glaubenssätzen zu entnehmen und kann allein deshalb nicht von einem tatsächlichen, tiefergehenden Interesse gesprochen werden, weshalb es nur sehr schwer nachvollziehbar ist, dass sich der BF, ohne nur irgendein Wissen über das Christentum gehabt zu haben, für eine Abwendung von einer ihm bekannten Religion und Hinwendung zu einer neuen, im Heimatstaat verbotenen Glaubensrichtung entscheidet.

 

In diesem Zusammenhang ist ferner anzuführen, dass der BF und dessen gesamte Familie laut eigenen Angaben auch zwei Jahre lang zum islamischen Gott gebetet und den Prophet Mohammed hinsichtlich des Kinderwunsches angefleht haben (VHS 12,13). Woher somit die Überzeugung des BF stamme, dass der christliche und nicht der moslemische Glaube Grund für die Erfüllung des Kinderwunsches gewesen sei, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht und konnte auch vom BF nicht plausibel erklärt werden. Dass jemand, der im Islam verwurzelt ist und den Glauben auch zumindest teilweise auslebte, sich, ohne auch nur das Geringste über das Christentum zu wissen, sicher sei nur vom Christentum Hilfe bekommen zu haben, ist in keinster Weise lebensnah. Es entsteht hier vielmehr der Eindruck, der BF versuche zwanghaft eine persönliche Begründung für seine Hinwendung zum Christentum zu konstruieren, die in Wirklichkeit jedoch nicht gegeben ist.

 

Darüber hinaus fällt auf, dass der BF seinen ersten Kontakt zum Christentum vor dem BFA und dem erkennenden Gericht unterschiedlich schilderte, was angesichts dessen, dass es sich dabei wohl um ein äußerst einschneidendes Erlebnis im Leben eines Konvertiten handelt, ebenfalls erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF aufkommen lässt.

 

So erklärte der BF vor dem BFA, dass er bevor er XXXX kennengelernt habe, mit seiner Frau im Norden des Irans gewesen sei und dort mit einem armenischen Freund namens XXXX über den unerfüllten Kinderwunsch des BF und seiner Frau gesprochen habe. Jener habe daraufhin in armenischer Sprache zu dessen Gott gebetet und dem BF und seiner Frau mitgeteilt, dass auch diese auf Farsi zu Jesus Christus beten können. Nach drei bis vier Tagen seien der BF und seine Frau nach XXXX zurückgekehrt und habe der BF angefangen zu Jesus Christus zu beten. Eineinhalb Monate später sei das größte Wunder im Leben des BF passiert und seine Frau sei schwanger geworden. Erst danach habe der BF XXXX kennengelernt, sich mit diesem angefreundet und sei von diesem „missioniert“ worden (AS 54).

 

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erwähnte der BF XXXX von selbst hingegen nicht mehr, sondern führte – befragt wie es dazu gekommen sei, dass XXXX dem BF vom Christentum erzählt habe – aus, dass der BF mehrmals bei diesem zu Hause gewesen sei. Beim ersten Mal sei ihm bereits ein Kreuz aufgefallen, erst beim zweiten Mal habe er aber nachgefragt. Der BF habe gemerkt, dass ihm XXXX keine richtige Antwort geben wollte und habe ihm daraufhin erzählt, dass er und seine Frau keine Kinder bekommen könnten. Dies sei der Moment gewesen, als XXXX ihm vorgeschlagen habe die Bibel zu lesen. Dabei habe es sich um die erste Begegnung mit dem Christentum gehandelt (VHS 11,12).

 

Während der BF somit im Rahmen der behördlichen Einvernahme meinte, dass er zuerst von XXXX über das Christentum erfahren habe, nannte er diesen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung von selbst nicht, sondern gab widersprüchlich an, dass der erste Kontakt zum Christentum durch XXXX stattgefunden habe. Dieser Widerspruch im Vorbringen des BF ist angesichts der Tatsache, dass diese Person eine große Bedeutung für das weitere Leben des BF hatte, jedoch in keiner Weise nachvollziehbar und müsste dem BF zumindest noch in Erinnerung sein, ob er vor seinen Gesprächen über das Christentum mit XXXX bereits selbst zu Jesus Christus gebetet habe.

 

Der BF wurde im Laufe der Beschwerdeverhandlung daraufhin konkret zu XXXX und zur Reise in den Norden des Irans befragt und gab der BF an, mit seiner Ehefrau und einem weiteren Ehepaar – deren Namen er nicht nannte – im Norden Urlaub gemacht zu haben. Dort hätten sie XXXX kennengelernt, der ein Freund des Ehepaars gewesen sei. Nähere Angaben zu XXXX und dem gegenseitigen Kennenlernen konnte der BF jedoch auch auf konkrete Nachfrage hin nicht machen, sondern wiederholte nur mehrmals, dass dieser ein Freund des Ehepaares gewesen sei und aus Armenien stamme (VHS 15,16).

Auch das Unvermögen des BF jegliche Informationen über XXXX (zB Familienname, Familienstand, Wohnort, Aufenthalt im Iran, Beruf etc.) und das erste Treffen mit diesem zu geben sowie das Nichterwähnen sonstiger Details zu diesem Urlaubsaufenthalt und den Gesprächen über das Christentum, lassen nicht den Rückschluss darauf zu, dass die vom BF geschilderten Ereignisse tatsächlich stattgefunden haben, wäre er ansonsten in der Lage dazu umfassendere Angaben zu machen und konkrete, einfache Fragen zu persönlichen Erlebnissen zu beantworten.

Nur der Vollständigkeit halber darf hier angemerkt werden, dass der BF vor dem BFA kein weiteres Ehepaar, mit dem sie auf Urlaub gewesen wären, nannte, sondern bloß davon sprach sich im Urlaub mit einem armenischen Freund namens XXXX unterhalten zu haben, womit er nicht den Eindruck vermittelte, diesen gerade erst kennengelernt zu haben. Auch diese Ungereimtheit verstärkt somit die Ansicht des erkennenden Gerichts, dass es nicht zu dem Gespräch mit XXXX , welches den BF zum Beten an Jesus Christus veranlasst habe, gekommen ist.

 

Neben den bloß vagen, kurz gehaltenen und widersprüchlichen Angaben des BF, die bereits deutlich gegen die Glaubwürdigkeit des geschilderten Erlebnisses sprechen, ist das Vorbringen des BF bezüglich XXXX aber auch sonst nicht nachvollziehbar. Einerseits ist es nur schwer vorstellbar, dass der BF und dessen Ehefrau einer fremden Person, über welche sie nichts gewusst haben und mit welcher sie lediglich drei bis vier Tage im Urlaub verbracht haben, sogleich von ihren Problemen aufgrund ihres unerfüllten Kinderwunsches erzählen. Andererseits und umgekehrt ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass XXXX fremden Personen vorschlägt zu Jesus Christus zu beten und diese das auch sofort tun. Der BF brachte in seiner Schilderung keinerlei Emotionen wie Verzweiflung oder Hoffnung zum Ausdruck, die ihn dazu gebracht hätten etwas Neues zu probieren und konnte diesen Entschluss zu Jesus zu beten auch sonst nicht plausibel erklären. Dass der BF in einer misslichen Lage auf Vorschlag einer fremden Person ein „Gebet“ einer ihm völlig unbekannten Religion zu einem ihm fremden Gott sprechen sollte, kann daher nur sehr schwer nachvollzogen werden.

 

Sämtliche Angaben des BF in Zusammenhang mit XXXX und den (un-)erfüllten Kinderwunsch, welche den BF für das Christentum empfänglich gemacht haben, werden daher als nicht glaubhaft erachtet und stellt dies bereits ein deutliches Indiz dar, dass auch die weiteren Ausführungen des BF, insbesondere zu XXXX und zur Festnahme des BF, nicht der Wahrheit entsprechen.

 

Abgesehen davon, dass der BF – wie bereits erwähnt – unterschiedliche Angaben zur Person tätigte, die ihm erstmals vom Christentum erzählt habe, stimmen auch die Aussagen des BF bezüglich jenes Gespräches zwischen ihm und XXXX , welches in weiterer Folge zur Unterhaltung über das Christentum geführt habe, nicht überein. Gab der BF vor dem BFA nämlich noch an, dass er XXXX beim Abendessen über das „freudige Ereignis betreffend den erfüllten Kinderwunsch“ erzählte, bevor er von diesem „missioniert“ worden sei (AS 54), meinte er vor dem BVwG, dass er ihm darüber berichtet habe, dass er und seine Frau keine Kinder bekommen könnten (VHS 12). Der BF ordnete das erste Gespräch über das Christentum mit XXXX somit einerseits vor der Schwangerschaft seiner Frau, andererseits nach deren Schwangerschaft ein, was in Anbetracht der Bedeutung dieser Ereignisse im Leben des BF keineswegs nachvollziehbar erscheint und die Behauptung des BF, dass es durch die Gebete XXXX bzw. des BF zur Erfüllung des Kinderwunsches gekommen sei abermals widerlegt.

 

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der BF vor dem BFA meinte, dass der Abend, an welchem ihm das Kreuz in der Wohnung von XXXX aufgefallen sei, derselbe gewesen sei, an dem sie sich über das Christentum unterhalten hätten, vor dem erkennenden Gericht jedoch angab, erst beim nächsten Besuch bezüglich des Kreuzes gefragt zu haben. Auch diese Diskrepanz in den Angaben des BF ist geeignet Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens aufzuwerfen, müsste dem BF insbesondere in Erinnerung sein, ob er allein oder gemeinsam mit seiner Frau bei XXXX gewesen sei, als es zum ersten Gespräch über das Christentum gekommen sei. (Vgl. AS 54: BF spricht davon gemeinsam mit seiner Frau zum Abendessen geladen worden zu sein und sei es dort zum Gespräch gekommen, VHS 11: BF spricht beim Abendessen von „wir“, beim zweiten Besuch von „ich“).

 

Im Hinblick auf XXXX ist weiters anzumerken, dass der BF zu ihm und seinem Kennenlernen, trotz konkreter Nachfrage, ebenfalls nur sehr kurze und äußerst vage Antworten gab (Vgl. VHS 11: RI: „Wie haben Sie Herrn XXXX kennengelernt?“ P: „In demselben Verein.“ RI: „Schildern Sie von sich aus konkret, wann, wie und wo Sie diesen Herrn kennengelernt haben!“ P: „Ich habe viel Mal in der Woche trainiert. Ich war das vierte oder fünfte Jahr in diesem Verein, als ich XXXX kennenlernte. Es war sein erstes Jahr. So haben wir uns kennengelernt.“). Diese Aussagen stehen ferner zu jenen in der Einvernahme vor dem BFA im Widerspruch. Während der BF nämlich vor dem BFA meinte XXXX circa fünf Monate vor seiner Ausreise und somit ungefähr im XXXX kennengelernt und binnen eines Monats besucht zu haben, erklärte er dem erkennenden Gericht, bereits im XXXX und somit mehr als XXXX zuvor, eng mit XXXX befreundet gewesen zu sein und ihn circa zwei Monate später ( XXXX ) erstmals besucht zu haben (VHS 12).

Auch wenn nicht erwartet werden kann, dass der BF das genau Datum des Kennenlernens bzw. ersten Besuchs nennen kann, müsste er dennoch in der Lage sein, gleichbleibende Angaben zu machen und müsste ihm insbesondere in Erinnerung sein, ob seine Frau zu diesem Zeitpunkt eher am Beginn oder Ende der Schwangerschaft gewesen sei bzw. noch gar nicht schwanger gewesen sei und ob ein Jahr oder nur wenige Monate zwischen dem Kennenlernen und der Ausreise lagen. Das Unvermögen des BF die genannten Erlebnisse zeitlich gleichbleibend einzuordnen sowie das generelle Aussageverhalten des BF (sehr kurze, ausweichende bzw. detailarme Antworten, kein eigenständiges Erzählen) sprechen ebenfalls ganz eindeutig gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des BF, aufgrund seiner Freundschaft zu XXXX sowie seiner Hinwendung zum Christentum (Teilnahme an Hauskirchentreffen) im Heimatstaat Verfolgung ausgesetzt zu sein.

 

Der BF wurde im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgefordert, alles anzugeben, was passiert sei, als er die Hauskirchentreffen besucht habe und gab dazu an: „Wir haben gebetet, christliche Musik wurde gespielt. Vom Buch wurde gelesen. Manchmal haben sie eine Stelle vom Buch gelesen. Dazu haben sie etwas erzählt, was es bedeutet. Manchmal haben wir über dasselbe Thema gesprochen, vom Buch gesprochen. Wenn wir Fragen gehabt haben, haben wir diese gestellt. Gebetet haben wir. Wir haben gemeinsam gegessen und etwas getrunken. Das war so.“ (VHS 15).

Dass der BF tatsächlich an Hauskirchentreffen teilgenommen hat, lässt sich aus dem soeben zitierten substanzlosen Vorbringen, welches sich darauf reduziert, dass die Bibel gelesen und über christliche Inhalte gesprochen sowie gebetet worden sei, nicht ableiten, da dies auch von jeder Person angegeben werden könnte, die nicht an Hauskirchen teilgenommen hat, handelt es sich bei den vom BF gemachten Angaben, doch um Inhalte, die naturgemäß einer christlichen Hauskirche zuzuordnen sind und lassen diese jedoch keinerlei Rückschlüsse auf persönliche, individuelle Eindrücke und Erlebnisse des BF zu. Gerade von einer Person, welche sich einem neuen Glauben zugewendet hat und welche die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnimmt, an einer Hauskirche teilzunehmen, müssen solche Erlebnisse doch mit zahlreichen Emotionen verknüpft und von äußerster Einprägsamkeit sein, weshalb bei tatsächlicher Teilnahme umfassendere und detaillierte Angaben erwartet werden können.

 

Der BF behauptete vor dem BFA schließlich, dass er von Beamten festgenommen, mit verbundenen Augen in einen Raum verbracht und fünf Stunden lang verhört worden sei. Es seien ihm Fragen zu seinem Verhältnis zu XXXX gestellt worden und sei der BF auch geschlagen worden. Zur Hauskirche sei er nicht befragt worden. Nähere Angaben zu diesem, wohl dramatischen Vorfall, der den BF dazu bewegte, seine Heimat und Familie zu verlassen machte der BF nicht (AS 54, 55).

 

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei tatsächlicher Existenz des seitens der BF behaupteten Vorfalles es dem BF jedoch ein Anliegen gewesen wäre, diesen von sich aus näher darzulegen. Gerade freie, emotionale Erzählungen unter Nennung zahlreicher Details auch als sog. „Realkennzeichen“ bezeichnet stellen wesentliche Kennzeichen einer glaubwürdigen Darlegung von Geschehnissen dar.

 

Bei Durchsicht der Einvernahme fällt jedoch immer wieder auf, dass der BF nicht in der Lage war, seine Ausreisegründe unter Nennung von Details und Gefühlslagen darzulegen. Eine solche Art der Darlegung der Ausreisegründe lässt – wie bereits erwähnt – erhebliche Zweifel daran entstehen, dass der BF die geschilderten Geschehnisse persönlich erlebt hat und wird dadurch der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF weiter untermauert.

 

Von der erkennenden Richterin näher befragt, was konkret vorgefallen sei, als er von den Beamten einvernommen worden sei, führte der BF aus: „Am Anfang haben sie mich über unsere Beziehung befragt, wie ich zu Herrn XXXX stehe. Ob wir eine Familie sind, oder Bekannte, oder Freunde. Natürlich war ich am Anfang nervös, schockiert. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Aber danach habe ich die Wahrheit erzählt, dass wir Freunde sind und gemeinsam in dem XXXX trainieren. Sie haben mir ein paar Fotos gezeigt. Da war zu erkennen, dass XXXX und ich beim XXXX waren, im Schwimmbad oder vor der Haustür. Da habe ich natürlich bestätigt, dass wir Freunde sind. Ich habe auch bestätigt, dass sie nachfragen können, dass jeder weiß, dass wir Freunde sind.“ (VHS 13).

 

In Anbetracht der Tatsache, dass die Einvernahme laut Angaben des BF fünf Stunden gedauert habe, ist schwer vorstellbar, dass es dabei nur um das Verhältnis zwischen dem BF und XXXX gegangen sei und verwundert es, dass der BF lediglich derartig kurze, detailarme Angaben machen konnte, die überdies als abstrakt und emotional distanziert zu werten sind.

 

Wenn der BF überdies im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals angibt, dass er auch über das Christentum befragt worden sei und ihm insbesondere eine Tonaufnahme vorgespielt worden sei, welche zeige, dass der BF mit XXXX über das Christentum gesprochen habe (VHS 14), ist festzuhalten, dass es sich dabei um eine Vorbringenssteigerung handelt. Der BF behauptete bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass iranische Behörden von seiner Hinwendung zum Christentum wissen würden, verneinte ausdrücklich eine Befragung über Hauskirchen und nannte sein christliches Interesse auch nicht als Grund für die Hausdurchsuchung bzw. die polizeiliche Suche nach ihm, sondern gab an, den konkreten Grund nicht zu wissen. (vgl. AS 55, 58: F: Kommen wir nochmals auf den Iran zurück. Wer weiß im Iran über Ihren Glauben Bescheid? A: Mein Bruder und meine Ehefrau, vermutlich auch meine Mutter und meine Schwester. AS 59: F: Die Beamten hätten laut Ihren Angaben einen Durchsuchungsbefehl vorgewiesen. Welche Begründung fand sich nun in jenem? Aus welchem konkreten Grund wurden Sie gesucht? A: Das weiß ich nicht, meine Mutter ist Analphabetin.)

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Vorbringen insbesondere auch dann nicht als glaubhaft anzusehen ist, wenn dieses im Laufe des Instanzenzuges gesteigert wird. (VwGH v. 7.12.1988, 88/01/0276,0284, VwGH v. 2.2.1994, 93/01/1035 auch VwGH vom 10.10.1996, ZI 96/20/0361; vgl. auch VwGH vom 17.6.1993, ZI 92/01/0776, vom 30.6.1994, ZI 93/01/1138, oder vom 19.5.1994, ZI 94/19/0049).

 

Was die vom BF behauptete Stürmung der Wohnung seiner Mutter, die polizeilichen Suche nach ihm und das Versteckthalten in einer Obstplantage in XXXX bzw. XXXX betrifft, ist anzuführen, dass es sich auch hierbei um unglaubwürdige Vorbringenssteigerungen handelt, hat der BF diese Vorfälle weder in der Erstbefragung noch im Rahmen der freien Schilderung seiner Fluchtgeschichte vor dem BFA erwähnt, sondern erst am Ende der behördlichen Einvernahme „nachgeschoben“, um seine persönliche Bedrohungssituation zu untermauern. Insbesondere ist hervorzuheben, dass der BF vor dem BFA auch ausdrücklich angab, sich bis zum Tag seiner Ausreise an seiner Wohnadresse aufgehalten zu haben (AS 53) und er weder vor dem BFA noch im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung nähere Angaben zu dieser Zeit des Versteckthaltens machte, weswegen erneut nicht davon auszugehen ist, dass die Angaben des BF der Wahrheit entsprechen.

 

Weiters ist anzuführen, dass der BF auch kaum Angaben zum weiteren Verbleib von XXXX tätigte und auch nicht angeben konnte, wann er zuletzt von diesem gehört oder diesen gesehen habe (VHS 12: während der Schwangerschaft oder zur Geburt). Vor allem brachte der BF in seinen Aussagen auch keinerlei Emotionen zum Ausdruck, obwohl davon auszugehen wäre, dass diesen nach wie vor Gefühle des Kummers und des Leids sowie Sorgen oder ein schlechtes Gewissen plagen, da ihm die Flucht gelungen sei, sein guter Freund jedoch gefangen genommen und sein Zustand unbekannt sei. Die emotional distanzierten Angaben des BF sind ebenfalls geeignet, gravierende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF aufzuwerfen.

Zu guter Letzt ist darauf hinzuweisen, dass der BF vor dem erkennenden Gericht selbst angab, dass sich an seinem Fluchtgrund nichts geändert habe. Auch befragt, was ihm seine Familienangehörigen erzählen würden, führte der BF aus, dass diese nur über normale Sachen reden würden (VHS 6).

Von konkreten Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere von irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei seiner Familie hat der BF danach keine Kenntnis. Der BF hat nicht von sich aus von weiteren, insbesondere auch aktuellen Verfolgungsmaßnahmen berichtet, geschweige denn von konkreten schriftlichen Dokumenten, die er auch dem Gericht hätte vorlegen können. Allein auf konkrete Nachfrage seines Rechtsvertreters, ob ihm seine Familienangehörigen von einer weiteren Suche nach ihm berichten würde, bejahte der BF und gab an, nach der Einvernahme beim BFA drei Ladungen bekommen zu haben, dass er sich bei der Polizei melden solle. Diese Ladungen habe die Mutter des BF bekommen, vorgelegt wurden sie jedoch nicht (VHS 23). Diese Suggestivfrage des Vertreters, ist daher nicht geeignet, das Gericht von konkreten Verfolgungshandlungen iranischer Behörden zu überzeugen, sondern handelt es sich dabei um einen – nach Ansicht des Gerichts vergeblichen – Versuch, den BF zu einem bestimmten Vorbringen anzuleiten und eine bestehende Gefahrensituation für den BF darzustellen.

Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der BF nicht aus eigenem Antrieb weitere konkretere Erkundigungen eingeholt hat, die auf eine bestehende Verfolgungsgefahr für ihn hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird – und damit sein Asylbegehren begründet – wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den österreichischen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung hat der BF jedoch nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass gegen den BF überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.

 

Zusammenfassend ist das Gericht nach dem Gesamtbild, wie es sich aufgrund der Angaben des BF im behördlichen Verfahren und im Gerichtsverfahren unter Einbeziehung der vorgelegten bzw. sonst zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen darstellt, gerade auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht davon überzeugt, dass dem BF eine Verfolgung aufgrund seiner vermeintlichen Hinwendung zum Christentum drohte bzw. in Zukunft droht. Dem BF ist es nicht gelungen ein in sich stimmiges Vorbringen zu erstatten, sondern finden sich in seinen Angaben in wesentlichen Punkten Abweichungen, Ungereimtheiten und Unschlüssigkeiten. Überdies kam es bereits während des behördlichen Verfahrens als auch vor dem erkennenden Gericht zu nicht unwesentlichen Vorbringenssteigerungen, die insgesamt ganz eindeutig gegen die vom BF behaupteten Vorfälle sprechen.

 

Sofern der BF ferner die Vermisstenmeldung seines Bruders vorlegt (OZ 13) und dessen Verschwinden in Zusammenhang mit seinem Entschluss zur Ausreise anführt (AS 55) ist festzuhalten, dass auch daraus keine glaubhafte Bedrohung für den Beschwerdeführer abzuleiten ist. Einerseits ist dem BF selbst nicht bekannt, aus welchem Grund sein Bruder verschwunden sei und geht dies auch aus dem vorgelegten Dokument nicht hervor, andererseits ereignete sich der Vorfall bereits im Jahr XXXX ( XXXX ) und somit XXXX Jahre vor der Ausreise des BF, weshalb – wie auch schon vom BFA beweiswürdigend festgehalten wurde – auch deswegen kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen zu erblicken ist, das vermeintliche Verschwinden des Bruders des BF für dessen Asylverfahren somit auch nicht von Relevanz ist.

 

Zur nunmehr behaupteten Konversion des BF zum Christentum in Österreich, ist Folgendes festzuhalten:

 

Angesichts der beweiswürdigenden Ausführungen zum Fluchtgrund des BF, wonach zusammengefasst nicht davon auszugehen ist, dass sich der BF bereits im Iran mit dem Christentum auseinandergesetzt hat, kann seitens des BF ein Interesse am Christentum erst in Österreich entstanden sein. Das erkennende Gericht geht jedoch davon aus, dass eine Person, die vom Islam abfällt und folglich behördliche Verfolgung und den Tod zu fürchten hat, vor ihrer inneren Konversion einen gewissen Nachdenk- und Findungsprozess durchläuft.

 

Betrachtet man den zeitlichen Ablauf der in Österreich gesetzten christlichen Aktivitäten, kann ein solcher Prozess jedoch nicht erkannt werden. Der BF reiste im September 2017 in Österreich ein und nahm bis zu seiner Taufe am XXXX an einem sechsmonatigem Taufvorbereitungskurs teil. Er besuchte bereits innerhalb eines Monats nach seiner Einreise eine Kirchengemeinde und entschied sich innerhalb kürzester Zeit auch dazu, einen Taufvorbereitungskurs zu besuchen, weshalb sich der Eindruck aufdrängt, dass der BF die erste Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit einer christlichen Gemeinschaft nutzte, um einen Fluchtgrund zu generieren.

 

Von einer Person, die den christlichen Glauben kennenlernen und eine Beziehung zu Gott aufbauen möchte, ist zu erwarten, dass sie sich grundlegende Kenntnisse über das Christentum und die entsprechende Glaubensgemeinschaft aneignet, um sich daraufhin bewusst für die Aufnahme in eine bestimmte christliche Gemeinschaft entscheiden zu können. Ist sie doch frei in der Entscheidung, welcher Glaubensgemeinschaft sie sich anschließt.

 

Wenn der BF jedoch – wie im vorliegenden Fall – nur oberflächlich darlegte, dass er sich für die XXXX entschieden habe, weil diese ihm von einem guten Freund seiner Schwester empfohlen worden sei, zeigt dies, dass es dem BF zweckmäßig erschien, sich dieser Glaubensgemeinschaft anzuschließen (VHS 19). Eine reife persönliche Entscheidung für die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft kann dadurch nicht erkannt werden. Der BF führte zwar aus, dass er nach einer protestantischen Kirche gesucht habe, aus welchem Grund er jedoch den Protestanten bzw. genauer einer XXXX angehören wolle, wurde von ihm mit keinem Wort näher dargelegt und wurden weder religiöse noch persönliche Beweggründe für diese Entscheidung oder Besonderheiten der gewählten Gemeinde geschildert, weshalb der Eindruck entsteht, dass es für den BF keine besondere Bedeutung hat, welchem Glaubenszweig er angehört und seine Zugehörigkeit zur Christengemeinde nicht auf einer inneren Überzeugung basiert (VHS 20). Die Behauptung des BF vor dem BFA sich für die Glaubensgemeinschaft entschieden zu haben, da sie sehr nahe an der Hauskirche sei, welche er im Iran besucht habe, wird im Lichte obiger Ausführungen, wonach nicht davon auszugehen ist, dass der BF im Iran den christlichen Glauben praktiziert hat, als unglaubwürdig qualifiziert.

 

Wenn der BF überdies bei Schilderung seines ersten Besuchs der Gemeinde lediglich davon spricht, dass er bemerkt habe, dass es ein normales Gebäude, ein normaler einfacher Raum gewesen sei und ihn die Mitglieder gut aufgenommen hätten (VHS 19), bringt der BF auch hier keinerlei religiöse Aspekte zum Ausdruck, die ihn dazu gebracht hätten, diese Gemeinde weiterhin aufzusuchen, sondern macht er seine Begeisterung an sonstigen Umständen fest.

 

Der BF erklärte, in Österreich einen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben und im XXXX getauft worden zu sein.

Der Beschwerdeführer konnte jedoch weder eine individuelle, persönliche Bedeutung der Taufe noch religiöse Motive für die Taufe nachvollziehbar schildern. Auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gestellten Frage, wie es dazu gekommen sei, dass der BF getauft wurde, gab dieser an: „Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich sechs Monate lang einen Taufkurs besucht. In dieser Zeit wurde ich in der Bibel unterrichtet. Danach habe ich bekanntgegeben dass ich mich taufen lassen will. Danach konnte ich mich taufen lassen. Ich wollte vollkommen Christ werden.‘“ (VHS 17). Diesen Angaben des BF ist jedoch nicht zu entnehmen, warum er für sich persönlich den Entschluss gefasst habe, sich taufen zu lassen. Dass die Entscheidung, sich taufen zu lassen, auf einer inneren religiösen Überzeugung und einem dementsprechenden Wunsch des Beschwerdeführers beruht, ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer betrachtet die Taufe sichtlich als einen Formalakt, um nach außen hin als Christ in Erscheinung zu treten. Mit seiner Aussage, er habe sich taufen lassen wollen, um vollkommen Christ zu werden, vermittelte der Beschwerdeführer den Eindruck, er habe sich deshalb taufen lassen, weil er der Auffassung sei, damit – unbeschadet seiner wahren religiösen Überzeugung – eine gewissermaßen offizielle und für Dritte beachtliche Bestätigung dafür zu haben, dass er ein gläubiger Christ sei; damit versucht der Beschwerdeführer, die von ihm angegebene Hinwendung zum Christentum zu untermauern, persönliche, spirituelle Beweggründe sind seinen Angaben jedoch nicht zu entnehmen.

 

Dies ergibt sich auch deutlich aus seinen Ausführungen zum Empfang der Taufe. Aufgefordert, einen Umstand oder Aspekt zu schildern, der ihm von seiner Taufe besonders in Erinnerung geblieben sei, gab der BF an: „Ich bin mit dem ganzen Körper in Wasser getaucht worden. Als ich rauskam, mit der Faust nach oben, war ich glücklich. Gott hat mir so eine Kraft gegeben, dass ich rausgesprungen bin. Diesen Moment liebe ich“ (VHS 18). Mit den zitierten Angaben vermochte der BF jedoch nicht zu erklären, was ihn persönlich an der Taufe besonders beeindruckt oder in spiritueller Hinsicht bewegt hat. Weder das von ihm behauptete Gefühl Glücks noch die von Gott gegebene Kraft wurde vom BF näher beschrieben oder dargelegt woraus sich diese genau ergeben haben. Bei Betrachtung der Angaben des BF fällt auch auf, dass dieser weder Ausführungen des taufenden Priesters wiedergab noch eigene spirituelle Gedanken, Eindrücke und Empfindungen zum Taufakt schilderte, sondern beschränkte er sich auf die bloße Aufzählung von Gefühlen, ohne diesen jedoch einen individuellen Inhalt zu geben.

Von einer Person, welche sich dem christlichen Glauben mit innerlicher Überzeugung zuwendet und sich zum Schritt der Taufe, welche doch im Falle der Ernsthaftigkeit eine erhebliche Bedeutung in Verbindung mit einer Konversion einnimmt, entschließt, ist jedoch zu erwarten, dass diese Person spirituelle Gedanken oder Eindrücke, die sie besonders bewegt haben, wie zB Worte des Taufspenders, widergeben kann, was jedoch im Falle des BF unterblieben ist und einmal mehr gegen eine glaubwürdige Konversion zum christlichen Glauben spricht.

 

Dass sich der BF lediglich hat taufen lassen, um im Asylverfahren eine Konversion anführen zu können und um eine günstigere Ausgangsposition im Asylverfahren zu erlangen, gilt aufgrund der obigen Ausführungen daher als wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung des Mangels an individueller und spiritueller Auseinandersetzung mit dem Glauben sowie der nicht nachvollziehbar dargelegten Intention für den Religionswechsel, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF seinen Glauben gewechselt hat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der BF pro forma taufen ließ, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).

 

Obwohl der Frage, über welches religiöse Wissen ein Konvertit verfügt, kein überzogenes Gewicht beigemessen wird, ist es doch bemerkenswert, dass der BF, welcher bereits im XXXX getauft wurde und sich somit seit mehreren Jahren mit dem Christentum auseinandersetzt, nach der Geburt Jesus befragt, lediglich angab, dass dieser am 25. Dezember in einem Stall geboren wurde, seine Mutter die Jungfrau Maria ist und er ferner unzutreffend anführte, dass Jesus in der Stadt Jalil in Jerusalem geboren sei (VHS 21).

Angesichts der Tatsache, dass die Geschehnisse um die Geburt Christi umfassend in der Bibel dargestellt werden und im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes der Glaube steht, dass Gott Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen und das Weihnachtsfest auch von christlichen Bräuchen geprägt ist und die Weihnachtsfeiertage einen längeren Zeitraum im Kirchenjahr einnehmen, wäre zu erwarten, dass der BF dazu nähere Angaben machen könnte.

Die Unkenntnis der Geschehnisse um die Geburt Jesu schlagen sich daher besonders auf die Glaubwürdigkeit der behaupteten Konversion des BF nieder, handelt es sich doch hierbei um eine zentrale Bibelstelle und um eines der wichtigsten Hochfeste der Christen.

Überdies spricht das Unwissen des BF auch gegen eine interessierte Gottesdienstteilnahme des BF, da gerade im Weihnachtsgottesdienst, den der BF während seines Aufenthaltes in Österreich bereits mehrmals durchlaufen haben müsste, die diesbezüglichen Ereignisse ausführlich thematisiert und behandelt werden.

Sofern der BF auf konkrete Nachfrage seines Rechtsvertreters, ob ihm die Stadt Betlehem etwas sage, doch angeben konnte, dass Jesus dort geboren wurde, ist festzuhalten, dass dennoch nicht von einer intensiven und besonders interessierten Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten auszugehen ist, wäre er ansonsten in der Lage gewesen von sich aus richtige und ausführlichere Angaben zu machen (VHS 23).

 

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls hervorzuheben, dass der BF – befragt wie er das letzte Weihnachten verbracht habe – lediglich angab, dass es in der Kirchengemeinde eine Veranstaltung gegeben habe und sie gemeinsam gefeiert hätten (VHS 21). Diese bloß oberflächliche, einzeilige Antwort des BF lässt jedoch nicht darauf schließen, dass das Weihnachtsfest von besonderer Bedeutung für den BF ist und er dieses ernsthaft begangen hat, hätte er ansonsten detaillierte Angaben zur „Veranstaltung“ gemacht, persönliche Eindrücke geschildert und vor allem auch Bezüge zur Bibel hergestellt und das Weihnachtsevangelium erwähnt. Es scheint somit nicht so, als hätte der BF bewusst und aktiv am Weihnachtsgottesdienst teilgenommen, wäre er ansonsten in der Lage den Ablauf und das Praktizieren von christlichen Festen näher zu beschreiben.

 

Insoweit der BF in manchen Bereichen Wissen über das Christentum aufweist, ist anzumerken, dass bei gehöriger Anstrengung dies für jedermann erlernbar ist, ohne dass es hierfür eines Glaubensübertritts aus innerer Überzeugung bedarf. Auch die bescheinigte Teilnahme am Gemeindeleben sowie an kirchlich-gemeindlichen Aktivitäten belegen per se keinen ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel. So ist zu bedenken, dass eine Person, namentlich ein, sich in einem fremden Land ohne dauernden Kontakt oder Umgang mit Verwandten und Freunden aufhaltender Asylwerber, ohne weiteres allein sich auch deshalb veranlasst sehen kann, sich an christliche Gemeinschaften zu wenden, weil er sich dadurch akzeptiert und überdies in einem ihm sozial und kulturell noch weitestgehend fremden Umfeld fest in eine Gemeinschaft eingebunden und in ihr geborgen fühlen kann.

 

Die BF legte im Rahmen der Beschwerdeverhandlung Unterstützungsschreiben zweier Gemeindemitarbeiter der XXXX vor, in denen bestätigt wurde, dass der BF in Österreich an einem Bibelstudium teilgenommen hat.

Er war jedoch, aufgefordert etwas über das Bibelstudium zu erzählen, nicht in der Lage, dort vermittelte Inhalte wiederzugeben oder persönliche Eindrücke zu schildern, sondern führte vage und allgemein aus, dass in seiner Kirche immer Bibelstunden stattfinden würden und er nach der Taufe teilgenommen habe. Es seien mehrere Teilnehmer gewesen und habe der Kurs während des Lockdowns online stattgefunden (VHS 18).

Es ist jedoch von einer Person, welche sich tatsächlich für einen neuen Glauben interessiert, zu erwarten, dass diese umfassendere Angaben, etwa über Bibelstellen, welche sie besonders beeindruckt oder beschäftigt haben, über diskutierte Fragen und Ansichten im Kurs sowie über grundsätzliche, einprägsame Kursinhalte macht, was jedoch nicht geschehen ist, was einmal mehr wenig bzw. nicht vorhandenes Interesse des BF für den christlichen Glauben indiziert.

 

Um sich ein möglichst umfassendes Bild vom Vorbringen des BF hinsichtlich seiner behaupteten Konversion zu verschaffen, wurde der BF nach dem Praktizieren seines Glaubens gefragt und erklärte der BF: „Ich besuche regelmäßig die Kirche. Dort treffe ich meine christlichen Freunde. Ich kann sagen, wir sind eine Einheit. Wir sprechen über alles, über unsere Probleme. Ich muss auch sagen, seit einem Jahr, wegen des Lockdowns findet kein Gottesdienst statt. Drei Mal gab es jetzt aber wieder einen Gottesdienst. In dieser Zeit, wo wir nicht in die Kirche gehen konnten, haben wir online daran teilgenommen.“ (VHS 18). Der BF benannte keine weiteren Glaubensbetätigungen, wie etwa das persönliche Gebet oder das Lesen der Bibel, wobei es sich bei diesen Aktivitäten um inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Glauben, den der BF selbst gewählt hat, handelt. Es ist davon auszugehen, dass sich der BF im Zusammenhang mit dem Praktizieren seinen Glaubens, auf außenwirksame Akte beschränkte und eine tatsächliche Auseinandersetzung mit Inhalten des christlichen Glaubens im Sinne einer persönlichen spirituellen Hinwendung vermissen lässt.

 

An dieser Stelle sei vermerkt, dass der in der Verhandlung anwesende Vertreter mit seiner mehrmaligen Nachfrage, ob der BF in Österreich sonst noch etwas zu seinem Glauben mache, ob er bete und aus der Bibel lese oder seinen Glauben gegenüber Moslems vertrete, nicht vermochte, eine persönliche Glaubenspraxis oder eine Missionstätigkeit des BF darzutun, handelt es sich doch bei dieser Suggestivfrage lediglich um ein auf Spekulationen beruhendes Nachfragen, um den BF zu weiteren Angaben zu veranlassen (VHS 23). Dieses Nachfragen des Vertreters, welches auch in anderen Bereichen des Vorbringens festzustellen war, ist jedoch nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der vagen Angaben des BF zu erhöhen, sondern kann daraus vielmehr geschlossen werden, dass der BF durch seinen Vertreter zu einem bestimmten Vorbringen angeleitet werden sollte. Würde der BF tatsächlich täglich beten und regelmäßig aus Bibel lesen und wäre es ihm ein besonderes Anliegen seinen Glauben zu vertreten und andere zu missionieren, kann davon ausgegangen werden, dass der BF von sich auch entsprechende Angaben macht, was jedoch nicht geschehen ist.

 

Gegen ein regelmäßiges Lesen in der Bibel spricht weiters, dass der BF, aufgefordert ein Wunder von Jesus zu nennen, lediglich oberflächlich anführte: „Jesus hat Lazarus nach vier Tagen wieder zum Leben erweck. Er wurde wieder lebendig.“ (VHS 21). Auch diese äußerst vagen Angaben des BF lassen nicht auf ein regelmäßiges interessiertes Bibelstudium und eine tiefergehende Beschäftigung mit Bibelinhalten schließen, sondern verstärken den Eindruck der erkennenden Richterin, dass die vom BF angegeben Konversion lediglich für das Asylverfahren behauptet wurde.

Der BF wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung ferner gefragt, ob es eine Bibelstelle gebe, die er nicht verstehe und meinte der BF zuerst, dass er eine Stelle aufsagen werde, die er lange nicht verstanden habe, stoppte jedoch und gab nach Aufforderung der Richterin die Stelle zu nennen an, dass er jetzt alles verstehen würde (VHS 20).

Auch dieses Aussageverhalten des BF vermittelt den bleibenden Eindruck, dass sich der BF nicht wirklich intensiv mit den Inhalten des Christentums auseinandergesetzt hat. Gerade, wenn man sich einem fremden Glaubenszweig anschließt, wäre nämlich zu erwarten, dass sich der BF tiefergehende Gedanken über Themen macht, die er nicht ganz versteht und diese sowie die dazu gefundene Erklärung auch wiedergeben kann, wozu der BF jedoch nicht in der Lage war.

 

Was die vom BF angegebene missionierende Tätigkeit betrifft, ist darüber hinaus anzumerken, dass der BF nicht näher darlegte, was er diesbezüglich genau mache, sondern bloß behauptete mit seiner Nichte über das Christentum gesprochen und die gute Nachricht weitergegeben zu haben. Er führte jedoch mit keinem Satz an, was er dieser genau erzählt habe, wie lange er sich damit beschäftigt habe oder was er dadurch für sich selbst mitnehmen konnte. Aufgrund der bloßen Behauptung missionierend tätig zu sein, ohne dies genauer zu erklären, sowie angesichts der Tatsache, dass die Überzeugung und das Wissen des BF vom Christentum an sich als nicht ausreichend erachtet werden, kann auch dieser Angabe des BF kein Glaube geschenkt werden. Nur ergänzend darf hier weiters angeführt werden, dass sämtliche Familienangehörigen des BF in Österreich laut eigenen Angaben nach wie vor Moslems sind (VHS 20).

 

Insoweit der BF erklärt, auf Facebook und Telegram aktiv zu sein und religiöse Inhalte (Bilder, Videos) zu teilen, stellt auch dies kein hinreichendes Indiz für eine ernsthafte christliche Identitätsprägung dar.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden Auszüge aus den sozialen Medien vorgelegt (OZ 13, 15), insbesondere Postings des BF auf dessen Facebook-Seite, wobei es sich dabei um zwei Bilder handelt, die einen Christbaum und die Aufschrift „Frohe Weihnachten“ und den Osterhasen, betitelt mit „Frohe Ostern“ zeigen sowie ein Video, in dem Menschen auf Englisch beten. Weiters wurde das Telegram-Profilbild des BF, ein Foto von Jesus am Kreuz, vorgelegt.

 

Sofern nunmehr der Internetauftritt des BF zu berücksichtigen ist, fällt zunächst auf, dass der BF nicht unter seinem vollständigen Namen aktiv geworden ist. Ferner ist festzuhalten, dass aufgrund der möglichen Privatsphäreneinstellungen auch nicht festgestellt werden kann, wer diese Posts bzw. das Profilbild des BF überhaupt gesehen hat, weshalb allein deshalb noch nicht auf eine Konversion des BF bzw. auf einen außenwirksamen Internetauftritt zu schließen ist.

Unter Berücksichtigung der sonstigen Erwägungen sind die wenigen Internetposts des BF lediglich als Element der Scheinkonversion und nicht als Ausdruck einer inneren Überzeugung zu qualifizieren.

 

Für Aktivitäten im Internet gilt ferner derselbe Maßstab wie für sonstige exilpolitische Tätigkeiten. Alle Aktivitäten sind im Zusammenhang zu würdigen. Untergeordnete exilpolitische Tätigkeiten, die nicht geeignet sind, auf die Verhältnisse im Heimatland ernsthaft einzuwirken, und aus der Sicht des iranischen Staates keine Gefahr begründen, können mit dem Gefährdungspotenzial inneriranischer Systemkritik via Internet nicht verglichen werden. Mit Internetauftritten wie einem Weblog und christlichen Artikeln und Bildern im Internet hebt sich jemand nicht aus der Masse der iranischen Asylwerber hervor, die im Internet präsent sind.

Aus derartigen Einträgen kann jedoch ohnehin nicht der Schluss gezogen werden, dass der iranische Staat dem BF dadurch den Abfall vom Islam bzw. eine Missionierungsabsicht des BF unterstellen würde. Es kann aufgrund solcher Einträge nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF umfassend zu christlichen Glaubensinhalten äußerte, den Islam dadurch herabwürdigte und seine eigene Einstellung dazu klar darlegte.

Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger im Internet überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Der BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich in keiner Weise exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von irgendeinem Interesse sein könnte.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei der Person des BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.

Hervorzuheben ist explizit auch folgende Feststellung der Staatendokumentation des BFA: Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden.

 

Im Lichte dieser Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF, der vor dem Verlassen des Iran keine Verbindung zum Christentum hatte (vgl. dazu die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen), aufgrund seiner behaupteten Aktivitäten im Internet im Rückkehrfall einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre.

Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der BF derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe in Österreich nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle im Ausland vorgenommenen Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.

 

Hervorzuheben ist, dass Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagten, dass eine Taufe für die iranischen Behörden keine Bedeutung habe. Wenn im Bericht des Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (DIS/DRC) aus dem Jahr 2018 erwähnt wird, dass eine Quelle aussagte, dass dies nicht sicher sei, ist anzumerken, dass es sich bei der Quelle um einen Ausländer mit Kontakt zu Christen handelt. Auch wenn es sich bei dem Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile um eine Organisation handelt, die sich um Bedürfnisse von Asylwerbern, Vertriebenen kümmert, so steht dem Bericht dieser Organisation die Aussage von Amnesty International und einer anonymen Quelle vor Ort gegenüber, wonach eine Taufe keine Bedeutung für iranische Behörde hat. Das erkennende Gericht misst der Aussage von Amnesty International, in diesem Zusammenhang mehr Gewicht zu, handelt es sich doch hierbei um eine internationale Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt und Menschenrechtsverletzungen recherchiert und darüber berichtet, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Organisation im Falle, dass sie das alleinige Faktum der Taufe als problematisch ansehen würde, nicht berichten würde, dass diese keine Bedeutung habe. Auch ist nicht ersichtlich bzw. nicht davon auszugehen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von der Taufe des BF haben.

 

Aufgrund des oben umschriebenen Verhaltens des BF kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der BF sich tatsächlich aus innerer Überzeugung und ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat.

 

Auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG einvernommenen Zeugin, Gemeindeleiterin und Seelsorgerin der Kirchengemeinde des BF vermochte mit ihren Aussagen nichts an der soeben dargelegten Ansicht der erkennenden Richterin zu ändern, zumal diese ebenfalls in erster Linie nach außen in Erscheinung tretende Faktoren (Taufvorbereitungskurs, Taufe, Teilnahme an Gottesdiensten und Glaubenskursen, Mitwirkung im Gemeindeleben) betreffend die angegebene Konversion des BF, welche seitens des erkennenden Gerichts auch festgestellt wurden, wiedergeben. Zwar gab die Zeugin an, dass sie von einer inneren religiösen Überzeugung des BF ausgehe, jedoch beruhen diese Ansichten eben nur auf dem von ihr beobachteten Verhalten des BF.

 

Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten des BF sowie sein gutes Verhalten, die durch die Zeugin bestätigt wurden, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht, die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel des BF sprechen, zu kompensieren und kann alleine aus solchen äußeren Faktoren, welche jedoch nichts über die tatsächliche innere Haltung des BF aussagen, doch keine Konversion des BF mit allen bereits mehrfach umschriebenen Voraussetzungen und Folgewirkungen abgeleitet werden.

 

Der BF konnte somit insgesamt nicht glaubhaft machen, dass er sich aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat. Seine Hinwendung zum Christentum erweist sich als Scheinkonversion, die der Erlangung von Asyl dienen soll. Die erkennende Richterin kommt daher zweifelsfrei zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtbetrachtung die genannten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion des BF auszugehen.

 

II.2.4.3. Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht daher zu der Überzeugung, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

 

II.2.4.4. Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass die Angaben des BF bzgl. seiner Integration in Österreich der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden.

 

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Zu A)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

..“

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund bzw. zur Konversion insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist im Falle des BF eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründe daher nicht gegeben.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

 

Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.

 

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG , kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.

 

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.

 

Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.

 

Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen sowie der hg. beweiswürdigenden Erwägungen und auch der zitierten Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der formalen bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.

Gemäß § 3 Abs 2 AsylG kann Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, welche nach dem Verlassen des Herkunftsstaates liegen (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten, die der Fremde seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat und insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

 

Dass der BF im Iran bzw. in Österreich zum Christentum konvertiert ist, kam im Verfahren nicht hervor, sondern waren die diesbezüglichen Angaben des BF aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren. Auch ist im Lichte der Scheinkonversion des BF nicht davon auszugehen, dass der BF das Bedürfnis hat, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein.

 

Der BF hat in Österreich wie viele andere iranische Konvertiten zwar an kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Gottesdienste, teilgenommen, sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert und kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich missionierend tätig ist.

 

Dass dies dem BF im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund dessen, dass der BF aufgrund der festgestellten Scheinkonversion für die iranischen Behörden in keiner Weise von Interesse ist bzw. unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten des BF den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden.

 

Entsprechend den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen betreffen Repressionen vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher zum Schein konvertiert ist, den christlichen Glauben ausübt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass der BF aufgrund seines rudimentären und unsubstantiiert vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wäre.

Den Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Ausland zum Christentum konvertiert waren, im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden. Beim BF handelt es sich jedoch um keinen Geistlichen, sondern um eine Person, welche formal und lediglich zum Schein konvertiert ist, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung des BF abzuleiten ist.

 

Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.

 

Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Das Verhalten des BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.

 

Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

II.3.2.3. Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall nicht existent ist.

 

II.3.2.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten auszugsweise:

 

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwredeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl zB Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (zB VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird zudem festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei dem BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Erwachsenen, bei welchem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und Berufserfahrung. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass der BF aus einem Staat stammt, auf dessen Territorium einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird. So gab der BF selbst an, dass die Mutter, ein Bruder, eine Schwester und die Ehefrau des BF nach wie vor im Iran leben und spricht nichts dagegen, dass ihm diese, bei einer Rückkehr – zumindest bei etwaigen Anfangsschwierigkeiten – behilflich sein werden. Es steht dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Die derzeitige COVID-19 (sog. Corona-) Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zum Iran.

 

Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich der BF im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. auf dort wegen der Krise herrschende Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).

 

Eine derartige Extremgefahr kann für den BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der BF als gesunder Mann ohne bestehende Erkrankungen im Iran gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Selbst bei Zugrundlegen der vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher der BF angehört.

Des Weiteren ist die Versorgungslage für die Bevölkerung im Iran auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage gesprochen werden könnte.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist daher im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und er nicht in eine - allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende - dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz des BF wurden bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt im obigen Sinn.

 

Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts Konkretes dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

 

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fallen, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

 

II.3.4.4. Der BF reiste im XXXX illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf. In Österreich lebt eine Schwester des BF, welche über einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte plus verfügt, mit deren Tochter und Ehemann. Der BF wohnt mit diesen nicht (mehr) in einem gemeinsamen Haushalt und besteht auch kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Familienangehörigen.

Der BF bezog vom XXXX bis XXXX verschiedenste Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.

Er war von XXXX bis XXXX beschränkt haftender Gesellschafter der XXXX .

Seit XXXX verfügt der BF über eine Gewerbeberechtigung für XXXX und ist seit diesem Tag auch als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger sozialversichert.

Der BF besuchte in Österreich verschiedene Deutschqualifizierungsmaßnahmen, zuletzt auf dem Niveau B1.

Der BF hat Freunde und Bekannte in Österreich und verfügt über verschiedene Unterstützungsschreiben, in welchen der BF unter anderem für seine hilfsbereite, soziale und fleißige Art sowie seine Integrationswilligkeit und gute Arbeitsmoral gelobt wird.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

 

II.3.4.4. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

II.3.4.5. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

Hinsichtlich der in Österreich lebenden Familienangehörigen des BF ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach familiäre Beziehungen unter Erwachsenen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. etwa VwGH 02.01.2017, Ra 2016/18/0235, zum Vorliegen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK unter erwachsenen Geschwistern vgl. VwGH08.09.2016, Ra 2015/20/0296).

Solche zusätzlichen Merkmale der Abhängigkeit wurden jedoch weder vom BF behauptet, noch kamen diese während des Verfahrens hervor. Weder besteht zwischen dem BF und seinen Familienangehörigen eine finanzielle, soziale oder pflegerische Abhängigkeit, noch leben diese in einem gemeinsamen Haushalt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gab der BF selbst an, dass, zwischen ihm und seinen Familienangehörigen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, diese ihn lediglich nach seiner Einreise in Österreich finanziell unterstützt haben.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beziehung zu seinen Familienangehörigen zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu ihnen, gänzlich abzubrechen. Es steht ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.

 

Da somit im gegenständlichen Fall ein ungerechtfertigter Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung ein Eingriff in deren Privatleben einhergeht.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Der BF ist illegal im XXXX nach Österreich eingereist und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Das Gewicht eines allfällig zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien – bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

 

Bei der Gewichtung im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG kann maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass die vom BF gesetzten integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Daran kann auch die Länge des Verfahrens, mag den BF daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0076).

 

Der BF verfügt in Österreich über soziale und freundschaftliche Kontakte; auch die Schwester des BF und deren Familienangehörigen leben – wie bereits erwähnt – in Österreich. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen konnte anhand des Vorbringens des BF nicht erkannt werden. Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt zur sozialen Integration wie folgt aus: Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 31.1.2013, 2011/23/0519).

 

Was die vom BF vorgelegten Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen (ohne Ablegung einer Prüfung) betrifft, ist anzuführen, dass auch grundlegenden Kenntnissen der deutschen Sprache vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den Umstand, perfekt Deutsch zu sprechen, als kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal erachtete (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029), kein wesentliches Gewicht zukommt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Der BF war beschränkt haftender Gesellschafter der XXXX und ist seit XXXX als selbstständiger Erwerbstätiger XXXX tätig. Zwar kommt der Tätigkeit des BF im Rahmen der Interessensabwägung eine gewisse Bedeutung zu, es ist jedoch zu bedenken, dass es sich auch hier um einen relativ kurzen Zeitraum handelt und sich der BF sich während der Aufnahme dieser Tätigkeit seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst sein musste. Diesbezüglich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen). Insofern fällt seine Erwerbstätigkeit bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung nicht besonders stark ins Gewicht.

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen lassen würde.

 

Der BF verfügt zwar über eine Vielzahl an Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben, in denen dem BF Integration und eine gute Arbeitsmoral attestiert werden und er als fleißige, freundliche, soziale, hilfsbereite und ehrgeizige Person beschrieben wird. Jedoch ist dazu auszuführen, dass auch, wenn die darin beschriebenen Eigenschaften des BF zutreffen mögen, daraus nicht hervorgeht, wodurch im konkreten Fall eine besondere Integration des Beschwerdeführers gegeben sein soll. Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, sind dadurch nicht hervorgekommen. Die Unterstützungserklärungen sind aus hg. Sicht als Gefälligkeitsschreiben zu qualifizieren und ist daraus nichts für eine erfolgreiche Integration des BF in Österreich zu gewinnen.

Der BF ist – in Bezug auf sein Lebensalter – erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig. Er verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass im Iran Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass er vor seiner Ausreise in den Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Zudem leben Familienangehörige des BF nach wie vor im Iran. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

 

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

II.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerde getroffen.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.7. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkt IV. bis IV. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.8 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

 

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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