BVwG I415 2213188-1

BVwGI415 2213188-112.7.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2213188.1.01

 

Spruch:

I415 2213188-1/15E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 07.06.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch 1.) RA Mag. Thomas Klein, Sackstraße 21, 8010 Graz und 2.) Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 21.12.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2019 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 22.11.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, homosexuell zu sein und deshalb in Nigeria verfolgt zu werden. Ein paar Leute seiner Gemeinschaft haben seinen Freund und seine Eltern umgebracht und ihr Haus niedergebrannt. Er selbst sei auch verletzt worden, aber noch davongekommen.

 

2. Es wurden Konsultationen nach der Dublin III-Verordnung mit Malta geführt und sodann der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.04.2017, Zl. XXXX als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Malta gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandeserbringung des Beschwerdeführers angeordnet und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Malta festgestellt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2017, Zl. W144 2155346-1/4E als unbegründet abgewiesen.

 

3. Daraufhin entzog sich der Beschwerdeführer seiner Außerlandesbringung durch Untertauchen, wobei er nur zum Schein behördlich an einer Adresse angemeldet war, bei der es sich jedoch um eine Kirche handelte.

 

4. Am 12.11.2018 stellte er nach Ablauf der 18-monatigen Überstellungsfrist nach Malta den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er zu seinen Fluchtgründen: "Meine Eltern wurden im September 2016 von der Familie meines Vaters ermordet. Ich weiß nicht, welche Probleme meine Eltern mit der Familie meines Vaters gehabt haben. Es könnte um Landbesitz oder so gegangen sein. Mir wurde von meiner Tante (Schwester meiner Mutter) mitgeteilt, dass ich ebenfalls von Verwandten ermordet werden soll. Danach wurde ich auch von diesen Verwandten verfolgt und bin zu meiner Tante geflüchtet. Meine Tante sagte, dass ich bei ihr nicht bleiben kann, da sie mich bei ihr auch finden und umbringen werden. Deshalb musste ich mein Land verlassen." Bei einer Rückkehr in die Heimat fürchte er um sein Leben. Er werde von den Verwandten verfolgt und vermutlich auch ermordet, wenn er wieder nach Hause müsse.

 

5. Der Beschwerdeführer wurde für den 17.12.2018 zu einer niederschriftlichen Einvernahme geladen, erschien jedoch über 2,5 Stunden zu spät zu diesem Termin. Eine niederschriftliche Einvernahme konnte nicht durchgeführt werden, weil die hinzugezogene Dolmetscherin bereits die Dienststelle verlassen hatte. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit gegeben, zu seinem Nicht-Erscheinen Stellung zu nehmen.

 

6. Mit Schreiben vom 19.12.2018 ersuchte der Beschwerdeführer um Anberaumung einer neuerlichen Ladung zur niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

 

7. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 21.12.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V). Es besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

 

8. Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 10.01.2019. Der Beschwerdeführer monierte darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer am 17.12.2018 nicht einvernommen und nur anhand der Erstbefragung auf eine Unglaubhaftigkeit seiner Angaben geschlossen. Damit habe sie ihre amtswegige Ermittlungspflicht verletzt. Hätte der Beschwerdeführer eine Einvernahme gehabt, hätte er seine Asylgründe näher begründen können. Der Beschwerdeführer habe alles Mögliche unternommen, um an seiner Einvernahme rechtzeitig mitzuwirken. Angesichts der aktuellen Situation in Nigeria würde der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine aussichtslose Lebenssituation geraten. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer auch keiner Wohnsitzbeschränkung bezogen auf das Bundesland XXXX unterlegen und durch seine Wohnsitznahme in der XXXX keine Verwaltungsübertretung begangen. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich würden die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen und es bedürfe einer eingehenden Prüfung seines Privat- und Familienlebens. Er stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten, in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegen den Beschwerdeführer gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend der gegen den Beschwerdeführer festgestellten Abschiebung aufgehoben werde; in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

 

9. Beschwerde und Bezug habender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 11.01.2019 (eingelangt am 17.01.2019) vorgelegt.

 

10. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 13.05.2019 die aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria.

 

11. Mit Schreiben vom 13.05.2019 teilte die belangte Behörde mit, dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und übermittelte sie eine eidesstattliche Alterserklärung, sowie eine Geburtsurkunde betreffend den Beschwerdeführer samt beglaubigten Übersetzungen.

 

12. Am 07.06.2019 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin und in Abwesenheit der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht. Im Rahmen dieser Beschwerdeverhandlung legte der Beschwerdeführer eine Heiratsurkunde vom 18.05.2019, einen ärztlichen Überweisungsschein vom 27.11.2018 betreffend nächtliche Thoraxschmerzen, teilweise mit Nasenbluten, sowie Fieber und einen Bericht des BFA vom 16.11.2018 vor.

 

13. Mit Schriftsatz vom 21.06.2019 gab RA Mag. Thomas Klein die ihm erteilte Vollmacht bekannt und stellte einen "Antrag auf Ausfertigung des Beschlusses gem. § 29 Abs. 4 VwGVG".

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz 2005.

 

Er ist volljährig, verheiratet und kinderlos. Er gehört der Volksgruppe der Edo an und bekennt sich zum christlichen Glauben.

 

Seine Identität steht fest.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über einen nigerianischen Reisepass mit der Nummer XXXX, ausgestellt am 26.08.2016 und gültig bis zum 25.08.2021, welchen er jedoch den österreichischen Behörden nicht vorlegte.

 

Der Beschwerdeführer reiste legal mit einem gültigen Visum für den Schengen-Raum, ausgestellt am 15.09.2016 von der italienischen Botschaft in Lagos für Malta, gültig von 16.09.2016 bis 29.11.2016 in den Schengen-Raum ein. Er gelangte erstmals spätestens am 22.11.2016 in das österreichische Bundesgebiet und hält sich seither in Österreich auf.

 

Sein erster Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.04.2017 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Malta gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandeserbringung des Beschwerdeführers angeordnet und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Malta festgestellt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2017, Zl. W144 2155346-1/4E als unbegründet abgewiesen.

 

Daraufhin entzog sich der Beschwerdeführer seiner Außerlandesbringung durch Untertauchen. Von 20.06.2018 bis 12.11.2018 war er im Bundesgebiet behördlich nicht gemeldet.

 

Am 12.11.2018 stellte er nach Ablauf der 18-monatigen Überstellungsfrist nach Malta den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung, die seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegensteht.

 

Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimat zwölf Jahre lang die Schule und hat anschließend eine Ausbildung zum Modedesigner gemacht. Seinen Lebensunterhalt hat er sich gelegentlich als Tellerwäscher verdient. Er ist erwerbsfähig und hat aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung eine Chance, am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

 

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Rückkehr nach Nigeria entgegenstehen.

 

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX.05.2019 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebt seit dem 21.11.2018 mit dieser und ihrem Kind aus einer anderen Beziehung in einem gemeinsamen Haushalt. Ansonsten leben keine Familienangehörige oder Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich.

 

Eine den Anforderungen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK entsprechende integrative Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnte nicht festgestellt werden, dies insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht. Der Beschwerdeführer besucht einen Deutschkurs A1. Er hat weder an beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, noch eine Deutschprüfung nachweislich erfolgreich abgelegt und keine gemeinnützigen Tätigkeiten ausgeübt. Er hat außer seiner Ehefrau keine maßgeblichen privaten Kontakte und ist auch nicht Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen integrationsbegründenden Institution. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung, verkauft eine Straßenzeitung, ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Zuwendungen seiner Ehefrau.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

 

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

 

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war oder sein wird. Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in Nigeria wegen Homosexualität, wegen Grundstücksstreitigkeiten oder aus sonstigen Gründen ergeben.

 

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder 8 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

 

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

 

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

 

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 21.12.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria zitiert. Dem Beschwerdeführer wurde im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

 

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert. Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente.

 

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt.

 

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara. Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen. Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt.

 

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor. In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig. Die Gehälter im Justizbereich sind niedrig, und es mangelt an Infrastruktur. Zusätzlich widersprechen sich die Rechtssysteme mitunter. Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht.

 

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o. ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Gesetzlich vorgesehen sind prozessuale Rechte wie die Unschuldsvermutung, zeitnahe Information über die Anklagepunkte, das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, Zeugen zu befragen und das Recht auf Berufung. Diese Rechte werden jedoch nicht immer gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht. Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen.

 

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet. Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert, vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit. Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen.

 

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt. Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv.

 

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern. Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious- Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt. Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten. Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig.

 

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Üblicherweise respektiert die Regierung dieses Recht, es wird jedoch für einige Gruppen eingeschränkt (USDOS 13.3.2019). Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch - meist marginale - Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 10.12.2018).

 

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht.

 

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden.

 

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden, wie zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht. Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen". Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen.

 

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor. Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung. Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung. Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten. Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert. Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen. Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v. a. von Reis - angewiesen. Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut, fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt. Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig. Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige. Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

 

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet.

 

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten.

 

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung).

 

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen. Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

 

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen.

 

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt bzw. erkennungsdienstlich behandelt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen. Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.

 

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt.

 

Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert.

 

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Der "Nigerian Passport Act" stellt jede unbefugte Veränderung des Dokuments unter Strafe (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Mit der Einführung des elektronischen Passes (mit elektronisch gespeicherten Fingerabdrücken) im Jahr 2007 haben die Behörden einen wichtigen Schritt unternommen, die Dokumentensicherheit zu erhöhen. Es sind auch so gut wie keine gefälschten nigerianischen Pässe im Umlauf, da wie bereits beschrieben, es keinerlei Problem darstellt, einen echten Pass unter Vorlage gefälschter Dokumente zu erhalten. Mangels eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden folglich kaum möglich.

 

Auf den ersten Blick nicht als Fälschungen erkennbare, gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden, Zeugnisse von Schulen und Universitäten etc.) sind in Lagos und anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Sie sind professionell gemacht und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte (Gefälligkeits‑)Bescheinigungen sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. Vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden sind in der Form oft fehlerhaft oder enthalten falsche Darstellungen behördlicher Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Aufrufe von Kirchengemeinden - z.B. genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren - sind oft gefälscht.

 

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria nicht ausreicht, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen.

 

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

 

Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er gesund und arbeitsfähig ist und über eine zwölfjährige Schulbildung sowie eine Ausbildung als Modedesigner und Arbeitserfahrung als Tellerwäscher verfügt. Selbst wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, kann er seinen Lebensunterhalt wie o. a. aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

 

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zum Sachverhalt:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria, sowie durch persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.06.2019.

 

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

 

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, zum vorhandenen Reisepass, zur Visumantragsstellung und -erteilung sowie der Einreise nach Europa gründen auf dem Ergebnis einer behördlichen Visumsabfrage und den Akteninhalten seiner Verfahren "Dublin OUT" 161595231 (Italien) und "Dublin OUT" 161705851 (Malta).

 

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen und seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit ergeben sich aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich unstrittig aus den Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W144 2155346-1.

 

Aus einer eingeholten ZMR-Abfrage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer über ein halbes Jahr behördlich nicht gemeldet war. Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung begründete der Beschwerdeführer das nicht-Erfüllen seiner Meldepflicht folgendermaßen: "Ich bin damals sowohl vor meiner Familie in Nigeria als auch vor Österreich davongelaufen. Bei meiner Asylantragsstellung wurde mir nämlich gesagt, dass man mich nach Nigeria abschieben wird." Deshalb war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer sich seiner Außerlandesbringung durch Untertauchen entzogen hat.

 

Der Beschwerdeführer legte im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.06.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht keine ärztlichen Befunde vor, sondern lediglich einen ärztlichen Überweisungsschein vom 27.11.2018 betreffend nächtliche Thoraxschmerzen, teilweise mit Nasenbluten, sowie Fieber. Er machte keine Angaben, die auf das Vorliegen chronischer Krankheiten oder anderer lebensbedrohlicher Leiden und Gebrechen schließen ließen. Auch der Beschwerde vom 10.01.2019 sind keinerlei Hinweise auf eine mögliche Erkrankung zu entnehmen. Deshalb war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist.

 

Die Feststellungen zu seiner Schulbildung, Ausbildung und Berufserfahrung ergeben sich aus seinen eigenen, plausiblen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Feststellung zur Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom XXXX.05.2019, die Feststellung zum Bestehen eines gemeinsamen Wohnsitzes aus einem Abgleich der eingeholten ZMR-Auskünfte. Wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals behauptet, dass er mit seiner nunmehrigen Ehefrau schon seit fast zwei Jahren zusammen ist, so ist dies nicht glaubhaft, bleiben seine Frau und seine Stieftochter im erst vor rund sechs Monate verfassten Beschwerdeschriftsatz vom 10.01.2019 doch gänzlich unerwähnt:

 

"RI: Sie sind also verheiratet seit XXXX.05.2019?

 

BF: Ja, seit XXXX. letzten Monats.

 

RI: War diese Hochzeit von langer Hand geplant? Der Name Ihrer nunmehrigen Frau scheint in der Beschwerde nicht einmal als Freundin auf, sondern bleibt gänzlich unerwähnt.

 

BF: Nein. Wir kennen uns jetzt seit fast zwei Jahren und leben uns wohnen seit November 2018 zusammen.

 

RI: Das ist leider sehr unglaubhaft, dass die RV Beziehungen tiefergehender Natur bestimmt beim Verfassen der gegenständlichen Beschwerde abgeklopft hätte.

 

RV: Soweit ich das herauslesen konnte, hat der BF das nie erwähnt und auch auf Nachfrage nicht angegeben.

 

BF: Anfangs habe ich ja nicht fix bei ihr gewohnt, sondern habe die Wohnung immer wieder verlassen, sie meinte damals auch, dass wir nichts übereilen und alles langsam angehen sollten."

 

Dass der Beschwerdeführer in Österreich ansonsten weder Verwandte noch Familienangehörige hat und auch keine tiefgreifende soziale und integrative Verfestigung im Sinne des Art. 8 EMRK aufweist, resultiert insbesondere aus dem Verwaltungsakt und aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. (Niederschrift vom 07.06.2019). Der Beschwerdeführer machte geltend, einen Deutschkurs A1 zu besuchen und konnte auch einfache, auf Deutsch gestellte Fragen des erkennenden Richters beantworten. Weiters erklärte er, eine Straßenzeitung zu verkaufen, legte diesbezüglich aber keine Bestätigungen vor. Ansonsten legte er keinerlei Nachweise vor, die eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich belegen würden. Besondere Integrationsbemühungen des seit 2016 in Österreich lebenden Beschwerdeführers sind nicht ersichtlich. Auch aus der Beschwerde gehen keine Hinweise auf ein schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich hervor, weder in zeitlicher Hinsicht, noch in Bezug auf die erforderliche Intensität.

 

Dass der Beschwerdeführer keiner Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und nicht selbsterhaltungsfähig ist, ergibt sich aus dem eingeholten GVS-Auszug und seinen glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung, wonach seine Frau für seinen Lebensunterhalt aufkommt.

 

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 18.01.2019.

 

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers und müssen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Generell ist zur Glaubhaftigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d. h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Grundsätzlich ist ein Verfolgungsschicksal von einem Antragsteller glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Der erkennende Richter geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der Beschwerdeführer den angegebenen Fluchtgrund, ihm drohe in Nigeria asylrelevante Verfolgung wegen seiner behaupteten Homosexualität bzw. wegen Grundstücksstreitigkeiten nicht glaubhaft machen konnte.

 

In seinem nicht inhaltlich abgeschlossenen Vorverfahren gab der Beschwerdeführer an, in Nigeria aufgrund seiner Homosexualität verfolgt zu werden. Ein paar Leute seiner Gemeinschaft haben seinen Freund und seine Eltern deshalb umgebracht und das Haus niedergebrannt. Den Beschwerdeführer habe man auch verletzt, er sei aber noch davongekommen.

 

In seinem gegenständlichen Verfahren erklärte er im Zuge der polizeilichen Erstbefragung am 12.11.2018, seine Eltern seien von der Familie seines Vaters ermordet worden, möglicherweise wegen Grundstückstreitigkeiten. Den genauen Grund wisse er nicht, doch auch er werde von den Verwandten verfolgt und fürchte, von ihnen umgebracht zu werden.

 

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.06.2019 konnte der Beschwerdeführer diesen eklatanten Widerspruch nicht auflösen, sondern brachte vielmehr eine neue, gemischte Version dieser gänzlich unterschiedlichen Fluchtgründe vor.

 

Er erklärte, seine Eltern seien im Jahr 2016 wegen Grundstücksstreitigkeiten ermordet worden. Man habe es auch auf ihn als Einzelkind und somit einzigen Erben seiner Eltern abgesehen und so habe er zu seiner Tante fliehen und in weiterer Folge das Land verlassen müssen. Er sei damals homosexuell gewesen und das habe sich nur durch seine Frau geändert. Wer der Mörder seiner Eltern sei, wisse er nicht; sie haben auch das Haus niedergebrannt. Nach dem erfolglosen Versuch, bei der Botschaft einen Reisepass zu bekommen, sei er von einer Gruppe junger Männer zusammengeschlagen worden. Den beantragten Reisepass habe er nie bekommen.

 

Dass sein Freund umgebracht worden wäre oder dass die Familie seines Vaters seine Eltern umgebracht hätte, erwähnte er nicht mehr. Ganz im Gegenteil behauptete er sogar, nur seine Tante als einzig verbliebene Verwandte zu haben.

 

Diese Widersprüche wurden dem Beschwerdeführer vom erkennenden Richter vorgehalten, worauf er lediglich entgegnete: "Ja, meine Tante hat mich hinausgeworfen."

 

Die verschiedenen Versionen seiner Fluchtgeschichte sind derart unterschiedlich und in sich widersprüchlich, dass seinem Fluchtvorbringen zur Gänze die Glaubhaftigkeit abzusprechen war. Der Beschwerdeführer war keineswegs im Stande, lebensnahe oder zumindest gleichbleibenden Angaben dazu machen, welchen konkreten Verfolgungshandlungen er in Nigeria ausgesetzt war.

 

Ein weiteres Indiz für die persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist, dass er bis zuletzt darauf beharrte, ein Reisepass sei ihm nicht ausgestellt worden, obwohl ein solcher laut vorliegendem VIS-Abgleichsbericht samt CVIS-Datensatz und den geführten Dublin-Konsultationen auf seinen Namen ausgestellt wurde und noch bis zum 25.08.2021 gültig ist.

 

Zusammenfassend ist das Vorbringen durchgehend derart gestaltet, dass sich hieraus nachvollziehbar eine schlüssige, plausible Ausführung einer aktuellen, konkret gegen den Beschwerdeführer unmittelbar bestehenden Verfolgung i.S.d. GFK nicht ableiten lässt und war dem Beschwerdeführer als Person gänzlich die persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen.

 

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist der belangten Behörde somit zuzustimmen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen.

 

2.4. Zum Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

 

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Nigeria für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt wird eine nach Nigeria abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.

 

Der Beschwerdeführer wurden die aktuellen Länderberichte zu Nigeria im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung übermittelt und trat er diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nicht substantiiert entgegen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

 

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 1 sowie Abs. 2, § 10 Abs. 1 Z 3 sowie § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Status des Asylberechtigten

 

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2)...

 

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (...)

 

(4-5)...

 

Status des subsidiär Schutzberechtigten

 

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. ... ,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. ...

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. ...

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

 

(2) ...

 

(4) ...

 

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) ... ".

 

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Ziffer 1, sowie § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Rückkehrentscheidung

 

§ 52. (1) ...

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. ...

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ...

 

4. ...

 

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) ...

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

(10) ...

 

Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) ...

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(3) ..."

 

3.1.3 Die maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 1 Ziffer 2, Z 3 und Ziffer 5, Abs. 2 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

 

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

 

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

1.-4. ...

 

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

 

6.. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

 

7. ... Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt,

so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung."

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (Vergleiche auch die Verfolgungsdefinition im § 2 Abs. 1 Ziffer 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates verweist).

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279). Relevant ist eine wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Im vorliegenden Fall brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund vor, Nigeria aufgrund einer Verfolgung wegen Homosexualität bzw. wegen Grundstücksstreitigkeiten verlassen zu haben. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits dargestellt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung darlegen, bzw. war seinem Fluchtvorbringen aus den obgenannten Gründen die Glaubwürdigkeit zu versagen. Eine darüberhinausgehende persönliche Bedrohung oder Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

 

Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 Abs. 1 AsylG 2005 nur dann zu prüfen ist, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber in der Herkunftsregion seines Herkunftsstaats Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen (siehe VwGH 6.11.2018, Zl. Ra 2018/01/0106-12). Diesen Anforderungen konnte der Beschwerdeführer wie oben dargelegt jedoch nicht gerecht werden.

 

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass dem Beschwerdeführer unter der rein hypothetischen Annahme, dass sein Fluchtvorbringen als glaubhaft zu werten gewesen wäre, eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde (zu diesem Erfordernis vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 2011, Zl. 2008/01/0047). Im Fall einer tatsächlichen lokalen Privatverfolgung, wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, innerhalb Nigerias Schutz vor der von ihm behaupteten Gefahr zu suchen, da es sich bei ihm um einen gesunden Erwachsenen handelt, dem ein Ortswechsel ohne weiteres möglich gewesen wäre. Letzteres erschließt sich schon alleine aus dem Umstand, dass es dem Beschwerdeführer schließlich auch gelungen ist, aus Nigeria kommend nach Österreich einzureisen. Dass man ihn überall finden könne, wurde vom Beschwerdeführer weder substantiiert behauptet, noch ergibt sich selbiges aus dem Akteninhalt.

 

Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass in Nigeria kein Meldesystem oder nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert und es deshalb in der Praxis selbst für staatliche Behörden äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, nach Personen zu fahnden, weshalb dem Beschwerdeführer selbst bei Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens die Möglichkeit einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates offen stehen würde und er dadurch einer hypothetischen Verfolgung entgehen könnte.

 

Die vom Beschwerdeführer angedeuteten ökonomischen Schwierigkeiten erreichen keine asylrelevante Intensität. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründen wirtschaftliche Fluchtgründe keine asylrechtlich relevante Verfolgung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 28.06.2005, 2002/01/0414 oder vom 06.03.1996, 95/20/0110 oder vom 20.06.1995, 95/19/0040).

 

Eine über sein als unglaubwürdig beurteiltes Fluchtvorbringen hinausgehende persönliche Bedrohung oder Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.2 Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

 

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

 

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria - wie bereits unter Punkt II.2.3. dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

 

Außerdem besteht ganz allgemein in Nigeria derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Daran kann auch seine im Beschwerdeschriftsatz unsubstantiiert aufgestellte allgemeine Behauptung, er würde im Falle seiner Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten, nichts ändern. Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass die Situation im Falle seiner Rückkehr sehr schwierig sei, reicht dies nicht aus, um die reale Gefahr aufzuzeigen, dass er in die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bzw. des Todes kommen würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.

 

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Artikel 3 EMRK vergleiche VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, jung, gesund und arbeitsfähig und hat laut eigenen Angaben eine zwölfjährige Schulbildung sowie eine Ausbildung als Modedesigner genossen und seinen Lebensunterhalt teilweise als Tellerwäscher verdient. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb er seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht durch eine Aufnahme einer Tätigkeit bestreiten können sollte, selbst wenn er keinen familiären Anschluss in Nigeria haben sollte. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

 

Es ist dem Beschwerdeführer darüber hinaus auch unbenommen, gegebenenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der zuvor genannten Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der erstinstanzliche Ausspruch in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

 

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

 

3.2.3. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

 

Im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG).

 

Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

 

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

 

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

 

3.2.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hierfür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

 

Im Fall Useinov etwa erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung eines abgewiesenen mazedonischen Asylwerbers als zulässig, der während seines langjährigen Aufenthaltes von 1992 bis 2000 bzw. 2005 Vater von zwei Kindern geworden war, die aus einer wechselhaften Beziehung mit einer Niederländerin hervor gingen: Der Gerichtshof wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt mit der Fortsetzung seines Familienlebens in den Niederlanden rechnen konnte, da sein Verbleib auf niederländischem Territorium nur an das Abwarten der Entscheidung über seine Anträge geknüpft gewesen sei. In diesem Zusammenhang zog der Gerichtshof eine Parallele zu jener Konstellation, in der Personen, welche die Niederlassungsvorschriften nicht erfüllten, die staatlichen Behörden mit ihrer Anwesenheit im Territorium des Vertragsstaates vor vollendete Tatsachen stellten. Schließlich wertete er die Möglichkeit einer gemeinsamen Übersiedlung der gesamten Familie nach Mazedonien nicht als übermäßige Härte für die niederländischen Familienangehörigen und führte auch als Alternative die Aufrechterhaltung des Kontaktes von Mazedonien aus ins Treffen (EGMR 11.04.2006, 61292/00, Useinov v. Niederlande).

 

Der Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen betraf einen ebenfalls abgewiesenen nigerianischen Asylwerber, der während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen begründet hatte. Ungeachtet der Tatsache, dass während der (nach Abweisung des Asylantrages geschlossenen) Ehe eine gemeinsame Tochter geboren worden war, verstieß die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht gegen Art. 8 EMRK, weil dem Beschwerdeführer zu keiner Zeit ein Bleiberecht zugekommen und das Familienleben während eines Zeitraumes entstanden sei, in dem sein fremdenrechtlicher Aufenthaltsstatus in Norwegen unsicher gewesen sei, worüber sich der Beschwerdeführer bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren habe sein müssen. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Übersiedlung nach Nigeria erblickte der Gerichtshof keine unüberwindbaren Hindernisse für die Entwicklung des Familienlebens, wobei regelmäßigen Besuchen des Beschwerdeführers in Nigeria durch seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter jedenfalls nichts entgegenstünde (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen).

 

Im Hinblick darauf ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:

 

Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer in Österreich seit XXXX.05.2019 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebt mit ihr und ihrem Kind aus einer früheren Beziehung seit 21.11.2018 im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer führt daher ein Familienleben in Österreich, in welches durch die verfügte aufenthaltsbeendende Maßnahme eingegriffen wird. In Zusammenschau erweist sich dieser Eingriff jedoch aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen als gerechtfertigt.

 

Dem Beschwerdeführer musste nicht nur bekannt sein, dass die mit einer Antragstellung auf internationalen Schutz verbundene sogenannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung lediglich ein Aufenthaltsrecht für die Dauer des Asylverfahrens darstellt und es demnach vorhersehbar ist, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt, vielmehr musste dieser spätestens seit Mai 2017 aufgrund seines rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesenen Antrages auf internationalen Schutz samt Außerlandeserbringungsanordnung damit rechnen, jederzeit aus dem österreichischen Bundesgebiet abgeschoben werden zu können. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Frau waren sich des höchst unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers bewusst, und zwar schon, bevor sie einen gemeinsamen Wohnsitz begründeten und heirateten. Der Beschwerdeführer konnte daher zu keinem Zeitpunkt auf die künftige Führung eines gemeinsamen Familienlebens vertrauen.

 

Der nunmehr lediglich auf Basis der Anstrengung eines weiteren Asylverfahrens legitimierte Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und eine damit verbundene allfällige Intensivierung des Privat- bzw. Familienlebens kann im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sowie des EGMR keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden. Die nunmehr bestehende Situation liegt daher letztlich allein in der Verantwortung des Beschwerdeführers selbst. Das Gewicht eines allenfalls durch die Ausweisung beeinträchtigten Familien- und Privatlebens wird somit durch die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entstehung nicht darauf verlassen konnte, dieses in Österreich in Zukunft fortführen zu können, erheblich gemindert (vgl. EGMR 11.04.2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Kindeswohl bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 zu berücksichtigen (vgl zuletzt etwa VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0119, RS 2 mwN). Dies ergibt sich auch aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der EGMR hob in seiner ständigen Rechtsprechung hervor, dass bei der Abwägung, ob ein Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art 8 EMRK zulässig sei, das Kindeswohl stets vorrangig zu beachten ist (vgl. u.a. EGMR 21.12.2010, Anayo gegen Deutschland, Nr. 20578/07; EGMR 6.7.2010, Neulinger und Shuruk gg. die Schweiz, Nr. 41.615/07). Auf eine mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohles des Stiefkindes des Beschwerdeführers liegen im vorliegenden Fall jedoch keinerlei Hinweise vor, zumal der Beschwerdeführer das Vorliegen eines besonderen Näheverhältnisses gar nicht behauptet hat. Bezeichnend ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer seine nunmehrige Frau und seine Stieftochter in seiner Beschwerde vom 10.01.2019 noch gänzlich unerwähnt ließ und erst im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zum ersten Mal von ihnen erzählte.

 

Auch ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und insofern nicht zum gemeinsamen Unterhalt beigetragen hat. Zudem steht es seiner Ehefrau und ihrem Kind frei, den Kontakt mit dem Beschwerdeführer im Wege moderner Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten.

 

Die verfügte Rückkehrentscheidung stellt insofern keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers dar.

 

Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

 

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von etwas mehr als 2 1/2 Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt, zumal beim Beschwerdeführer auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vorliegen. Er spricht Deutsch auf dem Niveau A1 und verkauft laut eigenen Angaben eine Straßenzeitung. Ansonsten hat er keine integrativen Bemühungen erkennen lassen.

 

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt gegenständlich aber nicht vor bzw. wurde von ihm nicht vorgebracht; beim Beschwerdeführer ist besondere Vulnerabilität, etwa im Sinne einer Erkrankung, gegeben.

 

Es kann auch nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Nigeria ausgegangen werden, zumal er dort einen erheblichen Teil seines Lebens verbracht hat und dort sozialisiert wurde, er nach wie vor die dortige Sprache spricht und durchaus mit den regionalen Sitten und Gebräuchen vertraut ist - und kann im gegenständlichen Fall nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers gesprochen werden.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

 

Bei der gebotenen Interessensabwägung ist zu Lasten des Beschwerdeführers auch zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens durch Untertauchen dem Zugriff der österreichischen Behörden entzog. Es würde dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen, wenn das "Untertauchen" eines unrechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen dadurch belohnt würde, dass diesem Zeitraum wesentliches Gewicht beigemessen würde.

 

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in sein Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde. Daher war kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Asylgesetz zu erteilen.

 

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG abzuweisen war.

 

3.2.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

 

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 nach Nigeria zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist wie folgt auszuführen:

 

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

 

Ergänzend wird ausgeführt, dass im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht erkennbar ist, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch sonst liegen unzumutbaren Härten im Fall einer Rückkehr nicht vor: Der Beschwerdeführer beherrscht nach wie vor die Sprache, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würde.

 

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Nigeria - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Darüberhinaus liegt auch in dem Umstand, dass in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und somit auch keine Unzulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat. Ökonomische Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer hinsichtlich der allgemeinen Lage geltend gemacht, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründen jedoch wirtschaftliche Gründe keine asyl-rechtlich relevante Verfolgung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 28.06.2005, 2002/01/0414 oder vom 06.03.1996, 95/20/0110 oder vom 20.06.1995, 95/19/0040), weshalb das Vorliegen dieser Gründe eine Abschiebung nicht unzulässig macht.

 

Letztlich besteht in Nigeria derzeit ganz allgemein keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

 

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt. Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht.

 

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.

 

3.2.6. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

 

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Dies gründet auf der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und wurde in der Beschwerde auch nicht angefochten.

 

3.2.7. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

 

Mit Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 und 6 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil "das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht" und "gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist".

 

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass im Falle des Beschwerdeführers beide Voraussetzungen erfüllt sind. Einerseits war sein Vorbringen zur Bedrohungssituation im Heimatland offensichtlich frei erfunden und andererseits wurde sein erster Asylantrag in Österreich mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2017 in zweiter Instanz ohne in die Sache einzutreten zurückgewiesen und seine Außerlandesbringung nach Malta verfügt.

 

Wie oben unter Punkt 3.2.5 (Zulässigkeit der Abschiebung) bereits erläutert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung drohen oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein von Art. 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten (siehe Punkt 3.2.4. Rückkehrentscheidung). Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt, wie oben bereits ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG lagen nicht vor.

 

Daher war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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