BVwG W192 2129899-1

BVwGW192 2129899-14.1.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W192.2129899.1.00

 

Spruch:

W192 1436012-2/15E

 

W192 2129899-1/7E

 

W192 2129900-1/7E

 

W192 2129903-1/7E

 

W192 2159317-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2016 (1. - 4.) und 04.05.2017 (5.), Zahlen 1.) 821549607-140077777, 2.) 1095397302-151809285, 3.) 1095396708-151809331, 4.) 1095396806-151809293, 5.) 1150544606-170511428 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und § 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1.1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte nach illegaler Einreise am 25.10.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem er am selben vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Der Beschwerdeführer gab an, er gehöre der Volksgruppe der Georgier an, sei christlich-orthodox, habe im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule besucht und sei Landwirt gewesen. Im Herkunftsstaat würden sich seine Eltern und seine Ehegattin sowie drei Kinder aufhalten.

 

Er habe den Herkunftsstaat verlassen, weil er nach dem georgisch-ossetischen Krieg im Jahr 2008 mit seiner Familie in Süd-Ossetien verblieben sei, wo er bedroht und aufgefordert worden sei, nach Georgien zu gehen, um für das Militär Informationen zu beschaffen.

 

Am 23.05.2013 wurde der Erstbeschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Er brachte vor, dass er nach dem Krieg in Georgien keine Unterstützung erhalten habe. Er nehme an, dass er nicht als georgischer Staatsangehöriger registriert sei und befürchte, in Georgien als Spion beschuldigt zu werden. Seine Ehefrau und seine drei Kinder würden seit seiner Ausreise in Zentralgeorgien leben.

 

1.2. Mit Bescheid vom 04.06.2013 wies das Bundesasylamt diesen Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte diesem den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I). Auch wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und er gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 06.03.2014 eine Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. dieses Bescheides in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Bundesasylamtes, dass die Verfolgungsbehauptungen des Erstbeschwerdeführers nicht glaubhaft gewesen sind, abgewiesen. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Erstbeschwerdeführer am 07.03.2014 durch Hinterlegung im Akt zugestellt und ist rechtskräftig.

 

Gegen den Erstbeschwerdeführer wurde am 19.05.2014 die Untersuchungshaft verhängt.

 

1.3. Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Erstbeschwerdeführer mit Bescheid dieser Behörde vom 15.10.2014 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz i. V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei. Weiters erließ die Behörde gemäß § 53 Abs. 1, i.V.m. Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den Erstbeschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung ab. Der Bescheid wurde dem Erstbeschwerdeführer am 15.10.2014 durch persönliche Ausfolgung zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

 

Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.10.2014, Rechtskraft 23.06.2015, wurde der Erstbeschwerdeführer nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall StGB, § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 17 Monate bedingt für eine Probezeit von drei Jahren gerichtlich verurteilt.

 

2.1. Am 16.10.2014 stellte der Erstbeschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Erstbefragung am 17.10.2014 gab er an, dass er in den vier Monaten vor seiner Verhaftung an verschiedenen Orten, unter anderem auch im Obdachlosenheim gelebt habe und auch oft im Fahrzeug übernachtet habe. Am 17.05.2014 sei er festgenommen worden und am 15.10.2014, nach der bedingten Entlassung, zur Behörde überstellt worden. Der Erstbeschwerdeführer stelle neuerlich einen Asylantrag, weil er nicht an den Ort zurückkehren können, wo er gelebt habe. Man habe von ihm gewollt, dass er mit den Separatisten zusammenarbeite, was er aber abgelehnt habe und deshalb verfolgt worden sei. 2008 sei er während des Krieges durch eine Bombenexplosion an der Schulter verletzt worden.

 

In Georgien werde er verdächtigt, mit Separatisten zusammengearbeitet zu haben und er würde sofort festgenommen und gegen gefangene Georgier ausgetauscht. In Süd-Ossetien würde man ihn sofort töten.

 

Zu seiner in einem im Oktober 2014 ausgestellten Heimreisezertifikat festgestellten Identität brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er unter dem entsprechenden Familiennamen hier in Österreich in Facebook agiert habe, was man anlässlich seiner Festnahme gesehen habe, weshalb behauptet werde, dass dies sein Name sei. Aber dies sei nur ein erfundener Name, um nicht seine wahre Identität zu verraten. Der Erstbeschwerdeführer werde mit dem von ihm ursprünglich angegebenen Familiennamen in der Heimat gesucht.

 

2.2. Am 19.11.2015 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen Asyl. Er brachte vor, dass seine Angaben im Rahmen der Erstbefragung nicht der Wahrheit entsprechen und er heute die Wahrheit sagen wolle. Er erhalte in ein paar Tagen auch Papiere und Dokumente, die er vorliegen wolle. Die Angaben im Rahmen des ersten Asylverfahrens in Österreich seien richtig gewesen. Der Erstbeschwerdeführer sei seit 20 Tagen in Österreich und habe etwas Geld aus Deutschland mitgebracht. Jetzt habe er auch seine Familie hier, die aus Georgien eingereist sei. Die Ehefrau und zwei Kinder des Erstbeschwerdeführers seien auf dem Luftweg am 03.11.2015 nach Österreich gekommen und hätten ihre Reisepässe weggeworfen.

 

Der Erstbeschwerdeführer stelle neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz und habe neue Gründe und Dokumente, die er in ein paar Tagen vorlegen werde. Im ersten Asylverfahren in Österreich habe er Gründe angegeben, die er als politisch bezeichnen würde, er sei von Separatisten verfolgt worden. Die neuen Fluchtgründe könne man auch politische Gründe nennen, man habe den Erstbeschwerdeführer bezichtigt, dass er seine Heimat verraten habe. Der Erstbeschwerdeführer werde damals wie heute gesucht, weil er viel wisse. Dennoch werde er es diesen Männern nicht verraten, deswegen sei er geflüchtet. Damit meine er, dass er erneut in Österreich eingereist sei. Er werde Dokumente vorlegen, aus denen ersichtlich sei, dass er in der Armee gekämpft habe und verletzt wurde. Im Falle einer Rückkehr würde er die Geheimnisse, die er kenne, nicht erzählen. Er würde vielleicht ins Gefängnis gesperrt und würde keine Perspektive haben. Die Regierung habe den Erstbeschwerdeführer aus der Armee geworfen und er habe "die" verklagt, es stehe ihm eine Entschädigungszahlung zu, weshalb "die" ihn verfolgen würden. Zwei seiner Freunde aus der Armee seien schon zwei Jahre lang in Haft gewesen. Den Erstbeschwerdeführer habe man 2011 festgenommen, er sei zwei Tage lang festgehalten worden und habe dann gehen dürfen. Dann habe man ihn dauernd hinbestellt und verfolgt. Der Erstbeschwerdeführer sei der Chauffeur des Generals David Nairaschwili gewesen und habe sämtliche Gespräche des Generals mit dem Verteidigungsminister Batscho Achalaia und Innenminister Wano Merabischwili mitgehört. Der Erstbeschwerdeführer sei aus dem Dienst entlassen worden, weil er Kontakt mit Freunden aus der Flugabteilung gehabt habe. Diese seien nach der Rebellion in Mukhrovani im Jahr 2009 ebenfalls festgenommen worden. Der Erstbeschwerdeführer habe auch Freunde in der Panzerabteilung gehabt, die ebenfalls festgenommen worden sein. Merabischwili und Achalaia hätten diese Rebellion den Freunden aus der Panzer- und Flugabteilung in die Schuhe schieben wollen, in Wirklichkeit sei jemand anderes verantwortlich gewesen, nämlich General Otanadse. Nachdem Merabischwili und Alachaia festgenommen wurden, sei es möglich gewesen, die Geheimnisse offenzulegen. Diese Sache sei bis heute in Untersuchung und der Erstbeschwerdeführer habe Angst zu sagen, dass alles inszeniert gewesen sei. Die Freunde des Erstbeschwerdeführers hätten schon im Fernsehen gesagt, dass sie aussagen und alles erzählen werden, sobald eine Verhandlung stattfindet. Zum Vorhalt, dass es somit keine Geheimnisse mehr gebe, entgegnete der Erstbeschwerdeführer, dass er sehr viel wisse und die Regierung wolle, dass er alles aussage. Er wolle dies jedoch nicht, weil ihm niemand garantieren könne, dass er am Leben bleiben. Seine Verfolger seien die Männer von Merabischwili und Achalaia.

 

Die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers, die Zweitbeschwerdeführerin, stellte für sich und die beiden mit ihr eingereisten gemeinsamen minderjährigen Kinder, die Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dazu bei der Erstbefragung am 19.11.2015 an, dass sie mit ihren Kindern an 03.11.2015 mit georgischen Reisepässen und griechischen Visa aus Tiflis nach Wien geflogen seien. Sie habe Georgien wegen der Probleme ihres Mannes verlassen. Es habe mehrmals Drohungen und Verfolgungen auch gegen die Zweitbeschwerdeführerin gegeben. Sie habe Angst um sich und die Kinder gehabt und habe außerdem zum Erstbeschwerdeführer gewollt, damit die Familie zusammen sei. Für die mitgereisten Kinder würden dieselben Gründe geltend.

 

2.3. Am 13.04.2016 erfolgt eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA. Dabei legte er eine Heiratsurkunde sowie Geburtsurkunden von zwei seiner drei Kinder vor, aus denen sich die Identität des Erstbeschwerdeführers in Übereinstimmung mit der Eintragung im 2014 ausgestellten Heimreisezertifikat ergibt. Er brachte vor, dass sich seine Ehegattin und zwei seiner drei Kinder in Österreich befinden, sein drittes Kind sei bei seinen Eltern im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer sei gesund. Er habe seit seiner Geburt bis zur Ausreise in Oktober oder November 2012 an einer Adresse in Tiflis im Haus seiner Eltern mit seiner Gattin und den drei Kindern gelebt. Dort würden sich seine Eltern und seine Tochter aufhalten.

 

Der Erstbeschwerdeführer legte eine Entscheidung des Appellationsgerichtes Tiflis vom 04.08.2010 vor, wonach seine Beschwerde gegen einen Bescheid des Stadtgerichtes Tiflis vom 29.06.2010, worin er wegen des Besitzes von Marihuana zu einer Verwaltungsstrafe verpflichtet worden war, als unbegründet abgewiesen wurde, weiters den darauf bezogenen Strafantrag der Polizei und ein Gutachten vom 11.06.2010 über die kriminaltechnische Untersuchung des Suchtmittels.

 

Des weiteren legte der Erstbeschwerdeführer einen militärischen Identitätsausweis vor, wonach er seit 15.03.2004 beim georgischen Militär gemeldet sei, weiters einen Patientenbrief eines Militärkrankenhauses vom 26.02.2008, wonach er seit 15.10.2007 beim georgischen Militär beschäftigt sei und vor einem Jahr ein Trauma an der rechten Schulter erlitten habe und am 15.02.2008 operiert worden sei, weiters eine Bestätigung eines Arztes, wonach er am 30.10.2009 wegen einer Hauterkrankung ambulant behandelt worden sei, und eine Zahlungsbestätigung über 55 GEL vom 01.08.2008. Laut einem weiteren Gesundheitszeugnis vom 14.12.2009 sei er an einem akuten viralen Infekt erkrankt gewesen. Daneben legte der Erstbeschwerdeführer einen provisorischen Ausweis für Militärangehörige vom 01.05.2006, eine Bestätigung des georgischen Verteidigungsministeriums über eine Dienstfreistellung von 01.03.2009 bis 03.03.2009 aus gesundheitlichen Gründen und eine Bestätigung über seine Teilnahme an einem militärischen Training in der Zeit vom 06.07.2009 bis 01.08.2009 vor. Er präsentierte auch eine Ausfertigung einer Entscheidung einer Militärbehörde in Tiflis vom 09.08.2010, wonach der Beschwerdeführer wegen der Abwesenheit vom Dienst am 11.06.2010 nach Festnahme von der Polizei und wegen der erfolgten Bestrafung wegen Innehabung von Marihuana aus dem Militär entlassen werde.

 

Der Erstbeschwerdeführer gab an, dass er seinen eigenen Reisepass entsorgt habe. Er habe die Unterlagen beim ersten Asylverfahren nicht vorgelegt, weil er damals unter falschen Namen um Asyl angesucht habe, weil er verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer habe von 2004 bis 2006 den Grundwehrdienst absolviert und von 2007 bis 2010 beim Militär gearbeitet. Auf die Frage, ob er 2010 beim Militär gekündigt habe, führte er aus, dass er zuerst unter Druck gesetzt und danach entlassen worden sei. Als Grund brachte er vor, dass es 2009 in Mukhrovani einen Aufstand gegeben habe, an dem Freunde des Erstbeschwerdeführers beteiligt gewesen sei. Man habe den Erstbeschwerdeführer aufgefordert, gegen diese Freunde auszusagen und er habe dies verweigert, weshalb er unter Druck gesetzt und entlassen worden sei. Nach 2010 sei der Erstbeschwerdeführer durch seine Familie und seine Eltern unterstützt worden. Die dritte Tochter des Erstbeschwerdeführers gehe in Georgien zur Schule. Der Erstbeschwerdeführer habe auch in Deutschland 2015 einen Asylantrag gestellt und habe danach dieses Land verlassen, nachdem seine Familie 2015 nach Österreich gekommen sei.

 

Der Erstbeschwerdeführer räumte die in Österreich erfolgte strafgerichtliche Verurteilung ein und gab an, dass er in Georgien keine Strafrechtsdelikte begangen habe. Es bestehe gegen den Erstbeschwerdeführer kein Haftbefehl im Herkunftsstaat.

 

Als Gründe für die neuerliche Stellung des Asylantrages brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er nicht nach Georgien zurückkehren wolle, weil er dort unter Druck gesetzt würde, falsche Angaben über seine Freunde zu tätigen. Der Beschwerdeführer würde von Anhängern der nationalen Bewegung bedroht, um gegen namentlich genannte vier Freunde auszusagen. Nach dem Krieg von 2008 hätte eine Militärfeier stattfinden sollen und es seien im Krieg Freunde getötet worden, weshalb "sie" an der Feier nicht teilnehmen hätten wollen. Der damalige Verteidigungs- und Innenminister hätten den Protest gegen diese Feier als Aufstand angesehen und gegen die Einheit Panzer geschickt. Dies sei am 09.05.2009 geschehen, wobei 41 Personen als Landesverräter angeklagt worden seien. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht angeklagt worden, er hätte bei der Hauptverhandlung gegen seine vier genannten Freunde aussagen sollen. Diese seien verurteilt worden und hätten sich in Haft befunden. Sie seien nunmehr glaublich 2013 durch die neue Regierung enthaftet worden. Die vier genannten Freunde seien von der Regierung begnadigt worden. Derzeit seien zwei in Deutschland, einer in Afrika und einer halte sich in der Türkei und manchmal in Georgien auf.

 

Auf Nachfrage gab der Erstbeschwerdeführer an, dass es keine körperlichen Übergriffe gegen seine Person gegeben habe und er nur bedroht worden sei. Erstmals sei er im Sommer 2010 von zwei Männern, Vertretern des Verteidigungsministers, in Tiflis bedroht worden. Diese hätten ihm gesagt, dass sie vom Verteidigungsminister kommen. Der Erstbeschwerdeführer habe nicht gegen seine Freunde ausgesagt, sondern heimlich das Land verlassen. Die Freunde seien 2009 festgenommen und auch verurteilt worden. Der Erstbeschwerdeführer werde bis heute bedroht und wisse durch seine Frau, dass sie aufgesucht und gefragt worden sei, wo der Beschwerdeführer sich aufhalte. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht zur Polizei gegangen, um Anzeige zu erstatten, weil er selbst von der Polizei unter Druck gesetzt worden sei. Die Polizei habe ihm gesagt, er solle lieber aussagen, sonst würde er festgenommen.

 

Der Erstbeschwerdeführer lebe in Österreich mit seiner Frau und zwei Kindern und bestreite seinen Lebensunterhalt aus "Sozialgeld"; er sei nicht Mitglied eines Vereins oder einer Organisation und habe Kontakte zu österreichischen Freunden. Weiters halte sich ein Onkel seit zwölf Jahren in Österreich auf.

 

Am selben Tag erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor der Behörde. Sie brachte vor, dass sie bisher im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben getätigt habe. Das dritte gemeinsame Kind befinde sich bei ihren Schwiegereltern in Tiflis, da sie die Kosten für die Reise nicht aufbringen konnte. Die Zweitbeschwerdeführerin und ihre Kinder seien gesund und würden nicht in medizinischer Behandlung stehen. Sie habe im Herkunftsstaat von 2007 bis zu ihrer Ausreise in einem Haus gelebt, dass im Eigentum Ihrer Schwiegereltern gestanden sei. Sie habe auch wirtschaftliche Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gehabt, da sie drei Kinder zu betreuen hatte und nicht arbeiten habe können und deshalb von ihren Schwiegereltern abhängig gewesen sei. Nach der Einreise habe sie ihre Reisepässe ihrem Mann gegeben. Dieser bestätigte in der Einvernahme, dass er die Pässe "entsorgt" habe, weil er "es für notwendig hielt".

 

Die Zweitbeschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat elf Jahre die Schule besucht und dann eine Ausbildung als Näherin abgeschlossen. Sie habe nicht gearbeitet und sei von ihrem Mann, später durch ihre Schwiegermutter versorgt worden. Sie habe im Herkunftsstaat keine Delikte begangen, es bestehe kein Haftbefehl. Sie habe keine Probleme aufgrund der Volkszugehörigkeit gehabt. Als Grund für die Asylantragsstellung brachte die Drittbeschwerdeführerin vor, dass seit 2011 eine angespannte Situation in der Familie bestanden habe. Im August 2015 habe sie ein Mann am Oberarm angepackt und gefragt, wo der Erstbeschwerdeführer sei. Sie habe Angst auch um ihre Kinder gehabt und sei deshalb ausgereist. Sie glaube, dass sie bereits über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet worden sei. Es habe nur den beschriebenen Übergriff gegeben und sie wisse nicht, wer dieser Mann gewesen sei und was er genau gewollt habe. Er habe nur kurz nach dem Erstbeschwerdeführer gefragt und sie sei weggerannt.

 

Über die Gründe der Ausreise des Erstbeschwerdeführers wisse die Zweitbeschwerdeführerin nichts Genaues, er sage ihr nichts. Nach der Eheschließung 2007 habe der Erstbeschwerdeführer zwei oder drei Jahre für das Militär gearbeitet. Sie glaube nicht, dass er das Dienstverhältnis von sich aus gekündigt habe, kenne aber genaue Details nicht. Auf die Frage nach dem ausschlaggebenden Grund für "die Flucht" brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, sie sei nur wegen des Erstbeschwerdeführers ausgereist. Im Falle einer Rückkehr hätte sie Angst; sie wisse nicht, wovor. Man habe sie einmal am Oberarm angefasst. Sie wisse nicht, was im Falle einer Rückkehr passiere.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin lebe in Österreich gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern, welche beide einen Kindergarten besuchen. Der Lebensunterhalt werde durch Sozialhilfeleistungen bestritten und die Zweitbeschwerdeführerin besuche einen Deutschkurs.

 

Am 28.04.2017 stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für den mittlerweile in Österreich geborenen weiteren gemeinsamen Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, den Fünftbeschwerdeführer, einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, dass für des Kind keine eigenen Verfolgungsgründe vorliegen würden.

 

3. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und verfügt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Die Behörde stellte die Identität, Staatsbürgerschaft, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionsbekenntnis der Beschwerdeführer fest und führte begründend zusammengefasst aus, dass die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes unglaubhaft gewesen wären. Die Beweiswürdigung der Behörde zur negativen Feststellung der Glaubhaftigkeit der Verfolgungsbehauptungen der Zweitbeschwerdeführerin gründet sich auf den Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin bei der Erstbefragung von mehreren Drohungen und Verfolgungen gesprochen habe, während sie in der Einvernahme dezidiert ausgeführt hätte, dass sie [nur] einmal von einem Mann am Oberarm gepackt und nach dem Erstbeschwerdeführer gefragt worden sei. Die weiteren Angaben, wonach sie zwei Jahre beobachtet worden sei, habe sie nicht belegen können und ausgeführt, sie habe dies lediglich gespürt. Bei einem tatsächlichen Interesse am Aufenthaltsort des Erstbeschwerdeführers hätte man die Zweitbeschwerdeführerin nicht zwei Jahre lang beobachtet, sondern früher aufgesucht und es sei ihr Vorbringen unglaubwürdig.

 

Auch die Ausführungen, wonach die Zweitbeschwerdeführerin aus Angst um ihre Kinder den Herkunftsstaat verlassen habe, sei unglaubhaft, da sie ihre Tochter im Herkunftsstaat bei den Schwiegereltern zurückgelassen habe. Im Übrigen sei die Zweitbeschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, Hinweise auf das Bestehen einer Bedrohungssituation für ihren Ehegatten, den Erstbeschwerdeführer zu geben.

 

Die Beschwerdeführer hätten im Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte, seien gesund und hätten bei einer Rückkehr keine existenzbedrohende Notlage zu befürchten. Die Ehegattin und zwei Kinder des Erstbeschwerdeführers würden sich seit November 2015 als Asylwerber in Österreich aufhalten, ein weiterer Sohn sei hier geboren und eine weitere gemeinsame Tochter lebe in Georgien bei den Eltern des Erstbeschwerdeführers. Die Rückkehrentscheidung bilde keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Privat-und Familienlebens.

 

3. Gegen diese, den Beschwerdeführern am 01.06.2016 und 02.06.2016 bzw. am 08.05.2017 zugestellten Bescheide brachte der Erstbeschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde dem Erstbeschwerdeführer die Glaubwürdigkeit aufgrund bloß konstruierter Widersprüche seiner Angaben abspreche. Ein Widerspruch zwischen dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei 2010 von russischen und ossetischen Militärs angesprochen und zur Mitarbeit aufgefordert worden sowie dem späteren Vorbringen, man hätte von ihm verlangt, mit Separatisten zusammenzuarbeiten, sei nicht zu erkennen. Der Erstbeschwerdeführer sei aufgefordert worden, mit ossetischen Separatisten zusammenzuarbeiten. Er sei damals Kommandant einer Einheit von 70 Mann in einem Dorf an der Grenze gewesen und habe Informationen gehabt, die für die Separatisten wichtig gewesen wären. Es seien ein Russe und ein Ossete gewesen, die den Beschwerdeführer darauf ansprachen. Dieser habe jedoch abgelehnt und befürchte daher, auch von Separatisten verfolgt zu werden. Dazu komme aber weiters, dass Freunde von ihm beschuldigt worden seien, an einem Aufstandsplan gegen die damalige Regierung beteiligt gewesen zu sein. Dies sei relevant für die in Zukunft drohende Verfolgungsgefahr. Unter der Anschuldigung dieses Aufstandsplans seien 40 Militärangehörige, darunter vier Freunde des Beschwerdeführers inhaftiert worden. Diese hätten allerdings nicht wirklich mit Russen und Separatisten zusammengearbeitet, seien allerdings regierungskritisch eingestellt gewesen und man habe ihnen diesen Aufstandsplan unterschieben wollen. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht inhaftiert, sondern seitens des Verteidigungsministeriums aufgefordert worden, gegen seine Freunde auszusagen. Da er dies nicht getan habe, sei er bedroht worden und man habe ihm ein Drogendelikt untergeschoben. Zwei Freunde des Erstbeschwerdeführers hätten in Deutschland Asylanträge gestellt. Einer habe bei seiner Haftentlassung ein Interview für das georgische Fernsehen gegeben, indem er eine Wiederaufnahme des Verfahrens und eine neuerliche Gerichtsverhandlung gefordert habe. Diese Forderung habe die derzeitige Regierung nicht erfüllt. Im Falle einer Rückkehr müsse der Erstbeschwerdeführer befürchten, über seine ehemaligen Kameraden befragt zu werden, zumal diese weiterhin an ihrer Forderung nach Wiederaufnahme ihres Verfahrens festhalten und somit auch der jetzigen Regierung unbequem seien. Der Erstbeschwerdeführer beantrage, die Asylakten der genannten Personen aus Deutschland anzufordern, da diese sein Vorbringen bekräftigen.

 

Die Beschwerde hat es nicht unternommen, der Begründung der an die Zweitbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer ergangenen angefochtenen Bescheide konkret entgegenzutreten.

 

In der mit Schreiben vom 15.05.2017 ausgeführten Beschwerde gegen den an den Fünftbeschwerdeführer ergangenen Bescheid wurde auf den Inhalt der Beschwerden betreffend dessen Eltern verwiesen und weiters als Beleg von Integrationsbemühungen eine vom April 2017 bis Oktober 2017 gültige Beschäftigungsbewilligung für den Erstbeschwerdeführer als Pferdepfleger samt Versicherungsbestätigung vorgelegt.

 

4. Am 04.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Erstbeschwerdeführer teilgenommen hat. Dabei wurden die von ihm behauptete Betreuungssituation sowie die privaten und persönlichen Verhältnisse des Erstbeschwerdeführers im Herkunftsstaat und in Österreich erörtert. Der Erstbeschwerdeführer machte dabei trotz Aufklärung über seine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes teilweise keine Angaben bzw. verwies darauf, dass er Fragen nur im Beisein seines Rechtsvertreters beantworten wolle.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch angeführten Personalien, sind Staatsangehörige von Georgien und Angehörige der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Glaubensrichtung.

 

Der Erstbeschwerdeführer hat im Herkunftsstaat nach Absolvierung der Wehrpflicht von 2007 bis 2010 als Berufssoldat gearbeitet. Dem Erstbeschwerdeführer wurde im Juni 2010 wegen des Besitzes von Marihuana eine Verwaltungsstrafe auferlegt. Wegen dieses Vorfalls wurde der Erstbeschwerdeführer durch Entscheidung einer Militärbehörde vom 09.08.2010 aus dem Militärdienst entlassen.

 

Der Erstbeschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise erstmals am 25.10.2012 unter Behauptung einer falschen Identität in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit der rechtskräftigen Beschwerdeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.03.2014 sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten wegen fehlender Glaubhaftigkeit der Verfolgungsbehauptungen abgewiesen wurde.

 

In weiterer Folge traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit rechtskräftigem Bescheid vom 15.10.2014 die Entscheidung, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.10.2014 wurde der Erstbeschwerdeführer nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und Z. 2,130 vierter Fall StGB, § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon Freiheitsstrafe 17 Monate, bedingt, Probezeit drei Jahre gerichtlich verurteilt, wobei die Rechtskraft mit 23.06.2015 eintrat.

 

Der Beschwerdeführer stellte am 17.10.2014 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stand der Schubhaft. Er wurde am 24.10.2014 aus der Schubhaft entlassen und war in weiterer Folge unbekannten Aufenthalts.

 

Im November 2015 reisten die Zweitbeschwerdeführerin, die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers, und zwei gemeinsame minderjährige Kinder nach Österreich ein und stellten am 19.11.2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

 

Der Erstbeschwerdeführer, der sich nach eigenen Angaben von November 2014 bis Oktober 2015 in Deutschland aufgehalten und dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, trat am 19.11.2015 ebenfalls wieder vor der Behörde auf.

 

Für den in Österreich als Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin geborenen Fünftbeschwerdeführer wurde am 28.04.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Die Beschwerdeführer haben den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Ihre Verfolgungsbehauptungen waren nicht glaubhaft. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

 

Es besteht für die Beschwerdeführer als gesundes leistungsfähiges Ehepaar im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf mit gesunden Kindern im Falle einer Rückkehr nach Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Die Beschwerdeführer leiden an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, welche im Herkunftsstaat keiner adäquaten Behandlung zugänglich wären. Sie liefen auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

 

Die Beschwerdeführer bestreiten den Lebensunterhalt aktuell im Rahmen der Grundversorgung und gehen keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie haben keinen Deutschkurs besucht und keinen Nachweis über bereits vorhandene Deutschkenntnisse oder anderweitige Integrationsbemühungen vorgelegt. Sie haben im Bundegebiet keine nahen Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Bindungen.

 

Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer haben in Österreich einen Kindergarten besucht bzw. besuchen nun eine Schule. Die beiden minderjährigen Beschwerdeführer sind im Herkunftsstaat geboren, haben dort ihre erste Sozialisierung erfahren und befinden sich in einem anpassungsfähigen Alter. Der Fünftbeschwerdeführer ist auf Grund seines Lebensalters in seinen Beziehungen im Wesentlichen auf den Bereich seiner Kernfamilie beschränkt

 

Die Beschwerdeführer verfügen in Georgien unverändert über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Im Herkunftsstaat leben die Eltern des Erstbeschwerdeführers in einem eigenen Haus in Tiflis. Die gemeinsame Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin lebt bei diesen Eltern und besucht im Herkunftsstaat eine Schule. Die Beschwerdeführer haben von 2007 bis zu ihrer Ausreise im Haus der Eltern des Erstbeschwerdeführers gelebt und könnten im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wieder dort Aufnahme finden.

 

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).

 

Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018).

 

Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).

 

Quellen:

 

* Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788 , Zugriff 25.6.2018

 

* GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister , Zugriff 25.6.2018

 

* RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html , Zugriff 25.6.2018

 

Politische Lage

 

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

 

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

 

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

 

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

 

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

 

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

 

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

 

Quellen:

 

* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622 , Zugriff 26.3.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 9.4.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 26.3.2018

 

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true , Zugriff 26.3.2018

 

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true , Zugriff 26.3.2018

 

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

 

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html , Zugriff 26.3.2018

 

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians

In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html , Zugriff 26.3.2018

 

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt , Zugriff 26.3.2018

 

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html , Zugriff 26.3.2018

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

 

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

 

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

 

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

 

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0 , Zugriff 6.6.2018

 

* Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search , Zugriff 12.4.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 9.4.2018

 

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html , Zugriff 6.6.2018

 

* GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal , Zugriff 9.4.2018

 

* Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/ , Zugriff 12.4.2018

 

* Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/ , Zugriff 9.4.2018

 

* Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,

https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis , Zugriff 9.4.2018

 

Regionale Problemzone: Abchasien

 

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in denen sich ein de-facto politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur zu sehr geringem Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Passdokumenten und damit Freizügigkeit, Ausübung des Stimmrechts bei de facto-Präsidentschaftswahlen 2014, Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge, Ermöglichung von "Grenz"-Übertritten nach Georgien, Arbeitserlaubnis). Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Von Abchasien aus war es bislang gängige Praxis, dass Kinder ethnischer Georgier die Administrative Boundary Line (ABL) zum Schulbesuch auf dem georgischen Hauptterritorium regelmäßig überqueren konnten. Nach der Schließung von mittlerweile drei der fünf offiziellen Übergangsstellen verlängert sich der tägliche Schulweg aber so sehr (z.T. ca. 100 km einfach), dass diese Möglichkeit inzwischen kaum noch genutzt wird (AA 11.12.2017).

 

Die abchasische Regierung ist finanziell von Russland abhängig, das eine militärische Präsenz auf dem Territorium unterhält und zu den wenigen Staaten gehört, die die Unabhängigkeit Abchasiens anerkennen. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf, und die meisten Einwohner sind Berichten zufolge gegen eine formelle Annexion durch Russland. Während die lokalen Rundfunkmedien weitgehend von der Regierung kontrolliert werden, gibt es einige unabhängige Print- und Online-Medien. Die Versammlungsfreiheit wird in der Regel respektiert. Zu den anhaltenden Problemen gehören ein zutiefst mangelhaftes Strafrechtssystem und die Diskriminierung von ethnischen Georgiern (FH 1.2017).

 

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 20.4.2018).

 

Die Behörden in Abchasien lehnen weiterhin die Rückkehr von ethnischen georgischen Binnenvertriebenen an Orte ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts mit Ausnahme der Distrikte Gali, Ochamchira und Tkvarcheli ab. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat die Behörden wiederholt um Zusicherungen in Bezug auf die Rechte der Rückkehrer hinsichtlich des Daueraufenthalts, Freizügigkeit, Geburtenregistrierung und Eigentumsrechte gebeten. Generell haben die Vereinten Nationen gefordert, den Zugang der Rückkehrer zu politischen Rechten, gleichen Schutz vor dem Gesetz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und kulturelles Leben zu gewährleisten. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über die Rechtsstellung von Ausländern in Abchasien" geändert, um die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" zu ermöglichen, die den in Abchasien lebenden ethnischen Georgiern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern würde (UN-GA 3.5.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Regionale Problemzone: Südossetien

 

Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig (90% seines Budgets für 2016), und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus. Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Die Justiz unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 1.2017).

 

Russische Streitkräfte und De-facto-Behörden in Südossetien haben die Bewegungsfreiheit über die De-facto-Grenze weiter eingeschränkt und Dutzende von Menschen wegen "illegalen" Grenzübertritts kurzzeitig festgenommen und bestraft. Die zunehmende Umzäunung entlang der Verwaltungsgrenzen beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Anwohner, einschließlich des Rechts auf Arbeit, Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard, da der Zugang zu ihren Obstgärten, Weiden und Ackerland verloren ging (AI 22.2.2018).

 

In Südossetien leben kaum noch ethnische Georgier. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Als Ausnahme ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 11.12.2017).

 

Die südossetischen Behörden haben gegenüber UN-Vertretern ihre Offenheit für die Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Südossetien bekundet, allerdings hauptsächlich in den Bezirk Akhalgori und unter der Voraussetzung, dass sich die Personen nur dort aufhalten werden. Besuche im Bezirk Akhalgori scheinen für die Vertriebenen und ihre Angehörigen möglich zu sein. Die zuständigen südossetischen Behörden haben rund 4.300 neue Grenzübertrittsdokumente ("propusk") ausgestellt, die neben rund 1.000 südossetischen sogenannten "Pässen" auch das Überschreiten der Verwaltungsgrenze ermöglichen (UN-GA 3.5.2017).

 

Bei den Präsidentschaftswahlen in Südossetien am 9.4.2017 gewann der bisherige Parlamentsvorsitzende, Anatoly Bibilov mit 54,8% Prozent (PEC 12.4.2017). Der bisherige Amtsinhaber, Leonid Tibilov, der seitens Moskau unterstützt wurde, erhielt nur 30% (RFE/RL 11.4.2017; vgl. EN 12.4.2017). Analysten sahen nebst der schlechten Wirtschaftslage die Parteinahme des Kremls und die wachsende Präsenz russischer Offizieller im südossetischen Staatsapparat als Hauptursache für die Niederlage Tibilovs (EN 12.4.2017). Gleichwohl verfolgt der Sieger Bibilov im Unterschied zu Tibilov, der seine Politik der Interessenslage Russlands anpasste, eine möglichst schnelle Aufnahme in den russischen Staatsverband und folglich die Vereinigung mit Nordossetien. Hierfür schlug er bereits ein Referendum bis Ende 2017 vor (RFE/RL 11.4.2017). Die Europäische Union und USA verurteilten die Wahlen als unzulässig (EN 12.4.2017).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html , Zugriff 13.4.2018

 

* EN - EurasiaNet.org (12.4.2017): South Ossetia: Voters Opt Against the Kremlin Favorite, http://www.eurasianet.org/node/83221 , Zugriff 13.4.2018

 

* FH - Freedom House (1.2017): FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - South Ossetia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/south-ossetia , Zugriff 13.4.2018

 

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (11.4.2017): South Ossetia's Bibilov Wins Election, Puts Moscow In A Bind, http://www.rferl.org/a/south-ossetia-bibilov-victory-presidential-election/28424108.html , Zugriff 13.4.2018

 

* PEC - [südossetische Nachrichtenagentur]: Anatoly Bibilov won the presidential election with 54.8% of votes - the CEC, http://cominf.org/en/node/1166511548 , Zugriff 13.4.2018

 

* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf , Zugriff 13.4.2018

 

Rechtsschutz / Justizwesen

 

Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).

 

Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).

 

Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).

 

Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html , Zugriff 17.4.2018

 

* Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/ , Zugriff 7.6.2018

 

* Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789 , Zugriff 7.6.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 9.4.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 17.4.2018

 

* JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350 , Zugriff 7.6.2018

 

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html , Zugriff 7.6.2018

 

Sicherheitsbehörden

 

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).

 

Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).

 

Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).

 

Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).

 

Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html , Zugriff 18.4.2018

 

* Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding , Zugriff 18.4.2018

 

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html , Zugriff 17.4.2018

 

* NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political Presentation_ENG_version final.pdf, Zugriff 18.4.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 23.5.2018

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 11.12.2017).

 

Die Analyse der vom Amt des Chefanklägers Georgiens erhaltenen Informationen zeigt, dass die Untersuchung anhängiger Strafverfahren mit Vorfällen angeblicher Misshandlung verzögert und unwirksam ist. Dennoch haben die Behörden keine positiven Anstrengungen unternommen, um einen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch Strafverfolgungsbeamte einzurichten. Nach den Zehnmonatsdaten von 2017 ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Beschwerden wegen angeblicher Misshandlungen durch Polizeibeamte während und/oder nach Verhaftungen gestiegen. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich allerdings die Einschätzung von Vorfällen angeblicher Misshandlung verbessert (PD 10.12.2017).

 

Seit November 2016 erhielt die Georgian Young Lawyers' Association (GYLA) mindestens 20 Beschwerden wegen Folter und Misshandlung durch die Polizei und fünf durch das Gefängnispersonal. Laut GYLA haben die Behörden die Vorwürfe nicht wirksam untersucht (HRW 18.1.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html , Zugriff 6.6.2018

 

* PD - The Public Defender of Georgia (10.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia,

http://www.ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 18.4.2018

 

Korruption

 

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. Dies kann unter anderem in Form von Bestechungsgeldern, dem Austausch von Insiderinformationen und Einschüchterungen geschehen. Die Durchsetzung von Antikorruptionsmaßnahmen auf hohem Niveau fehlt (FH 1.2018; vgl. GAN 8.2017).

 

Insgesamt ist es dem Land gelungen, die Korruption zu reduzieren. Die georgischen Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung sind weitgehend im Strafgesetzbuch enthalten, das einen soliden Rechtsrahmen zur Eindämmung der Korruption im Land vorsieht, auch wenn die Durchsetzung, die durch die mangelnde Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden behindert wurde, in einigen Bereichen noch immer fehlt. Defizite bestehen beispielsweise im Justizwesen und im öffentlichen Auftragswesen (GAN 8.2017).

 

Die Anti-Korruptions-Behörde des Europarates, GRECO, lobte am 17.1.2017 den beträchtlichen Fortschritt bei der Reduzierung der Korruption in Georgien. Insbesondere wurden die Maßnahmen hervorgehoben, wonach öffentliche Vertreter, darunter Parlamentarier, Richter und Staatsanwälte der höheren Ebene ihr Vermögen deklarieren müssen. Laut GRECO sei es wichtig, diese Bestimmungen auf alle Staatsanwälte auszuweiten und diese konstant zu überprüfen. Hinsichtlich der Parlamentsabgeordneten empfiehlt GRECO die Veröffentlichung von Unvereinbarkeitsbestimmungen. Darüber hinaus sollte die Einflussnahme der Regierung und der Parlamentsmehrheit bei der Bestellung des Generalstaatsanwalts und der Aktivitäten des Rates der Staatsanwaltschaft reduziert werden (CoE 17.1.2017).

 

Am 26.9.2017 verabschiedete die Regierung eine überarbeitete nationale Antikorruptionsstrategie und einen neuen Anti-Korruptions-Aktionsplan für 2017-2018. Seit Januar 2017 hat Georgien ein Überwachungssystem für Vermögenserklärungen von Amtsträgern eingeführt (EC 9.11.2017).

 

Transparancy International platzierte Georgien in seinem "Corruption Perceptions Index 2017" auf Rang 46 (2016: 44 von 176 Ländern) von 180 Ländern (25.1.2017).

 

Quellen:

 

* CoE - Council of Europe (17.1.2017): Georgia should continue reforms to prevent corruption among parliamentarians, judges and prosecutors, says new Council of Europe report [DC004(2017)], https://www.coe.int/en/web/tbilisi/-/georgia-should-continue-reforms-to-prevent-corruption-among-parliamentarians-judges-and-prosecutors-says-new-council-of-europe-report , Zugriff 18.4.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 19.4.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 18.4.2018

 

* GAN - The Business Anti-Corruption Portal (8.2017): Georgia Corruption Report,

https://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/georgia , Zugriff 18.4.2018

 

* TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/GEO , Zugriff 18.4.2018

 

NGOs und Menschrechtsaktivisten

 

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen, und können in Einzelfragen auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 11.12.2017).

 

Ein wachsendes Netzwerk sog. "Watchdog"-NGOs hat seine Leistungsfähigkeit gesteigert, damit Bürgerrechte mittels Kampagnen vertreten werden. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 1.2018).

 

Trotz der Schwäche der NGOs in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielten sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft haben die NGOs die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

 

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 1.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf , Zugriff 19.4.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 19.4.2018

 

Ombudsperson

 

Die georgische Ombudsperson ist eine Verfassungsinstitution, welche den Schutz der Menschenrechte und Freiheiten innerhalb der Jurisdiktion überwacht. Die Ombudsperson stellt Verletzungen der Menschenrechte fest und trägt zu deren Wiederherstellung bei. Die Ombudsperson ist unabhängig in seinen Aktivitäten und gehört zu keiner Regierungsstelle. Sie überwacht die staatlichen Stellen, die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften, öffentliche Institutionen und Offizielle. Die Ombudsperson untersucht Menschenrechtsverletzungen sowohl auf der Basis eigener Initiative als auch infolge von erhaltenen Ansuchen. Sie unterbreitet Vorschläge und Empfehlungen in Bezug auf die Gesetzgebung und Gesetzesvorlagen aber auch in Richtung öffentlicher Institutionen aller Ebenen in Hinblick auf Menschen- und Grundrechtsfragen. Sie erfüllt gleichzeitig die Rolle als Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen (PD 2014).

 

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben (AA 11.12.2017).

 

NGOs zeigten sich 2017 infolge diskreditierender Erklärungen gegen die Ombudsperson [zum damaligen Zeitpunkt Ucha Nanuashvili] und die Ombudsmannstelle besorgt, die von den Vertretern der Legislative, Exekutive und Judikative, darunter hochrangige Regierungsbeamte, abgegeben wurden. In diesen Stellungnahmen reagierten letztere vor allem auf die Untersuchungsergebnisse der Ombudsperson im so genannten Cyanid-Fall. In ihrem Bericht hat die Ombudsperon auf die gravierenden Verfahrensmängel hingewiesen (Humanrights.ge 17.11.2017).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* Humanrights.ge (17.11.2017): Statement of NGOs about the Discrediting Campaign against the Constitutional Institute of Public Defender,

http://www.humanrights.ge/index.php?a=main&pid=19389&lang=eng , Zugriff 23.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (2014): Mandate, http://www.ombudsman.ge/en/public-defender/mandati , Zugriff 19.4.2018

 

Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Das georgische Verteidigungsministerium hat im Februar 2017 den Wehrdienst in den Streitkräften wieder eingeführt, acht Monate nachdem die damalige Verteidigungsministerin, Tina Khidasheli, die Wehrpflicht abgeschafft hatte. Nach der neuen Regelung werden die Wehrpflichtigen für drei Monate eine "umfassende" vorbereitende Kampfausbildung durchlaufen und für die verbleibenden neun Monate als diensthabende Offiziere dienen. Im Gegensatz zum bisherigen System werden die Wehrpflichtigen auch für die verbleibenden neun Monate täglich "Kampfvorbereitungsstunden" durchlaufen. Den Wehrpflichtigen werden freie Tage und ein verbessertes Angebot an Sozialleistungen eingeräumt. Die Grundwehrdiener werden die Berufsarmee bei deren täglichen Aufgaben unterstützen. Das Verteidigungsministerium sieht darin auch die Möglichkeit zur besseren Integration der ethnischen und religiösen Minderheiten. Georgien verfügt nun über ein Mischsystem aus Berufssoldaten und Wehrpflichtigen (civil.ge 15.2.2017, vgl. agenda.ge 14.2.2017).

 

Es besteht eine zwölfmonatige Wehrpflicht, die sowohl bei den Streitkräften als auch bei Polizei oder anderen Behörden abgeleistet werden kann. Zwangsrekrutierungen gibt es nicht. Diskriminierungen anhand von Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung sind nicht feststellbar. Es besteht der Eindruck, dass die georgischen Streitkräfte vorrangig ethnische Georgier mit georgisch-orthodoxer Religion als Zeit- und Berufssoldaten rekrutieren. Das Verteidigungsministerium hat aber angekündigt, spezielle Programme zur Integration ethnischer Minderheiten wie Azeri aufzulegen, um die Basis für Rekrutierungen künftig zu verbreitern (AA 11.12.2017).

 

Nach dem derzeitigen System bezieht sich die Einberufung auf 6-7.000 Personen pro Jahr. Die Stellung erfolgt zweimal im Jahr - im Frühjahr und im Herbst. Drei Regierungsbehörden rekrutieren Wehrpflichtige für ihre Bedürfnisse: das Verteidigungsministerium, das Innenministerium und das Ministerium für Justizvollzug. Nur 25% der Wehrpflichtigen kommen in die Armee. Der Rest dient in der Polizeiwache im Ministerium für Innere Angelegenheiten oder in der Bewachung von Gefängnissen. Die Betroffenen erhalten fast keine militärische Ausbildung und dienen, einschließlich der Bewachung von privaten Einrichtungen, entweder gratis oder für ein symbolisches Gehalt von 75 Lari (ca. 25 Euro) (JAMnews 12.4.2017).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* agenda.ge (14.2.2017): Compulsory military service reintroduced in Georgian Armed Forces, http://agenda.ge/news/74529/eng , Zugriff 19.4.2018

 

* civil.ge (15.2.2017): Defense Ministry Reinstates Conscription, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=29861 , Zugriff 19.4.2018

 

* JAMnews (12.4.2017): Military conscription in Georgia - defense of the homeland or free protection? https://jam-news.net/?p=31487 , Zugriff 19.4.2018

 

Wehrersatzdienst

 

Gemäß der Verfassung und der Gesetze sind alle männlichen Bürger im Alter von 18 bis 27 Jahren verpflichtet, sich der 12-monatigen Wehrpflicht in der Armee zu unterziehen. Eine Ausnahme ist für diejenigen erlaubt, die einen bestimmten Grund dafür haben, wie es das Gesetz vorsieht. Insbesondere sind dies: gesundheitliche Probleme, Begehung einer schweren Straftat oder Verbrechen von mittlerer Schwere, Erbringung von alternativen Dienstleistungen sowie mit einem besonderen Talent ausgestattete Personen. Das Bestehen eines solchen Talents wird durch ein spezielles Dekret des Premierministers bestätigt (JAMnews 12.4.2017).

 

Gemäß Kapitel 29 des Gesetzes über die militärischen Pflichten und den Militärdienst sind Personen, die einen nicht-militärischen, alternativen Arbeitsdienst abgeleistet haben, von der Wehrpflicht befreit. Laut Artikel 5 des Gesetzes über den nicht-militärischen, alternativen Arbeitsdienst, können Bürger als Gruppe oder als Einzelpersonen in folgenden Arbeitsbereichen den Dienst ableisten:

Rettungswesen, Feuerwehr, Umweltschutz; Ingenieurwesen, Reparaturwesen, Einrichtungen für zivile Zwecke; Organisationen oder Einrichtungen der Landwirtschaft; kommunale Dienstleistungen sowie im Gesundheitsschutz. Die Regierung billigt hierzu eine Liste der Zivildienstarbeiten und Einrichtungen, wo ein solcher Dienst abgeleistet werden kann. Überdies sieht das Gesetz vor, dass auf der Grundlage eines Regierungsbeschlusses Bürger, die einen alternativen Arbeitsdienst durchlaufen, auch zu Arbeiten im Zuge von Naturkatastrophen oder zu saisonalen Erntearbeiten eingesetzt werden können (OSCE 6.6.2017).

 

Es ist möglich, die Einberufung zu verschieben, zum Beispiel, wenn ein Wehrpflichtiger an einer Universität studiert oder krank ist, oder er Geistlicher wurde oder mehr als zwei kleine Kinder hat. Außerdem entgeht man der Einberufung, wenn man Geld, die notwendigen Verbindungen in der militärischen Melde- und Einberufungsstelle oder zumindest gute Beziehungen zu einem vertrauten Priester hat. Laut Gesetz kann man die Einberufung durch Zahlung von jährlich 2.000 Lari [ca. 670 Euro] aufschieben. Wehrpflichtige in Georgien haben gelernt, diese Liste der Ausnahmen geschickt zu nutzen. Diejenigen, die für die Aufschiebung der Wehrpflicht bezahlen, nehmen dafür oft ein Darlehen von der Bank in Anspruch, was natürlich ihre Familien belastet. Man kann jedoch nur eine Aufschiebung der Wehrpflicht kaufen, bis man 25 ist. Danach wird das fiktive Studium zum effektivsten Weg, um dem Wehrdienst zu entgehen. Der attraktivste Weg ist der Einstieg in ein zweijähriges Masterstudium an einer gebührenfreien Fakultät (es gibt nur 10 davon). Am Ende stellt sich heraus, dass die Ärmsten, die weder Geld noch die richtigen Verbindungen haben, in der Armee dienen (JAMnews 12.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Laut Artikel 389 des Strafgesetzbuches wird das willkürliche Verlassen einer militärischen Einheit oder eines anderen Dienstortes durch einen Wehrdienstleistenden zur Vermeidung des Wehrdienstes oder des Reservedienstes oder die Nichterscheinen zum gleichen Zweck mit einer Freiheitsstrafe von drei bis sieben Jahren bestraft. Ein Wehrdienstleistender oder Reservewehrdienstleistender, der zum ersten Mal eine solche Tat begeht, darf aus der strafrechtlichen Verantwortung entlassen werden, wenn die Desertion durch schwerwiegende Umstände verursacht wurde (LO 29.9.2016).

 

Quellen:

 

LO - legislation-online (29.9.2016): Criminal Code Of Georgia 1999, amended 2016, http://www.legislationline.org/documents/id/16049 , Zugriff 6.6.2018

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, so dass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Der vom Parlament eingesetzte Ombudsmann ist jedoch sehr aktiv. Er greift Einzelfälle auf und spricht Missstände aller Art regelmäßig öffentlich an (AA 10.12.2017).

 

Während des gesamten Jahres 2017 waren Fälle von Misshandlungen von Bürgern durch Polizeibeamte und die Untersuchung dieser Vorkommnisse die größten Herausforderungen. Auch die Rechte schutzbedürftiger Gruppen wurden verletzt. Diesbezügliche Fälle wurden nicht wirksam untersucht. Ungeachtet der bedeutenden Änderungen in der Gesetzgebung bestehen nach wie vor wichtige Herausforderungen in Bezug auf die Identifizierung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse Minderheiten und LGBTQ-Personen auch im Jahr 2017 unzureichend untersucht. Die verschiedenen Gewalttaten gegen diese Gruppen bleiben ungestraft, was im Widerspruch zu der positiven Verpflichtung Georgiens steht, einen angemessenen Schutz und die Sicherheit von Minderheiten zu gewährleisten. Der von den Regierungsvertretern angeblich ausgeübte Druck auf die Medien setzte sich auch im Jahr 2017 fort. Ein unabhängiger Ermittlungsmechanismus zur Untersuchung von Straftaten der Strafverfolgungsbehörden wurde auch im Jahr 2017 nicht geschaffen (HRC 2018).

 

Im Jahr 2017 ist die Zahl der durch religiöse Intoleranz motivierten Gewalttaten zurückgegangen, was auf eine rückläufige Tendenz bei ähnlichen Verbrechen hindeutet. Das Problem ist jedoch nicht gelöst, nämlich die Untersuchung der Fälle aus den Vorjahren ist größtenteils anhängig. Im Berichtszeitraum [2017] haben die Behörden friedliche Versammlungen nicht gestört und keine unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstranten angewandt. 2017 hat die Verfassungskommission ihre Arbeit abgeschlossen, wobei sie es versäumt hat, Fragen von grundlegender Bedeutung zu behandeln, wodurch die Grundrechtsschutznormen in einigen Fällen geschwächt wurden. Die neue, revidierte Verfassung sieht keinen unabhängigen Ermittlungsmechanismus für die Untersuchung von Folter und Misshandlung durch Strafverfolgungsbeamte vor. Das Fehlen eines zivilen Überwachungsmechanismus über Sicherheitssysteme bleibt problematisch. Im Jahr 2017 gab es keine massiven Verletzungen des Rechts auf Achtung des Privatlebens (PD 10.12.2017).

 

In den letzten Jahren wurde Kritik geäußert, wonach verschiedene sicherheitsrelevante Gesetze Behörden befugt sind, die Überwachung und Datenerfassung ohne angemessene Überprüfungsverfahren für solche Operationen durchzuführen. Die Verabschiedung eines Gesetzes im März 2017, das eine neue Überwachungsbehörde unter dem Mandat des Staatssicherheitsdienstes einrichten wird, hat Datenschützer beunruhigt, welche die Unabhängigkeit und die Aufsichtsmechanismen der neuen Behörde in Frage stellen (FH 1.2018).

 

Quellen:

 

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html , Zugriff 23.5.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 23.5.2018

 

* HRC - Human Rights Center (2018): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2017,

http://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/annual report 2018-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

 

* PD - The Public Defender of Georgia (10.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia,

http://www.ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 19.4.2018

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit Presse vor. Die Bürger können dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben, obwohl es Behauptungen gibt, die Regierung schütze sie zuweilen nicht ausreichend. Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft haben Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus geäußert. NGOs äußerten ihre Besorgnis darüber, dass die öffentliche Kritik der Regierung und ehemaliger Regierungsbeamter an der Zivilgesellschaft und den Medien, einschließlich der Forderung nach Untersuchungen gegen einzelne NGO-Funktionäre, und der politischen Zugehörigkeit von Medieninhabern, zu einer Selbstzensur bei Journalisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren führen (USDOS 20.4.2018).

 

Georgiens Medienlandschaft ist robust und wettbewerbsfähig, aber häufig parteiisch. Im Jahr 2017 wurde das Gerichtsverfahren über den Besitz des oppositionell ausgerichteten Fernsehsenders Rustavi 2 fortgesetzt; dies könnte den oppositionellen Charakter des Senders gefährden, der zu den meistgesehenen und vertrauenswürdigsten in Georgien gehört. Im März 2017 entschied der Oberste Gerichtshof Georgiens, die Kontrolle über die Station an seinen früheren Miteigentümer zurückzugeben, der mit der Regierungspartei "Georgischer Traum" verbunden ist. Der EGMR entschied, dass die Entscheidung ausgesetzt werden sollte, und warnte die Behörden, sich nicht in die redaktionelle Politik des Senders einzumischen (FH 1.2018, vgl. AA 11.12.2017).

 

Die Reformen der letzten Jahre haben die Transparenz des Medienbesitzes und den Pluralismus des Satellitenfernsehens verbessert, aber die Eigentümer bestimmen immer noch häufig die redaktionellen Inhalte. Gewalt gegen Journalisten kommt seltener vor, obwohl häufig von Drohungen berichtet wird. Georgien hat Dissidenten aus den Nachbarländern traditionell eine Zuflucht geboten, so dass die Entführung des aserbaidschanischen Dissidenten Afgan Mukhtarli in Tiflis im Jahr 2017 Schockwellen durch die Exilgemeinde auslöste. Er erschien auf mysteriöse Weise wieder in Polizeigewahrsam in Aserbaidschan, wo er wegen erfundener Anschuldigungen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Laut "Reporter ohne Grenzen" rangierte Georgien im "World Press Freedom Index 2018" auf Platz 61 von 180 Ländern und verbesserte sich um drei Ränge im Vergleich zu 2017 (RWB 2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , 23.5.2018

 

* RWB - Reporter Without Border (2018): Georgia - ?Media independence, the final frontier; 2016 World Press Freedom Index, https://rsf.org/en/georgia , Zugriff 23.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 23.5.2018

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Es gibt weder formelle noch informelle Einschränkungen oder Eingriffe der Regierung in die Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit (BTI 1.2018, vgl. AA 11.12.2017). Verfassung und Gesetz sehen in der Regel Versammlungsfreiheit vor. Während die Behörden routinemäßig Genehmigungen für Versammlungen erteilen, verhaftet die Polizei gelegentlich Teilnehmer an friedlichen Versammlungen oder schützt sie nicht vor Gegendemonstranten. Darüber hinaus äußern Menschenrechtsorganisationen ihre Besorgnis über die gesetzlichen Bestimmungen, dass politische Parteien und andere Organisationen die lokalen Behörden fünf Tage im Voraus informieren müssen, wenn sie sich im öffentlichen Raum versammeln wollen, was spontane Demonstrationen nicht möglich macht. Aktivisten stellten fest, dass die Versammlungsfreiheit für Mitglieder sexueller Minderheiten eingeschränkt blieb (USDOS 20.4.2018).

 

Die Polizei reagiert gelegentlich mit übertriebener Gewalt auf Demonstrationen. Im März 2017 wurde ein Protest in Batumi gegen unverhältnismäßig hohe Bußgelder wegen Verkehrsverstößen gewalttätig; die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, sodass es zu einer Reihe von Verletzten kam (FH 1.2018, vgl. HRC 2018).

 

Die politische Opposition kann ungehindert agieren und die bestehende Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen (AA 11.12.2017). Allerdings gab es Berichte, dass einige Regierungsvertreter und Unterstützer der Regierungspartei politische Oppositionelle sowie Mitarbeiter der Zentral- und Kommunalverwaltung, Lehrer und Gewerkschaftsmitglieder unter Druck setzten, auch durch Überwachungsmaßnahmen sowie durch angedrohte oder tatsächliche Entlassung. 2017, insbesondere während des Wahlkampfes vor den Kommunalwahlen im Oktober, gab es Berichte über Gewalt, Einschüchterung und Schikanierung von Vertretern der Oppositionsparteien sowie tatsächlichen oder angedrohten Kündigungen von Unterstützern der Opposition (USDOS 20.4.2018).

 

Die Regierung hat die Gesetze, die die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer vorsehen und gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung verbieten, nicht wirksam durchgesetzt. Die Verletzungen der Arbeitnehmerrechte blieben bestehen. Es gibt keine wirksamen Strafen oder Rechtsbehelfe für willkürlich entlassene Mitarbeiter. Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsrechte waren mit langen Verzögerungen verbunden (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf , Zugriff 23.5.2018

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , Zugriff 23.5.2018

 

* HRC - Human Rights Center (2018): Annual Report 2018, State of Human Rights in Georgia 2017,

http://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/annual report 2018-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 23.5.2018

 

Haftbedingungen

 

Die Inhaftierungsrate (257 pro 100.000 Einwohner) ist hoch. Die Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge sind in fast allen Einrichtungen nach wie vor begrenzt. Im März 2017 verabschiedete das Parlament in erster Lesung ein Gesetzespaket, das eine Reihe von Änderungen zur Verbesserung der Situation der Häftlinge vorsieht. Beispielsweise eine neue Einrichtung zur Vorbereitung der Häftlinge auf die Freilassung, verstärkte Nutzung von Hausarrest als Alternative zur Haft und Möglichkeiten der Hochschulbildung für Häftlinge mit geringem Risiko (EC 9.11.2017).

 

Seit dem Regierungswechsel im Herbst 2012 sind grundlegende Reformen im Strafrecht und Strafvollzug durchgeführt worden, die die Haftbedingungen in den georgischen Gefängnissen deutlich verbessert haben. Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen vor Ort (z.B. UNHCR) entsprechen die Haftbedingungen grundsätzlich den Standards (z.B. Zellengröße, Sauberkeit, Gesundheitsfürsorge, Behandlung durch Justizvollzugspersonal), zu denen Georgien aufgrund internationaler Übereinkommen verpflichtet ist. Dies wird durch die Erfahrungen von Häftlingen bestätigt. Die Überprüfung der Haftbedingungen gehört auch zu den ständigen Aufgaben des Ombudsmannes, der in seinem Jahresbericht ausführlich über Zustand und Entwicklung berichtet. Auch individuelle Beschwerden greift der Ombudsmann aktiv auf. Fälle von Misshandlungen, die in den Haftanstalten bis 2012 verbreitetet waren, sind nicht mehr erkennbar (AA 11.12.2017).

 

Die Ombudsfrau, Nino Lomjaria, lobte die jüngsten Reformen im Strafvollzug, stellte aber fest, dass es noch eine Reihe von Problemen gibt, die unbedingt gelöst werden müssen (PD 13.4.2018). Als Ergebnis der Überwachung von Strafvollzugsanstalten wurden folgende Probleme festgestellt: Die Rechte von Häftlingen in Einrichtungen mit hohem Risiko werden verletzt, Überwachungsvideos werden für zu kurze Zeit aufbewahrt, Häftlinge müssen sich während der Untersuchung vollständig ausziehen und Häftlinge haben nicht genug Platz (PD 1.5.2018).

 

Der [ehemalige] Ombudsmann meinte Ende 2017, dass die kriminelle Subkultur, die in den Gefängnissen existiert, eine große Herausforderung ist, die eine ernsthafte Gefahr der Misshandlung von Gefangenen darstellt und oft zu einem Grund für Gewalt und Einschüchterung unter Gefangenen wird (HRC 2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 23.5.2018

 

* HRC - Human Rights Center (2018): Annual Report 2018, State of Human Rights in Georgia 2017,

http://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/annual report 2018-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (1.5.2018): Public Defender Presents Report 2017 to Parliament's Human Rights and Civil Integration Committee,

http://www.ombudsman.ge/en/news/public-defender-presents-report-2017-to-parliaments-human-rights-and-civil-integration-committee.page , Zugriff 23.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (13.4.2018): Public Defender Meets with Minister of Corrections,

http://www.ombudsman.ge/en/news/public-defender-meets-with-minister-of-corrections.page , Zugriff 23.5.2018

 

Todesstrafe

 

1997 wurde die Todesstrafe abgeschafft (AA 11.12.2017, vgl. AI 3.2018).

 

Quellen

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* AI - Amnesty International (3.2018): Abolitionist And Retentionist Countrie As Of March 2018,

https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf , Zugriff 23.5.2018

 

Religionsfreiheit

 

Die georgische Verfassung, ein 2011 verabschiedetes Gesetz über die Zulassung religiöser Minderheiten und das Antidiskriminierungsgesetz von 2014 gewährleisten Religionsfreiheit. Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt. Ein Religionsrat bei der Ombudsperson mit Vertretern von 23 religiösen Organisationen fördert Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Die georgisch-orthodoxe Kirche besitzt eine privilegierte Stellung, aber auch andere religiöse Organisationen erhalten staatliche Förderung (AA 11.12.2017).

 

Die Verfassung sieht "völlige Religionsfreiheit", Trennung von Kirche und Staat und Gleichheit für alle ungeachtet der Religion vor. Sie verbietet Verfolgung aufgrund der Religion. Gesetze und Richtlinien gewähren der Georgisch-Orthodoxen Kirche Privilegien, die keiner anderen religiösen Gruppe gewährt werden. Im Laufe des Jahres 2016 untersuchte die Regierung 19 Fälle von mutmaßlichen Straftaten, die infolge religiöser Intoleranz begangen wurden. NGOs und die Ombudsmannstelle berichten von einem Mangel an wirksamen Ermittlungen zu Straftaten, die durch religiösen Hass motiviert sind (USDOS 15.8.2017).

 

Einige NGOs und religiöse Minderheitengruppen berichten weiterhin über den Widerstand der Regierung sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene gegen den Bau von Gebäuden für religiöse Zwecke durch religiöse Minderheitengruppen (HRC 2018, vgl. USDOS 15.8.2017).

 

Zu den Privilegien der Georgisch-Orthodoxen Kirche gehört auch die Immunität ihres Patriarchen. Religiöse Minderheiten - darunter Zeugen Jehovas, Baptisten, Pfingstler und Muslime - haben von Diskriminierung und Feindseligkeit, auch seitens georgisch-orthodoxer Priestern und Anhänger, berichtet und werden vom Staat unzureichend geschützt. Einige Gruppen religiöser Minderheiten haben Schwierigkeiten, von den lokalen Verwaltungen Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 1.2018).

 

2017 ist die Zahl der durch religiöse Intoleranz motivierten Gewalttaten zurückgegangen, was auf eine rückläufige Tendenz bei ähnlichen Verbrechen hindeutet. Das Problem ist jedoch nicht gelöst, nämlich die Untersuchung der Fälle aus den Vorjahren ist größtenteils anhängig. Religiöse Minderheiten sind in Georgien noch immer mit Hindernissen konfrontiert. Die Analyse der Fälle zeigt, dass es in einer Reihe von öffentlichen Schulen bei der Ausübung des Rechts auf Bildung Vorfälle gab, in denen das Recht der Schüler, ihre religiöse Identität zum Ausdruck zu bringen, eingeschränkt wurde. Es gab zudem Vorfälle religiöser Indoktrination, Proselytismus oder Zwangsassimilation im Bildungssystem (PD 5.12.2017).

 

Quellen

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html , Zugriff 23.5.2018

 

* HRC - Human Rights Center (2018): Annual Report 2018, State of Human Rights in Georgia 2017,

http://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/annual report 2018-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 23.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1408300.html , Zugriff 23.5.2018

 

Religiöse Gruppen

 

83% der Bevölkerung sind orthodox, 11% Muslime und 3% Anhänger der Armenisch- Apostolischen Kirche. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie, Religion und Heimatregion. Die meisten Georgier gehören der Georgisch-Orthodoxen Kirche an, einige - hauptsächlich ethnische Russen - gehören zu anderen orthodoxen Gruppen. Ethnische Aseris - meist shiitische Muslime - bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südöstlichen Region Kvemo-Kartli. Weitere Muslime sind die ethnisch georgischen Muslime in Adscharien und die tschetschenischen Kisten im Nordosten. Ethnische Armenier gehören meist zur armenisch-apostolischen Kirche und bilden eine Mehrheit in der südlichen Region Samtskhe-Javakheti. Katholiken, kurdische Jesiden, Griechisch-Orthodoxe, Juden sowie nicht-traditionelle religiöse Gruppen wie Baptisten, Zeugen Jehovahs, Pfingstbewegung, Hare Krishnas und Menschen ohne Bekenntnis machen 3% aus (USDOS 15.8.2017, vgl. auch CIA 16.5.2018, GIZ 9.2017).

 

Quellen:

 

* USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1408300.html , Zugriff 23.5.2018

 

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2017): LIPortal-Das Länder-Informations-Portal, Georgien, Religion, https://www.liportal.de/georgien/gesellschaft/#c7576 , Zugriff 6.6.2018

 

* CIA - Central Intelligence Agency (16.5.2018): The World Fact Book - Georgia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gg.html , Zugriff 29.5.2018

 

Ethnische Minderheiten

 

Gemäß Schätzungen aus dem Jahr 2014 sind 86,8% der Bevölkerung ethnische Georgier, 6,3% Aseri, 4,5% Armenier und 2,3% gehören anderen ethnischen Gruppen an. 87,6% der Bevölkerung sprechen offiziell Georgisch, 6,2% Aserisch, 3,9% Armenisch 1,2% Russisch, und 1% sprechen eine andere Sprache (CIA 12.1.2017).

 

Nach der Volkszählung von 2002 umfassten die Aseris noch 6,5%, die Armenier 5,7% und die Russen 1,5% der Bevölkerung. Die Zahl der Osseten und Abchasen außerhalb Abchasiens und Südossetiens ist zwar infolge des Krieges vom August 2008 zurückgegangen, aber das Ausmaß und die Dauer der Vertreibung sind nach wie vor schwer zu bestimmen (MRGI 2018).

 

In Bezug auf die Gleichbehandlung werden die Gleichstellungs- und Integrationsstrategie und die jährlichen Aktionspläne zur Integration ethnischer Minderheiten umgesetzt. Das Gesetz über die Staatssprache sieht vor, dass nichtstaatliche Sprachen in Gemeinden verwendet werden können, die von nationalen Minderheiten dicht besiedelt sind. Die derzeitige Umsetzung ist jedoch wegen des Fehlens eines Überwachungsmechanismus unbekannt. Die von der Ombudsperson vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung, die darauf abzielen, die Wirksamkeit des Durchsetzungsmechanismus im Rahmen des Gesetzes zu verbessern, sind seit 2015 anhängig (EC 9.11.2017).

 

Die Verfassung verbietet die Diskriminierung aufgrund der Religion oder der ethnischen Herkunft, und die nationalen Minderheiten genießen alle politischen Rechte, auch das Recht ihre Muttersprache im privaten und öffentlichen Raum zu verwenden. Georgien hat auch die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutze der nationalen Minderheiten ratifiziert, jedoch nicht die Europäische Charta für regionale oder Minderheitensprachen (ECRML). Die politische Teilnahme der nationalen Minderheiten ist begrenzt. Zu den Parlamentswahlen im Herbst 2016 nominierten etliche Parteien und Parteienbündnisse Kandidaten nationaler Minderheiten, allerdings wenige an aussichtsreichen Positionen. Die Minderheitensprachen wurden in den Minderheitengebieten, insbesondere in den aserischen, von den politischen Parteien und Kandidaten intensiv und ohne Hindernisse verwendet (OSCE 3.2.2017).

 

Eine gesellschaftliche Gleichstellung von Minderheiten kann allerdings auch von staatlicher Seite nicht ausreichend gewährleistet werden. Die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und damit ein sozio-ökonomischer Aufstieg bleiben vielen Angehörigen ethnischer Minderheiten aufgrund von mangelnder Kenntnisse der georgischen Sprache faktisch verwehrt. Auch spiegelt sich z.B. der Anteil der aserbaidschanischen und armenischen Bevölkerung in den Exekutivorganen nicht wider (AA 11.12.2017, vgl. USDOS 20.4.2018).

 

Staatliche Informationsquellen wie Fernsehen und Radio sind allein in georgischer Sprache verfügbar. Die georgische Regierung bemüht sich seit 2015 mit einem Aktionsplan die ethnischen Minderheiten, vor allem die im Süden Georgiens in kompakten Siedlungsgebieten lebenden Armenier und Aserbaidschaner, in die georgische Mehrheitsgesellschaft einzugliedern. Georgischer Sprachunterricht einerseits und Fernsehsendungen in Minderheitensprachen andererseits sollen die Integration fördern. Auch für Abchasen und Südosseten gibt es Angebote, auch um die Bevölkerung der abtrünnigen Gebiete positiv zu beeinflussen (AA 11.12.2017).

 

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit der durchgeführten Programme und der vom Staat verfolgten Politik im Bereich der zivilen Integration und des Schutzes der Rechte ethnischer Minderheiten stellte der Rat der nationalen Minderheiten unter dem Dach der Ombudsmannstelle fest, dass die den nationalen Minderheiten zur Verfügung gestellten Informationen über staatliche Dienstleistungen und Bemühungen staatlicher Stellen unzureichend waren. Es ist notwendig, die Beteiligung nationaler Minderheiten am Entscheidungsprozess zu fördern und ihre Vertretung zu verstärken, die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen zu ratifizieren und die Beteiligung von Frauen nationaler Minderheiten an zivilen und politischen Prozessen zu fördern (PD 7.5.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* CIA - Central Intelligence Agency (16.5.2018): The World Fact Book - Georgia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gg.html , Zugriff 29.5.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 17.4.2018

 

* MRGI - Minority Rights Group International (2018): World Directory of Minorities and Indigenous Peoples, Georgia, http://minorityrights.org/country/georgia/ , Zugriff 6.6.2018

 

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (3.2.2017): Georgia - Parliamentary Election - 8 and 30 October 2016, OSCE/ODIHR Election Observation Mission, Final Report, ,http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/297551?download=true , Zugriff 29.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (7.5.2018): Public Defender Evaluates Implementation of Action Plan 2015-2016 of State Strategy for Civic Equality and Integration, http://www.ombudsman.ge/en/news/public-defender-evaluates-implementation-of-action-plan-2015-2016-of-state-strategy-for-civic-equality-and-integration.page , Zugriff 29.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 29.5.2018

 

Relevante Bevölkerungsgruppen

 

Frauen

 

Im Mai 2017 ratifizierte Georgien das Übereinkommen des Europarates (Istanbul) zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Erfassung von Fällen häuslicher Gewalt bei der Polizei hat nach Aufklärungskampagnen und einer deutlichen Veränderung der öffentlichen Einstellung zugenommen. Die Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor hoch. Im Juni 2017 wurde eine behördenübergreifende Kommission für Gleichstellung, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt eingerichtet. Trotz der Bemühungen, die Gesetzgebung zu stärken und das Bewusstsein zu schärfen, ist die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nach wie vor hoch. Georgien liegt im Gender Inequality Index (GII) auf Platz 76 von 188 Ländern und im Global Gender Gap Index (GGGI) auf Platz 90 von 144 Ländern. Frauen sind in der Politik (15,33% im Parlament und 11,6% in den Gemeinden) und auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert (Erwerbsquote 58% gegenüber 78% bei den Männern) (EC 9.11.2017).

 

Mit der Ratifizierung der Konvention des Europarates von 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt hat der Staat im Jahr 2017 einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter getan. Das Übereinkommen erweitert die Mechanismen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen sowie zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Gewalt. Trotz erheblicher gesetzgeberischer Maßnahmen stellen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen in Georgien nach wie vor eine große Herausforderung dar und erfordern eine angemessene Reaktion des Staates. Nach Angaben der georgischen Generalstaatsanwaltschaft wurden im Zeitraum vom 1.1. bis zum 20.9.2017 Ermittlungen zu 22 Fällen von (versuchten) Frauenmord eingeleitet. Im laufenden Jahr 2017 wurden Probleme bei der Bewertung der Risiken von Gewalt gegen Frauen durch die Strafverfolgungsbehörden sowie bei der Überwachung der Einhaltung der erlassenen Unterlassungs- und Schutzmaßnahmen beobachtet. Nach Ansicht der Ombudsperson sind Maßnahmen zur Verhütung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen nicht wirksam, da es kein angemessenes System zum Schutz, zur Unterstützung und zur Rehabilitation von Gewaltopfern gibt. Infolgedessen bleiben die Strafverfolgung oder Wegweisung von Tätern und Fragen der psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Rehabilitation von Gewaltopfern problembehaftet (PD 5.12.2017).

 

Lokale NGOs und die Regierung betreiben gemeinsam eine 24-Stunden-Hotline und Unterkünfte für misshandelte Frauen und ihre minderjährigen Kinder. Plätze in den Schutzeinrichtungen sind begrenzt und nur vier der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).

 

Infolge eines Gesetzesvorschlages der Ombudsperson wurde ab 1.1.2017 die Schließung von Ehen unter 18 Jahren verboten. Dennoch bleibt die Problematik von Ehen Minderjähriger bestehen. Allerdings ist im Vergleich zu den Daten der Vorjahre ein Rückgang der frühen Mutterschaft zu beobachten: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 registrierte die Public Service Development Agency 382 minderjährige Mütter und 14 minderjährige Väter (PD 5.12.2017).

 

Die Gemeinderatswahlen von 2017 haben keine Fortschritte bei der gleichberechtigten politischen Beteiligung von Frauen gezeigt. Frauen machen nur 7,62% der Mitglieder aus, die in Selbstverwaltungsgremien unter dem Mehrheitssystem gewählt wurden. Es gibt nur eine Bürgermeisterin. Im Bereich der Frauenarbeitsrechte bestehen weiterhin Probleme. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum bleibt unkontrolliert. Obwohl sich der Staat mit der Unterzeichnung der Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet hat, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen, ist Georgien dieser Verpflichtung noch nicht nachgekommen (PD 5.12.2017).

 

Der Global-Gender-Gap-Index des World Economic Forums sah Georgien 2017 auf Rang 94 (2016 auf Platz 90) von 144 Ländern in Hinblick auf die Gesamtlage der Frauen. Beim Subindex "political empowerment" lag das Land wie 2016 auf Rang 114 (WEF 2017)

 

Quellen:

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 17.4.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 29.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 29.5.2018

 

* WEF - World Economic Forum (2017): The Global Gender Gap Report 2017, http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2017.pdf , Zugriff 29.5.2018

 

Kinder

 

Staatliche repressive Handlungen gegen Kinder gibt es in Georgien nicht. Jedoch ist die staatliche Unterstützung von Kindern - ob bei Bildung oder Sozialhilfe - gering, Kinderarmut wie auch Fehl- oder Unterentwicklung aufgrund von Mangelernährung ein erkennbar großes Problem. Die Mithilfe von Kindern zum Erwerb des Familieneinkommens insbesondere bei ethnischen Minderheiten ist verbreitet und akzeptiert, wodurch es zur Vernachlässigung der Schulpflicht kommt. Dem wird auch kaum von staatlicher Seite entgegen getreten (AA 11.12.2017).

 

Was die Rechte der Kinder betrifft, so ist die Kinderarmut nach wie vor weit verbreitet. Seit 2017 sind Kinderehen illegal. Das Gesetz über Adoption und Pflege wurde verabschiedet, das die direkte Adoption und die obligatorische Vorbereitung von Adoptiv- und Pflegeeltern sowie länderübergreifende Adoptionsverfahren im Einklang mit dem Haager Übereinkommen über die internationale Adoption verbietet. Im Dezember 2016 wurde ein interministerieller Rat zur Umsetzung der Konvention über die Rechte des Kindes eingerichtet. Die Deinstitutionalisierung der Kinderbetreuung ist noch nicht abgeschlossen; zwei große Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen sind weiterhin in Betrieb. Eine Reihe unregulierter Institutionen, die von lokalen Gemeinden, der georgischen orthodoxen Kirche und muslimischen Gemeinschaften finanziert und betrieben werden, arbeiten ohne angemessene Überwachung (EC 9.11.2017).

 

Trotz positiver Schritte zur Verbesserung des Rechtsrahmens bleibt die Situation im Bereich der Kinderrechte besorgniserregend. Laut den Daten der ersten zehn Monate des Jahres 2017 hat die Ombudsmannstelle auf der Grundlage von Anträgen sowie auf eigene Initiative 426 Fälle von Verletzungen der Rechte von Kindern untersucht. Die meisten von ihnen betrafen Gewalt gegen Kinder, Kinderarmut und unangemessene soziale Bedingungen sowie die Beziehungen zwischen Kind und Elternteilen. Der Berichtszeitraum war erneut durch eine hohe Zahl von Gewaltdelikten gegen Kinder in Familien, Pflege- und Bildungseinrichtungen gekennzeichnet. Zu den nach wie vor bestehenden Problemen gehört das Versäumnis, Opfer von Gewalt zu identifizieren und wirksame Maßnahmen zur Rehabilitierung und zum Schutz vor Gewalt durchzuführen. Die Gewalt gegen Kinder steht nach Ansicht der Ombudsperson in direktem Zusammenhang mit den in der Gesellschaft weit verbreiteten falschen Meinungen über die Erziehungsmethoden von Kindern und einer dominierenden Tendenz, die Interessen und Rechte des Kindes zu ignorieren. Trotz wiederholter Empfehlungen ist die körperliche Bestrafung von Kindern auf gesetzlicher Ebene noch nicht verboten worden. Die Situation in Bezug auf die Rechte von Kindern, die auf der Straße arbeiten und/oder leben, ist besonders besorgniserregend, da sich die von den verantwortlichen Stellen ergriffenen Maßnahmen oft als nicht wirksam und zeitgemäß erweisen (PD 5.12.2017).

 

Die Regierung ersetzt weiterhin große Waisenhäuser durch kleinere Pflegeelternhäuser. Nach Angaben des Sozialamtes wurden 302 Kinder in 46 Kleingruppenhäusern und 1.440 Kinder in verschiedenen Formen der Pflege untergebracht. Die Regierung gewährte Zuschüsse für die Hochschulbildung von Kindern in Heimen und Pflegefamilien, einschließlich einer vollständigen Deckung der Studiengebühren und eines Stipendiums, und leistete Soforthilfe für Pflegefamilien (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 29.5.2018

 

* PD - Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 29.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 29.5.2018

 

Bewegungsfreiheit

 

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, Georgien von Russland über Südossetien oder Abchasien zu betreten, da es keine offizielle Grenzkontrolle gibt. Wer auf diese Weise einreist, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bestraft werden. Wenn der Reisepass Ein- und Ausreisestempel von den separatistischen Behörden hat, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübertritt betrachten (Gov.UK 8.3.2017).

 

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 11.12.2017).

 

Die De-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Rentenleistungen, religiöse Dienste und Bildung zeigen. Dorfbewohner, die sich der Linie oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der de-facto Grenze mit Abchasien setzen die von den De-facto-Behörden auferlegten Grenzübertrittsregeln durch, indem sie Geldstrafen verhängen oder festgenommene Personen wieder freilassen. Entlang der De-facto-Grenze zu Südossetien haben russische Grenzschutzbeamte häufig Personen an die südossetischen Behörden überstellt. Der Staatssicherheitsdienst berichtet von Inhaftierungen durch die Behörden, die in der Regel zwei bis drei Tage dauern, bis der Häftling die festgesetzten "Bußgelder" bezahlt. Der EU-Beobachtermission (EUMM) waren 39 Personen bekannt, die entlang der administrativen Grenze mit Abchasien und 116 Personen, die entlang der Linie mit Südossetien inhaftiert waren (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* Gov.UK (29.5.2018): Foreign travel advice - Georgia, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/georgia/safety-and-security , Zugriff 29.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 29.5.2018

 

Visa-Liberalisierung

 

Die Visa-Liberalisierung für georgische Staatsbürger trat am 28. März 2017 in Kraft. Seitdem können Georgier, die Inhaber biometrischer Pässe sind, ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen (Kurzaufenthalte). Die nachhaltige Umsetzung der Benchmarks für die Visa-Liberalisierung bleibt eine Verpflichtung für Georgien, und in diesem Zusammenhang wurde ein umfassendes Überwachungssystem für Fluggäste, die in den Schengen-Raum reisen, eingerichtet und es wurden regelmäßig Informationskampagnen über die Regeln für visafreies Reisen durchgeführt. Am 9. Juni 2017 fand ein Treffen der Plattform für lokale Zusammenarbeit im Rahmen der Mobilitätspartnerschaft EU-Georgien statt. Die Schwerpunkte der Projekte der Partnerschaften sind: legale Migration und Mobilität, Bekämpfung irregulärer Migration sowie Wiedereingliederung und Asyl (EC 9.11.2017).

 

Mehrere EU-Länder sehen sich seit dem Wegfall der Visapflicht für Georgier mit einer drastisch gestiegenen Zahl unbegründeter Asylanträge von Georgiern konfrontiert. Die EU-Kommission ist sich nach eigenen Angaben des Problems bewusst, will aber vorerst weiter versuchen, den Missbrauch der Visafreiheit durch eine enge Zusammenarbeit mit der georgischen Regierung einzudämmen. Diese will mit einer öffentlichen Kampagne versuchen, ihren Staatsbürgern die Aussichtslosigkeit eines Asylantrags in EU-Staaten deutlich machen (DW 30.4.2018).

 

Das Problem wird noch komplizierter, denn unter den Asylbewerbern gibt es Georgier mit Strafregistern, Vergehen, die in den Schengen-Mitgliedsländern begangen werden und mit der Mafia verbunden sind. Trotz der Tatsache, dass Georgien 2003 erfolgreich gegen die Mafia und die organisierte Kriminalität vorgegangen ist, ist diese Gruppe nun weitgehend im Exil tätig. Das visafreie Regime hat es für sie noch einfacher gemacht, Menschen aus ihrem Heimatland zu rekrutieren. Die georgische Regierung kämpft ständig darum, die Zahl der Menschen, die aus dem Land fliehen, zu senken. In letzter Zeit hat sie Verordnungen ausgearbeitet, um die illegale Migration einzudämmen. Die Änderung des Nachnamens ist in Georgien zu einem weit verbreiteten Problem geworden, da Menschen, die nach Verbrechen in Europa nach Hause zurückgeschickt wurden, dieses Recht nutzen, um neue Identitäten anzunehmen und die Länder der Europäischen Union wieder zu erreichen. Das von der Regierung am 6.3.2018 verabschiedete Änderungsgesetz beschränkt das Recht, den Nachnamen zu ändern, mit Ausnahme der Fälle, in denen man seinen Nachnamen aufgrund von Heirat, Scheidung, Kinderadoption oder Vaterschaftsbestimmung ändert (SVI 9.3.2018).

 

Quellen:

 

* DW - Deutsche Welle (30.4.2018): Georgier missbrauchen Visafreiheit,

http://www.dw.com/de/georgier-missbrauchen-visafreiheit/a-43586945 , Zugriff 30.5.2018

 

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

* SVI - Schengen Visa Info (9.3.2018): Georgia's visa liberalization with European Union comes under threat, https://www.schengenvisainfo.com/georgias-visa-liberalization-with-european-union-comes-under-threat/ , Zugriff 30.5.2018

 

IDPs und Flüchtlinge

 

Nach Angaben des Ministeriums für Binnenflüchtlinge gab es mit Stand August 2017 278.155 Binnenflüchtlinge. UNHCR schätzte, dass 167.861 Personen sich in einer volatilen Sicherheitslage, die der von Binnenflüchtlingen ähnelte, befanden und somit Schutz und humanitäre Hilfe brauchten. Hierzu zählen auch Personen, die nach Abchasien und Südossetien entlang der Verwaltungsgrenze zurückgekehrt waren. Das für die Binnenflüchtlinge zuständige Ministerium gewährt monatliche Beihilfen für anerkannte Binnenflüchtlinge und fördert deren sozioökonomische Integration (USDOS 20.4.2018).

 

Etwa 54% der Binnenvertriebenen in dem von der Regierung verwalteten Gebiet hat keine Unterkünfte, die als bewohnbar angesehen werden können, und viele leben in baufälligen Gemeindeeinrichtungen, denen es an grundlegenden Dienstleistungen wie Trinkwasser, angemessenen sanitären Einrichtungen und Abwassersystemen mangelt. Etliche Binnenvertriebene leben weiterhin unter prekären Bedingungen mit unzureichendem Zugang zu Versorgungsleistungen und wirtschaftlichen Perspektiven (UDOS 20.4.2018, vgl. PD 5.12.2017).

 

Die Ergebnisse des Monitorings durch die Ombudsmannstelle zeigen, dass Binnenvertriebene zu wenig am Entscheidungsprozess bei der Zuteilung von Wohnraum beteiligt sind. Es gibt immer noch ein Problem mit den so genannten semi-eigenen Unterkünften, die trotz mehrfacher amtlicher Prüfungen noch nicht vollständig privatisiert, d. h. den Binnenflüchtlingen als Eigentum übergeben wurden. Laut Ombudsperson ist es unerlässlich, die staatlichen Unterkünfte, die sich bereits im rechtmäßigen Besitz von Binnenvertriebenen befinden, in ihren Privatbesitz zu überführen (PD 5.12.2017).

 

Zwischen 45.000 und 60.000 Personen sind nach Abchasien, in die Bezirke Gali, Tkvartscheli und Otschamtschire zurückgekehrt. Allerdings verwehren die abchasischen Defacto-Behörden eine Rückkehr der georgischen Binnenflüchtlinge in andere Gebiete Abchasiens. Personen [ethnische Georgier], die ihr im Zuge der Kriegshandlungen in den Jahren 1992-93 verlassenes Eigentum in Abchasien zurückforderten, wurden 2008 per Gesetz enteignet. Rückkehrer können ihr Eigentum in Abchasien nur verkaufen, aber keines erwerben. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über den rechtlichen Status von Ausländern" in Abchasien geändert, das die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" vorsieht, die den weiteren Aufenthalt von georgischen Binnenflüchtlingen in den drei Bezirken Ostabchasiens regeln soll. Am 30.3.2017 wurde ein Dekret verabschiedet, das die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für Ausländer regelt. Während das Dokument einige Rechte bietet, muss der Inhaber den Status eines Ausländers (d.h. eines Georgiers, der als Ausländer in Abchasien lebt) akzeptieren und eine Reihe von Einschränkungen akzeptieren. Die Bewilligung sieht keine politischen Rechte oder Wohn- oder Eigentumsrechte vor (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

* PD - Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html , Zugriff 30.5.2018

 

Grundversorgung

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Qualität der einheimischen Produkte ist zufriedenstellend. Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL (ca. 24 EUR monatlich;

Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL (ca. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Lebensminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (2014: 1,4 Mrd. USD, insbesondere aus Russland, Griechenland, Türkei, Italien) - die im Zuge der wirtschaftlichen Krisen in den Hauptursprungsländern Russland und Griechenland seit Mitte 2014 deutlich zurückgegangen sind (AA 11.12.2017).

 

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos und verarmt. 10% der GeorgierInnen leben in Armut. Vor allem die BewohnerInnen der ländlichen Gebiete in den Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende intern Vertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten AuslandsmigrantInnen machen mit ca. 24% einen nennenswerten Anteil des Volkseinkommens aus (ADA 9.2017).

 

Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2015 sind 67,5% der erwerbsfähigen Bevölkerung in Arbeit (in Städten 59,9% und in ländlichen Gegenden 75,2%). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den geringvergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Menschen (ca. 44,4 %) sind noch lange im Ruhestand erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25 Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren. Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2017).

 

Die Arbeitslosenquote betrug 2017 13,9%. Das Durchschnittseinkommen lag 2016 bei 940 Lari - 1117 Lari bei den Männern und 731 Lari bei den Frauen (GeoStat 2018).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* ADA - Austrian Development Agency (9.2017): Georgien - Länderinformation,

http://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Sept2017.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

* GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2018): Employment and Wages,

http://geostat.ge/index.php?action=page&p_id=143&lang=eng , Zugriff 30.5.2018

 

* IOM - International Organization for Migration (2017):

Länderinformationsblatt GEORGIEN, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_Georgien_DE.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

Sozialbeihilfen

 

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

 

* Existenzhilfe

 

* Reintegrationshilfe

 

* Pflegehilfe

 

* Familienhilfe

 

* Soziale Sachleistungen

 

* Sozialpakete

 

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von 10-60 GEL pro Familienmitglied rechnen. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft Schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet es:

Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer des Menschenhandels, Krisenzentren, Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt (IOM 2017).

 

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie Vorort, wobei in der "Familiendeklaration" der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: 60 GEL für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied 60 GEL und alle anderen 48 GEL pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen "Haushaltsunterstützung" oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

 

Pensionssystem:

 

Es gibt nur ein staatliches Pensionssystem. Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein):

 

* Rentenalter: männlich 65 Jahre; weiblich 60 Jahre;

 

* Behindertenstatus;

 

* Tod des Hauptverdieners

 

Registrierung: Antrag bei einem dem Wohnsitz am nächsten Sozialamt (Social Service Centre) stellen, die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom Georgischen Rentensystem ausgeschlossen (IOM 2017).

 

Die staatliche Alterspension (universal) beträgt 180 Lari pro Monat. Die Leistungen werden ad hoc angepasst. Staatliche Ausgleichszahlungen werden als Pauschalbetrag von bis zu 1.000 Lari zu gleichen Teilen unter den Familienmitgliedern aufgeteilt. Die Invaliditätsleistung als Sozialhilfe beträgt 180 Lari pro Monat für eine Gruppeninvalidität erster Stufe und 100 Lari für eine zweiter Stufe. Die Leistungen werden ad hoc angepasst (US-SSA 2016).

 

Das Recht auf Karenz- und Pflegeurlaub gewährt 730 Tage, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal 1.000 GEL (SSA o.D.b.).

 

Quellen:

 

* IOM - International Organization for Migration (2017):

Länderinformationsblatt GEORGIEN, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_Georgien_DE.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

* SSA - Social Service Agency (o.D.a.): Pecuniary Social Assistance (Subsistence Allowance),

http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=35 , Zugriff 30.5.2018

 

* SSA - Social Service Agency (o.D.b.): Reimbursement of leave for maternity and childcare, as well as for adoption of a new-born child, http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=375 , Zugriff 30.5.2018

 

* US-SSA - Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific 2016 - Georgia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/georgia.html , Zugriff 30.5.2018

 

Medizinische Versorgung

 

Die Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) kostenlos gewährleistet. Anhand privater Krankenversicherungen kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus Deutschland (AA 11.12.2017).

 

Das staatliche Gesundheitssystem umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen.

Universal Health Care:

 

* Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

 

* Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt

 

* Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

 

* Dialyse ist ebenfalls gewährleistet

 

* Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit

 

* Kontakt beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health) und Einschreiben bei der nächstliegenden Klinik

 

Zugang, besonders für Rückkehrer:

 

Auswahl und Voraussetzungen: Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert, hierfür muss lediglich die nächstgelegene

Klinik aufgesucht werden. Registrierung: für georgische Staatsbürger genügt es im Krankheitsfall eine Klinik aufzusuchen, alle medizinischen Einrichtungen sind an der staatlichen Krankenversicherung beteiligt. Die Versicherung übernimmt 70-80% der Kosten, der Rest muss von dem Patienten beigesteuert werden.

Benötigte Dokumente: nur gültiger Ausweis

 

Unterstützung:

 

Übernahme der Kosten bei Behandlungen nicht-stationärer Patienten (100%), Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt (70-100%), einige Notfallbehandlungen (100%), notwendige Operationen (70%), Chemotherapie (80% bis zu Gesamtkosten von 12.000 GEL), Geburten (bis zu 500 GEL), Kaiserschnitte (bis zu 800 GEL)

 

Kosten: Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Rentner zahlt der Staat zusätzlich monatlich 100 GEL pro drei Monate (ausgegeben von Bürgerämtern)

 

Verfügbarkeit und Kosten von Medikamenten:

 

Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die Universal Health Care nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Warteschlangen möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die Staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer

Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True

TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem die Verschreibung zu erhalten (IOM 2017).

 

Anfallende Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, können gemäß dem staatlichen Programm zur Abdeckung von Dienstleistungen bei der zuständigen Kommission des Ministeriums, JPÖR, mittels entsprechenden Antrags eingebracht werden und um Kostenersatz ersucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).

 

Einwohner der separatistischen Gebiete Abchasien und Südossetien werden in den georgischen Krankenhäusern auf Basis eines von der Regierung finanzierten Programms kostenlos versorgt. Diese wird wegen des vergleichsweise hohen medizinischen Standards auch in Anspruch genommen. Während Einwohner Südossetiens über den Umweg aus Russland nach Georgien einreisen, erlauben die abchasischen Behörden den direkten Übertritt nach Georgien. Während unter der Regierung von Expräsident Saakashvili die Betroffenen zuerst die georgische Staatsbürgerschaft erlangen mussten, war es unter der Nachfolgeregierung des "Georgischen Traums" nur mehr notwendig, einen Wohnsitz in Abchasien oder Südossetien nachzuweisen (JF 9.3.2015).

 

Quellen:

 

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

 

* IOM - International Organization for Migration (2017):

Länderinformationsblatt GEORGIEN, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_Georgien_DE.pdf , Zugriff 30.5.2018

 

* JF - The Jamestown Foundation (9.3.2015): Why Are Ossetians and Abkhazians Coming to Georgia for Medical Treatment? https://jamestown.org/program/why-are-ossetians-and-abkhazians-coming-to-georgia-for-medical-treatment/ , Zugriff 30.5.2018

 

* VB - Verbindungsbeamter des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.5.2018): Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales per Mai

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführers und den vorgebrachten Fluchtgründen:

 

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer, über ihre persönlichen und familiären Verhältnisse und ihren Gesundheitszustand ergeben sich aus ihren dahingehenden Angaben vor dem BFA, aus dem für den Erstbeschwerdeführer ausgestellten Heimreisezertifikat, aus den der Behörde nach Einreise der Zweitbeschwerdeführer vorgelegten personenstandsrechtlichen Dokumenten sowie den vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Unterlagen betreffend seine Tätigkeit beim georgischen Militär.

 

Die Feststellung zur erstmals 2012 illegal erfolgten Einreise des Erstbeschwerdeführers in das Bundesgebiet und das Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus dessen Angaben und den entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeschwerdeführers ergibt sich aus der dem BVwG vorliegenden Urteilskopie.

 

Die Feststellungen über die neuerliche Einreise des Erstbeschwerdeführers im November 2015 und seinen davor erfolgten Aufenthalt in Deutschland sowie über die erstmalige Einreise seiner Ehegattin und zweier seiner Kinder zur selben Zeit zur Stellung von Anträgen auf internationalen Schutz ergeben sich aus den entsprechenden Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren. Die in Österreich erfolgt Geburt des Fünftbeschwerdeführers und Stellung eines Asylantrages ergibt sich aus den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren und aus den Verwaltungsakten.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer als Person als nicht glaubhaft anzusehen ist.

 

So hat der Erstbeschwerdeführer bei Stellung seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz nach Vorhalt seiner sich aus dem für ihn ausgestellten Heimreisezertifikat ersichtlichen Identität behauptet, dass es sich dabei nicht um seine richtige Identität handle, sondern diese von ihm bloß im sozialen Netzwerk benutzt worden wäre, während er tatsächlich unter seiner im Verfahren über den ersten Asylantrag behaupteten [tatsächlich falschen] Identität im Herkunftsstaat gesucht werde. Der Erstbeschwerdeführer hat letztlich nach der später im Verfahren erfolgten Vorlage der personenstandsrechtlichen Dokumente und der Dokumente betreffend seine Militärdienstleistung eingeräumt, dass er diesbezüglich falsche Angaben getätigt hat und dies auch in der mündlichen Verhandlung am 04.01.2019 bestätigt. Dieser Vorfall lässt aber erkennen, dass der Erstbeschwerdeführer bereit und in der Lage ist, gegenüber der Behörde wahrheitswidrige Angaben zu tätigen, um dadurch aus seiner Sicht vorteilhafte Positionen für eine günstige Entscheidung im Verfahren zu schaffen.

 

Der Erstbeschwerdeführer hat auch selbst im Verfahren über seinen zweiten Asylantrag gegenüber der Behörde und auch im Verfahren über den ersten Asylantrag der Zweitbeschwerdeführerin eingeräumt, dass er die Reisepässe der Familie vernichtet bzw. weggeworfen hat. Dies hat er letztlich auch in der mündlichen Verhandlung am 04.01.2019 bestätigt, wobei er die Bekanntgabe von Gründen verweigert hat. Es liegt auf der Hand, dass der Erstbeschwerdeführer die Reisedokumente seiner Familie deshalb vernichtet hat, um der Behörde eine etwaige Rücküberstellungen in den Herkunftsstaat zu erschweren oder diese zumindest zu verzögern.

 

Auch der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu einzelnen Fragen Angaben verweigert hat bzw. jeweils vorgebracht hat, er wolle dazu Angaben nur in Gegenwart seines Anwaltes tätigen, lässt erkennen, dass er seiner Verpflichtung zur Mitwirkung im Verfahren deshalb nicht nachkommt, weil er einen etwaigen für ihn ungünstigen Abschluss des Verfahrens vereitelt oder zumindest verzögern möchte.

 

Der Erstbeschwerdeführer hat im Verfahren zur Stützung seiner Asylanträge immer wieder unterschiedliche nicht belegte Bedrohungssituationen behauptet und dazu teilweise danach auch eingeräumt, dass seine Angaben nicht den Tatsachen entsprochen haben.

 

So hat der Beschwerdeführer im Verfahren über seinen ersten in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz behauptet, mit seiner Familie nach dem bewaffneten Konflikt im Jahr 2008 in Süd-Ossetien aufhältig gewesen und aufgefordert worden zu sein, nach Georgien zu gehen, um Informationen zu beschaffen. Diese Angaben wurden in der rechtskräftigen Entscheidung über diesen ersten Antrag auf Internationalen Schutz als nicht glaubhaft festgestellt.

 

In der Erstbefragung zu seinem zweiten Antrag auf Internationalen Schutz am 17.10.2014 behauptete der Erstbeschwerdeführer, er werde in Herkunftsstaat verdächtigt, mit Separatisten zusammengearbeitet zu haben. Bei den infolge seiner zwischenweiliegen Abwesenheit in Deutschland erst im November 2015 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme bezeichnete wieder diese Angaben als nicht der Wahrheit entsprechend und brachte vor, dass er in Herkunftsstaat gesucht werde, weil er bestimmte Geheimnisse kenne, man ihn zwingen wollte, namentlich bezeichnete Freunde, die an dem Aufstand einer Militäreinheit in Mukhrovani 2009 beteiligt gewesen seien, fälschlich zu belasten, und er deshalb von Männern des früheren Verteidigungsministers und Innenministers verfolgt werde. Davon wiederum abweichend behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 04.01.2019, dass er im Herkunftsstaat zusammen mit damaligen Anführen beschuldigt werde, im Zuge des bewaffneten Konfliktes 2008 die Stadt Zchinvali bombardiert zu haben. Nach Aufforderung zur Darstellung, weshalb er trotz seines seit 2012 in Österreich gegebenen Aufenthaltes über diesen konkreten Vorwurf nie eine Angabe gemacht habe, konnte der Beschwerdeführer keine plausible Erklärung liefern und verwies darauf, dass er alles in Anwesenheit seines Anwaltes sagen würde.

 

Insgesamt zeigt sich, dass der Beschwerdeführer im Verfahren mehrere einander widersprechende Bedrohungssituationen in oberflächlicher und vager Weise vorgebracht hat, wobei er das Unterbleiben von nachvollziehbaren Angaben im Detail auf unterschiedliche Weise zu rechtfertigen versucht hat, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 04.01.2019 einerseits durch den Hinweis darauf, dass er vollständige Angaben in Anwesenheit seines Anwaltes machen würde, andererseits durch Hinweis auf seine gegenüber den georgischen Militärbehörden bestehende Verschwiegenheitsverpflichtung.

 

Wenn allerdings der Beschwerdeführer tatsächlich in irgendeiner der von ihm unterschiedlich beschriebenen Bedrohungssituationen im Herkunftsstaat gefährdet wäre, so würde er die entsprechenden Angaben gegenüber den österreichischen Asylbehörden nachvollziehbar und gleichlautend tätigen. Der Erstbeschwerdeführer hat allerdings in seinen in Österreich geführten Asylverfahren höchst unterschiedliche Verfolgungsituationen ausgehend von unterschiedlichen Akteuren und angelehnt an einige tatsächliche historische Ereignisse im Herkunftsstaat unter namentliche Nennung einzelner existierender Personen behauptet, wobei er im Verfahren nicht darzustellen in der Lage war, weshalb er immer wieder unterschiedliche und widersprüchliche Verfolgungsbehauptungen vorgebracht hat.

 

Den unterschiedlichen Behauptungen kommt daher kein glaubhafter Kern zu, unabhängig davon, dass die jeweils behaupteten Tatsachen sich vor Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.03.2014 ereignet hätten, sodass ihrer Berücksichtigung auch dessen Rechtskraft entgegenstünde.

 

Auch der Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin in Ihrem Verfahren über eine Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer keinerlei konkrete Angaben machen konnte, lässt erkennen, dass eine solche tatsächlich nicht gegeben ist.

 

Die fehlende Glaubhaftigkeit der Verfolgungsbehauptungen der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich aus der zutreffenden Beweiswürdigung des an sie ergangenen angefochtenen Bescheides, der in den erhobenen Beschwerden in keiner Weise entgegengetreten worden ist.

 

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Sie wurden dem Erstbeschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 04.01.2019 zur Kenntnis gebracht. Er hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, dass er sie gelesen habe; abgesehen von allgemeinen Bemerkungen, dass in Georgien brutale Verhältnisse herrschten, die Leute sich gegenseitig umbringen würden und der Hinweis auf die Tötung eines namentlich genannten Kindes im Pankisi-Tal fehle, ist der Erstbeschwerdeführer der Richtigkeit der Feststellungen nicht entgegengetreten.

 

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Georgien um einen Staat handelt, der zwar etwa im Hinblick auf Korruption Defizite aufweist, darüber hinaus aber weder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen noch Kampfhandlungen betroffen ist, und auch sonst nicht - etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien, Ukraine u.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde (vgl. dazu etwa VfGH 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098). Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass Georgien aufgrund der Ermächtigung nach § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG laut § 1 Z 12 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, als sicherer Herkunftsstaat gilt, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der georgischen Behörden spricht (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2017/01/0292-12, mwN).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

 

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

 

Die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

 

Der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften ist iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

 

3.2.2. Wie beweiswürdigend dargelegt, waren die Verfolgungsbehauptungen des Erstbeschwerdeführers und die Zweitbeschwerdeführerin nicht glaubhaft; für die weiteren Beschwerdeführer wurden keine individuellen Fluchtgründe vorgebracht.

 

3.2.3. Es kann zudem nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführer, welcher der Volksgruppe der Georgier sowie dem christlich-orthodoxen Glauben angehört, und auch nicht politisch aktiv waren, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung aus in der GFK genannten Motiven ausgesetzt wäre. Derartiges wurde auch weder im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens noch in der Beschwerde konkret vorgebracht.

 

3.2.4. Da auch sonst keine konkrete gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in ihrem Heimatstaat vorliegt, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

3.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006).

 

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

 

3.3.3. Vorweg ist festzuhalten, dass Georgien gemäß § 1 Z 12 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, als sicherer Herkunftsstaat gilt. Den vorliegenden Länderberichten lässt sich entnehmen, dass in Georgien keine derart exzeptionelle, prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, vor deren Hintergrund bereits die bloße Anwesenheit auf dem Staatsterritorium eine ernsthafte Bedrohung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte erwarten ließe. Wie angesprochen, besteht in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, wie in den übrigen von der georgischen Zentralverwaltung kontrollierten Landesteilen, eine weitgehend unbedenkliche Sicherheitslage und eine sichere Erreichbarkeit auf dem Luftweg. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist ebenso wie medizinische Grundversorgung gewährleistet.

 

Wie angesprochen, konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aktuell an schwerwiegenden Erkrankungen leiden. Der Erstbeschwerdeführer hat auch keine Rückkehrbefürchtungen im Zusammenhang mit seinem Gesundheitszustand geäußert und ist den Feststellungen des Bundesamtes zu einer in Georgien ausreichend vorhandenen medizinischen Grundversorgung nicht entgegengetreten. Es reicht jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Georgien jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).

 

Den Beschwerdeführern ist es aufgrund ihrer persönlichen Umstände unabhängig von vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten durch ein familiäres Netz zumutbar, durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu erwerben; sie haben im Verfahrensverlauf keine entgegenstehenden Befürchtungen geäußert. Beim Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um arbeitsfähige Personen im erwerbsfähigen Alter mit Schulbildung und Berufserfahrung, bei denen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Die Beschwerdeführer haben einen großen Teil des Lebens in Georgien verbracht, wodurch sie auch mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Zudem gehören die Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Im Herkunftsstaat halten sich unverändert nahe Angehörige, nämlich die Eltern des Erstbeschwerdeführers auf, sodass die Beschwerdeführer im Bedarfsfall auf ein unterstützendes soziales Netz zurückgreifen könnte. Insbesondere können sie - wie bis zu ihrer jeweiligen Ausreise - in der eigenen Wohnung der Eltern in Tiflis Unterkunft finden. Außerdem können der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Georgien das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass sie bereits unmittelbar nach einer Rückkehr und noch bevor sie in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Die Existenz könnten sie dort zunächst mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten respektive im von der Zweitbeschwerdeführerin erlernter Beruf als Näherin sichern. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Den Beschwerdeführern war es bereits in der Vergangenheit möglich, den Lebensunterhalt in Georgien selbständig zu sichern und sie haben im gegenständlichen Verfahren keinen Hinweis aufgezeigt, weshalb ihnen dies nach einer Rückkehr nicht neuerlich möglich sein sollte.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation der Beschwerdeführer ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass diese im Fall ihrer Abschiebung nach Georgien in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass den Beschwerdeführern eine Rückkehr nach Georgien möglich und zumutbar ist. Die Beschwerdeführer haben gegenüber der Behörde nicht detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionelle Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten; auch die Beschwerde hat es nicht unternommen, ein derartiges Vorbringen zu erstatten, sondern trat den in den angefochtenen Bescheiden dargelegten Verweis auf eine Rückkehrmöglichkeit nach Georgien nicht substantiiert entgegen.

 

Im Ergebnis waren daher die Beschwerden auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

3.3.4. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, festgehalten, dass zu den vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Gewährung von subsidiären Schutz allein die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich sei (Hinweis Verwaltungsgerichtshof 17.10.2017, Ra 2016/01/0274) und dazu unter Hinweis auf einschlägige Entscheidungen des EuGH ausgeführt:

 

"Ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK.

 

Wie aufgezeigt, ist es dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.

 

Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP , 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP , 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

 

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

 

Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

 

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH obliegt die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie deren Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den Gerichten (vgl. etwa jüngst EuGH 7.8.2018, C-122/17 , David Smith, Rn. 38, 39, mwN). Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verlangt der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. jüngst EuGH 4.10.2018, C-384/17 , Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic N&N, Rn. 57, 58, mwN). Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst jedoch auch die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (vgl. jüngst EuGH 11.9.2018, C-68/17 , IR, Rn. 64, mwN).

 

Zu einer derartigen richtlinienkonformen Auslegung hat der EuGH festgehalten, "auch wenn dieses Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung nicht so weit reichen kann, dass eine Richtlinie selbst und unabhängig von einem nationalen Umsetzungsakt Einzelnen Verpflichtungen auferlegt oder die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ihren Bestimmungen Zuwiderhandelnden bestimmt oder verschärft, so ist doch anerkannt, dass der Staat grundsätzlich Einzelnen eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entgegenhalten kann" (vgl. EuGH 5.7.2007 Kofoed, C-321/05 , Rn. 45 mit Verweis auf seine Urteile Kolpinghuis Nijmegen, Rn. 12 bis 14, und Arcaro, Rn. 41 und 42)."

 

Die Beschwerdeführer haben im Verfahren nicht vorgebracht, dass ihnen bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat als ernsthafter Schaden im Sinne von Art. 15 lit.a) der Statusrichtlinie die Todesstrafe oder Hinrichtung oder gemäß Art. 15 lit. c) der Statusrichtlinie eine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Auch wurde nicht dargetan, dass sie nach einer Rückkehr gemäß Art. 15 lit. b) der Statusrichtlinie Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erwarten hätten.

 

Da allerdings gemäß den obigen Ausführungen die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten für die Beschwerdeführer schon vor dem Grund der bisherigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zu erfolgen hatte, kann es in der vorliegenden Rechtssache auch dahingestellt bleiben, ob § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entsprechend der vom Verwaltungsgerichtshof in seiner zitierten Entscheidung dargelegten Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 Statusrichtlinie auszulegen sei.

 

3.4. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellen sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen wie folgt dar:

 

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

 

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

 

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.

 

[...]

 

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) - (4) [...]

 

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

 

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. (3) -

(13) [...]"

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

 

"Abschiebung

 

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

(2) - (6) [...]

 

[...]

 

Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

[...]

 

Rückkehrentscheidung

 

§ 52. (1) (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) - (8) [...]

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

(10) - (11) [...]

 

[...]

 

Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

 

(4) - (5) [...]"

 

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) - (6) [...]"

 

3.4.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

3.4.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

 

3.4.4. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

3.4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

3.4.4.2. Da die Beschwerdeführer über keine dauernd aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen oder sonstigen familienähnlichen Nahebeziehungen in Österreich verfügen, ist ein Eingriff in ihr Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK von vornherein auszuschließen, da alle in Österreich aufhältigen Angehörigen der Kernfamilie von der vorliegenden Entscheidung betroffen sind. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich allenfalls in das Recht auf Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

 

3.4.4.3.1 Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

 

3.4.4.3.2. Im vorliegenden Fall hält sich der Erstbeschwerdeführer seit seiner ersten Antragstellung im Oktober 2012 mit Unterbrechung vom Oktober 2014 bis November 2015 im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge zwei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz. Die Dauer der Verfahren überstieg nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47017/09). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Erstbeschwerdeführer nach Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Asylantrag und Erlassung einer Rückkehrentscheidungen und eines Einreiseverbots durch Hungerstreik im Oktober 2014 seine Entlassung aus der Schubhaft erzwungen hat und untergetaucht ist. In weiterer Folge ist er unter Missachtung des Einreiseverbots von seinem Zwischenaufenthalt in Deutschland wieder illegal nach Österreich zurückgekehrt, wo er auf seine aus dem Herkunftsstaat angereiste Ehegattin die Zweitbeschwerdeführerin und zwei Kinder getroffen ist. Angesichts dieser Umstände der Herstellung der teilweisen familiären Einheit muss das Interesse der Beschwerdeführer an einer Aufrechterhaltung dieser familiären Einheit in Österreich als deutlich eingeschränkt angesehen werden.

 

Die Integration des Erstbeschwerdeführers in Österreich ist nicht im hohen Grad ausgeprägt: Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensunterhalt während seines Aufenthalts überwiegend aus Mitteln der Grundversorgung bestritten und ist einer Erwerbstätigkeit nur vorübergehend auf Grund einer für sechs Monate befristeten Beschäftigungsbewilligung als Pferdepfleger nachgegangen. Er hat weiters Vermögensdelikte begangen und wurde strafgerichtlich verurteilt. Er hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, gehört keinen Vereinen an und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Insgesamt ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer die Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet hinsichtlich einer Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht genutzt hat.

 

Der Erstbeschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Georgien, wo er die Schule besucht und seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer Berufstätigkeit bestritten hat. Er spricht Georgisch auf muttersprachlichem Niveau und verfügt über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Georgien. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in die dortige Gesellschaft problemlos wieder eingliedern können wird.

 

Die Dauer des Aufenthaltes der im November 2015 nach Österreich eingereisten Zweitbeschwerdeführerin und der beiden mitgereisten Kinder ist nicht als lange anzusehen. Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Österreich nicht wirtschaftlich integriert, hat keinen Beleg über sprachliche Integration vorgelegt und konnte angesichts des Umstandes, dass sich ihr Aufenthalt nur auf die Einreise unter missbräuchlicher Verwendung eines griechischen Schengenvisums und anschließende Stellung eines Asylantrages gestützt hat, nicht mit der Gestattung des weiteren Aufenthaltes in Österreich rechnen.

 

Die minderjährigen dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien haben den Angaben ihres gesetzlichen Vertreters zufolge zunächst den Kindergarten besucht und besuchen nun eine Volksschule. Dass zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine Verwurzelung der minderjährigen Beschwerdeführer im Bundesgebiet, welche sich in einem mit hoher Lern- und Anpassungsfähigkeit verbundenen Alter befinden, stattgefunden hat, hat sich angesichts der kurzen Dauer des Aufenthalts keinesfalls ergeben. Zur notwendigen Berücksichtigung des Kindeswohls ist festzuhalten, dass ein Vergleich der Lebensumstände jedenfalls ein deutliches Überwiegen der nach wie vor zu Georgien bestehenden Bindungen ergibt, zumal die beiden minderjährigen beschwerdeführenden Parteien einen großen Teil ihrer bisherigen Kindheit im Familienverband in Georgien verbracht haben, mit den dortigen Verhältnissen und der Sprache vertraut sind und im Vorfeld ihrer Ausreise nach Angaben der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren den Kindergarten besucht haben.

 

Der in Österreich geborene Fünftbeschwerdeführer ist aufgrund seines kindlichen Alters hinsichtlich seiner Beziehungen primär auf den Bereich der Kernfamilie ausgerichtet, sodass ein Rücken mit seiner Familie in den Herkunftsstaat jedenfalls als zumutbar anzusehen ist.

 

Zudem begründen allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren soziookönomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

 

Eine tiefgreifende Integrationsverfestigung der beschwerdeführenden Parteien konnte gesamtbetrachtend sohin nicht erkannt werden und es ist auch der Zeitraum des Aufenthalts der Beschwerdeführer mit lediglich zehn bzw. viereinhalb Monaten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen als kurz anzusehen.

 

Das Interesse der Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung etwaiger privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass sie sich bei ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet stets des unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Sie durften sich hier bisher nur aufgrund eines Antrags auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347, 26.02.2004, 2004/21/0027, 27.04.2004, 2000/18/0257; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Festzuhalten ist auch, dass es den Beschwerdeführern bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

 

3.4.4.4. Den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

3.4.4.5. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts der Beschwerdeführer auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

3.5. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 leg.cit. von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

 

3.6. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Wird in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG getroffen (bzw. vom BVwG überprüft), so ist diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. Dies gilt jedenfalls in einer Sache wie der vorliegenden, in der nach den Feststellungen und der Beurteilung zur Nichterteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf Grundlage von § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die entsprechenden Voraussetzungen unabhängig von einer allfälligen unionsrechtlichen Auslegung dieser Bestimmung entsprechend der im Erkenntnis des VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, dargelegten Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 Statusrichtlinie als nicht vorliegend anzusehen waren. In dieser Konstellation komme ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

Zur Beurteilung im Lichte des § 52 Abs. 9 FPG kann daher - zumal dazu auch nichts gesondert vorgebracht wurde und auch (iSd. § 50 Abs. 3 FPG) keine Empfehlung des EGMR vorliegt - auf die Ausführungen iZm. §§ 3, 8 AsylG verwiesen werden (vgl. auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

 

3.7. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg.cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 leg.cit. 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden (§ 55 Abs. 3 leg.cit.).

 

Da derartige Umstände von den Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

 

3.8. Überdies entschied die belangte Behörde im ersten Satz des Spruchpunktes I. der angefochtenen Bescheide über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005.

 

Der Verwaltungsgerichthof hat jedoch in seinem Erkenntnis vom 15.03.2016, Ra 2015/21/0174, mwN, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen werde, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

Da sohin seitens der belangten Behörde angesichts der zugleich getroffenen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 nicht abgesprochen werden durfte, war die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass der erste Satz des Spruchteiles I. (bloß) zu lauten hat, dass eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

3.9.1. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

 

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person der Zweiteschwerdeführerin und zur Lage in Georgien auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar beantragt aber es nicht konkret aufzuzeigen unternommen, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14). Wie beweiswürdigend dargelegt, wurde den beweiswürdigenden Argumenten im angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes nicht ansatzweise substantiiert entgegentreten. Ebensowenig wurde den darüberhinausgehenden Ausführungen der belangten Behörde zum Nichtvorliegen eines auf den Herkunftsstaat bezogenen Abschiebehindernisses sowie zum Nichtvorhandensein eines schützenswerten Familien- oder Privatlebens im Bundesgebiet entgegengetreten. Insofern wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

3.9.2. Dem Vertagungsersuchen des nunmehrigen Rechtsvertreters des Erstbeschwerdeführers vom 18.12.2018 im Hinblick auf die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.01.2019 war nicht zu entsprechen, da die Ladung zur mündlichen Verhandlung dem damals unvertretenen Erstbeschwerdeführer bereits am 29.11.2018 zugegangen ist, sodass ausreichend Zeit gegeben war, die Mitwirkung einer geeigneten Vertretung vorzubereiten. Überdies ist dem Rechtsvertreter seitens des Bundesverwaltungsgerichts am 27.12.2018 auf telephonische Anfrage bestätigt worden, dass die Verhandlung durchgeführt werde.

 

Die im weiteren Vertagungsantrag vom 31.12.2018 enthaltenen Ausführungen, es sei bei Übernahme des Mandats damit zu rechnen gewesen, dass der Vertagungsbitte einer in den Weihnachtsfeiertagen anberaumten Einvernahme jedenfalls nachgekommen werde, ist nicht nachvollziehbar, zumal es sich beim Verhandlungstermin um einen Werktag gehandelt hat.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte