BVwG L512 2124423-1

BVwGL512 2124423-110.7.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L512.2124423.1.00

 

Spruch:

L512 2124423-1/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 11.03.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte nach Rückübernahme von den deutschen Behörden am 23.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor wurde gegen den BF eine Einreiseverweigerung in die Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen.

 

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 23.11.2015 Folgendes vor:

 

Er sei ledig, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Sunnit. Er habe 9 Jahre die Grundschule besucht. Er habe zuletzt als Taxifahrer gearbeitet.

 

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass die Lage in seinem Dorf sehr schlecht gewesen sei. Es habe keine Arbeit gegeben. Seine Eltern seien auch krank. Er möchte hier arbeiten und ein besseres Leben haben und natürlich auch seine Eltern nachholen [Aktenseite (AS) 27 ff].

 

Vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz "BFA") brachte der BF am 26.02.2016 im Wesentlichen Folgendes vor:

 

Er habe zuletzt im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Khyber Pakhtunkhwa gelebt und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an; er sei Sunnit. Er sei in XXXX geboren, habe 12 Jahre die Schule besucht und anschließend in XXXX als Hilfsarbeiter gearbeitet. Ab 2010 bis zur Flucht im September 2015 habe er als Polizist gearbeitet, im August 2015 auch als Taxifahrer. Sein Bruder sei auch Polizist gewesen, der Vater habe in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet. Ihre finanzielle Situation sei schlecht gewesen, in Pakistan sei alles teuer, die Eltern seien krank gewesen, sie hätten viele Medikamente und Ärzte bezahlen müssen.

 

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus: Er habe einerseits Probleme wegen seiner Schwester. Diese sei verheiratet gewesen. Der Schwager des BF sei von einem Gegner erschossen worden. Der Gegner habe gedacht, dass der BF als Polizist arbeite und die Polizei zu ihm schicke.

 

Der zweite Grund betreffe seinen Dienst. Ein Mann habe die Entführung seiner Schwester angezeigt. Der BF und 11 weitere Polizisten hätten die zwei Entführer (einen Mann und dessen Schwester) festgenommen. Dabei habe der Bruder des Mannes auf sie geschossen, sie seien aber nicht getroffen worden. Seine Mutter habe ihm daraufhin geraten, den Dienst zu quittieren.

 

Ein anderes Mal hätten die Taliban die Polizeistation in XXXX angegriffen und seine 17 Arbeitskollegen mitgenommen und erschossen - dies sei im XXXX gewesen. Die Familie habe ihm wieder geraten, den Dienst zu beenden - er habe sich daher entschlossen das Land zu verlassen. Im Jänner 2015 habe er das Dorf in Richtung XXXX verlassen (AS 67).

 

Eines Nachts - im Juni oder Juli 2015 - als er zu Fuß nach Hause unterwegs gewesen sei, sei er von 4 vermummten Personen angehalten und mit Kalaschnikows bedroht worden. Diese hätten gesagt, er solle seinen Dienst quittieren, ansonsten würden der BF und seine Familie umgebracht werden. Am nächsten Tag habe er sein Dorf verlassen (AS 67).

 

XXXX - hätten die Taliban die Polizei angegriffen, das sei vor seiner Zeit gewesen. Auf Nachfrage, wann die Taliban seine Polizeistation in Gandigar angegriffen und 17 Kollegen erschossen hätten, gab der BF an, das sei im XXXX gewesen. Es gebe auch ein Video auf Youtube. Im Jahr 2011 habe er sich entschieden, das Land zu verlassen, habe aber damals keine Möglichkeit gehabt (AS 68).

 

Einmal habe er mit seiner Mannschaft ein Volleyball-Spiel gewonnen. Von einem Spielgegner sei er nach dem Sieg mit einem Messer verletzt worden. Das sei am XXXX gewesen. Damals habe er Anzeige erstattet. Die in der Einvernahme vorgelegte Anzeige sei von diesem Vorfall. Die Anzeige habe aber nichts mit seinem Asylantrag zu tun (AS 71).

 

Im Falle einer Rückkehr in sein Dorf habe er Angst vor den Taliban; woanders wolle er nicht leben (AS 70).

 

Er befinde sich in Grundversorgung, zweimal die Woche habe er Deutschunterricht (AS 72).

 

I.2. Der gegenständliche Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV) (AS 93 ff.).

 

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF hinsichtlich der allgemeinen Lage in seiner Heimat als glaubwürdig und wurde der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt. Eine persönliche Verfolgung habe der BF nicht glaubhaft geschildert.

 

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei.

 

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

 

I.2.4. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 21.03.2016 (AS 91).

 

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung beantragt (AS 191 ff.).

 

I.4. Für den 09.05.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

 

I.4.1. Mit der Ladung vom 19.04.2018 wurden den Verfahrensparteien aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

 

I.5. Mit der Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 08.04.2016 hatte das BFA auf die Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung - im Voraus - verzichtet.

 

I.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen. Der BF hat Unterlagen zu seiner Integration vorgelegt.

 

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher zuletzt in XXXX, Distr. XXXX, Khyber Pakhtunkhwa, wohnhaft war, aus XXXX stammt, die Sprachen Paschtu, sowie wenig Urdu und wenig Englisch spricht und 12 Jahre die Schule in Pakistan besucht hat. Er ist ledig, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an. Der BF ist Drittstaatsangehöriger.

 

Der BF leidet aktuell an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankung.

 

Der BF ist ein arbeitsfähiger Mensch. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

 

Familienangehörige des BF - seine Eltern und Geschwister - leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF.

 

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Der BF besuchte und besucht Deutschkurse. Der BF hat Freunde in Österreich mit denen er seine Freizeit verbringt. Der BF nimmt an Aktivitäten teil, die von seiner Unterkunft organisiert werden. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

 

Die Identität des BF steht nicht fest.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 07.12.2017: Tehreek-i Labbaika Ya Rasool Allah (TLY) Proteste, Faizabad Verkehrsknotenpunkt, Islamabad; Rücktritt Justizminister Zahid Hamid

 

Anfang November initiierte die Bewegung Tehreek-i Labbaika Ya Rasool Allah (TLY) ein Sit-in am hoch frequentierten Faizabad Verkehrsknoten in Islamabad, aus Protest gegen eine in der pakistanischen Wahlordnung vorgenommene Änderung des Amtseides für Parlamentarier (Dawn 3.12. 2017; vgl. Guardian 27.11.2017). Laut Demonstranten handelte es sich bei der Änderung um eine Verwässerung der sogenannten "Khatm-e Nubuwwat" Klausel, die die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads festlegt. Dies soll laut TLY zugunsten der Ahmadiyya vorgenommen worden sein (Aljazeera, 27.11.2017; vgl. Kleine Zeitung 27.11.2017). Laut Regierung und Parlament handelte es sich jedoch nur um einen Schreibfehler (Dawn 5.10.2017; vgl. Standard 27.11.2017). Obwohl dieser schon im Oktober korrigiert und die Änderung zurück genommen worden war (Dawn, 5.10.2017), forderten die Demonstranten am Faizabad Knoten den Rücktritt des Justizministers Zahid Hamid, der für die Gesetzesänderung verantwortlich gemacht wurde (Die Zeit 27.11.2017; vgl. Kleine Zeitung 27.11.2017).

 

Das Sit-in legte drei Wochen lang eine der Hauptverkehrsadern Islamabads lahm (Kleine Zeitung 27.11.2017). Als die Regierung am 25.11.2017 zur Räumung des Verkehrsknotens schritt, kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein (Aljazeera, 26.11.2017; vgl. BBC 25.11.2017; Standard 27.11.2017 und Kleine Zeitung 27.11.2017). Demonstranten griffen daraufhin die Sicherheitskräfte mit Steinen, Stöcken und Metallstangen an und zündeten Autos und Reifen an (Aljazeera, 26.11. vgl. Standard 27.11.2017; Kleine Zeitung, 27.11.). Im Zuge der Ausschreitungen wurden mindestens 6 Menschen getötet und über 200 verletzt (Guardian 27.11.2017; vgl. Standard 27.11.2017). Aus Angst vor einer weiteren Eskalation wurde die Polizeiaktion abgebrochen (Kleine Zeitung 27.11.2017; vgl. Die Zeit 27.11.2017). In Solidarität mit den Demonstranten weiteten sich die Proteste auf andere Teile Islamabads bzw. auf andere Städte Pakistans aus, unter anderem auf Lahore, Hyderabad, Karachi, Peshawar und Quetta (Dawn 26.11.2017; vgl. BBC 25.11.2017). Nachdem die Polizei den Faizabad Verkehrsknoten nicht räumen konnte, bat die Regierung noch am selben Tag (25.11.2017) das Militär einzugreifen (BBC 25.11.2017; vgl. Dawn 25.11.2017; Die Zeit 27.11.2017).

 

Die staatliche Aufsichtsbehörde über elektronische Medien (PEMRA) untersagte Live-Berichterstattung über den Sicherheitseinsatz (Dawn 26.11.2017). Soziale Medien, wie Facebook und Twitter, wurden 37 Stunden lang landesweit ausgesetzt (The Nation 27.11.2017; vgl. auch Samaa' 27.11.2017). Die Behörden schalteten zeitweise auch private Nachrichtensender ab (BBC 25.11.). Nach Verhandlungen zwischen dem Militär und der TYL, akzeptierte die Regierung am 27.11.2017 eine Liste von Forderungen der TLY (Dawn 28.11.2017). Justizminister Zahid Hamid erklärte seinen Rücktritt (NDTV 27.11.2017; vgl. Guardian 27.11.2017 und Aljazeera 27.11.2017).

 

Laut der Abmachung zwischen Demonstranten und Regierung würden alle im Zuge der Proteste verhafteten Demonstranten innerhalb von drei Tagen freigelassen werden (Aljazeera, 27.11. vgl. Dawn, 28.11.). Die Regierung verpflichtete sich auch zu einer Untersuchung der gewalttätigen Vorfälle vom 25.11.2017 (Dawn 28.11.2017)

 

[Anmerkung der Staatendokumentation: Keine konkreten Informationen zur Freilassung der Demonstraten konnte bis dato gefunden werden; sollten neuere Erkenntnisse zu Tage treten, werden diese in einem Zusatz vermerkt.]

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KI vom 2.8.2017: Shahid Khaqan Abbasi, neuer Premierminister

 

Das pakistanische Parlament hat einen Nachfolger für den abgesetzten Premierminister Nawaz Sharif gewählt. Vom Parlament, in dem Sharifs Partei, Pakistan Muslim League-N (PML-N) über eine Mehrheit verfügt, wurde Shahid Khaqan Abbasi zum neuen Regierungschef bestimmt (tagesschau.de 1.8.2017).

 

Khaqan Abbasi wurde am 1.8.2017 von den Abgeordneten der Nationalversammlung zum Premierminister ernannt und von Präsident Mamnoon Hussain vereidigt (DAWN 1.8.2017b).

 

Der neue Premierminister gilt als loyaler Gefolgsmann des wegen Korruptionsverdachts abgesetzten, ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif. Für diesen saß Khaqan Abbasi nach dem Putsch von General Pervez Musharraf im Jahre 1999, in welchem Sharif gestürzt wurde, für zwei Jahre im Gefängnis ein (NYT 1.8.2017).

 

Abbasi, ein Elektro-Ingenieur mit einem Master-Abschluss der George Washington University, bekleidete in Nawaz Sharifs dritter Amtszeit die Position des Ministers für Erdöl und natürliche Ressourcen (DAWN 1.8.2017a).

 

Es wird davon ausgegangen, dass Abbasi das Amt hält, bis Sharifs Bruder Shehbaz Sharif, er ist Ministerpräsident der Provinz Punjab, in der bevorstehenden Wahl einen Sitz im Parlament gewinnt und Premierminister werden kann (NYT 1.8.2017).

 

Vom Korruptionsskandal um die Familie seines Bruders ist Shehbaz Sharif bislang nicht betroffen (arte.tv 31.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 25.7.2017: Abschluss Phase I, Khyber IV (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die pakistanische Armee konnte schneller als erwartet die erste Phase der Operation Khyber-IV in der Region Rajgal in der Khyber-Agency abschließen (DAWN 23.7.2017). Khyber-IV als Teil der Operation Radd-UL-Fasaad wurde im Februar nach einem Anstieg von terroristischen Anschlägen im Land eingeleitet (TET, 22.7.2017). Sie zielt darauf ab, die internationale Grenze zu Afghanistan zu sichern, eine Infiltration von militanten Kräften von Afghanistan aus zu verhindern, den Terrorismus zu bekämpfen und räumliche Gewinne aus militärischen Operationen zu festigen (ARY NEWS 20.7.2017). Von der der afghanischen Regierung wurde die Operation kritisiert, da diese nicht mit ihr koordiniert worden war und ohne eine vereinbarte Überwachung durch die Vereinigten Staaten und China erfolgt ist (DAWN, 23.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 4.5.2017: Update zur Sicherheitslage: Anschlagszahlen 1. Quartal 2017

 

Update: Anschlagszahlen des 1. Quartals 2017 laut Aufzeichnungen Pakistan Institute for Peace Studies

 

Im Jänner 2017 war Pakistan insgesamt von 29 Terroranschlägen betroffen, bei denen 40 Personen getötet wurden. 128 Personen wurden verletzt. Die regionale Verteilung zeigt folgendes Bild: Khyber Pakhtunkhwa - 6 Anschläge mit einem Toten; Sindh - 4 Anschläge mit 3 Toten; alle in Karatschi; Belutschistan - 14 Anschläge mit 7 Toten; FATA - 3 Anschläge mit 27 Toten (PIPS 10.2.2017). Darunter fiel auch der Sprengstoffanschlag auf einen Gemüsemarkt in Parachinar / Kurram Agency, bei welchem am 21.1.2017 mindestens 25 Menschen getötet und rund 85 Personen verletzt worden sind (Dawn 22.1.2017). Die Kurram Agency ist eine mehrheitlich von Schiiten bewohnte Agency, der Verwaltungssitz Parachinar oft Ziel von Anschlägen sunnitischer Extremisten (NZZ 31.3.2017). Punjab war von 2 Anschlägen mit 2 Toten betroffen. In Gilgit-Baltistan und Islamabad wurden keine Anschläge gemeldet (PIPS 10.2.2017).

 

Der Februar war nach einer langen Zeitspanne rückläufiger terroristischer Gewaltakte von einem starken Anstieg betroffen. In sechs aufeinanderfolgenden Selbstmordanschlägen wurden allein in weniger als einer Woche beinahe 100 Menschen getötet (BBC News 17.2.2017). Im Februar stiegen die Anschläge und Opferzahlen auf 159 Tote und 426 Verletzte in 32 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Regionale Verteilung: Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 23 Toten; Belutschistan - 8 Anschläge mit 9 Toten; Sindh - 92 Tote in 5 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Darunter finden sich auch die Opfer des Selbstmordanschlages auf den Lal Shahbaz Qalandar - Schrein des Sufismus in Sehwan vom 16.2.2017 (Dawn 17.2.2017). Drei der registrierten Anschläge fanden in Karatschi statt. Punjab war von einem Anschlag mit 16 Toten betroffen. Azad Jammu Kaschmir war von einem Anschlag mit 2 Verletzten betroffen. In der FATA wurden 10 Anschläge mit 19 Toten verübt. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 17.3.2017).

 

Im März ging die Zahl der Anschläge wieder zurück auf 28. Dabei wurden 40 Menschen getötet und 98 verletzt. Regionale Verteilung:

Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 9 Toten; FATA - 9 Anschläge, 30 Tote. Darunter war wieder ein größerer Anschlag in Parachinar, der alleine 23 Tote forderte. In Belutschistan fanden 9 Anschläge statt, niemand wurde dabei getötet. Sindh verzeichnete 2 Anschläge ohne Tote, dabei fand kein Anschlag in Karatschi statt. Der Punjab zählte einen Anschlag mit einem Toten. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 14.4.2017).

 

Das 1. Quartal 2017 verzeichnet mit insgesamt 89 Anschlägen bei einer Opferzahl von 239 Toten und 652 Verletzten zwar eine geringere Anzahl von Anschlägen als im Vergleichszeitraum des 1. Quartals 2016. In diesem wurden 103 Anschläge mit 285 Toten und 547 Verletzte aufgezeichnet (eigene Auswertung aus: PIPS 10.2.2017, PIPS 17.3.2017, PIPS 14.4.2017, PIPS 7.2.2016, PIPS 7.3.2016, PIPS 7.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Politische Lage

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12 .2016a).

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12 .2016a).

 

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12 .2016a).

 

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12 .2016a).

 

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

 

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12 .2016a).

 

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12 .2016a).

 

Katastrophen

 

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

 

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12 .2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

 

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12 .2016a).

 

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12 .2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12 .2016a).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12 .2016a).

 

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

 

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

 

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

 

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

 

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

 

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

 

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

 

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

 

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

 

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regionale Verteilung der Gewalt

 

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

 

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

 

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

 

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte militante Gruppe in Pakistan. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist Karatschi, besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

 

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).

 

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

 

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt. Die nationalistischen Gruppen wurden stark geschwächt durch die Sicherheitsoperationen und sind mit internen Krisen geplagt, ihre Anschläge gingen zurück. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, ihre Anschläge gingen allerdings stark zurück, ihre operative Stärke sinkt. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten im Allgemeinen, jedoch ein großer Anteil auch in erster Linie gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Regionale Problemzone Khyber Pakhtunkhwa

 

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa ist in 25 Distrikte unterteilt (GovKP o. D.).

 

Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, aber übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten der Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015). Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in der FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015).

 

Im Jahr 2015 sanken die Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, es gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen. Es gab 125 Anschläge, ein Minus von 61 Prozent. Sie forderten 206 Todesopfern, 62 Prozent weniger als im Jahr 2014. Unter den Todesopfern waren 66 Sicherheitskräfte, 112 Zivilisten und 24 Militante. 10 der Anschläge waren sektiererisch motiviert. Peschawar war am meisten von den Anschlägen und Opfern betroffen mit 85 Todesopfern in 38 Anschlägen, gefolgt von Dera Ismail Khan mit 14 Anschlägen und 19 Toten sowie Charsadda mit 10 Anschlägen und 9 Toten, die zweithöchste Todesopferzahl musste Mardan mit 30 Toten in 4 Anschlägen berichten, zusätzlich zu diesen 4 Distrikten waren von den 25 Distrikten Khyber Pakhtunkhwas 14 weitere von Anschlägen betroffen, die pro Distrikt zwischen keinem und sieben Todesopfern im Jahr 2015 forderten (PIPS 3.1.2016).

 

Auch im Jahr 2016 war Khyber Pakhtunkhwa die Region Pakistans, die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffen war. 127 Anschläge töteten 189 Personen. Die Zahl der Anschläge stieg somit um 2 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unter den Todesopfern der Anschläge waren 114 Zivilisten, 62 Angehörige der Sicherheitskräfte und 8 Militante. Von diesen Anschlägen betrafen 48 die Provinzhauptstadt Peschawar mit 62 Toten, 47 Todesopfer forderten 7 Anschläge in Charsadda, 16 Menschen starben bei 6 Anschlägen in Mardan, 11 Menschen starben bei 16 Anschlägen im Swat, 10 Menschen bei 10 Anschlägen in Bannu und 8 Menschen bei 9 Anschlägen in D.I. Khan. Außer diesen 6 Distrikten waren weitere 11 Distrikte in KP von Anschlägen betroffen, die insgesamt pro Distrikt zwischen einem und sieben Todesopfern forderten (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzung sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23 Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).

 

Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren 8 sektiererisch motiviert, die 10 Todesopfer forderten - zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen 179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt, neben den Anschlägen waren dies 3 Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, 5 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie 3 Vorfälle an der Grenze mit Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242 Menschenleben - 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzung sowie 52 Militante (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Regionale Sicherheitslage Punjab und Islamabad

 

Laut einem lokalen Experten in Pakistan ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans (BFA 9.2015). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 91 Millionen geschätzt. Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016). Auch die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher (BAA 6 .2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016).

 

Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen, ein Rückgang von 41 Prozent bei Terroranschlägen im Vergleich zum Vorjahr sowie ein Rückgang von 34 Prozent an Todesopfern. Unter den Opfern waren 73 Zivilisten, 7 Polizisten und 3 Terroristen. 4 der Anschläge im Punjab waren sektiererisch motiviert. Am meisten betroffen von Anschlägen unter den Distrikten des Punjabs war Rawalpindi mit 5 Anschlägen, die 12 Todesopfer forderten. Die meisten Todesopfer im Punjab gab es in Lahore mit 23 Toten, die Anschläge dort zielten vor allem auf Sicherheitskräfte, Minderheiten, insbesondere Christen und Journalisten (PIPS 3.1.2016). Trotz eines weiteren signifikanten Abfalls in der Zahl der Terroranschläge im Jahr 2016 im Punjab, ging die Zahl der Todesopfer nur um 4 Prozent zurück. So wurden 7 Terroranschläge im Punjab im Jahr 2016 durchgeführt, dabei allerdings 80 Menschen getötet. Dies lässt sich hauptsächlich auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten Anschlag in Lahore vom März zurückführen, der 74 Menschenleben forderte. 6 Distrikte des Punjabs waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, 4 Polizisten und eine Aufständischer (PIPS 1.2017).

 

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology - abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen - dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).

 

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden) (ÖB 10.2016).

 

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten "original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments" sowie "advisory jurisdiction" auf Anruf durch den Staatspräsidenten. Außerdem kann er sich in Fällen von öffentlicher Wichtigkeit auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner breiten Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2016).

 

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u.a. auch als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2016).

 

Zur örtlichen Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts ist anzumerken, dass sich diese gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) erstreckt (ÖB 10.2016); außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen. Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2016).

 

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2016).

 

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 3.3.2017). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf Gerichte: im März und im September jeweils einen Anschlag auf jeweils ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, bei denen 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta auf ein Krankenhaus, in dem sich Anwälte nach Schüssen auf den Präsidenten der Belutschistan Anwaltsvereinigung versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017).

 

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin (AA 12 .2016a). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, kostenintensive Verfahren, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 3.3.2017). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards. Hinsichtlich der Überlastung der Gerichte ist anzumerken, dass in der Provinz Punjab im Jahr 2015 knapp 700 neue Richter (judges und magistrates) eingestellt wurden, die sich derzeit (zum Teil) noch in Ausbildung befinden. Auch heuer soll es zu Neuaufnahmen in ähnlicher Zahl kommen (ÖB 10.2016).

 

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist somit bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016a).

 

Die im Rahmen des Nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich (AA 30.5.2016).

 

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und sektiererischer Gewalt (USDOS 3.3.2017). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch für 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Anwendung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Laut International Commission of Jurists wurden bisher 12 derartige Militärgerichte eingerichtet und zumindest 105 Verfahren abgeschlossen, von welchen mindestens 81 mit Schuldsprüchen (77 Todesurteile, davon 12 vollstreckt) endeten (Stand: Juni 2016). Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2016).

 

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 3.3.2017).

 

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 3.3.2017).

 

Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2016).

 

In den Stammesgebieten FATA, die nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen und in denen das staatliche pakistanische Recht gemäß der Verfassung nur dann Anwendung findet, wenn dies durch ein Präsidialdekret angeordnet wird, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen "Jirga"-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

In Sindh und Punjab hielten feudale Landherren und lokale Führer, in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas - lokale Ratsversammlungen - in Missachtung des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtsysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 3.3.2017).

 

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2016).

 

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in FATA und PATA weiterhin auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Des Weiteren besteht in Fällen sogenannter honour killings oft die Möglichkeit für die Familie des Opfers, dem Täter zu vergeben und diesen so der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen (ÖB 10.2016).

 

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 12 .2016a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 30.5.2016).

 

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst, ISI, einen Inlandsnachrichtendienst, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 30.5.2016). Der ISI wird unter den "Top ten" Geheimdiensten der Welt gelistet (ABC News Point 15.12.2014). Der ISI ist militärisch dominiert und folglich militärisch geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 30.5.2016).

 

Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert - so pro-Demokratie-Aktivisten (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt über geheimdiensttechnisch breit ausgedehnte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

 

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 30.5.2016).

 

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 3.3.2017). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen, sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 30.5.2016).

 

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus - Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gab weiterhin ungestraft die Praxis des Verschwindenlassens, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh (AI 23.2.2016). Berichten zufolge werden von einigen Bediensteten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass sich viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan unter den Vermissten befinden. In der Online-Datenbank der Internationalen Stimme für Baloch werden 100 Personen, die angeblich im Laufe des Jahres 2016 entführt wurden, aufgelistet (USDOS 3.3.2017).

 

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 3.3.2017).

 

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

 

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karachi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karachi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden. SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

 

Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jänner 2015 verabschiedete das Parlament als Reaktion auf einen Terroranschlag auf die öffentliche Armeeschule in Peshawar eine Verfassungsänderung, um militärischen Gerichten eine Aburteilung von unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten zu ermöglichen, welche im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen. Dies trifft rückwirkend auch auf bis zu 6.000 zivile Häftlinge zu, welche landesweit in verschiedensten militärischen Operationen seit 2009 festgenommen wurden (Dawn 24.8.2015). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt darüber, dass dieses Gesetz universelle Rechte und Freiheiten der Bürger untergraben würde (USDOS 13.4.2016). Das Anti-Terrorgesetz erlaubt der Regierung, auf spezielle Anti-Terrorismusgerichte zurückzugreifen, um Personen die u.a. terroristische Aktivitäten bezichtigt werden, vor Gericht zu stellen. Die Regierung verwendet weiterhin Militärgerichte um Zivilisten wegen Terrorismus und anderen Verbrechen vor Gericht zu stellen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt für Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 3.3.2017; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter - meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt hingegen Berichte darüber, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 3.3.2017). Auch AI zählt Folter als Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 23.2.2016). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2015 in Haft verstorbenen 65 Strafgefangenen in vier Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 30.5.2016).

 

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption von Staatsbediensteten vor. Doch die Regierung implementiert die entsprechenden Gesetze nicht effektiv und Beamte sind häufig in korrupte Machenschaften verstrickt. Korruption ist somit sowohl in der Politik, als auch in der Verwaltung weit verbreitet. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 3.3.2017).

 

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von echten Beschwerden angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Beschwerden akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von anfallenden Gebühren sind ebenso an der Tagesordnung (USDOS 3.3.2017). Gemäß einem Bericht von Transparency International sind die Hauptgründe für Korruption mangelndes Verantwortungsbewusstsein und niedrige Löhne (TI 25.4.2014).

 

Im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International nahm Pakistan die 117. Stelle von 168 Ländern ein (TI 2015), im Jahr 2016 Platz 116 von 176 (TI 2016).

 

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der Bundesregierung und Behörden, inklusive Ministerien und Gerichte, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte, v.a. vertrauliche, sind davon ausgenommen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (AA 30.5.2016).

 

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016).

 

Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert. Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 bleibt die Menschenrechtslage in Pakistan kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Schwache staatliche Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führen in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen u.a. extralegale und gezielte Tötungen, sowie das Verschwindenlassen von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 10.1.2017).

 

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

 

3.522 Fälle verschwundener Personen wurden der Kommission im Zeitraum 2011 bis 31.7.2016 zur Kenntnis gebracht und deren Aufklärung beantragt. Gemäß der Kommission wurden 2.105 Fälle abgeschlossen, 1.641 Fälle geklärt und 1.417 Fälle sind noch offen (USDOS 3.3.2017).

 

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Das Militär setzt weiterhin den Nationalen Plans gegen Terror ohne zivile Kontrolle um (HRW 12.1.2017).

 

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Nach Zählung der Human Rights Commission of Pakistan kamen 2015 landesweit 2.108 Personen bei "police encounters" ums Leben. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemie-Fälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 30.5.2016).

 

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Sie dienen als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu stärken, doch ihre Schlussfolgerung entsprachen im Allgemeinen der Regierungspolitik. Das Gesetz zur Nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sieht die Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der Nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wiedereingerichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 3.3.2017).

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und der Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Die Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 88 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 46.500 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber 80.169 Personen (Ende 2014) untergebracht; die Belegungsquote liegt bei 171,6 Prozent (leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen. Ungefähr 70 Prozent der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 30.5.2016).

 

Die Bedingungen in einigen Gefängnissen und Haftanstalten sind als hart und lebensbedrohlich zu bezeichnen. Unzureichende medizinische Versorgung und eine unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führt zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 3.3.2017).

 

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2015, dass nach Beobachtung der Medien in diesem Jahr in den pakistanischen Gefängnissen 65 Personen starben. 46 dieser Häftlinge verstarben durch verschiedene Krankheiten während vier Häftlinge durch Folter seitens der Wärter und einer durch Gewalt anderer Häftlinge in den Gefängnissen umkamen (UKHO 6.2016).

 

Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2014 auf 1.683 (2,1 Prozent der Inhaftierten). Weibliche Gefangene sind speziell Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen. Es gibt eigene Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 30.5.2016).

 

Im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa sind die weiblichen Gefangenen in unmittelbarer Nähe der männlichen Strafgefangenen untergebracht. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen - etwa bei Gefängnisunruhen - dar (Dawn 27.2.2016).

 

Jugendgefängnisse existieren nicht. 2014 gab es 1.362 jugendliche Strafgefangene. Bürokratische Hindernisse, Korruption und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen, als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 30.5.2016). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 3.3.2017).

 

Durch den Staat, vor allem das Militär wurden im Swat Tal, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkwa einige "Deradikalisierungszentren" betrieben. Darüber hinaus wurde unter der Bezeichnung "Weibliche Emanzipation und Qualifikations-Training" ein Programm für Frauen im Swat-Tal errichtet (BFA 9.2015).

 

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten nur unregelmäßig. Behörden verweigern Internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan. Die Regierungen (Landesregierungen?) von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 3.3.2017).

 

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Die Regierung erließ im Jänner 2015 im Zuge des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehende Zivilisten den Prozess zu machen (USDOS 3.3.2017). Die Regierung hat somit das 2008 von der Vorgängerregierung verfügte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe zunächst am 17.12.2014 für wegen terroristischer Straftaten Verurteilte und am 3. 3.2015 umfassend aufgehoben (AA 30.5.2016). Auch angesichts der internationalen Opposition gegen die Aufhebung des Moratoriums hält die Regierung daran fest, dass die Todesstrafe das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sei (Dawn 22.12.2016).

 

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als ein kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile somit auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mindestens fünf Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016).

 

Bis März 2016 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen mindestens 444 Gnadengesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen an den pakistanischen Präsidenten geschickt (Dawn 22.12.2016). Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Staatspräsident bei der Ablehnung von Gnadengesuchen auf eine Prüfung des Einzelfalls verzichtet. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar (AA 30.5.2016).

 

Im Zeitraum von 17.12.2014 bis zum 30.4.2016 wurden etwa 400 Personen hingerichtet. Eine Vielzahl der Verurteilungen steht dabei in keinem Zusammenhang mit terroristischen Delikten (AA 30.5.2016). Amnesty International zählte 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen (AI 6.4.2016). In der Zeit seit der Aufhebung des Moratoriums im Dezember 2014 wurden mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016). Die Human Rights Commission of Pakistan zählte für 2015 in Pakistan insgesamt 419 verhängte Todesurteile. Die Gesamtzahl der zum Tode Verurteilten in pakistanischen Gefängnissen liegt weiter bei ca. 8.000 - die größte Anzahl an Menschen "on death row" weltweit (AA 30.5.2016; vgl. auch AI 23.2.2016). 2014 wurden mindestens 231 Personen zum Tode verurteilt und sieben Exekutionen durchgeführt (AI 4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Laut CIA World Factbook sind 96,4 Prozent der geschätzt rund 202 Millionen Pakistanis offiziell Muslime, davon 85-90 Prozent Sunniten und 10-15 Prozent Schiiten (CIA 12.1.2017). USDOS geht anhand der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 1998 davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. 75 Prozent dieser muslimischen Bevölkerung werden offiziell als Sunniten und 25 Prozent als Schiiten angeführt. Die restlichen 5 Prozent machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-9 Millionen Anhänger (USDOS 10.8.2016).

 

Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder ein unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der letzten Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6 .2013).

 

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016). Die Verfassung weist den Staat an, die Rechte der Minderheiten zu schützen und verbietet Diskriminierung in verschiedenen Bereichen (USDOS 10.8.2016). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken jedoch die Religionsfreiheit ein, besonders für Religiöse Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung inkonsequent war bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten und es gibt weiterhin Diskriminierung der Minderheiten (USDOS 10.8.2016).

 

Die Lage der religiösen Minderheiten (vor allem Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 12 .2016a). Religiöse Minderheiten und sunnitische Muslime, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban. 2015 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen betroffen (USCIRF 4.2016). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

 

Im Zeitraum 2012-2015 wurden in Pakistan laut Jinnah Institut mindestens 543 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet. Es kam zu 288 Angriffen auf Schiiten, 91 Attacken auf Hindus, 88 auf Christen und 76 auf Ahmadiyas (SATP 5.3.2017). Laut PIPS wurden 2016 in fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet. Verwundet wurden bei diesen Anschlägen 236 Personen [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich nur auf Nicht-Muslimische Minderheiten; die Zahlen inkludieren allerdings Ahmadis] (PIPS 1.2017). Besonderes Angriffsziel radikalsunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan (AA 12 .2016a).

 

Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei aufgehalten werden können (USDOS 10.8.2016).

 

Die Polizei versagt oft dabei, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, Ahmadiyya, Schiiten und Hindus vor Angriffen zu schützen (USDOS 3.3.2017). Die begrenzte Kapazität und der eingeschränkte Willen der Regierung, Täter, die für Übergriffe gegen religiöse Minderheiten verantwortlich sind, zu verfolgen und verhaften, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 14.10.2015). Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 3.3.2017).

 

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den achtziger Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragraphen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 12 .2016a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und "Anit-Ahmadi" Gesetze (USDOS 10.8.2016). Auch die Gerichte versagen oft darin, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Gerichte wenden die Blasphemiegesetze diskriminierend gegen Christen, Ahmadis Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017).

 

Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Individuen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch versagen die unteren Gerichte noch dabei, grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen einzuhalten (USDOS 10.8.2016).

 

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Um diese Aktivitäten zu reduzieren wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden (USDOS 14.10.2015). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der Nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die sowie die Bewegungsfreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, zu verbreiten (USDOS 10.8.2016).

 

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Implementierung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und ferner, dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh, unternahm die Provinzregierung Initiativen, um die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten zu fördern. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

 

Prinzipiell hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen nicht daran Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt auch keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch dürfen ihre Gebetstätten nicht als Moschee bezeichnet werden. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 10.8.2016).

 

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung. Im staatlichen Bereich, sowohl auf nationaler als auch auf Provinzebene, gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht umgesetzt (USDOS 10.8.2016). Auch der Karrieremöglichkeiten von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist Berichten zufolge begrenzt (USDOS 14.10.2015). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).

 

Mit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014). Das Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten, zur Renovierung von Glaubensstätten, für Entwicklungsprojekte für Minderheiten, Stipendien für Angehörige der Minderheiten und der Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 10.8.2016). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 30.5.2016).

 

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Diese Sitze werden von den gewählten Parteien an Minderheitenangehörige vergeben (USDOS 10.8.2016). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2016 auf über 202 Millionen Menschen geschätzt und setzt sich wie folgt zusammen:

Punjabi 44,68 Prozent, Paschtunen (Pathan) 15,42 Prozent, Sindhi 14,1 Prozent, Saraiki 8,38 Prozent, Muhajirs 7,57 Prozent, Belutschen 3,57 Prozent, andere ethnische Gruppen 6,28 Prozent (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat. Die Armee wird v.a. durch Punjabis dominiert. Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Es kommt zu sozialen Diskriminierungen, unter anderem gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Karatschi kommt es immer wieder zu Gewalt von und zwischen den radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People's Party) (PIPS 1.2017). Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Die Sicherheitskräfte gehen verstärkt gegen die radikalen Flügeln der Parteien vor, wodurch deren Kapazitäten geschwächt wurden (PIPS 1.2017).

 

Die MQM wirft den Sicherheitskräften vor, im Zuge Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt.In diesen Sicherheitsoperationen 61 Mitglieder getötet zu haben, während 171 Mitglieder vermisst werden. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 3.3.2017)

 

Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 3.3.2017).

 

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde im Jahr 2015 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie bewaffneten Konflikten, militärischen Operationen in der FATA, gezielte Angriffe, Ausgangssperren und interne Vertreibung sowie Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. 2015 kehrten immer mehr Menschen - welche im letzten Jahrzehnt wegen des bewaffneten Konflikts zwischen den Sicherheitskräften und militanten Extremisten gezwungen waren, aus den staatlich verwalteten Stammes-Bereichen der FATA zu fliehen - wieder zurück. Viele andere konnten aufgrund der prekären Situation in der konfliktbeladenen Gegend noch nicht wieder zurückkehren (HRCP 3.2016).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 30.5.2016).

 

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazaras (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazaras nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazaras aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 30.5.2016).

 

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen - wie oben dargestellt - innerstaatliche Fluchtalternativen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, KP, und New Durrani, FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs gemäß Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisation als besorgniserregend dar. Wiewohl die Rückkehr sowohl afghanischer Flüchtlinge, als auch intern vertriebener Pakistani in diesem Jahr stark zugenommen hat, erscheinen die diesbezüglichen Zielvorgaben der Regierung zumindest optimistisch, zumal die Sicherheitslage im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet - trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren - zuletzt wieder heikler geworden ist (ÖB 10.2016).

 

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Pakistan gehört zu den sieben bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt und das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23 Jahre angenommen (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung.

 

(AA 12 .2016c).

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 Prozent; der Sektor umfasst u.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 Prozent). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 Prozent) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 Prozent der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 12 .2016c).

 

Neben der fortlaufenden komplexen Notsituation in den FATA und KP, sieht sich Pakistan Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ausgesetzt (USAID 6.1.2017).

 

Wiederkehrende Katastrophen in Kombination mit der chronischen Armut begrenzen die Möglichkeiten für bedürftige Haushalte sich adäquat zu versorgen und führen zudem zu Vertreibung und humanitären Bedürfnissen (USAID 30.6.2016).

 

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption, einer angespannten Sicherheitslage und der sich nur langsam verbessernden Energiekrise (AA 12 .2016c).

 

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 12 .2016c).

 

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund fünf bis sieben Prozent des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa $ 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der Nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich $133 Millionen aufgrund von Korruption verliert. Weniger als ein Prozent der pakistanischen Bürger zahlen Steuern (Dawn 1.4.2016).

 

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt - viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht in ihrem aktuellen Länderbericht zu Pakistan rund 60,5 Prozent der pakistanischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (WKO 23.1.2017).Von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 sind etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent (IOM 7.1.2016). Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich in Pakistan auf 10,4 Prozent. Dieser Wert ist der Mittelwert der Arbeitslosenrate der 15 - 24 jährigen Pakistani. So sind 12,9 Prozent der weiblichen pakistanischen Jugendlichen und 9,4 Prozent der männlichen pakistanischen Jugendlichen ohne Beschäftigung (CIA 12.1.2017). Prognosen weisen auf eine Steigerung der pakistanischen Arbeitslosenquote seit 2007 von 5,2 Prozent auf erwartete rund 6 Prozent im Jahr 2017 (Statista 2017). Im Country Fact Sheet Pakistan vom Jänner 2016 berichtet IOM über Möglichkeiten von Beschäftigung in Pakistan. Demnach waren von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Unterstützt werden die Arbeitssuchenden vom Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme, welche das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, sowie der Small and Medium Enterprise (SME). Auch diese soll Arbeitsplätze im Land schaffen (IOM 7.1.2016).

 

Pakistanis sind in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen. Zwar sank die nationale Armutsquote seit 2004 von 55 Prozent auf 39 Prozent, doch leben somit 39 Prozent der Pakistani in Armut. Die höchsten Quoten mit Bezug auf Armut fallen dabei auf die vom Bund verwalteten Tribal Areas (Fata) mit 73 Prozent und Belutschistan mit 71 Prozent. Auch gibt es massive Unterschiede zwischen den städtischen Bereichen mit 9,3 Prozent und den ländlichen Bereichen mit 54,6 Prozent (Dawn 21.6.2016). Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In größeren Städten ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. 47,7 Prozent bis 80 Prozent der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet (TET 4.8.2015).

 

Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 3.2014). Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 Prozent des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6 .2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2014; vgl. PBM o.D.a; PBM o. D.b). Der Finanzminister hat das Budget von PBM von 2 Milliarden Rupien auf 4 Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D.a; vgl. PBM o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wohlfahrt-NGOS

 

Private Einrichtungen wie der Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015).

 

Edhi Foundation ist das größte und am besten organisierte sozialen Sicherungssystem in Pakistan. Das Leistungsspektrum der Edhi Foundation bietet in einen 24-Stunden-Notfall-Service bundesweit bei über 335 Edhi Zentren und einer Flotte von 1800 Krankenwagen, die kostenlose Hilfe bei der Bergung von Leichen, der Gewährung von Unterschlupf für Waisen und Behinderten, einer kostenlosen Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. Sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

 

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO 2017).

 

Unterstützung bei der Arbeitssuche wird u.a. durch das Tameer-e-Pakistan Programm angeboten. Es ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme mit dem Ziel, Arbeitsplätze im Land zu schaffen und die Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu verbessern (IOM 7.1.2016).

 

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 56 Distrikten der vier Provinzen - inklusiv Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 2,3 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von mehr als 155.427 kommunale Gemeinschaften bilden (Gov Pak 16.10.2015). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Die Organisation bezifferte mit Stand August 2016 die Zahl der an ihren verschiedenen Programmen teilnehmenden Männer und Frauen auf über drei Millionen. Es bietet Schulungen für berufliche Fortbildung, Alphabetisierungskurse, Gesundheitsvorsorgeprogramme, Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehrhilfe und -projekte

 

Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 30.5.2016).

 

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten. Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert. Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr von Österreich nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt sieht die Teilnahme von 330 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen. Die Reintegrationsunterstützung beinhaltet Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich, Beratung der Rückkehrer nach der Ankunft im Herkunftsland bezüglich ihrer Chancen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld wird auch angeboten, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken. Des Weitern gibt es Reintegrationsunterstützung in Form von Sachleistungen wie Unterstützung bei einkommensgenerierenden Aktivitäten wie der Gründung eines Kleinunternehmens, dem Eingehen einer Geschäftspartnerschaft (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren), oder einer Berufsausbildung, Unterstützung für vulnerable Personen:

Verbesserung der Lebensumstände, Unterkunft, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und Medizinische Unterstützung. IOM und lokale Partnerorganisationen führen in den Herkunftsländern Monitorings in Form von Interviews und Besuchen bei den Projektteilnehmer durch (IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch - das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen erfahren können (IOM 7.1.2016).

 

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Mit Programmen in 113 Bezirken hat WELDO eine große Reichweite. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen dazu dienen, die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der die nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr aus den Partnerländern. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (WELDO 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 10.3.2017). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf die private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

 

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan für seine Bevölkerung über 1.142 Krankenhäuser, 5.438 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 671 Mutter-Kind-Gesundheitszentren. Für die Patientenversorgung stehen insgesamt nur 175.223 Ärzte, 90.276 Krankenschwestern und 118,041 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 3.2016).

 

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hochspezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden gedeckt bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

 

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 30.5.2016). In Islamabad und Karachi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau gewährleistet und damit auch teuer (AA 10.3.2017). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM (BAA 6 .2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, in Pakistan behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Dies wird unterstrichen durch die Gegebenheit, dass in kleinen Spitälern, wie z.B. dem Rawalpindi Lepra Spital, keine Medikament importiert werden, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus wurden medizinische Geräte entwickelt bzw. in Pakistan verfügbar gemacht. Die medizinischen Ressourcen, die in der Vergangenheit unmöglich zu bekommen waren, können nun in Pakistan erworben werden. Dennoch werden Dienstleistungen nicht aktiv angeboten (BFA 9.2015).

 

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6 .2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6 .2013). Beluchistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit (BAA 6 .2013). Nach aktuellsten Angaben der Vereinten Nationen beträgt die Müttersterblichkeitsrate 178 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten (USDOS 3.3.2017). So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6 .2013).

 

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

 

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6 .2013; vgl. auch EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überlastet sind aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6 .2013).

 

Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Das Militär ist sehr gut organisiert und die Qualität ist sehr hoch. Zivilisten können dort auch behandelt werden, jedoch ist die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015).

 

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

 

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 30.5.2016; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 30.5.2016). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 10.3.2017). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 10.3.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Allerdings haben sich in den vergangenen Monaten die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, so dass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Einer der Hauptgründe dieser Erhöhung ist die unbefriedigende Leistung der DRAP und anderen Partnerbehörden, die keine Maßnahmen dagegen ergriffen haben (Lancet 7.11.2016).

 

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: nur 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

 

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 Prozent der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).

 

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA 30.5.2016). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 30.5.2016). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

 

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA 6 .2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6 .2013).

 

Pakistan ist eines der verbleibenden zwei Länder, in denen Polio endemisch ist, allen voran in den FATA, wo mit den Taliban verbündete bewaffnete Gruppen in Streit mit der pakistanischen Regierung liegen (SHCC 23.5.2016). Die Taliban verbieten Impfungen, greifen medizinisches Impfpersonal an und führen gezielte Angriffe gegen medizinische Mitarbeiter durch (Dawn 24.11.2016). Dennoch wurden Fortschritte bei der Verringerung von Poliovorkommen gemacht. So ist die Zahl von neuen Fällen von 2014 auf 2015 um 80 Prozent gesunken. Intensiverer Polizeischutz für das Impfpersonal hat zu einer Verringerung solcher Angriffe geführt, nachdem kritisiert wurde, dass Impfärzte großer Gefahr ausgesetzt sind (SHCC 23.5.2016). Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für jene Eltern und Erziehungsberechtigten, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende

 

Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 30.5.2016).

 

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance, 1979 , namentlich wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.), oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel) (ÖB 10.2016).

 

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 30.5.2016).

 

Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder verlangt wurden (entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karachi und Lahore bekannt). Außerdem berichtete IOM von der folgenden Prozedur bei der Rückkehr: Die ohne gültigen Reisepass nach Pakistan Zurückkehrenden werden von der Anti-Human Trafficking Cell der Federal Investigation Agency (FIA) über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der Betroffenen zu wünschen übrig lasse und auch eine mehrtätige Festhaltung vorkomme (im Einzelfall hänge dies u.a. auch vom Auftreten der Rückkehrenden ab) (ÖB 10.2016).

 

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger Registrierung. So sollen angeblich über 96 Prozent der Bürgerinnen und Bürger biometrische ID Cards - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. ID-Karten sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

 

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (NADRA 2016).

 

Die Pakistan Origin Card (POC) können Personen erhalten, welche ausländische Staatsbürger sind, oder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens eine Staatsbürger oder ein Staatsbürger Pakistans gewesen sind. National Identity Card for Overseas Pakistanis - (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft besitzen und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA 2016).

 

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 30.5.2016).

 

UNOCHA arbeitet in Pakistan neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 internationale NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-(I)NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP);

Poverty Alliance Welfare Trust (PAWT); PREPARED; Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP);

Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf , Zugriff 14.3.2017

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf , Zugriff 14.3.2017

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seiner Heimat als Polizist tätig war.

 

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass für den BF von Seiten terroristischer, Organisationen oder Privatpersonen eine Gefahr - spezifisch seine Person betreffend - ausgeht.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

 

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

 

Zu den vorgelegten pakistanischen Dokumenten, den pakistanischen Reisepass und den pakistanischen Personalausweis (AS 43 - 49) ist festzuhalten, dass die zuständige Stelle für Dokumentenüberprüfung festhielt, dass die Unterschriften zwischen Reisepass/Personalausweis und der Niederschrift hinsichtlich der Erstbefragung nicht übereinstimmten (AS 83). Diesbezüglich erfolgte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 09.05.2018 eine Befragung. Dabei gab der BF an, dass er durch die Reise sehr müde gewesen sei und sich nicht habe konzentrieren können. Warum die Unterschriften in seinen Identitätsdokumenten im Vergleich zum Erstbefragungsprotokoll unterschiedlich sind, hat der BF dadurch nicht schlüssig erklärt. Im Zuge der Erstbefragung führte der BF an, dass er keine Beschwerden oder Krankheiten habe, die ihn an der Befragung hindern würden. Er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Somit ist kaum nachvollziehbar, dass der BF nicht in der Lage war, wie gewohnt, seine Unterschrift abzugeben.

 

Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext vor allem der Umstand, dass der BF vor dem BFA anführte, der Schlepper habe den Reisepass für den BF besorgt. Dies würde wiederum darauf hindeuten, dass die Unterschrift im Reisepass, nicht die des BF ist. Wenn der BF vor dem erkennenden Gericht widersprechend darlegt, er habe seinen Reisepass selbst beantragt und abgeholt, versucht der BF offenbar nachträglich einzelne Umstände verschiedenartig darzustellen. Warum der BF in der Erstbefragung wahrheitswidrige Umstände geschildert habe, ist kaum erklärbar.

 

Die Zweifel an der Personenidentität zwischen dem BF und den vorgelegten Dokumenten konnten daher nicht restlos aufgeklärt werden. Die Identität des BF steht daher nicht zweifelsfrei fest.

 

Anzuführen ist, dass es dem BF möglich wäre, seine Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren durch anderen Identitätsdokumente zu bescheinigen.

 

Bezüglich des Gesundheitszustandes des BF ist anzumerken, dass sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF, keinerlei lebensbedrohlichen bzw. dauerhaft behandlungsbedürftigen Krankheiten ergeben. Der BF gab zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 09.05.2018 auf die Frage, ob er in ärztlicher Behandlung stehe, sich in Therapie befinde oder Medikamente einnehme an, dass er an keinen Erkrankungen leide.

 

Von einer Arbeitsfähigkeit des BF ist aufgrund seiner Angaben in seinem Asylverfahren - er sei gesund - auszugehen. Folglich ist davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in der Lage ist einer Arbeit nachzugehen und somit auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Vor seiner Ausreise aus Pakistan hat der BF offensichtlich seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Dass er einer Arbeit bei seiner Rückkehr nicht nachgehen könnte bzw. vorübergehend keine Gelegenheitsarbeiten aufnehmen könnte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dafür gibt es keine Hinweise.

 

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteienahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

 

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

 

Der BF trat mit seinen sowohl mündlichen als auch schriftlichen Stellungnahmen den Kernaussagen der vom erkennenden Gericht miteinbezogenen Quellen nicht konkret und substantiiert entgegen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass das zentrale Problem für die innere Sicherheit Pakistans die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen Terroranschläge (AA 12 .2016a). Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung bzw. zur Bekämpfung dieser Gruppen zahlreiche Maßnahmen. So kam es zu großteils extensiven Operationen gegen Militante durch Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017). Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016). Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

 

Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.

 

In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor strafrechtswidrigen bzw. terroristischen Übergriffen und Bedrohungen gegen Privatpersonen zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts fortbestehen (AA 30.5.2016) bzw. dass die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte pro Bezirk sehr unterschiedlich und von gut bis ineffizient reicht (USDOS 3.3.2017). Die Justiz verteidigt jedoch ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Es geht auch unzweifelhaft aus zitierten Länderberichten hervor, dass das Vereinigte Königreich mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammenarbeitet, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015). Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) ausgebildet wurden. (SHARP 2016). Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017). Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 3.3.2017).

 

Sofern der BF die schlechte Sicherheitslage in Pakistan erwähnte und damit eine Rückkehr aufgrund der Sicherheitslage für unmöglich erachtet, wird festgehalten, dass sich der BF der fragilen Sicherheitslage in seiner Heimatregion aufgrund der Bewegungsfreiheit in Pakistan durch Verlegung seines Lebensmittelpunktes entziehen kann. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass anhand der aktuellen bzw. im Verfahren miteinbezogenen Berichtslage feststeht, dass es für Angehörige aller Gruppen die Möglichkeit gibt in Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande zu leben, dies gilt auch für potentiell Verfolgte. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 30.5.2016). Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass es sich beim BF um eine "high profile" Person (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) handelt oder er über einen überregionalen Bekanntheitsgrad verfügt. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe bzw. Unterstützung von Hilfsorganisationen bzw. seiner Verwandten in Pakistan in Anspruch nehmen. Es steht dem BF bspw. frei, sich bspw. in Islamabad niederzulassen. Zur Sicherheitslage in Islamabad ist auszuführen, dass nach Berichtslage die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, als vergleichsweise sicher gilt (BAA 6 .2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016) und es kommt nur vereinzelt zu Anschlägen. So erlitt Islamabad einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016). Dass Islamabad im Luftweg erreichbar ist, muss als notorisch angesehen werden (siehe diesbezüglich

https://www.laenderdaten.info/Asien/Pakistan/flughafen.php ).

 

Ebenso kann auf Grundlage der vom BFA herangezogenen Länderberichte die Deckung der Grundbedürfnisse und eine medizinische (Grund‑)Versorgung als gewährleistet angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass in Pakistan eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, es geht jedoch aus den Länderfeststellungen nicht hervor, dass die individuelle Versorgungslage für alle Personen - ohne Hinzutreten von besonderen Umständen - gefährdet wäre.

 

Es muss in Betracht gezogen werden, dass es bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen, de facto unmöglich ist, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das ho. Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

 

Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Pakistan zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann.

 

II.2.4. Das Vorbringen des BF - sein Leben sei aufgrund der Sicherheitslage in seiner Heimatregion bzw. aufgrund von Verfolgungshandlungen seitens Privatpersonen und der Taliban in Gefahr - wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens für unglaubwürdig erachtet.

 

II.2.4.1. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden.

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [nunmehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen.

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Der BF wurde im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

 

Der BF konnte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend machen.

 

II.2.4.2. Sofern der BF die allgemeine Sicherheitslage in seiner Heimatregion ins Treffen führt, wird - wie bereits unter II.2.3. dargelegt - darauf hingewiesen, dass aus der Berichtslage nicht ableitbar ist, dass der BF einer hieran anknüpfenden gruppengerichteten religiösen oder politischen Verfolgung durch Terroristen ausgesetzt ist bzw. muss festgehalten werden, dass pakistanische Behörden grundsätzlich fähig und nicht willens sind, Schutz vor strafrechtswidrigen bzw. terroristischen Übergriffen und Bedrohungen gegen Privatpersonen zu gewähren.

 

Im Hinblick auf die vom BF geltend gemachten individuellen Fluchtgründe ist Folgendes auszuführen:

 

Das BFA führte in der Beweiswürdigung unter anderem aus, dass die Angaben des BF zwischen Erstbefragung und Einvernahme eklatant widersprüchlich gewesen seien. Der BF habe bei der Erstbefragung angegeben, aufgrund der schlechten Wirtschafts- und Arbeitslage im Dorf und in Hoffnung auf ein besseres Leben aus Pakistan in Richtung Westen geflohen zu sein. Er würde in Österreich arbeiten und auch seine Familie nachholen wollen. Dagegen habe er in der Einvernahme beim BFA derartige Umstände als Fluchtgrund nicht erwähnt. Vor der belangten Behörde gab der BF vielmehr an, er wäre aufgrund von Problemen mit den Gegnern seiner Schwester und aufgrund seiner damaligen Tätigkeit als Polizist geflohen. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban.

 

Nach Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung habe sich der BF vor dem BFA damit verantwortet, dass ein Freund verstorben wäre und sein Kopf aufgrund des Stresses nicht funktioniert habe. Mit dieser Begründung hat der BF die Widersprüchlichkeiten aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht plausibel darlegen können. Der Würdigung des BFA ist insoweit zuzustimmen, dass der BF sein Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und Einvernahme de facto ausgewechselt hat. Im Zuge der Erstbefragung führte der BF an, dass er keine Beschwerden oder Krankheiten habe, die ihn an der Befragung hindern würden. Er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Hätte der Tod seines Freundes ihn tatsächlich derart erschüttert, dass er nicht mehr in der Lage war korrekte Angaben zu machen, dann wäre es völlig unschlüssig gewesen, wenn der BF dies nicht angeführt hätte.

 

Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der Einvernahme im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gem. § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall stellt das Vorbringen in der Einvernahme jedoch kein im Verhältnis zur Erstbefragung detaillierteres Vorbringen, sondern ein völlig anderes/zusätzliches Geschehen dar als in der Erstbefragung. Dass es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen, ergibt sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0323, mwN).

 

Dem BFA ist zu folgen, wenn dieses anführt, es sei dem BF auch trotz mehrmaligem Nachfragen nicht gelungen, eine plausible Beziehung zwischen den Gegnern des Schwagers und seiner eigenen Flucht herzustellen. So habe sich der BF in Mutmaßungen ergangen, da er selbst Polizist gewesen wäre, hätten die Gegner vermutlich gedacht, er hätte die Polizei zu den Gegnern geschickt. Auffällig war vor allem, dass der BF einer entsprechenden näheren Befragung ausgewichen ist und sich seine Auskunft beim Nachfragen darin erschöpft hat, es wäre um Geld gegangen, die Gegner wären Paschtunen gewesen und sein Anteil an dieser Angelegenheit sei seine generelle Tätigkeit als Polizist. Eine Verfolgung des BF aufgrund dieses Vorfalles konnte der BF nicht verdeutlichen.

 

Die oben angeführten Erläuterungen können zudem kaum mit den Angaben des BF vor dem erkennenden Gericht in Einklang gebracht werden. Der BF erörterte unmissverständlich, dass er im Zuge eines Anrufes seiner Mutter über die Ermordung seines Schwagers informiert wurde. Daraufhin habe er dem Chef der Polizeistation darüber erzählt und wären daraufhin andere Polizisten zusammen mit dem BF zum Vorfallsort gefahren. Dort seien Ermittlungen durchgeführt worden. Zwei Personen seien aufgrund der Anzeige des Bruders des Schwagers beschuldigt worden, den Mord begangen zu haben. Die Beschuldigten hätten jedoch nicht festgenommen werden können, da diese nicht auffindbar waren. Deshalb sei ein Haftbefehl erlassen worden. Folglich war laut Angaben des BF der Bruder des Schwagers dafür verantwortlich, dass zwei Personen wegen Mordes beschuldigt wurden und nicht der BF. Wenn der BF in diesem Zusammenhang anführt, die Gegner des Schwagers hätten seinem Onkel mitgeteilt, der BF solle die Polizei nicht zu ihnen schicken, ist dieser Sachvortrag nicht nachvollziehbar. Hat der BF doch dargelegt, dass unverzüglich nach dem Mord polizeiliche Ermittlungen durchgeführt wurden, eine Anzeige erstattet wurde und zwei Personen des Mordes beschuldigt wurden.

 

Richtig ist auch, wenn das BFA anführt, die Schilderungen des BF hinsichtlich des Vorfalles, bei dem er und weitere Kollegen beschossen worden seien, seien äußerst knapp und vage gewesen. Der BF hat weder Erlebnisse oder Eindrücke, noch eine individuelle Verfolgungshandlung in dieser Hinsicht darlegen können. So beschränkte sich die Schilderung dieses Ereignisses auf gerade einmal 2 kurze Sätze ("Als wir unterwegs waren, der Bruder vom männlichen Entführer hat auf uns geschossen. Bei uns ist nichts passiert, wir haben die 2 Personen festgenommen und sie zur Polizeistation in XXXX gebracht." - vgl. AS 66) und ist insoweit unglaubwürdig.

 

Wäre der BF tatsächlich in seiner Heimat als Polizist tätig gewesen, wäre davon auszugehen, dass er aufgrund seines Berufes besonders geschult ist, sich Einzelheiten im Hinblick auf Geschehnisse besonders genau und schnell einzuprägen. Aufgabe eines Polizisten ist doch sehr häufig, verlässliche Angaben zu Vorfällen oder bestimmten Aspekten wiederzugeben. Eine derartige Schilderung hinterlässt den Eindruck, dass der BF lediglich vorgibt als Polizist gearbeitet zu haben.

 

Nicht unberücksichtigt darf bleiben, dass der BF habe hinsichtlich zeitlicher Umstände gravierend widersprüchliche Angaben machte. So gab der BF in der Erstbefragung am 23.11.2015 an, er sei vor 45 Tagen mit einem Kleinbus nach XXXX gefahren und von dort mit einem Bus bis zur iranischen Grenze. Rechnet man zurück, wäre die Ausreise des BF aus Pakistan somit um den 10. Oktober 2015 gewesen. Der BF führte weiters an, vor 60 Tagen das Visum des XXXX erhalten zu haben; demnach so um den 23.09.2015 (vgl. AS 33). In der Einvernahme vor dem BFA hingegen gab der BF mehrmals an, im Juni/Juli 2015 aus Pakistan geflüchtet zu sein (AS 67, 69), an anderer Stelle auch im Juli/August (AS 68). Andererseits legte der BF in der Einvernahme ebenso dar, er habe ab 2010 bis zur Flucht im September 2015 als Polizist gearbeitet (AS 65), was wiederum den vorherigen Ausführungen widerspricht.

 

Der BF machte auch unterschiedliche Angaben, wann er das Dorf verlassen und nach XXXX gegangen sei. So gab er einmal an, dies sei im Jänner 2015 gewesen (AS 66, 67), um kurz danach anzugeben, dies sei im Juni oder Juli 2015 gewesen (AS 67). Der BF machte auch divergierende Angaben zum Zeitpunkt des Angriffes der Taliban auf die Polizeistation XXXX, bei dem 17 Arbeitskollegen des BF erschossen worden wären. Vorerst gab er an, dies sei im XXXX gewesen (AS 66), um später andere Jahreszahlen - XXXX - zu nennen (AS 68). Diese völlig widersprüchlichen Zeitangaben hinsichtlich der vorgebrachen Ereignisse lassen das Vorbringen des BF unglaubwürdig erscheinen.

 

Der BF gab in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, er sei im August 2015 einen Monat als Taxifahrer beschäftigt gewesen (AS 75). Auf die Frage, ob er einer politischen Partei angehöre, antwortet er mit, er sei bei der PPP, Pakistan People Party Mitglied, gewesen (AS 71). Wenn der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 09.05.2018 angab, er wolle zwei Missverständnisse richtigstellen, er habe einerseits damit gemeint, dass er Taxi gefahren sei, bevor er Polizist geworden sei und anderseits, dass er kein Mitglied der Pakistan People Party sei, hat dies zur Folge, dass erneut widerstreitende Aussagen vom BF getätigt wurden. Eine Erklärung, warum der BF vormalig etwas anderes angegeben hat, findet sich aber nicht. Für die Glaubwürdigkeit des BF in der Gesamtheit betrachtet sind derartige Widersprüchlichkeiten nicht zuträglich.

 

Soweit der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 09.05.2018 angab, er habe als Polizist gearbeitet, sie hätten viele Mitglieder der Taliban inhaftiert und er habe Angst, von den Taliban umgebracht zu werden, er sei das Ziel von denen (Verhandlungsschrift Seite 5) bzw. er habe viele Mitglieder von ihnen inhaftiert und festgenommen, sie würden ihn sicher umbringen (Verhandlungsschrift Seite 9), so ist dieses Vorbringen - er habe Taliban inhaftiert - völlig neu. Diesen Umstand erwähnte der BF an keiner Stelle im bisherigen Verfahren (Erstbefragung bzw. Einvernahme beim BFA). Dieses Vorbringen ist daher als Steigerung seines Vorbringens zu werten und damit unglaubwürdig.

 

In diesem Kontext ist anzuführen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Bestreben Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte, die ihn persönlich betrifft, unverzüglich möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt war.

 

Das Aussageverhalten des BF führt im konkreten Fall dazu, dass der Eindruck entstand, dass der BF zur Situation deshalb derartige Angaben machte, da er offenbar das Präsentierte, nicht selbst erlebt hat.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, korrespondiert. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

 

Wenn gewisse Einzelheiten bezüglich der Bedrohungssituation vom BF vor der belangten Behörde im Laufe der Einvernahme preisgegeben wurden, entstand beim erkennenden Gericht der Eindruck, dass der BF erst durch nähere Befragung Einzelheiten gezwungenermaßen angab. Das Aussageverhalten des BF, erst durch Befragen Fakten anzugeben, hinterlässt den Anschein, dass der BF Umstände präsentiert, die er nicht selbst erlebt hat und diese nur deshalb angibt, damit nicht der Eindruck entsteht, dass er darüber nicht Bescheid weiß.

 

Soweit der BF zahlreiche Unterlagen zum Beweis vorlegt, er sei in seiner Heimat als Polizist tätig gewesen, können diese Beweismittel den Sachvortrag des BF nicht unterstützen. Vielmehr geht das erkennenden Gericht davon aus, dass der BF nicht als Polizist tätig war. Die Angaben zu seiner Fluchtgeschichte im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit sind derart widersprüchlich, vage und kaum nachvollziehbar, dass wiederum davon auszugehen ist, dass der BF in seiner Heimat nie als Polizist tätig war, ansonsten hätte er derartige Angaben nicht gemacht.

 

Dass der BF gewissen Einzelheiten über die Polizei in seiner Heimatregion weiß, wird nicht verkannt, ebenso muss darauf hingewiesen werden, dass der BF bezüglich nicht vernachlässigbarer Umstände nicht Bescheid weiß bzw. diese widersprechend darstellt. So legte der BF Personalunterlagen vor. Nach Befragung wie seine Personalnummer laute, gab der BF seine XXXX (XXXX) an. Der BF wurde vor dem erkennenden Gericht dahingehend befragt, wie lange seine Ausbildung bei der Polizei gedauert habe. Er gab an, die Ausbildung habe von Dezember 2010 bis September 2011, insgesamt 9 Monate, gedauert. Anschließend führte der BF divergierend dazu aus, er habe im Jänner 2010 mit der Ausbildung begonnen, habe 9 Monate lang die Polizeischule besucht und habe im November 2010 den Dienst bei der Polizei angetreten. Diese unterschiedlichen zeitlichen Angaben deuten darauf hin, dass der BF offensichtlich nicht wahrheitsgetreue Angaben macht. Diese Sichtweise wird auch dadurch erhärtet, wenn die vom BF vorgelegten Personalunterlagen betrachtet werden, wonach er von XXXX als Rekrut in Ausbildung stand.

 

Der BF wurde vor dem erkennenden Gericht zu seinen Polizeichefs befragt. Der BF hat zwar korrekterweise angeführt, dass XXXX und XXXX im Zeitraum von 2010-2015 die Führung der Polizei in Khyber Pakhtunkhwa inne hatten, die diesbezüglichen zeitlichen Angaben entsprechen jedoch nicht den Tatsachen, zudem hat der BF nicht angeführt, dass im Zeitraum 2010-2015 zumindest 4 bzw. 5 Personen diese Position inne hatten. So muss als notorisch angesehen werden, dass Mr. XXXX von XXXX bzw. XXXX von XXXX und XXXX die Polizei in Khyber Pakhtunkhwa geführt haben (siehe bspw. http://kppolice.gov.pk/about_us/igp.php ),.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte, wonach die Zahl der vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente hoch ist bzw. es in Pakistan problemlos möglich ist, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, muss im gegenständlichen Verfahren davon ausgegangen werden, dass sämtliche Unterlagen, die der BF in Bezug auf seine Arbeit vorlegte, nicht wahrheitsgetreue Tatsachen bestätigen. Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass der BF keinerlei Originaldokumente vorlegte, sondern Farbfotos. Eine diesbezügliche Echtheitsüberprüfung ist nicht möglich, sodass die Aussagen des BF zur Glaubwürdigkeitsprüfung heranzuziehen waren.

 

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vermittelte der BF mit seinem Sachvortrag nicht den maßgeblichen Eindruck, dass er als Polizist gearbeitet hat bzw. bei seiner Rückkehr mit einer erheblichen Gefährdung zu rechnen hat. Der BF hat eine individuelle Bedrohung nicht glaubhaft machen können.

 

In Anbetracht der oa. Erwägungen geht das erkennende Gericht daher davon aus, dass die vom BF vorgebrachte Verfolgung unglaubwürdig ist. Dem BF ist es nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

Hinsichtlich der Schilderung der polizeilichen Maßnahmen anlässlich der behaupteten Ermordung des Schwagers des BF in der mündlichen Verhandlung - der Mordfall sei aufgenommen worden und sei eine gerichtsmedizinische Untersuchung, eine Obduktion, veranlasst worden; es sei eine Anzeige erstattet worden; es seien zwei Personen namentlich beschuldigt worden und es seien zwei Anzeigen gegen diese erstattet worden; zu dieser Zeit hätten diese Personen nicht festgenommen werden können, es sei ein Haftbefehl erlassen worden - ist anzumerken, dass diese Ausführungen im Einklang mit den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf das Polizei- und Justizwesen in Pakistan stehen und bestätigt der BF damit selbst auch ausdrücklich die Fähigkeit und den Willen des pakistanischen Staates, Schutz vor Kriminellen zu bieten.

 

Gleiches gilt auch für die vorgelegte Anzeige. Es handelt sich dabei um eine Anzeige, die der BF im Jahr XXXX erstattet, nachdem er von einem Gegner eines Volleyballspieles verletzt worden war. Auch dies bestätigt die Fähigkeit und den Willen des pakistanischen Staates Schutz bei Straftaten zu gewähren. Im Rahmen des Asylvorbringens des BF war dieses Dokument aber nicht weiter zu würdigen, weil es mit seinem Asylantrag - wie er selbst angab (vgl. AS 71) - nichts zu tun hat.

 

Abschließend darf noch auf Weiteres hingewiesen werden: Dass der BF aufgrund der Streitigkeiten seines Schwagers mit "einflussreichen Personen" - wie in der Beschwerde behauptet - von Verfolgung bedroht sei, hatte der BF bis dahin nie vorgebracht. Dieser Aspekt, dass es sich um einflussreiche Personen gehandelt habe, wird daher als Vorbringenssteigerung und damit als unglaubwürdig gewertet und hat der BF Derartiges auch nicht vor dem erkennenden Gericht erwähnt.

 

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, bei den Datumsangaben habe es sich um kleine Unstimmigkeiten gehandelt, so ist das jedenfalls unrichtig. Die Widersprüche in diesem Bereich waren - wie zuvor bereits ausführlich dargestellt - gravierend. Wenn der BF in der Beschwerde nunmehr ein weiteres Datum - von den vorherigen Angaben neuerlich abweichend - nämlich, dass der BF im XXXX nach XXXX gefahren sei, zur Sprache bringt, so bekräftigt das zusätzlich die Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF. Soweit die Beschwerde weiter anführt, der BF sei neben seinem Beruf als Polizist als Taxifahrer beschäftigt gewesen, weil er als Polizist sehr wenig verdiente, so stehen dem wieder die Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht entgegen, wonach er vor seiner Beschäftigung als Polizist Taxifahrer gewesen sei. Auch diese Angaben beeinträchtigen seine Glaubwürdigkeit.

 

II.2.5. Die Angaben des BF bezüglich seiner familiären und wirtschaftlichen Lage werden aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben als wahr und somit der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

 

Ebenso wird der Sachvortrag des BF bezüglich seiner privaten und familiären Interessen in Österreich als den Tatsachen entsprechend angesehen, da diese Ausführungen einerseits mit den amtlich zur Verfügung stehenden Informationen, wie Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) im Einklang stehen und zudem keine Zweifel an den Angaben des BF und den vorgelegten Unterlagen, wie Empfehlungsschreiben aufkamen. Weiters konnte sich die zuständige Richterin des erkennenden Gerichtes im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck über die Integrationsbemühungen des BF verschaffen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2) ...

 

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

..."

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.

 

II.3.2.3. Selbst wenn die Angaben des BF als wahr unterstellt werden, ist Folgendes in Betracht zu ziehen:

 

Soweit der BF - insbesondere aufgrund seiner beruflichen Stellung als Organ der Polizei - Furcht vor den Taliban als Fluchtgrund vorbrachte, ist anzumerken, dass die Taliban als sunnitsche Extremisten/Terroristen verschiedenste Straftaten ausführen bzw. dafür verantwortlich sind. Sie bekämpfen verschiedenste Einrichtungen des Staates und damit auch die Polizei - die den Staat nach außen jedenfalls (mit)repräsentiert. Aufgabe der Polizei ist in erster Linie die Bekämpfung von Kriminellen (und damit auch der Taliban) und der Schutz der Bevölkerung vor solchen Personen. Dass dem Polizeidienst eine Gefahr, die von solchen Personen ausgeht immanent ist, liegt auf der Hand. Die Bediensteten der Polizei müssen mit dieser Gefahr entweder leben oder, wenn sie sich dieser Gefahr nicht mehr ausgesetzt wissen wollen, den Dienst quittieren. Diese Möglichkeit hatte im Übrigen auch der BF. Dass der BF führend am Kampf gegen die Taliban beteiligt gewesen wäre, ist aus dem Vorgebrachten nicht ersichtlich. Ein asylrelevantes Motiv - für den BF - ist insoweit jedenfalls nicht erkennbar.

 

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren und der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

 

Unter richtlinienkonformer Interpretation (Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber (vgl. Wortlaut der RV zum AsylG 2005: "...Mit dem

vorgeschlagenen Entwurf werden folgende Richtlinien umgesetzt ... :

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 S. 12, CELEX Nr. 32004L0083 ; ...").

 

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" (vgl § 45 Abs 2 AVG) allerdings keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vgl auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu § 45).

 

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten - besteht für den Berufungswerber somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Art 7 Abs 2 leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

 

II.3.2.5. Im gegenständlichen Fall hat der BF weder (glaubwürdig) behauptet noch bescheinigt, dass Übergriffe der Taliban auf ihn persönlich stattgefunden hätten oder derartige Übergriffe nicht pönalisiert wären bzw. die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin, wenngleich die Berichte zu erkennen geben, dass durchaus auch noch erhebliche Defizite bestehen, ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat des BF kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

 

Der BF bescheinigte im Rahmen seiner Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in seinem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass er keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in seinem Fall ein qualifizierter Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erschein lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall des BF untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

 

Im Ergebnis hat der BF letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht (vgl. EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

 

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427). Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage gelegen ist, ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Der BF könnte - bei Wahrunterstellung seines Vorbringens - durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Pakistans, beispielsweise in Großstädte wie Karachi, Islamabad, Rawalpindi oder Faisalabad, einer möglichen Verfolgung entgehen. Dass die angeblichen Verfolger so ein großes Interesse am BF haben, dass sie ihn überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie den BF überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte ihres Herkunftslandes.

 

Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass auf Grund der fehlenden Exponiertheit des BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans und des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.

 

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.

 

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dauerhaft in Karachi niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen (vgl. ho. Erk. Vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.

 

II.3.2.7. Der BF hat seinen Herkunftsstaat letztlich aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen. Diese Gründe stellen jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Es war daher im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe des BF, den Herkunftsstaat zu verlassen, der Schluss zu ziehen, dass die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nur aus dem Grund erfolgte, sich nach erfolgter Einreise unter Umgehung der den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2.-...

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung

nach § 3 ... zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

..."

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

 

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

 

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

 

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

 

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

 

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

 

Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Schweden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06).

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und der BF kann daher Unterstützung durch seine Familie erwarten.

 

Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen - immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens - könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden bzw. könnte der BF Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans oder in Großstädten wie Karachi, Lahore, Islamabad, Rawalpindi oder Faisalabad, entgehen (siehe diesbezügliche Ausführungen unter II.3.2.).

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und er nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

 

Die Zumutbarkeit der Annahme einer - ggf. auch unattraktiven - Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn.

 

Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts konkretes dargetan.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

 

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

 

Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.

 

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

 

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

 

II.3.4.4. Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Der BF besuchte und besucht Deutschkurse bzw. andere Kurse. Der BF hat Freunde in Österreich mit denen er seine Freizeit verbringt. Der BF nimmt an Aktivitäten teil, die von seiner Unterkunft organisiert werden. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

 

Die Rückkehrentscheidung betreffend den BF stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben aber einen in das Recht auf Privatleben dar.

 

II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Der BF ist illegal im November 2015 nach Österreich eingereist und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien - bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

 

Zugunsten des BF ist zu berücksichtigen, dass dieser während seines Aufenthalts in Österreich bemüht war, die deutsche Sprache zu erlernen. Der BF hat Deutschkurse besucht bzw. besucht sie. Der BF hat Bekannte in Österreich mit denen er seine Freizeit gestaltet.

 

Aus grundlegenden Kenntnissen der deutschen Sprache vermag vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den Umstand, perfekt Deutsch zu sprechen, als kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal erachtete (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029), kein wesentliches Gewicht zukommen.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Auch wenn sich der BF um seine sprachliche und gesellschaftliche Integration bemüht zeigte, kommt seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gesamtbetrachtend vor dem Hintergrund der angeführten Judikatur kein allzu großes Gewicht zu, zumal die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt überwiegend auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, wesentlich gemindert wird.

 

Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass der BF Zeugnisse vorlegte, welche die Integrationsfortschritte des BF dokumentieren (insbes. Bestätigungen über absolvierte Deutschkurse, Teilnahmebestätigung an Workshops des XXXX in Kooperation mit der XXXX).

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, dort sozialisiert wurde, hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal er dort familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Eltern und Geschwister hat und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht.

 

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).

 

Zusammenfassend sprechen folgende Aspekte für eine bestehende Integration und ein schützenswertes Familien- bzw. Privatleben des BF: die Dauer des Aufenthalts, Kenntnisse der deutschen Sprache, Bekanntenkreis.

 

Unter Abwägung der Interessen und in wertender Gesamtschau überwiegen allerdings folgende öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt des BF in Österreich sprechen: illegale Einreise, unsicherer Aufenthalt, der sich lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag gründete.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die familiären und privaten Interessen des BF. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

II.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde bzw. im Beschwerdeverfahren nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen im Beschwerdeverfahren getroffen.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.7. Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

II.3.8. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung festgestellt, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen. Sohin war Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides spruchgemäß mit der getroffenen Maßgabe zu berichtigen, da der negative Ausspruch nach § 55 AsylG 2005 Rechtskraftwirkungen entfalten kann (Vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0174).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

 

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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