AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:I420.2174416.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2017, Zl. 1099967805-161091446, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2018, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, (AsylG) der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen einer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Kärnten am 22.12.2015 erfolgten Erstbefragung führte der BF aus, aus der Provinz Baghlan zu stammen, ledig zu sein und der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft anzugehören. Sein Heimatland Afghanistan habe er verlassen, da die Taliban versucht hätten, ihm die Kehle durchzuschneiden. Als er sich in Russland aufgehalten habe, habe er in Kirchen geschlafen, sodass ihm die Menschen in Afghanistan eine Konversion zum Christentum unterstellen würden.
I.3. Am 09.03.2016 bzw. am 15.03.2016 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen und dabei aufgrund von Dublin-Konsultationen mit Norwegen u.a. zu seinem Gesundheitszustand befragt. Der BF gab an, dass er sich einer Operation an der Nase unterziehen müsse, da er Atemwegsprobleme habe. Er habe auch psychische Probleme.
I.4. Mit Bescheid des BFA vom 27.05.2016, Zl. 15-1099967805-152045291, wurde der vorangeführte Antrag nach vorgepflogenen Konsultationen mit Norwegen ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1b der Verordnung Nr. 604/2013 (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates Norwegen zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und seine Abschiebung nach Norwegen gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 20.07.2016, Zl. W192 2127834-1/5E, die Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
I.5. Am 08.08.2016 stellte der BF einen Folgeantrag und gab als Grund, der gegen eine neuerliche Überstellung in den Dublin-Staat Norwegen sprechen würde, an, dass er nicht mehr nach Norwegen wolle, da Österreich sein Zielland gewesen sei. Seine gesamte Familie lebe hier.
I.6. Nach Zulassung des Verfahrens erging mit Schreiben des BFA vom 09.05.2017 eine Ladung an den BF zur Einvernahme am 08.06.2017, welcher der BF unentschuldigt nicht nachkam.
I.7. Mit Bescheid des BFA vom 14.06.2017, Zl. 1099967805-161091446, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Das BFA wertete die vorgebrachten Fluchtgründe aufgrund einer nicht einmal ansatzweisen Begründung als nicht glaubhaft (zumal der BF nicht an dem Verfahren zur Feststellung, ob er internationalen oder subsidiären Schutz benötige, mitgewirkt habe), womit eine asylrelevante Verfolgung des BF in Afghanistan nicht festzustellen und ihm somit nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen sei. Unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände sei zwar in Bezug auf die Heimatprovinz des BF von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen, der BF gerate jedoch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul als innerstaatliche Lebens- und Wohnalternative nicht in eine ausweglose oder die Existenz bedrohende Lage und scheide daher auch die Gewährung subsidiären Schutzes aus. Es hätten zudem keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werden würde und sei daher auch eine Rückkehrentscheidung zulässig.
I.8. Mit 11.08.2017 wurde der Bescheid vom 14.06.2017 bei dem damals gemeldeten Hauptwohnsitz des BF durch die Polizeiinspektion Hausleiten hinterlegt.
I.9. Mit Bescheid des BFA vom 22.08.2017, Zl. 1099967805-170968711, wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Gegen diesen Schubhaftbescheid erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.09.2017, Zl. W171 2169064-1/8E, stattgegeben wurde. Es wurde u.a. auch festgestellt, dass der Bescheid des BFA vom 14.06.2017, welcher auch eine dem BF betreffende Rückkehrentscheidung beinhaltet, mangels korrekter Zustellung gegenüber dem BF bisher nicht rechtsgültig erlassen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
I.10. Am 02.09.2017 stellte der BF einen weiteren Folgeantrag und gab an, dass seine alten Fluchtgründe weiterhin aufrecht seien würden. Zudem könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er ein Alkoholiker sei und aus diesem Grund in Afghanistan gesteinigt werde.
I.11. Mit Bescheid des BFA vom 22.08.2017, Zl. 1099967805-1707833975, wurde dem BF aufgetragen, an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken.
I.12. Am 27.09.2017 wurde der BF nochmals von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen und dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen, seinen Lebensumständen in Österreich und seinen Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen befragt. Der BF führte aus, seit zwei Tagen in einer Privatunterkunft zu leben und davor obdachlos gewesen zu sein. Bezogen auf seine Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen gab der BF insbesondere an, dass er bereits seit seinem 14. Lebensjahr in Afghanistan Alkohol getrunken habe. Auch in Österreich habe er Alkohol getrunken. Er würde gesteinigt werden, wenn er nach Afghanistan zurückmüsste. Zudem würde er als Ungläubiger bezeichnet werden, da er in Russland in Kirchen geschlafen habe.
I.13. Mit Bescheid des BFA vom 28.09.2017, Zl. 1099967805-161091446, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Das BFA wertete die vorgebrachten Fluchtgründe aufgrund vager und widersprüchlicher Angaben als nicht glaubhaft, womit eine asylrelevante Verfolgung des BF in Afghanistan nicht festzustellen und ihm somit nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen sei. Unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände sei zwar in Bezug auf die Heimatprovinz des BF von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen, der BF gerate jedoch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul als innerstaatliche Lebens- und Wohnalternative nicht in eine ausweglose oder die Existenz bedrohende Lage und scheide daher auch die Gewährung subsidiären Schutzes aus. Es hätten zudem keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werden würde und sei daher auch eine Rückkehrentscheidung zulässig.
I.14. Gegen den angeführten Bescheid vom 28.09.2017 erhob der BF - durch seine Rechtsvertretung - mit Schreiben vom 20.10.2017, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften die vorliegende Beschwerde.
Zusammenfassend wurde dabei begründend ausgeführt, dass die Länderfeststellungen mangelhaft seien, da sich diese nicht mit dem Thema Alkoholismus befassen würden. Aufgrund seiner Alkoholsucht und der daraus resultierend unmenschlichen Behandlung in Afghanistan sei dem BF Asyl zu gewähren. Es wurden die Anträge gestellt, dem BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; allenfalls ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; allenfalls die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären;
allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen; allenfalls den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Bescheiderlassung zurückzuverweisen;
ein medizinisches Sachverständigengutachten hinsichtlich der Frage, ob der BF Alkoholiker sei, einzuholen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.
I.15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.05.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF sowie seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das gegenständliche Verfahren wurde mit den Verfahren der Mutter des BF (Beschwerdeführerin zu I420 2163361-1) und der Schwester des BF (Beschwerdeführerin zu I420 2163360-1), die ebenfalls in das Bundesgebiet eingereist sind, zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Das BFA verzichtete bereits mit Schreiben vom 30.07.2017 auf die Teilnahme an einer Verhandlung.
Im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari wurde der BF u.a. zu seiner Identität, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Herkunftsprovinz, seinen Familienverhältnissen, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich ausführlich befragt.
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden seitens der erkennenden Richterin zudem Länderberichte zur aktuellen Situation in Afghanistan in das Verfahren eingeführt.
Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurden ein Empfehlungsschreiben und ein Arztbrief mit der Bestätigung hinsichtlich des Alkoholabusus des BF gegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA betreffend den BF, seine Mutter und seine Schwester; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Befragung des BF (und seiner Mutter und seiner Schwester) im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.05.2018;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;
- Einsicht in Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Alkohol: Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt; Alkoholismus, Bestrafungen, Stigma" vom 13.03.2018 und in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Therapie: Alkoholsucht, Alkoholmissbrauch" vom 13.03.2018;
- Einsicht in das Strafregister und in das Zentrale Melderegister.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zum Beschwerdeführer und seinen Fluchtgründen:
Der BF ist afghanischer Staatsbürger, sunnitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er ist ledig, am XXXX geboren und somit volljährig.
Seine Identität steht nicht fest.
Der BF stammt aus der Provinz Baghlan, wo er sich seit seiner Geburt bis vor seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2005 aufgehalten hat. Der BF hat über 10 Jahre in Russland gelebt, wo auch seine ehemalige Lebensgefährtin und deren gemeinsamen drei Kinder leben. Der BF spricht Dari.
Der BF hat keine Schule besucht und in Afghanistan als Automechaniker gearbeitet.
Der BF verfügt in Afghanistan über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Seine Mutter (Beschwerdeführerin zu I420 2163361-1), seine Schwester (Beschwerdeführerin zu I420 2163360-1), sein Bruder sowie eine Halbschwester halten sich in Österreich auf.
Der BF entstammt einer muslimischen Familie, hat sich jedoch bereits in Afghanistan seit seinem 14. Lebensjahr regelmäßig Alkohol konsumiert, ist alkoholabhängig geworden und befindet sich in Österreich aufgrund des Alkoholabusus in medizinischer Behandlung und in medikamentöser Therapie.
Es ist davon auszugehen, dass der BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan wegen der fehlenden bzw. unzureichenden medizinischen Behandlung seiner Alkoholabhängigkeit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt ist und die Gefahr besteht, dass er einen Rückfall erleidet. Aufgrund des Alkoholabusus wurde bzw. wird der BF von der Bevölkerung bzw. den Taliban bedroht und er könnte keinen Schutz durch den Staat erhalten bzw. sogar vom Staat wegen Verstößen gegen das zivile Recht sowie gegen die Scharia aufgrund seines Alkoholabusus verfolgt werden.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
II.1.2. Zur Situation im Herkunftsland:
KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).
Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).
Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019
Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).
Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018
Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).
Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).
Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018
Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).
Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).
Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).
Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018
Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).
Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).
Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).
Quellen:
- Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,
https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494 , Zugriff 30.1.2018
- BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374 , Zugriff 29.1.2018
- BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in Jalalabad, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271 , Zugriff 29.1.2018
- BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517 , Zugriff 29.1.2018
- DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-42238097 , Zugriff 29.1.2018
- NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-afghanistan.html , Zugriff 29.1.2018
- NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,
- Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086 , Zugriff 29.1.2018
- Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on Jalalabad in Afghanistan,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC , Zugriff 29.1.2018
- Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9 , Zugriff 29.1.2018
- The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military academy,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan , Zugriff 29.1.2018
- The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance bombing,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance , Zugriff 29.1.2018
- The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast , Zugriff 29.1.2018
- The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-jalalabad-afghanistan , Zugriff 29.1.2018
KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).
Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).
Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).
Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).
Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).
High-profile Angriffe:
Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)
Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).
Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verluste aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).
Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).
Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)
Interreligiöse Angriffe
Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).
Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).
Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:
Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um
3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).
Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Taliban
Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):
Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).
Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).
Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).
Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).
Politische Entwicklungen
Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).
Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).
Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).
Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).
In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).
Quellen:
- al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,
http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html , Zugriff 20.12.2017
- BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850 , Zugriff 20.12.2017
- BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320 , Zugriff 20.12.2017
- BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html , Zugriff 21.12.2017
- Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion , Zugriff 20.12.2017
- Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html , Zugriff 21.12.2017
- KUNA - Kuwait News Agency (15.12.2017): Security operations kill 12 rebels in Afghanistan,
http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en , Zugriff 21.12.2017
- Independent (20.10.2017): Kabul attack: Isis claims responsibility for Shia mosque suicide bombing killing at least 30 in Afghan capital,
http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/kabul-attack-latest-update-shia-mosque-suicide-bomb-kills-death-afghanistan-capital-prayers-a8011466.html , Zugriff 20.12.2017
- INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan , Zugriff 19.9.2017
- INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):
Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan , Zugriff 19.9.2017
- NYT - The New York Times (11.12.2017): Hunting Taliban and Islamic State Fighters, From 20,000 Feet, https://www.nytimes.com/2017/12/11/world/asia/taliban-isis-afghanistan-drugs-b52s.html , Zugriff 21.12.2017
- NYT - The New York Times (7.11.2017): A Leading Afghan TV Station Is Attacked in Kabul,
https://www.nytimes.com/2017/11/07/world/asia/kabul-shamshad-tv-attack.html , Zugriff 20.12.2017
- NYT - The New York Times (20.10.2017): Twin Mosque Attacks Kill Scores in One of Afghanistan's Deadliest Weeks, https://www.nytimes.com/2017/10/20/world/asia/afghanistan-kabul-attack-mosque.html , Zugriff 20.12.2017
- NZZ - Neue Züricher Zeitung (18.12.2017): Palastintrige in Kabul, https://www.nzz.ch/international/palastintrige-in-kabul-ld.1340788 , Zugriff 21.12.2017
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- Reuters (1.12.2017): Islamic State seizes new Afghan foothold after luring Taliban defectors, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-islamic-state/islamic-state-seizes-new-afghan-foothold-after-luring-taliban-defectors-idUSKBN1DV3G5 , Zugriff 21.12.2017
- Reuters (23.11.2017): Islamic State beheads 15 of its own fighters: Afghan official,
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- Reuters (16.11.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital, Suicide bomber kills nine near Afghan political meeting,
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- Tribune (24.11.2017): Afghan forces claim killing top Haqqani commander,
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- UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (10.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_quarterly_report_1_january_to_30_september_2017_-_english.pdf , Zugriff 18.12.2017
- UN GASC - General Assembly Security Council (20.12.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of December 15th 2017, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/1056 , Zugriff 20.12.2017
- UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7 , Zugriff 21.9.2017
- Xinhua (21.12.2017): 19 insurgents arrested in N. Afghanistan, http://www.xinhuanet.com/english/2017-12/21/c_136842566.htm , Zugriff 21.12.2017
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).
Parlament und Parlamentswahlen
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: CRS 12.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50 % mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25 % im Parlament und über 30 % in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).
Parteien
Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).
Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).
Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)
Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- BBC News (4.2.2017): Afghan warlord Hekmatyar sanctions dropped by UN, http://www.bbc.com/news/world-asia-38867280 , Zugriff 9.2.2017
- CRS - Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 24.1.2017
- CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015):
Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf , Zugriff 20.10.2015
- Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008 , Zugriff 5.10.2016
- DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,
http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949 , Zugriff 5.10.2016
- IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,
http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf , Zugriff 13.2.2017
- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 11.9.2014
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Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10 % der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2 % der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2 % gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Rebellengruppen
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von
32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:
The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).
Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).
Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).
Al-Qaida
Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat
Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:
MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).
Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).
Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).
Zivile Opfer
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2 % bei Getöteten und eine Erhöhung um 6 % bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17 % gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34 % gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).
Laut UNAMA waren 61 % aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24 % regierungsfreundlichen Kräften (20 % den afghanischen Sicherheitskräften, 2 % bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2 % internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10 % ziviler Opfer, während
5 % der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).
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- The National (13.1.2017): Did ISIL, the Taliban or the Haqqani Network carry out the Kandahar attack?, http://www.thenational.ae/world/central-asia/did-isil-the-taliban-or-the-haqqani-network-carry-out-the-kandahar-attack , Zugriff 26.1.2017
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- UN GASC - General Assembly Security Council (13.12.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,
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- USDOD - Department of Defense (12.2016): Enhancing Security and Stability in Afghanistan,
https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf , Zugriff 13.2.2017 , Zugriff 31.1.2017
- WP - The Washington Post (27.12.2015). A year of Taliban gains shows that 'we haven't delivered,' top Afghan official says, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/a-year-of-taliban-gains-shows-that-we-havent-delivered-top-afghan-official-says/2015/12/27/172213e8-9cfb-11e5-9ad2-568d814bbf3b_story.html , Zugriff 13.1.2016
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
Quellen:
- Afghanistan Spirit (18.7.2016): 45 Taliban Commanders Killed In Four Months: MoI,
http://afghanspirit.com/45-taliban-commanders-killed-in-four-months-moi/ , Zugriff 9.2.2017
- Bakhtar News (29.6.2017): Clearing Operation Begins In Several Districts of Kabul,
http://www.bakhtarnews.com.af/eng/security/item/23489-clearing-operation-begins-in-several-districts-of-kabul.html , Zugriff 2.2.2017
- BBC News (10.1.2017): Afghanistan bombings: Dozens killed across the country, http://www.bbc.com/news/world-asia-38567241 , Zugriff 30.1.2017
- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):
Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017 , Zugriff 22.2.2017
- DW - Deutsche Welle (10.1.2017): Multiple casualties reported after explosions in Afghanistan, http://www.dw.com/en/multiple-casualties-reported-after-explosions-in-afghanistan/a-37077325 , Zugriff 30.1.2017
- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf , Zugriff 30.1.2017
- IBT - International Business Times (1.7.2016): Taliban Outguns Afghan, US Troops in Strategic, Opium-Rich Helmand Province, http://www.ibtimes.com/taliban-outguns-afghan-us-troops-strategic-opium-rich-helmand-province-2254921 , Zugriff 11.1.2016
- Kabul Tribune (8.2.2017): Taliban leader killed with his fighters in Kabul operation,
http://www.kabultribune.com/index.php/2017/02/08/taliban-leader-killed-with-his-fighters-in-kabul-operation/ , Zugriff 8.2.2017
- Khaama Press (13.1.2017): Serious threats exist in Kabul, US Embassy warn
citizens,http://www.khaama.com/serious-threats-exist-in-kabul-us-embassy-warn-citizens-02664 , Zugriff 30.1.2017
- Khaama Press (10.1.2017): 43 militants killed in 17 provinces in past 24 hours, MoI claims,
http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645 , Zugriff 9.2.2017
- Khaama Press (2.1.2017): Explosion near a mosque in Herat city leaves 6 wounded,
http://www.khaama.com/explosion-near-a-mosque-in-herat-city-leaves-6-wounded-02601 , Zugriff 16.2.2017
- Pajhwok (o.D.z): Kabul province background profile, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/kabul-province-background-profile , Zugriff 23.10.2014
- Tolonews (4.1.2017a): Afghan Forces Battle Insurgents On Multiple Fronts: MoD,
http://www.tolonews.com/afghanistan/afghan-forces-battle-insurgents-multiple-fronts-mod , Zugriff 3.2.2017
- UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017):
Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf , Zugriff 7.7.2017
- UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015,
https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf , Zugriff 2.2.2017
- VOA - Voice of America (5.1.2017): Afghan Forces Vow No Break in Fighting During Winter,
http://www.voanews.com/a/afghanistan-winter-fighting-taliban-islamic-state-us-troops/3664876.html , Zugriff 30.1.2017
Baghlan
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und wird als eine der industriellen Provinzen Afghanistans gesehen. Sie ist von strategischer Bedeutung, da sie an sieben weitere Provinzen, inklusive Kabul, grenzt. Baghlan hat folgende administrative Bezirke, inklusive der Provinzhauptstadt Puli Khumri: Kinjan, Dushi, Banu, Dih Salah, Puli Hisar, Jilgah, Khost, Talawa Barfak, Farang, Guzargah-a-Noor, Nahrin, Burkah und Dahana-i-Ghori. Im Nordosten grenzt sie an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan (Pajhwok o.D.h). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 926.969 geschätzt (CSO 2016).
Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Baghlan 354 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).
Baghlan zählt zu den relativ volatilen Provinzen Nordafghanistans; die Taliban sind in einer Anzahl von abgelegenen Bezirken aktiv (Khaama Press 5.9.2016). In den letzten Monaten war die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und Takhar - von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen (Khaama Press 24.1.2017; Khaama Press 15.5.2016; Global Times China 15.1.2017; vgl. auch: News Ghana 30.1.2017).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Pajhwok 9.1.2017; Khaama Press 8.1.2017; Khaama Press 5.1.2016; Bakhtar News 22.8.2016). Bei diesen Militäroperationen hatten Aufständische Verluste zu verzeichnen (Pajhwok 9.1.2017; Bakhtar News 22.8.2016). In manchen Fällen wurden Talibankommandanten getötet (Tolonews 23.12.2016; Pajhwok 23.12.2016; Khaama Press 5.1.2016; Independent 27.2.2016).
Quellen:
- Bakhtar News (22.8.2016): 59 Taliban Killed, 35 Wounded During Military Operations Across The Country, http://www.bakhtarnews.com.af/eng/security/item/24454-59-taliban-killed-35-wounded-during-military-operations-across-the-country.html , Zugriff 3.2.2017
- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):
Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017 , Zugriff 22.2.2017
- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf , Zugriff 30.1.2017
- Global Times China (15.1.2017): Four militants, one policeman killed in N. Afghan checkpoint attack, http://www.globaltimes.cn/content/1028861.shtml , Zugriff 6.2.2017
- Independent (27.2.2016): Afghan Taliban commander shot dead by woman 'for invading her privacy', http://www.independent.co.uk/news/world/asia/afghan-taliban-commander-shot-dead-by-woman-in-baghlan-region-a6900051.html , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (24.1.2017): Kidnapped Afghan policemen kill 5 Taliban militants in Baghlan,
http://www.khaama.com/kidnapped-afghan-policemen-kill-5-taliban-militants-in-baghlan-02741 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (18.1.2017): MoD confirms ISIS militants among 34 killed in latest operations,
http://www.khaama.com/mod-confirms-isis-militants-among-34-killed-in-latest-operations-02701 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (10.1.2017): 43 militants killed in 17 provinces in past 24 hours, MoI claims,
http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (5.10.2016): Top Taliban leader in charge of Baghlan war killed by Afghan forces,
http://www.khaama.com/top-taliban-leader-in-charge-of-baghlan-war-killed-by-afghan-forces-02013 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (5.9.2016): Taliban attack on military base repulsed in Baghlan after 4 hours of clash, http://www.khaama.com/taliban-attack-on-military-base-repulsed-in-baghlan-after-4-hours-of-clash-01839 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (16.8.2016): Afghan forces prepare to retake lost district in Baghlan province,
http://www.khaama.com/afghan-forces-prepare-to-retake-lost-district-in-baghlan-province-01703 , Zugriff 6.2.2017
- Khaama Press (15.5.2016): Heavy clash erupts in Baghlan as police claims 28 insurgents killed or wounded, http://www.khaama.com/heavy-clash-erupts-in-baghlan-as-police-claims-28-insurgents-killed-or-wounded-0938 , Zugriff 6.2.2017
- News Ghana (30.1.2017): Afghan air force kills 3 militants in N. province,
https://www.newsghana.com.gh/afghan-air-force-kills-3-militants-in-n-province/ , Zugriff 6.2.2017
- Pajhwok (9.1.2017): 6 rebels dead in Badakhshan; Taliban purged of 17 Baghlan villages,
http://www.pajhwok.com/en/2017/01/09/6-rebels-dead-badakhshan-taliban-purged-17-baghlan-villages , Zugriff 6.2.2017
- Pajhwok (23.12.2016): 18 insurgents eliminated in security operations: MoD,
http://www.pajhwok.com/en/2016/12/23/18-insurgents-eliminated-security-operations-mod , Zugriff 6.2.2017
- Pajhwok (oD.h): Background profile of Baghlan province, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/background-profile-baghlan , Zugriff 15.10.2014
- Tolonews (8.1.2017): 77 Insurgents Killed, Wounded In Operations in 16 Provinces,
http://www.tolonews.com/afghanistan/77-insurgents-killed-wounded-operations-16-provinces , Zugriff 6.2.2017
- Tolonews (23.12.2016): Taliban Commander Killed In Baghlan Clash, http://www.tolonews.com/afghanistan/taliban-commander-killed-baghlan-clash , Zugriff 6.2.2017
- UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015,
https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf , Zugriff 2.2.2017
Rechtsschutz/Justizwesen:
Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80 % der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).
Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76 % der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).
Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).
Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).
Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- CRS - Congressional Research Service (8.11.2016): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 6.12.2016
- FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/327649/468275_de.html , Zugriff 5.12.2016
- RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (30.6.2015): Afghanistan Nominates First Female Judge To Supreme Court, http://www.rferl.org/a/afghanistan-female-judge-supreme-court/27102086.html , Zugriff 5.12.2016
- Reuters (12.11.2016): Afghan's new anti-graft court hears first cases in Kabul,
http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-corruption-idUSKBN13709F , Zugriff 6.12.2016
- SZ - Süddeutsche Zeitung (29.9.2014): Große Reformen in Afghanistan,
http://www.sueddeutsche.de/politik/ende-der-aera-karsai-in-afghanistan-der-zieher-geht-die-strippen-bleiben-1.2150136-2 , Zugriff 5.12.2016
- USIP - United States Institute of Peace (o.D.): Rule of Law in Afghanistan,
http://www.usip.org/programs/projects/rule-of-law-in-afghanistan , Zugriff 5.12.2016
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 13.10.2015
- WP - Washington Post (31.5.2015): Afghanistan's justice system is moving faster - maybe too fast, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-justice-system-is-moving-faster--maybe-too-fast/2015/05/28/38e99638-fe70-11e4-8c77-bf274685e1df_story.html?utm_term=.907b60e1b1d9 , Zugriff 5.12.2016
Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOS 12.2016).
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).
Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).
Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2,4 % - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2,2 % (USDOD 6.2016).
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1,8 % in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltet auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).
Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).
Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1,9 % (USDOD 6.2016).
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).
Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3 %, gegenüber 2,5 % in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).
Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).
Resolute Support Mission
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- CRS - Congressional Research Service (8.11.2016): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 6.12.2016
- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 6.12.2016
- NATO - North Atlantic Treaty Organization (5.2016): A new chapter in NATO-Afghanistan relations,
http://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2016_05/20160518_1605-backgrounder-afghanistan-en.pdf , Zugriff 7.12.2016
- SIGAR - Special Inspector General For Afghanistan Reconstruction (30.7.2016): Security Contents, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2016-07-30qr-section3-security.pdf , Zugriff 7.12.2016
- Sputnik News (14.6.2016): Mit Kopftuch und Kalaschnikow gegen Terror: Kabul will 10.000 Polizistinnen ausbilden, https://de.sputniknews.com/politik/20160614310595644-afghanistan-frauen-polizei/ , Zugriff 22.12.2016
- USDOD - Department of Defense (12.2016): Enhancing Security and Stability in Afghanistan,
https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf , Zugriff 13.2.2017
- USDOD - US Department of Defense (6.2016): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/Enhancing_Security_and_Stability_in_Afghanistan-June_2016.pdf , , Zugriff 6.12.2016
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 13.10.2016
- USIP - United States Institute of Peace (5.2016): Afghanistan national defense and security forces, http://www.usip.org/sites/default/files/PW115-Afghanistan-National-Defense-and-Security-Forces-Mission-Challenges-and-Sustainability.pdf , Zugriff 7.12.2016
Folter und unmenschliche Behandlung:
Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9 .2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9 .2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).
Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9 .2016).
Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).
Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35 % der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49 % im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9 .2016).
Im Juni 2015 gab der NDS wiederholt Anweisungen betreffend des Folterverbots, speziell zum Erhalt von Geständnissen (HRW 27.1.2016; vgl. auch AI 24.2.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- HRW - Human Rights Watch: World Report 2017 (12.1.2017):
Afghanistan,
https://www.hrw.org/sites/default/files/world_report_download/wr2016_web.pdf , Zugriff 13.2.2017
- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Afghanistan,
https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/afghanistan , Zugriff 13.12.2016
- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 13.12.2016
- OHCHR - United Nations High Commissioner for Human Rights (11.2.2016): Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights on the situation of human rights in Afghanistan and on the achievements of technical assistance in the field of human rights in 2015,
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/G1602379.pdf , Zugriff 1.12.2016
Allgemeine Menschenrechtslage:
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).
Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).
Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.
Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet - (AI 24.2.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan,
https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/afghanistan/report-afghanistan/ , Zugriff 17.2.2017
- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 22.12.2016
- NYT - The New York Times (3.9.2016): New Afghan Attorney General Seeks Justice in System Rife With Graft, https://www.nytimes.com/2016/09/04/world/asia/new-afghan-attorney-general-seeks-justice-in-system-rife-with-graft.html , Zugriff 17.1.2016
- USDOD - US Department of Defense (6.2015): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/Enhancing_Security_and_Stability_in_Afghanistan-June_2016.pdf , Zugriff 17.1.2016
Religionsfreiheit:
Etwa 99,7 % der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7 bis 89,7 % Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:
CSR 8.11.2016).
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).
Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).
Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).
Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- CIA - Central Intelligence Agency (21.11.2016): The World Factbook
- Afghanistan,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 29.11.2016
- CRS - Congressional Research Service (8.11.2016): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 30.11.2016
- FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html , Zugriff 21.10.2015
- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 28.11.2016
- RFERL - Radio Free Europe/Radio Liberty (15.5.2014): First Afghan Hindu Envoy Takes Pride In Serving His Country, http://gandhara.rferl.org/content/article/25386024.html , Zugriff 29.11.2016
- The New Indian Express (16.5.2012): 'I greeted Manmohan, and he was delighted',
http://www.newindianexpress.com/thesundaystandard/article350359.ece?service=print , Zugriff 5.11.2015
- USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (4.2016): 2016 Country Reports: Tier 2; Afghanistan, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF_Tier2_Afghan.pdf , Zugriff 30.11.2016
- USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/328423/469202_de.html , , Zugriff 29.11.2016
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Tadschiken
Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015).
Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Quellen:
- Brookings - The Brookings Institution (31.10.2016): Afghanistan Index,
https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/07/21csi_20161031_afghanistan_index.pdf , Zugriff 23.1.2017
- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 23.1.2017
- GIZ (1.2017): Afghanistan - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/afghanistan/gesellschaft/ , Zugriff 23.1.2017
- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/334684/476436_de.html , Zugriff 24.1.2017)
- NYT - The New York Times (21.11.2015): Afghan Kidnappers Prey on Hazaras,
https://www.nytimes.com/2015/11/22/world/asia/kidnappings-escalate-in-afghanistan.html?_r=0 , Zugriff 24.1.2017
- RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (25.2.2016): Mass Abduction Of Hazaras In Afghanistan Raises Fears Of Islamic State, http://www.rferl.org/a/afghanistan-hazaras-mass-abduction-islamic-state/26869255.html , Zugriff 24.1.2017
- Staatendokumentation des BFA (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- Clanstruktur,
http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017
- UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017):
Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf , Zugriff 7.7.2017
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 17.1.2017
- World Hazara Council (10.11.2015): The killing and kidnapping of Hazaras since January 2015,
http://www.worldhazaracouncil.org/wp-content/uploads/2015/11/HazaraTargetKilling20151.pdf , Zugriff 24.1.2016
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).
In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben - Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 29.12.2016
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 17.1.2017
Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge:
Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).
Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).
Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).
Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).
Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.
Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).
UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).
2017
Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).
2016
Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (UN GASC 13.12.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- AAN - Afghan Analyst Network (28.12.2016): Over Half a Million Afghans Flee Conflict in 2016: A look at the IDP statistics, https://www.afghanistan-analysts.org/over-half-a-million-afghans-flee-conflict-in-2016-a-look-at-the-idp-statistics/ , Zugriff 15.2.2017
- ACBAR - Agency Coordinating Body for Afghan Relief and Development (7.11.2016): Afghanistan Weekly Field Report | 31 October to 6 November 2016, http://www.acbar.org/upload/1478670801148.pdf , Zugriff 16.2.2017
- ACBAR - Agency Coordinating Body for Afghan Relief and Development (15.5.2016): Afghanistan Weekly Field report, Week ending 14 May 2016, Kabul http://www.acbar.org/upload/1473058406159.pdf , Zugriff 16.2.2017
- DW - Deutsche Welle (28.4.2015): Seeking asylum in Afghanistan, http://dw.com/p/18Nin , Zugriff 28.10.2015
- IOM - International Organization for Migration (17.4.2016):
Humanitarian Weekly Report 15.-17.4.2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/IOM-HAP_Flood Situation Report_ 17_April_2016.pdf, Zugriff 16.2.2017
- UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (13.12.2016):
Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1641392.pdf , Zugriff 31.1.2017
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.2.2017): Afghanistan Weekly Field Report | 29 January to 4 February 2017,
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA Afghanistan Weekly Field Report 4 February 2017.pdf, Zugriff 16.2.2017
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (29.1.2017): Afghanistan Weekly Field Report | 22 to 28 January 2017,
http://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-weekly-field-report-22-28-january-2017 , Zugriff 31.1.2017
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.11.2016): Humanitarian Bulletin Afghanistan | Issue 57, 01 to 31 October 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_afghanistan_monthly_humanitarian_bulletin_october_2016.pdf , Zugriff 16.2.2017
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.10.2016). Humanitarian Bulletin Afghanistan | Issue 56, 01 to 30 September 2016, https://www.humanitarianresponse.info/system/files/documents/files/ocha_afghanistan_mhb_september_2016.pdf , Zugriff 16.2.2017
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (6.2016): Afghanistan - Factsheet, http://reporting.unhcr.org/sites/default/files/UNHCR Afghanistan Factsheet - JUN16.pdf, Zugriff 1.2.2017]
- UN News Centre (23.1.2017): Afghanistan: UN-backed $550 million aid plan aims to reach 5.7 million people, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=56023#.WKRS-8sweUk , Zugriff 15.2.2017
Grundversorgung und Wirtschaft:
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).
Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36 %. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).
Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5 % geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55 %, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6 %. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1,5 bis 2 % gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).
Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).
Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).
Projekte der afghanischen Regierung
Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (11.2016): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Wirtschaft_node.html , Zugriff 18.1.2016
- IWF - International Monetary Fund (9.6.2015): Afghanistan: Reforms to Build Self Reliance and Prosperity, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf , Zugriff 2.11.2015
- IWF - International Monetary Fund (13.4.2014): Islamic republic of Afghanistan,
https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2016/cr16120.pdf , , Zugriff 18.1.2016
- UNDP - United Nations Development Programm (2016): Human Development Data, http://hdr.undp.org/en/data , Zugriff 17.1.2016
- UN GASC - United Nations General Assembly (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security : report of the Secretary-General, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 14.10.2015
- WB - The Worldbank (2.11.2016): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff 18.11.2016
- WB - The Worldbank (10.10.2016):Afghanistan Government Inaugurates Citizens' Charter to Target Reform and Accountability, http://www.worldbank.org/en/news/feature/2016/10/10/government-inaugurates-citizens-charter-to-target-reform-and-accountability , Zugriff 19.1.2017
- WB - The World Bank (10.2016): Afghanistan Country Update - Issues 49,
http://documents.worldbank.org/curated/en/933571475754352955/pdf/108759-NEWS-CUOctWEB-PUBLIC-ABSTRACT-SENT.pdf , Zugriff 18.1.2016
- WB - The World Bank (2.5.2016): Afghanistan Systematic Country Diagnostic: An Analysis of a Country's Path toward Development, http://www.worldbank.org/en/news/feature/2016/05/10/afghanistan-systematic-country-diagnostic-an-analysis-of-the-countrys-path-toward-development , Zugriff 18.1.2017
Medizinische Versorgung:
Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).
Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung
Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].
Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41 % der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).
Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).
Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf
45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34 % der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23 % der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).
Medikamente
Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).
Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan
In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).
Krankenhäuser in Afghanistan
Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).
In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).
Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:
Ärzte ohne Grenzen (MSF)
In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).
Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)
Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.
Das ICRC:
- stellt medizinische Unterstützung dem staatlich geführten Sheberghan Krankenhaus im Norden und dem regionalen Mirwais Krankenhaus im Süden zur Verfügung
- stellt technische und finanzielle Unterstützung für 47 ARCS Kliniken (Afghan Red Crescent Society) und lokalen Freiwilligen, die Menschen in Konfliktgebieten medizinische Hilfe anbieten, zur Verfügung
- stellt auf Anfrage medizinische Arzneiwaren, jenen Krankenhäusern zur Verfügung, in denen Massenverletzte sind
- unterstützt im Süden das Betreiben eines Taxidienstes, der Verwundete in Krankenhäuser bringt
- sendet medizinische Ausrüstungen in jene Konfliktgegenden, um Notfälle zu behandeln
- betreibt sieben physikalische Rehabilitationszentren (diese werden oftmals als orthopädische Zentren in Afghanistan bezeichnet), in diesen werden Rehabilitation und soziale Integration für tausende Menschen mit Amputationen oder anderen Behinderungen angeboten
- bildet Physiotherapeut/innen aus, die Menschen mit Rückenmarkverletzungen zu Hause besuchen (ICRC 2.9.2016).
Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan
Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- AA - Auswärtiges Amt: Afghanistan - Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 28.11.2016, (Unverändert gültig seit: 11.11.2016)
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8845A1EEE2FAECF7D8808747FED28C35/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html?nn=343328#doc343208bodyText5 , Zugriff 28.11.2016
- Good Impact (17.12.2016): Sozialunternehmen - Wie Afghanistans größtes Mobilfunkunternehmen das Land verändert, http://goodimpact.org/magazin/wie-afghanistans-gr ößtes-mobilfunkunternehmen-das-land-verändert, Zugriff 22.12.2016
- ICRC (2.9.2016): The ICRC in Afghanistan - Overview, https://www.icrc.org/en/document/icrc-afghanistan-overview , Zugriff 28.11.2016
- IOM - International Organization for Migration (11.10.2016):
INFORMATION - on the treatment opportunities for paranoid schizophrenia in Afghanistan. Zugriff 28.11.2016
- IOM - International Organization for Migration (21.9.2016):
ZC222/21.09.2016,
- Max Planck Institute (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 30.10.2015
- Time (31.8.2016): Inside One of Afghanistan's Largest Hospitals, http://time.com/4428860/inside-one-of-afghanistans-largest-hospitals/ , Zugriff 28.11.2016
- The Guardian (1.12.2016): Fresh hope for Kandahar newborns as Afghan healthcare gets a shot in the arm, https://www.theguardian.com/global-development/2016/dec/01/fresh-hope-kandahar-newborns-afghanistan-healthcare-mirwais-hospital?platform=hootsuite , Zugriff 22.12.2016
- The Guardian (7.1.2015): Killing, not curing: deadly boom in counterfeit medicine in Afghanistan, http://www.theguardian.com/world/2015/jan/07/counterfeit-medicine-afghanistan-corruption-border-controls-drugs-poor , Zugriff 19.1.2016
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Afghanistan, http://www.state.gov/documents/organization/253169.pdf , Zugriff 28.11.2016
- WB - The World Bank (2.11.2016): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff 22.11.2016
- The World Bank Group (10.2016): AFGHANISTAN Country Snapshot, http://documents.worldbank.org/curated/en/584381476781571691/pdf/109246-WP-AfghanistanCountrySnapshots-highres-PUBLIC.pdf , Zugriff 22.11.2016
Rückkehr:
Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).
IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt (Khaama Press 17.1.2017).
Unterstützung durch verschiedene Organisationen vor Ort
Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:
Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).
Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).
Staatliches Pensionssystem
Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).
Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).
Erhaltungskosten in Kabul
Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).
Ausbildungen für Rückkehr/innen in Afghanistan
In Afghanistan bieten staatliche Schulen, unter Leitung des Ministeriums für Bildung, und private Berufsschulen, Trainings/Ausbildungen an. Die Einschreibung an Bildungseinrichtungen können Rückkehrer/innen beim Ministerium für Rückkehr beantragen. Diese verweisen Rückkehrer/innen an die Bildungsabteilung in Kabul (Marif Shahr); danach werden die Rückkehrer/innen in jenen Bildungseinrichtung eingeschrieben, deren nachgewiesenem Bildungsniveau sie entsprechen. Um ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sollten relevante Unterlagen (Zeugnisse, Diploma oder Abschlüsse) an das Ministerium für ausländische Angelegenheiten geschickt werden. Unter der Bedingung, dass diese Unterlagen zuvor vom Ministerium für ausländische Angelegenheiten im Gastland geprüft wurden, wird das Ministerium die Unterlagen akzeptieren. Danach werden die Unterlagen an das Ministerium für höhere Bildung weitergeleitet. Im Anschluss werden die vom Ministerium anerkannten Kopien der Unterlagen an den Inhaber zurückversandt (IOM 2016).
Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen
Laut UNHCR handelt es sich bei afghanischen UMF allgemein um männliche unbegleitete Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die so eine Reise auf sich nehmen - motiviert werden sie aus unterschiedlichen Gründen. Diese zusammenhängenden Faktoren inkludieren Armut, Unsicherheit, inadäquate Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, sowie Erwartungshaltung von Familie und Peergruppe. Sowohl aus Gegenden mit einer geringen Zahl an entsandten Kindern, als auch aus Gegenden mit einer hohen Zahl entsandter Kinder, waren europäische Länder typischerweise das gewünschte Ziel. Der Iran wurde teilweise als Zwischenstation ausgewählt, da dort lebende Familienmitglieder und Verwandte helfen konnten Arbeit zu finden. Die Hauptabreiseorte waren Herat, Islam Qala [Anm.: im Westen von Herat] und Nimroz. Es ist allgemein bekannt, dass Schmuggelnetzwerke für diese Reise verwendet werden (UNHCR 12.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan
- Azizi Bank (2014): Western Union Money Transfer Services, http://www.azizibank.com/index.php/live/content/Western-Union , Zugriff am 8.11.2016BFA
- DAWN (13.2.2017): HRW report accuses UNHCR of inaction over ¿forced repatriation- of Afghans, http://www.dawn.com/news/1314348/hrw-report-accuses-unhcr-of-inaction-over-forced-repatriation-of-afghans , Zugriff 15.2.2017
- DAWN (28.1.2017): 700,000 Afghan refugees returned home from Pakistan in 2016: IMF, http://www.dawn.com/news/1311245 , Zugriff 15.2.2017
- DAWN (12.1.2017): Rise in Afghans returning home threatens overstretched resources, UN says, http://www.dawn.com/news/1307994/rise-in-afghans-returning-home-threatens-overstretched-resources-un-says , Zugriff 19.1.2017
- Die Zeit (13.2.2017): Schweigt die UN zu Misshandlungen von Flüchtlingen in Pakistan?,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/human-rights-watch-pakistan-abschiebung-afghanistan-fluechtlinge , Zugriff 15.2.2017
- HRW - Human Rights Watch (13.2.2017): Pakistan Coercion, UN Complicity - The Mass Forced Return of Afghan Refugees, https://www.hrw.org/report/2017/02/13/pakistan-coercion-un-complicity/mass-forced-return-afghan-refugees , Zugriff 15.2.2017
- IOM - International Organization for Migration (15.1.2017): Return of undocumented Afghans weekly situation report 8-14 January 2017, https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_return_of_undocumented_afghans_weekly_situation_report_8-14_january_2017.pdf , Zugriff 20.1.2017
- IOM - International Organization for Migration (8.1.2017): Return of undocumented Afghans weekly situation report 1-7 January 2017, https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_return_of_undocumented_afghans_weekly_situation_report_1-7_january_2017.pdf , Zugriff 19.1.2017
- IOM - International Organization for Migration (21.9.2016):
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- IOM - International Organization for Migration (22.8.2016):
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- IOM - International Organization for Migration (22.4.2016):
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Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18363835/Afghanistan_-_Country_Fact_Sheet_2016,_deutsch.pdf?nodeid=18447087&vernum=-2 , Zugriff 25.1.2017
- Khaama Press (17.1.2017): Refugees poured $7 billion to Afghanistan by returning home in past 1 year, http://www.khaama.com/refugees-poured-7-billion-to-afghanistan-by-returning-home-in-past-1-year-02694 , Zugriff 17.1.2017
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- Thomson Reuters Foundation (12.1.2017): Rise in Afghans returning home threatens overstretched resources, U.N. says, http://news.trust.org/item/20170112111806-rfzhx/ , Zugriff 19.1.2017
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- UN GASC - General Assembly Security Council (13.12.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,
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- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2.2017): Tough choices for Afghan refugees returning home after years in exile, http://www.unhcr.org/news/briefing/2017/2/589453557/tough-choices-afghan-refugees-returning-home-years-exile.html , Zugriff 15.2.2017
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- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (6.2016): Afghanistan - Factsheet,
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- UN OCHA (12.1.2017): Afghanistan: Returnee Crisis Situation Report No. 5 (as of 12 January 2017),
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afghanistan_returnee_crisis_situation_report_no_5_12jan2017.pdf , Zugriff 19.1.2017
- UN News Centre (15.11.2016): Afghanistan: UN launches nine-month operation to assist returnees with emergency food and cash, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=55562#.WIDL1MsweUk , Zugriff 20.1.2017
- Western Union Holdings, Inc (2016): Möglichkeiten, Geld zu erhalten, https://www.westernunion.com/at/de/receive-money.html , Zugriff am 25.1.2017
Risikogruppen:
In seinen "Richtlinien des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom April 2016" geht UNHCR (HRC/EG/AFG/16/02) von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:
(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;
(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;
(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;
(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;
(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;
(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;
(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;
(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;
(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;
(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;
(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;
(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;
(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;
(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und
(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).
Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Alkohol: Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt; Alkoholismus, Bestrafungen, Stigma" vom 13.03.2018:
"Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass Verkauf, Besitz und Konsum alkoholischer Getränke in Afghanistan illegal ist. Die Konsumation wird nach islamischem Recht durch körperliche Bestrafung geahndet.
[...]
Der Konsum und das Schmuggeln von Alkohol sind unislamisch und ein Verstoß gegen die Afghanische Verfassung. Art. 44 des Suchtmittelgesetzes besagt, dass Personen nach der Lehre der hanafitischen Rechtssprechung bestraft werden, wenn die folgenden Umstände zutreffen: 1) die Person ist "nicht normal", vergesslich und nicht fähig, flüssig zu sprechen; 2) die Person gibt vor einem Richter den Konsum von Alkohol zu bzw. mindestens zwei Zeugen tätigen eine diesbezügliche Aussage; 3) die Person ist volljährig und in der Lage, Alkohol von anderen Getränken zu unterscheiden; 4) die Person hat Alkohol konsumiert. Der Richter bestraft einen männlichen Betrunkenen mit 80 Peitschenschlägen in stehender Position und eine weibliche Betrunkene mit 80 Peitschenschlägen in sitzender Position.
[...]
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass - je nach Quelle - zwischen weniger als 0,1 % und ca. 4 % der Bevölkerung Alkohol konsumieren. Aus den Quellen geht hervor, dass mehr Männer als Frauen Alkohol konsumieren. Eine Quelle gibt an, dass der Anteil der Menschen in Afghanistan, die ein schädliches Nutzungsverhalten von Alkohol bzw. eine Alkoholabhängigkeit aufweisen, bei unter einem Prozent liegt.
[...]
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass Alkoholkonsum in Afghanistan sowohl nach dem zivilen wie auch nach dem islamischen Recht strafbar ist. Strafen nach dem zivilen Recht umfassen Haft- und/oder Geldstrafen. Strafen nach islamischem Recht werden nur gegen Muslime verhängt und umfassen 80 Peitschenschläge. Nach dem afghanischen Zivilrecht gibt es keine Milderungsgründe bei Verbrechen, die im Zustand freiwilliger Berauschung begangen wurden. Die Quellen beinhalten Berichte, dass körperliche Bestrafungen wegen Alkohol durchgeführt wurden, sind jedoch widersprüchlich was die Häufigkeit der Bestrafungen betrifft. Den Quellen ist zu entnehmen, dass im afghanischen Gesetz der Konsum, Handel und Besitz von Alkohol mit dem anderer illegaler Drogen gleichgestellt ist.
Einer Quelle ist zu entnehmen, dass Alkohol Schande über eine Person bringen kann und eine weitere Quelle besagt, dass in einem Fall tödlicher Alkoholvergiftung ein Geistlicher erst nach Intervention von Dorfältesten die Gebete beim Begräbnis sprach und die Familie der Verstorbenen die Aussage machte, die Todesfälle wären Folge einer Lebensmittelvergiftung.
[...]
ALEP - Afghanistan Legal Education Project - ist eine 2007 gegründete Studenteninitiative der Stanford Law School (USA) und der American University of Afghanistan, die Text- und Lehrbücher über afghanisches Recht publiziert, die an ein afghanisches Publikum gerichtet sind. ALEP veröffentlichte im Jahr 2012 ein Lehrbuch zur Einführung ins Strafgesetz Afghanistans. Diese Quelle besagt, dass Verbrechen, die unter dem freiwillig herbeigeführten Einfluss von Alkohol und Drogen begangen werden, bestraft werden, wie wenn das Verbrechen im Zustand voller Zurechnungsfähigkeit begangen wurde. Der Konsum von Alkohol oder Drogen stellt wiederum selbst einen Tatbestand dar, der mit drei bis sechs Monaten Haft und/oder 3000-6000 Afghani Geldstrafe geahndet wird. Eine unfreiwillig herbeigeführte Beeinträchtigung durch Alkohol oder Drogen ist ein Schlüsselelement einer wirksamen Verteidigung um die Verantwortung für ein Verbrechen ganz oder teilweise zu reduzieren.
Die Quelle besagt weiters, dass der Konsum von Alkohol eines von fünf Hudud [Anmerkung der Staatendokumentation: Singular: Hadd; die anderen vier Hudud sind Diebstahl, Unkeuschheit, Straßenraub und Entehrung] im islamischen Strafrecht ist. Hudud sind explizit im Koran erwähnt als Überschreitung der Grenzen, die Gott vorgegeben hat. Moderne Juristen interpretieren ein Hadd bzw. Hudud als Verbrechen gegen das öffentliche Interesse und die Grundfestungen des Staates. Da die Strafen für Hudud im Koran und der Sunna des Propheten definiert sind, ist die Verfolgung verpflichtend und die Bestrafung muss genau so erfolgen wie beschrieben. Jemandem, der eines Hadd schuldig befunden wurde, wird nicht verziehen oder Gnade gewährt. Heute sehen Juristen des Islamischen Rechts, dass das Verbot von Alkohol mit derselben Kraft durchgesetzt werden soll wie die Konsumation von Drogen. Um wegen des Trinkens von Alkohol eine Hadd-Strafe zu erhalten, muss der Beklagte sowohl geistig bei vollen Kräften als auch Muslim sein. Nicht-Muslime begehen kein Verbrechen wegen des Trinkens von Alkohol und Alkohol als Besitztum ist erlaubt. Der Alkohol muss freiwillig getrunken worden sein. Die unfreiwillige Einnahme von Alkohol entlässt den Beklagten von seiner kriminellen Verantwortung. Die Bestrafung für das Trinken von Alkohol beträgt 80 Peitschenhiebe.
[...]
Institute for War and Peace Reporting, ein internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien mit Sitz in London, berichtet am 17.6.2009, dass die Polizei in der Vergangenheit gegenüber Trinkern nachlässig war. Das neue Gesetz zeigt eine härtere Haltung. Ein Gesetz, dass im Mai 2009 vom Parlament verabschiedet wurde, stellt Händler und Konsumenten von Alkohol auf dieselbe rechtliche Stufe wie Drogensüchtige und -händler. Wer Alkohol verkauft, kann mit Haft von zehn Tagen bis 20 Jahren bestraft werden. Alkoholkonsumenten erwartet eine Strafe nach der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung, die beispielsweise 60 Peitschenhiebe für das Trinken von Wein vorsieht. Bevor das Gesetz verabschiedet wurde, war Alkohol nur ein Nebengedanke im afghanischen Gesetz, ein Zusatz im Verbot von Drogen, mit geringeren Strafen (bis zu sechs Monate Haft bzw. Geldstrafen von 60-120 USD). Die afghanische Legislative ist bestrebt, Alkohol in dieselbe Kategorie wie Drogenvergehen einzuordnen.
[...]
Radio Free Europe / Radio Liberty berichtet am 12.4.2012, dass ein 20-jähriger Mann in Baghlan 80 Peitschenschläge von einem Richter als Bestrafung erhielt, nachdem er zugegeben hatte, Alkohol zu trinken. Diese Art von Urteilen und Strafen sind nicht selten. Das afghanische Gesetz beinhaltet islamisches und ziviles Recht und überlässt es den Richtern und Gerichten, individuell zu entscheiden, welches Recht sie anwenden. Im ländlichen Raum erfolgt die Rechtsprechung häufiger nach der Sharia, in den Städten häufiger nach dem zivilen Recht. Zeugen der Bestrafung beschreiben diese als moderat im Vergleich zu den Strafen der Taliban, die auch Enthauptungen und Amputationen umfassen können."
Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Therapie: Alkoholsucht, Alkoholmissbrauch" vom 13.03.2018:
"Gibt es in Afghanistan Therapien für Alkoholsucht? Gibt es Möglichkeiten zur psychologischen Nachsorge einer erfolgreichen Therapie?
Quellenlage/Quellenbeschreibung: In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch wenige aktuelle Informationen gefunden. Gesucht wurde auf google.com, bing.com und ecoi.net mit den Suchworten "Afghanistan", "alcohol*", "treatment", "rehab", "poison*", "abuse" in unterschiedlichen Kombinationen und fremdsprachigen Äquivalenten. Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellungen wurde auch in der Datenbank von MedCOI recherchiert. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at . Die Quellen entsprechen den Standards der Staatendokumentation und werden im Folgenden zur Verfügung gestellt.
Zur Behandlung von Suchtkrankheiten in der nördlichen Region Afghanistans sei auch auf einen FFM-Bericht der BFA Staatendokumentation verwiesen, der in Kürze erscheinen wird.
Zusammenfassung:
Einer der nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass psychologische und physiologische Behandlungen für Alkoholsucht in Afghanistan in folgenden Institutionen verfügbar sind:
- Psychiatrische Behandlungen stationär und ambulant: Ali Abad Hospital, Kabul (öffentlich); Nejat Center Kabul (privat)
- Psychiatrische Behandlung von Alkoholsucht und Entgiftung: Wadan Clinic, Kabul (privat)
- Nachbetreuung durch Sozialarbeiter: Wadan Clinic, Kabul (privat)
- Gruppentherapie: Wadan Clinic, Kabul (privat)
Weitere nachfolgend zitierte Quellen berichten von Fällen von Alkoholvergiftung, u.A. durch Methanol, die für einen Teil der Betroffenen trotz Spitalsbehandlung tödlich endeten.
[...]
Im "Journal of the Royal Army Medical Corps", ein medizinisches Journal der Streitkräfte des Vereinten Königreiches von Großbritannien und Nordirland für Forschung, Analysen und Fallstudien der militärischen und zivilen Medizin wurde über die Behandlung von drei Patienten mit metabolischer Acidose (diagnostiziert wurde eine Methanolvergiftung), die im Jahr 2012 in die medizinische Einrichtung in Camp Bastion, Afghanistan, eingeliefert wurden, am 21.5.2013 berichtet. In der Fallstudie werden die Schwierigkeiten diskutiert, eine Methanolvergiftung in einem Umfeld mit begrenzten Ressourcen zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies benötigte Improvisation und Abänderung der Standardprozeduren. [...]"
Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme, welche im Rahmen des Verfahrens zu W154 1433958-1 eingeholt wurde:
"Nach meiner Beobachtung und Sachkenntnis über Afghanistan habe ich während der Verhandlungen, auch in der heutigen Verhandlung, beobachten können, dass die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers (BF) darauf hindeutet, dass er nach Wahrnehmung der Afghanen in Afghanistan als psychisch Kranker anzusehen ist. Nachdem der BF Epilepsie hat und auch Alkoholprobleme hat, welche nach seinem äußerlichen Erscheinungsbild während der Verhandlungen, nach seiner emotionalen Reaktion während der Pause und nach seiner Aussage, dass eine Hilfsorganisation, seine betreuenden Ärzte und die Polizei, ihn immer wieder aufmerksam machen, mit Alkohol aufzuhören, ist er über seine von den Ärzten festgestellten Epileptischen Krankheit auch als eine alkoholabhängige Person zu kategorisieren. Diese Feststellung von mir ist auch auf meine Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater zurückzuführen. Diese Abhängigkeit steht im Zusammenhang mit seiner Epilepsie und seiner Traumatisierung durch den andauernden Krieg in Afghanistan sowie in Verbindung mit dem Verlust seiner Familie, die nach Deutschland gegangen ist, wie auch der BF selbst in diesem Zusammenhang seine Abhängigkeit formuliert hat. Dieser Zustand des BF wird in Afghanistan von der Bevölkerung als psychische Krankheit angenommen. Die psychisch kranken Menschen, wenn sie sich auffällig verhalten, wie der BF hier in Österreich immer wieder alkoholisiert in der Öffentlichkeit erscheint und auch emotional sich auffällig verhält, werden, wenn sie in dieser Art und Weise in Afghanistan auftreten würden, in Afghanistan als Verrückte angenommen. Wenn sie Familien in Afghanistan haben, werden die meisten dieser Leute zu Hause eingesperrt oder wenn ihre Familien Geld haben, werden sie zum Arzt gebracht. Die Ärzte behandeln diese Patienten mit schweren Medikamenten, die langfristig die Betroffenen noch mehr abhängig machen, aber keine langfristige Hilfestellung gewährleistet. Zusätzlich können dem BF seitens der Behörde Probleme bereitet werden, z.B. Haftstrafe, wenn er alkoholisiert in der Öffentlichkeit erscheint. [...]"
II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie den Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2.2. Die Feststellungen zur Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF und seiner Volljährigkeit stützen sich auf dessen eigenen mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde sowie seinen glaubhaften Ausführungen im Zuge der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (S. 25 VP). Bereits das BFA legte seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde und an diesen haben sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben. Hinsichtlich seines Familienstandes gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung schlüssig an, dass er in Russland in einer Partnerschaft gelebt hat, welche jedoch nicht mehr aufrecht ist, und dass aus dieser Beziehung drei Kinder stammen, welche nach wie vor in Russland leben (vgl. S. 25 f VP).
Die Identität des BF kann mangels Vorlage von unbedenklichen Identitätsdokumenten nicht festgestellt werden.
II.2.3. Die Feststellungen, wonach der BF aus der Provinz Baghlan stammt und bis 2005 dort gelebt hat (S. 25 VP), basieren auf den glaubhaften Angaben des BF. Bereits das BFA legte seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde und haben sich an diesen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben.
Die Feststellungen zur fehlenden Schulausbildung und Berufstätigkeit des BF als Automechaniker sowie zu seinen Sprachkenntnissen (Dari) basieren ebenso auf seinen übereinstimmenden Angaben vor dem BFA und seinen glaubhaften Ausführungen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung (Protokoll vom 27.09.2017, S. 5; S. 25 f VP).
II.2.4. Dass der BF alkoholabhängig ist, bestätigen seine diesbezüglich gleichbleibenden Aussagen vor dem BFA (vgl. S. 461 ff) bzw. vor dem Bundesverwaltungsgericht (S. 27 ff VP). Die Feststellung, dass der BF in Österreich aufgrund der medizinischen Behandlung seines Alkoholabusus regelmäßig Medikamente einnimmt, ergeben sich aus den plausiblen Angaben des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung (S. 25 VP) und den im Zuge des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen (Gutachterliche Stellungnahme vom 22.03.2016; Arztbrief vom 04.05.2018, mit dem belegt wird, dass sich der BF seit 16.10.2017 aufgrund der Diagnose "Alkoholabusus" in medizinscher Behandlung befindet, regelmäßig seine Medikation nimmt und einen moderaten Alkoholkonsum aufweist).
Die Feststellung, dass die Alkoholabhängigkeit des BF aufgrund der momentan in Afghanistan vorherrschenden medizinischen Versorgungslage nicht ausreichend behandelt werden kann, und daher der BF gefährdet ist, einen Rückfall zu erleiden und bei einer Rückkehr einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt wäre, gründen sich auf die schlüssigen Angaben in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Therapie: Alkoholsucht, Alkoholmissbrauch" vom 13.03.2018: Hier wird explizit dargelegt, dass es hinsichtlich der Therapie von Alkoholsucht nur wenige Informationen gibt und dass psychologische und physiologische Behandlungen für Alkoholsucht lediglich in Kabul wahrgenommen werden können. Darüber hinaus wird von Fällen von Alkoholvergiftungen berichtet, die für einen Teil der Betroffenen trotz Spitalsbehandlung tödlich endeten. Zudem wird lediglich eine Fallstudie über drei Patienten mit metabolischer Acidose zitiert, in welcher die Schwierigkeiten der Diagnose und Behandlung von Methanolvergiftungen mit begrenzten Ressourcen diskutiert wird (Zwei der drei Patienten verstarben, wobei ein weiterer Patient komplett gesund wurde).
Die Feststellung, dass der BF aufgrund seines Alkoholabusus von der Bevölkerung bzw. den Taliban bedroht wird und er keinen Schutz durch den Staat erhalten bzw. sogar vom Staat wegen Verstößen gegen das zivile Recht bzw. gegen die Scharia verfolgt werden könnte, sind der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Alkohol:
Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt: Alkoholismus, Bestrafung, Stigma" vom 13.03.2018 zu entnehmen: Alkohol kann Schande über eine Person bringen und es wird von einem Fall tödlicher Alkoholvergiftungen berichtet, in dem ein Geistlicher erst nach Intervention von Dorfältesten die Gebete beim Begräbnis sprach und die Familie der Verstorbenen die Aussage machte, die Todesfälle wären Folge einer Lebensmittelvergiftung. Alkoholkonsum ist in Afghanistan sowohl nach dem zivilen wie auch nach dem islamischen Recht strafbar ist. Strafen nach dem zivilen Recht umfassen Haftund/oder Geldstrafen. Strafen nach islamischem Recht werden nur gegen Muslime verhängt und umfassen 80 Peitschenschläge. Nach dem afghanischen Zivilrecht gibt es keine Milderungsgründe bei Verbrechen, die im Zustand freiwilliger Berauschung begangen wurden. Ein Gesetz, das im Mai 2009 vom Parlament verabschiedet wurde, stellt Händler und Konsumenten von Alkohol auf dieselbe rechtliche Stufe wie Drogensüchtige und -händler. Bevor das Gesetz verabschiedet wurde, war Alkohol nur ein Nebengedanke im afghanischen Gesetz, ein Zusatz im Verbot von Drogen, mit geringeren Strafen (bis zu sechs Monate Haft bzw. Geldstrafen von 60-120 USD). Die afghanische Legislative ist bestrebt, Alkohol in dieselbe Kategorie wie Drogenvergehen einzuordnen.
Auch der im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichts zu Zl. W154 1433958-1 bestellte Sachverständige führte aus, dass der Zustand der Alkoholabhängigkeit in Afghanistan von der Bevölkerung als psychische Krankheit angenommen wird.
Zudem gab der BF in der Beschwerdeverhandlung schlüssig und detailliert zu Protokoll, dass er bereits in Afghanistan von der Bevölkerung beschimpft und gedemütigt worden ist (S. 29 VP). Es besteht seitens des Bundesverwaltungsgerichts kein Grund an der Glaubwürdigkeit dieser Ausführungen des BF zu zweifeln, zumal diese auch mit den Feststellungen zur allgemeinen Situation in Einklang zu bringen sind.
II.2.5. Die Länderfeststellungen gründen auf den angeführten und den im Zuge des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebrachten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Da den verwendeten Berichten nicht entgegengetreten wurde und angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, besteht jedenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Berichte zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.
II.2.6. Die strafrechtliche Unbescholtenheit geht aus einem im Akt des Bundesverwaltungsgerichts einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister hervor.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 138/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
§ 1 BFA-VG, BGBl. Nr. I 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. Nr. I 87/2012, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
II.3.2. Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht des BF vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention wohl begründet ist.
Hinsichtlich des BF, der bereits in Afghanistan alkoholabhängig war und dessen Alkoholabhängigkeit in Afghanistan aufgrund der schlechten medizinischen Versorgungslage nicht adäquat behandelt werden konnte und kann, bestünde im Hinblick auf die Feststellungen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ein erhebliches Verfolgungsrisiko betreffend seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von staatlicher als auch von privater Seite:
Zum einen hat der der BF eine Verfolgung durch die Regierung wegen (ihm unterstellten) Verstößen gegen die Scharia in Folge seines Alkoholmissbrauches zu befürchten: Alkoholismus wird als Verbrechen gegen den Islam gesehen, das sowohl nach zivilem als auch nach islamischem Recht bestraft wird, sodass der BF in Afghanistan (weiterhin) asylerhebliche Eingriffe in seine körperliche Integrität zu fürchten hätte. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass der BF im Falle einer Verhaftung beschuldigt werden würde, illegal Alkohol konsumiert zu haben, wobei sowohl nach der Scharia als auch nach dem afghanischen Strafgesetz Alkoholkonsum als Verbrechen gilt und mit Haft- bzw. Geldstrafen (bzw. gemäß der Scharia mit bis zu 80 Peitschenhiebe) bestraft wird. Es haben zwar noch keine Verfolgungshandlungen seitens der Regierung stattgefunden, jedoch muss der BF - doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - davon ausgehen, dass diese Umstände auch im Fall seiner Rückkehr in seine Heimatregion bekannt sind bzw. bei einem Rückfall sein Alkoholkonsum entdeckt wird und ihm seitens der Regierung deswegen ein Verstoß gegen das zivile bzw. islamische Recht (Alkoholabusus) vorgeworfen wird.
Zum anderen ergibt sich aus den Feststellungen, dass Alkoholabhängige mit Beschimpfungen und Bedrohungen zu rechnen haben bzw. der Gefahr willkürlicher Übergriffe ausgesetzt sind. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Alkoholabhängigen ist zudem ablehnend. In diesem Zusammenhang ist auch auf die UNHCR-Richtlinien vom April 2016 hinzuweisen, wo Personen, denen Verstöße gegen die Scharia - wie Alkoholmissbrauch - vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der (staatlichen) Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die Taliban oder andere regierungsfeindliche Kräfte besteht.
Es liegt somit im Falle des BF eine aktuelle Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aus religiösen und/oder politischen Gründen wegen unterstellter feindlicher Gesinnung (gegen die islamische Werteordnung) vor.
Anhand der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht aus religiösen und/oder politischen Gründen wegen unterstellter feindlicher Gesinnung (gegen die islamische Werteordnung) verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet, dass eine derartige Verfolgungsgefahr beim BF mit diesem Hintergrund nach wie vor besteht und dass er im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. auch BVwG 03.04.2017, Zl. W169 2112518-1/14E, 02.05.2017, Zl. W119 2141182-1/8E).
Anhaltspunkte für das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestehen - aufgrund des gültigen islamischen Rechts - nicht. Der BF kann daher aufgrund dieser Verfolgungsgefahr durch die Regierung bzw. durch Dritte auch in keinem anderen Teil des Herkunftsstaates ausreichenden Schutz finden.
Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Speziell ist im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 auf die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF zu verweisen.
Der Beschwerde war daher stattzugeben, dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. festzustellen, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
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