BVwG W226 2145392-1

BVwGW226 2145392-129.8.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W226.2145392.1.00

 

Spruch:

W226 2145388-1/11E

 

W226 2145392-1/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX und von 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX , alle StA: Ukraine,gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2016 Zlen. 1.) 1052314009-150196480 und 2.) 1050677006-150090738, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2017 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Die Beschwerdeführer sind Mutter und volljähriger Sohn und ist deren Vorbringen untrennbar miteinander verknüpft bzw. die Beschwerdeführer beziehen sich auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung beider Vorbringen abzuhandeln war. Die Beschwerdeführer werden in der Folge als BF1 und BF2 und beide zusammen als die BF bezeichnet.

 

Die BF sind Staatsangehörige der Ukraine. BF1 reiste am 21.02.2015 illegal in das Bundesgebiet ein, wo sie noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Ihr volljähriger Sohn (BF2) stellte bereits am 25.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor illegal in das Bundesgebiet eingereist war.

 

BF2 erklärte am 25.01.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge seiner Erstbefragung, dem russich-orthodoxen Glauben und der ukrainischen Volksgruppe anzugehören.

 

Er habe den Herkunftsstaat illegal verlassen. Er sei schlepperunterstützt mit einem LKW bis nach Österreich gelangt.

 

Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, schilderte er, am XXXX seien zwei Männer zu ihm in Zivil nachhause gekommen, die gewollt hätten, dass er zum ukrainischen Militär gehe und dort seinen Dienst verrichte. Er habe nicht am Krieg teilnehmen wollen, weshalb er die Ukraine verlassen habe. Dies seien alle seine Fluchtgründe. Er habe sonst keine weiteren Fluchtgründe.

 

Für den Fall einer Rückkehr befürchte er, dass er zum Militär einrücken müsse. Er wolle nicht in den Krieg ziehen und befürchte, dort entweder zu sterben oder jemanden töten zu müssen.

 

Er legte seinen ukrainischen Führerschein vor.

 

BF1 erklärte im Zuge ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem orthodoxen Glauben anzugehören und der moldawischen Volksgruppe zuzugehören.

 

Sie sei schlepperunterstützt mit einem LKW illegal ausgereist und damit direkt bis nach Österreich gelangt.

 

Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, erklärte sie, dass im Jänner 2015 prorussische Separatisten zu ihr nachhause gekommen seien, die ihren Sohn (BF2) mitnehmen hätten wollen. Ihr sei es jedoch gelungen, ihren Sohn zu verstecken. Sie habe ihn drei Tage später nach Österreich geschickt.

 

Sie habe sich auch dafür eingesetzt und einige ukrainische Mütter dazu überredet, ihre Söhne nicht in den Krieg ziehen zu lassen.

 

Vor ca. zwei Wochen seien die Separatisten noch einmal zu ihr nachhause gekommen, um nach ihrem Sohn zu fragen. Sie habe geantwortet, dass sich dieser bereits außerhalb der Ukraine befinde. Sie hätten ihr daraufhin zu verstehen gegeben, dass sie umgebracht werden würde, sollte sie nicht ihren Sohn ausliefern.

 

Es sei ihr von den ukrainischen Behörden vorgehalten worden, sich gegen die Mobilmachung eingesetzt zu haben.

 

Daraufhin habe sie sich ebenso zur Flucht entschlossen.

 

Für den Fall einer Rückkehr befürchte sie, entweder von den unkrainischen Behörden verhaftet oder von den pro-russischen Separatisten umgebracht zu werden.

 

BF1 legte ihre ukrainische Versicherungskarte vor.

 

Nach Zulassung zum Verfahren wurden BF1 und BF2 am 21.03.2016 vor dem BFA, RD Kärnten, niederschriftlich einvernommen.

 

BF1 erklärte dabei eingangs, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu ihrem Asylverfahren zu machen. Sie sei gesund, nehme aufgrund ihrer Nevosität aber ein Mittel für ihren Magen.

 

Sie erklärte, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. In der Erstbefragung seien Kleinigkeiten nicht richtig niedergeschrieben worden. So sei anstatt Stadt Dorf und auch ihr Name nicht ganz richtig geschrieben worden.

 

Sie verwies auf ihre vorgelegte Versicherungskarte und erklärte, dass sie ihren Inlandspass zuhause gelassen habe. Sie habe sich jedoch eine Kopie angefertigt, die sie in Vorlage brachte. Beide Dokumente wurden einer Übersetzung zugeführt, wobei die Versicherungskarte am XXXX und der Inlandspass am XXXX ausgestellt worden ist.

 

Im Bundesgebiet halte sie sich gemeinsam mit ihrem Sohn auf. Sonst habe sie keine weiteren Verwandten oder Angehörigen in Europa. Ihren ukrainischen Inlanspass habe sie gemeinsam mit dem Reisepass ihres Sohnes zuhause versteckt. Auf die Wohnung im Herkunftsstaat passe niemand auf.

 

Zu ihrem Leben in der Ukraine befragt, erklärte sie, dort aufgewachsen zu sein. Sie habe eine Schneiderlehre gemacht, sei dann nach Moldawien gegangen, wo sie eine Schule für Design besucht und in einem Atelier gearbeitet habe. Damals sei es noch die Sowjetunion gewesen. Sie habe zwei Mal – einen Piloten und danach einen Techniker – geheiratet. Als sie von ihrem zweiten Ehemann schwanger gewesen sei, habe dieser das Kind nicht gewollt, weshalb sie nach XXXX zurückgekehrt sei, wo sie ihren Sohn bekommen habe.

 

Vor der nunmehrigen Ausreise habe sie im XXXX in der Ortschaft XXXX an einer konkret bezeichneten Adresse gelebt. Sie sei vor der Geburt ihres Sohnes in die Ukraine zurückgekehrt. Während des Grundschulbesuchs ihres Sohnes sei sie mit diesem für ein paar Jahre in XXXX gewesen.

 

In XXXX habe sie in einem großen Haus mit ihren Eltern und ihrem Sohn gelebt, wobei ihr Vater verstorben sei, als ihr Sohn ca. sechs Monate alt gewesen sei. Ihre beiden Brüder seien in Kasachstan und in XXXX , was sie von ihrer Mutter wisse. Sie habe sich mit ihren Brüdern zerstritten.

 

Ihre Mutter lebe gemeinsam mit ihrer Schwester, die blind geworden sei. Ihre Mutter pflege die Schwester. Beide würden im Dorf XXXX im Haus der Schwester ihrer Mutter leben. Das Haus habe fünf große Zimmer plus Küche und großen Garten.

 

Nach ihrer Ankunft in Österreich habe sie ihre Cousine kontaktiert und diese darum gebeten, ihrer Mutter Bescheid zu sagen, dass es den BF gutgehe. Sie stehe ab und zu mit ihrer Cousine in Kontakt, um sich nach ihrer Mutter zu erkundigen.

 

Auf Nachfrage meinte sie, dass diese kein Handy habe und schon älter sei. Ob diese ein Telefon im Haus habe, wisse sie nicht. Auf Vorhalt, dass sie wissen müsste, ob ihre Mutter ein Telefon im Haus gehabt habe, meinte sie, sie sei immer dort hingegangen und habe sie das nicht interessiert. Auf weiteren Vorhalt, erklärte sie, dass ihre Mutter kein Telefon besessen habe.

 

Ihre Cousine, zu der sie einmal im Monat Kontakt habe, lebe in derselben Straße wie ihre Mutter.

 

In der Ukraine habe sie selbständig als Schneiderin gelebt und davor auch Steuern bezahlt. Sie habe aufgrund äußerer Umstände ein paar Monate vor der Ausreise nicht mehr arbeiten können. Sie habe mit ihrem Einkommen das finanzielle Auslangen gefunden. Ihr Sohn habe in letzter Zeit in XXXX im Supermarkt gearbeitet. Dies habe er bis ca. im Oktober 2014 gemacht.

 

Zu den Gründen für die Antragstellung in Österreich befragt, schilderte sie, dass sie und ihr Sohn in der Ukraine mit dem Tod und Gefängnis bedroht worden seien. Sie seien von der ukrainischen Regierung verfolgt worden Es habe politische und private Gründe gegeben.

 

Sie werde von der ukrainischen Regierung verfolgt, da sie Demonstrationen gegen die Mobilisierung organsiert habe. Sie habe nicht gewollt, dass ihr Sohn in die Armee gehe. Sie habe diesen vor dem Krieg und dem Tod retten wolle. Angemerkt wurde, dass BF1 pauschale Tatsachen schildere, jedoch vermeide, über persönliche Verfolgung zu erzählen. Auf Aufforderung von persönlich Erlebtem zu schildern, meinte sie, dass bekannt sei, dass Separatisten junge Leute entführt hätten, deren Leichen später ohne Organe gefunden worden seien. Auf neuerliche Aufforderung, ihre persönliche Verfolgung zu schildern, gab sie an, dass die Separatisten ihrem Sohn nachgelaufen seien. Sie sei nicht dabei sondern zuhause gewesen. Im Übrigen seien zwei Mal Leute zu ihr nachhause gekommen und hätten ihren Sohn mitnehmen wollen. Sie hätten sie bedroht und gesagt, sie würden BF1 töten, wenn sie ihren Sohn nicht kämpfen lasse. Weiters würden sie und ihr Sohn ins Gefängnis kommen, da sie die Demonstrationen gegen die ukrainische Regierung organisiert habe.

 

Sie und ihr Sohn hätten eine Ladung vom Gericht bekommen.

 

Auf Nachfrage, wie sie die ukrainische Regierung politisch verfolge, meinte sie, dass die Leute der Militärstation gesagt hätten, dass sie eingesperrt werde, sollte sie mit den Protesten nicht aufhören. Sie habe dann eine Ladung vom Gericht erhalten. Bei der Übergabe der Ladung hätten sie ihr vorgelesen, nach welchen Paragraphen gegen sie ermittelt werde. Konkret sei es darum gegangen, dass sie Demonstrationen gegen die Mobilisierung veranstaltet habe. Sie habe gegen den Präsidenten demonstriert. Es sei um das Werben von Zivilisten gegen die Mobilisierung gegangen. Sie habe ihren Sohn davor beschützen wollen, in die Armee zu gehen.

 

Die Ladung vom Gericht habe sie am Montag dem XXXX bekommen. Zwei Leute in Militäruniformen seien zu ihr gekommen. Sie hätten eine Ladung für ihren nicht anwesenden Sohn gebracht, da dieser nicht zur Militärstation gekommen sei. Die zweite Ladung sei für sie gewesen, da sie Demonstrationen gegen die ukrainische Regierung organisiert habe. Sie habe für beide Ladungen unterschrieben.

 

Sie beschrieb auf Nachfrage die Uniformen als übliche Militäruniformen, die grünlich gewesen seien. Die Leute hätten zur ukrainischen Regierung gehört.

 

Bei den Ladungen habe es sich um ein Blatt Papier gehandelt, wobei der von ihr unterschriebene Teil weggerissen und von den Personen in Militäruniformen wieder mitgenommen worden sei. Auf der Ladung sei ihr Name gestande. Sie hätte vor Gericht erscheinen sollen und habe es sich um das Verfahren gehandelt, weil sie etwas gegen die Regierung unternommen habe.

 

Sie habe die Ladung zerrissen, damit sie niemand sehe und niemand glaube, dass sie eine Verbrecherin sei. Auf Nachfrage meinte sie, die Ladung nicht sofort sondern erst zerrissen zu haben, bevor sie aus der Ukraine ausgereist sei. Sie habe nicht gewollt, dass jemand die Ladung finde und glaube, sie sei eine Verbrecherin.

 

Sie hätte innerhalb einer Woche vor dem Gericht in XXXX erscheinen müssen. Sie habe am XXXX die Ukraine verlassen und habe sie die Ladung am XXXX erhalten. Auch die Ladung von ihrem Sohn habe sie vor der Ausreise zerrissen. Sonst habe sie keine persönlichen Unterlagen vernichtet. Auf Vorhalt, meinte sie erneut, sie habe nicht gewollt, dass die Leute sie für eine Verbrecherin halten. Sie habe die Unterlagen auch nicht auf der Reise mithaben wollen, da die Leute dann vielleicht gedacht hätten, dass sie eine Verbrecherin sei.

 

Dazu aufgefordert, zu beschreiben, wie sie die ukrainische Regierung privat verfolgt habe, erklärte sie, nicht zu wollen, dass ihr Sohn zur Armee müsse. Sie sei gegen den Krieg.

 

Dazu aufgefordert, zu schildern, wie sie die von ihr angeführten Demonstrationen organisiert habe, meinte sie, dass, nachdem ihr Sohn eine Ladung erhalten habe, es klar gewesen sei, dass dieser in die Armee müsse. Ihr Sohn könne aber keine anderen Leute töten. Sie sei im Bus gewesen und die Mütter anderer Söhne hätten sich auch aufgeregt und hätten dann vorgeschlagen, dass sie alle zusammen kommen sollten, um zur Militärstation zu gehen. Sie sei dann durch das Dorf gegangen und habe Frauen gesammelt und organisiert.

 

Auf Bitte, von den Demonstrationen zu erzählen, schilderte sie, ein paar Plakate gemacht zu haben, auf denen gestanden sei, dass die Mütter gegen den Krieg seien. Sie würden ihre Söhne nicht hergeben. Sie seien alle zur Militärstation gegangen, wo auch Leute gewesen seien, die ihnen zugesehen hätten. Sie habe eine Rede gehalten und gesagt, dass dieser Bescheid des Präsidenten und dieser Organisation ein Verbrechen von Menschenrechten sei. Sie hätten gefordert, die jungen Männer nicht zu mobilisieren und nicht zu töten. Auch gegen den Krieg wären sie aufgetreten. Die Leute der Militärstation hätten sie dann zum Aufhören aufgefordert. Sie hätten die Frauen zur Militärstation gezogen. Danach hätten alle Angst und Panik gehabt und seien weggelaufen. So habe sich die Demonstration aufgelöst.

 

BF1 habe keine Genehmigung für diese Demonstration gehabt und habe diese Zusammenkunft nur einmal stattgefunden. Konkret habe die Demonstration bei der Militärstation in XXXX stattgefunden. Nach dem konkreten Tag befragt, meinte sie, dass es ein Arbeitstag gewesen sei. Es sei eine große psychische Anstrengung gewesen und die Tage seien einfach so gelaufen. Auf weitere Nachfrage meinte sie, die Demonstration sei im Jänner gewesen, wobei sie es nicht genauer sagen könne.

 

Auf Vorhalt, wonach sie sich an den exakten Tag des Erhalts der Ladung sehr wohl erinnern könne, meinte sie, die Ladung kurz vor ihrer Ausreise bekommen zu haben, weshalb sie sich daran erinnern könne. Die Demonstration sei gewesen, nachdem ihr Sohn die Ladung erhalten habe und weggefahren sei. Dies sei ein Arbeitstag gewesen und wisse sie das genaue Datum nicht. Die Demonstration habe sie ca. drei Tage lang organisiert. Es hätten zehn Mütter aus dem Dorf teilgenommen, andere Mütter hätten zugesagt, seien aber nicht gekommen.

 

Befragt, wieviele Menschen dort demonstriert hätten, meinte sie, dass es eine Gruppe von Menschen gewesen sei. Sie seien so aufgeregt gewesen und hätten nur ihre Meinung aussprechen wollen. Sie habe nicht gezählt, weshalb sie die Anzahl der Teilnehmer nicht sagen könne. Sie hätten auch Angst gehabt.

 

Dazu aufgefordert, die Ereignisse der Demonstration ab dem Zeitpunkt, als die Armee eingegriffen habe, zu schildern, meinte sie, dass sie gewarnt und aufgefordert worden seien, die Demonstration zu beenden und zu gehen, da sie ansonsten eingesperrt werden würden. Dann hätten sie gemeint, die Aktion richte sich gegen die ukrainische Einheit. Da sie Angst gehabt hätten, seien sie gegangen.

 

Befragt, wieviele Menschen bei der Demonstration festgenommen worden seien, meinte sie, dies nicht zu wissen. Nachdem die Soldaten die Frauen gezogen hätten, sei es diesen gelungen, wegzulaufen. Auch BF1 sei weggelaufen. Sie seien nicht festgenommen worden. Die Demonstration habe ungefähr eine Stunde gedauert, wobei sie keine Uhr gehabt habe.

 

Auf Nachfrage, meinte sie, sie seien um 09:00 Uhr mit dem Bus gefahren und um 10:00 Uhr dort angekommen. Der Treffpunkt der Demoteilnehmer sei an der Bushaltestelle im Zentrum von XXXX in der XXXX gewesen. Es habe weder ein Mikrofon noch ein Podest gegeben. Sie seien einfach am Platz vor der Militärstation gestanden. Rundherum seien die Frauen gestanden und sei sie ein paar Schritte vor die anderen Frauen getreten, als sie ihre Rede gehalten habe. Auch andere Frauen hätten geredet.

 

Befragt, ob auch andere Personen eine Ladung vom Gericht erhalten hätten, meinte sie, dies nicht zu wissen. Nachdem sie die Ladung erhalten habe, sei sie erschrocken gewesen und habe sich Gedanken gemacht, wie sie den Transport organisieren könne. Dies sei gewesen, nachdem die Leute zu ihr gekommen seien und sie bedroht hätten.

 

Befragt, ob es Bilder von der Demonstration gegeben habe, meinte sie, dies nich zu wissen. Sie und die anderen Teilnehmer hätten nicht fotografiert. Befragt, ob in den Medien von dieser Demonstration berichtet worden sei, erklärte sie, dies nicht zu wissen und dies nicht verfolgt zu haben. Die Demonstration sei ca. 20 m vom Eingang der Militärstation entfernt gewesen. Zu ihr nachhause seien zwei Mal Personen gekommen. Das erste Mal sei dies im Jänner gewesen. Es seien zwei Leute gewesen. Beim ersten Mal habe sie die Tür nicht aufgemacht, habe aber durch das Fenster sehen können, dass sie in Zivil angezogen gewesen seien. Sie hätten angeklopft und gefragt, wo ihr Sohn sei. Sie hätten gesagt, sie würden ihren Sohn brauchen. Befragt, woher sie dies wisse, wenn sie die Tür nicht aufgemacht habe, meinte sie, dass die Eingangstür ein Glas gehabt habe und man sehr gut höre. Sie habe gesagt, dass ihr Sohn nicht zuhause sei. Sie hätten gesagt, sie würden wissen, dass dieser hier wohne und mit ihnen in den Krieg ziehen müsse.

 

Befragt, ob sie wisse, zu welcher Konfliktpartei diese Personen gehört hätten, meinte sie, dass es Separatisten gewesen seien, die gegen die ukrainische Regierung kämpfen würden. Sie hätten ihr keine Dokumente gezeigt.

 

Auf Vorhalt meinte sie, dass der Vorfall in der Nacht passiert sei. Sie hätten die Tür aufbrechen wollen. Sie wisse nicht, ob es Personen gewesen seien, die zu dieser Gruppierung gehört hätten. Sie wisse aber, dass sie ihren Sohn mitnehmen hätten wollen. Ihr Sohn habe sich zu diesem Zeitpunkt in der Küche aufgehalten. Sie hätten gehört, wie der Hund gebellt habe und ihr Sohn sei durch die Hintertür rausgelaufen.

 

Das zweite Mal sei Anfang Februar gewesen.

 

Diesmal seien drei Personen in Zivil in Winterbekleidung mit massiven Schuhen gekommen. Sie hätten die Tür aufgebrochen und sie beschimpft, weshalb sie die Tür nicht aufgemacht habe. Sie hätten sie am Hals gepackt und an die Wand gestoßen. Sie hätten das ganze Haus nach ihrem Sohn durchsucht. Sie sei mit einer Pistole bedroht worden und hätten sie ihr gesagt, dass sie getötet werden würde, wenn sie ihren Sohn beschütze. Sie sei dann noch mit dem Fuß getreten worden und seien sie dann weggegangen.

 

Am nächsten Tag sei sie zur medizinischen Station gegangen und habe eine Infusion erhalten, da sie große Schmerzen gehabt habe und ihr schlecht gewesen sei.

 

Den Vorfall habe sie nicht bei der Polizei angezeigt, da diese mit dieser Gruppierung zusammenarbeite. Ihr Sohn habe sich zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich befunden. Befragt, erklärte sie, sie wisse nicht, zu welcher konkreten Gruppierung diese drei Personen gehört hätten.

 

Auf Vorhalt, dass es nach ihren Ausführungen inklusive dem Besuch vom Militär drei Besuche gegeben habe, meinte sie, dass das erste Mal Anfang Jänner Leute der Militärstation zu ihr gekommen seien. Eine Person in Uniform habe die Ladung für ihren Sohn gebracht. Der zweite und dritte Vorfall seien die soeben geschilderten Vorfälle gewesen und zuletzt seien zwei Militärleute gekommen, die Ladungen für sie und ihren Sohn gebracht hätten. Nach diesem Vorfall seien keine Personen mehr gekommen.

 

Dazu aufgefordert, näher den Vorfall zu schildern, bei dem ihr Sohn vor den Separatisten davongelaufen sei, meinte sie, dass ihr Sohn frei gehabt habe und in die Stadt gefahren sei. Er habe sie danach angerufen und gefragt, ob sie alleine zuhause sei. Dann sei er zu ihr gekommen und habe ihr erzählt, dass ihm die Separatisten nachgelaufen seien, da sie ihn entführen hätten wollen. Ähnliches sei auch anderen jungen Leuten passiert. Dieser Vorfall habe sich im Herbst 2014 am Vormittag im Park in der Stadt XXXX ereignet.

 

Für den Fall einer Rückkehr in die Ukraine befürchte sie, inhaftiert zu werden. Andererseits befürchte sie, von Separatisten und Banditen getötet zu werden, fall sie ihren Sohn nicht ausliefere.

 

Abgesehen von den geschilderten Problemen habe sie keine Probleme mit den staatlichen Behörden im Herkunftsstaat gehabt. Sie erklärte, ihre dargelegten Probleme seien politischer Natur.

 

Sie sei niemals in Haft und auch nicht festgenommen worden. Sie habe auch keinen Militärdienst abgeleistet. In Österreich habe sie an keinen Demonstrationen teilgenommen.

 

BF1 wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat ausgefolgt und wurde ihr eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

 

Auf Nachfrage meinte sie ,die Ladung vom Gericht am Montag den XXXX erhalten zu haben. Zwei militärisch gekleidete Personen seien gekommen. Sie hätten ihren Namen und den Namen ihres Sohnes genannt und erklärt, dass sie zwei Ladungen für sie und ihren Sohn hätten, wobei sie auch den Inhalt dargelegt hätten. So würde sie von der ukrainischen Regierung belangt. Ihr Sohn werde belangt, da dieser es abgelehnt habe, in die Armee zu gehen.

 

Sie hätten gesagt, sie solle unterschreiben. Sie habe für ihre Ladung und die Ladung ihres Sohnes unterschrieben. Sie hätten gesagt, dass ihr Sohn, sobald er komme, bei ihnen erscheinen müsse.

 

Ihre Versorgung in Österreich sei gesichert. Sie besuche Deutschkurse.

 

Sie erklärte schließlich, dass ihr sohn psychisch nicht in der Lage sei, in den Krieg zu gehen.

 

Nach Rückübersetzung erklärte BF1, Folgendes ändern zu wollen: Sie wolle ändern, dass es sich um ihren Inlandspass und nicht um ihren Reisepass handle. Sie erklärte auch, ihren Sohn in XXXX im Krankenhaus bekommen zu haben. Sie sei dann nachhause zu ihren Eltern gezogen. Sie berichtigte auch Orts- und Entfernungsangaben betreffend XXXX und XXXX . Sie betonte weiter, dass alle Männer, selbst die, die nicht töten können oder wollen würden, mobilisiert werden würden. Schließlich wies sie noch einmal darauf hin, dass die ukrainische und die russische Armee nicht die gleiche Kraft hätten.

 

Sie meinte auch, nicht zu wissen, zu welcher Gruppierung die Personen gehört hätten, diese hätten aber ihren Sohn zwangsweise mitnehmen wollen. Dann sei ihr Sohn zu ihr gekommen und habe ihr erzählt, dass ihm die Separatisten nachgelaufen seien und ihn entführen wollen hätten. Er sei erschrocken gewesen.

 

BF2 erklärte im Zuge seiner Befragung am selben Tag, gesund zu sein und nicht in medizinischer Behandlung zu stehen. Er nehme auch keine Medikamente.

 

Er erklärte, im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. Betreffend die Erstbefragung erklärte er vorerst, dass einige Fehler passiert seien, relativierte dann, dass einiges verwechselt jedoch nicht unbedingt falsch sei, um nach Aufforderung, was nicht richtig protokolliert worden sei, zu erklären, dass er sich nicht an die einzelnen Fehler erinnern könne. Er habe die Kopie erst später bekommen und ihm sei bei der Übersetzung geholfen worden. Er wisse aber nicht mehr, welche Fehler das Protokoll enhalten habe. Auch auf wiederholte Nachfrage konnte er nicht angeben, was im Protokoll der Erstbefragung nicht stimme. Er meinte nun auch, den Dolmetscher in der Erstbefragung nicht immer gut verstanden zu haben.

 

Er verwies auf seinen im Akt einliegenden ukrainischen Führerschein und legte diverse Deutschkursbesuchsbestätigungen sowie Unterlagen über den Besuch einzelner Veranstaltungen an der XXXX vor.

 

Seit seiner Kindheit habe er sonntags die Kirche besucht, in Österreich habe er aber noch keine entsprechende Kirche gefunden. In Österreich habe er nur seine Mutter.

 

Er besitze keinen Auslandsreisepass. Seine Mutter habe gesagt, die Inlandspässe zuhause gelassen zu haben.

 

Zu seinen Lebensverhältnissen im Herkunftsstaat befragt, erklärte BF2, ab XXXX bis XXXX das Gymnasium in XXXX besucht zu haben. Er habe im Jahr XXXX den Führerschein gemacht und sich danach an der Uni beworben, wo er jedoch nicht drangekommen sei, da er seine Dokumente etwas spät eingereicht habe. Er habe dann in XXXX als Verkäufer gearbeitet. Sonst habe er nicht viel in seiner Freizeit gemacht. Er habe seine gesamt Schulzeit in XXXX verbracht. Er habe während seines Schulbesuchs immer in XXXX gelebt.

 

Vor der Flucht habe er im Dorf XXXX an einer näher bezeichneten Adresse gelebt. Dort habe er mit seiner Mutter gelebt. Auf Nachfrage erklärte er, dass er dort nach XXXX hingezogen sei und immer nur mit seiner Mutter gelebt habe. Über seinen Vater habe er keine näheren Informationen. Dieser solle in der Nähe von XXXX leben. Seine Großmutter lebe mit ihrer Schwester in XXXX zusammen. Wann die beiden zusammengezogen seien, daran könne er sich nicht erinnern. Er habe sonst zu niemanden in der Ukraine Kontakt. Er habe wenige Bekannte in seinem Dorf, da er in der Stadt nur studiert und gearbeitet habe.

 

Er könne nicht sagen, wieviele Einwohner XXXX habe. Er sei ab und zu im Dorf unterwegs gewesen und habe an keinerlei Aktivitäten im Dorf teilgenommen. Auf konkrete Nachfrage, bekräftigte er, keine Freunde sondern nur lose Bekannte gehabt zu haben.

 

Der Kontakt zur Großmutter sei sehr selten gewesen, was daran liege, dass sie nicht zusammengewohnt hätten.

 

Als Verkäufer habe er bis Oktober 2014 gearbeitet. Damit habe er natürlich seinen Lebensunterhalt finanzieren können.

 

Zum Grund für die Antragstellung befragt, meinte er, dass er in der Ukraine von der ukrainischen Regierung verfolgt worden sei. Sie hätten ihn einsperren wollen, da er nicht eingerückt sei. Er sei auch von den Separatisten mit Verbindung zu den heimischen Gruppierungen verfolgt worden. Sie hätten ihn entführen und seine Organe verkaufen wollen. Dies seien alle sein Fluchtgründe.

 

Auf Aufforderung, seine Verfolgungsgründe präziser darzulegen, erklärte BF2, dass er im Herbst von zwei Separatisten verfolgt worden sei. Er sei vor diesen weggelaufen und seitdem nicht mehr arbeiten gegangen. Er habe befürchtet, entführt zu werden. Am XXXX seien zu ihnen zwei Menschen in Zivil gekommen und hätten ihn mitnehmen wollen. Bei diesen habe es sich um Separatisten gehandelt.

 

Befragt, ob er alle Fluchtgründe genannt habe, meinte er, die ukrainische Regierung habe gewollt, dass er ins Gefängnis gehe, da er nicht in die Armee gegangen sei.

 

Zum Vorfall im Herbst näher befragt, meinte er, wie gewöhnlich mit dem Bus in die Stadt gefahren zu sein. Er habe freigehabt und sei aus dem Dorf in die Stadt einkaufen gegangen. Wie gewöhnlich sei er durch den Park gegangen, sei in einer Ecke des Parks ein Mann aus dem Auto gestiegen und habe zu ihm gesagt: "Hey Bursche komm her."

In dieser Zeit sei der zweite Mann aus dem Auto gestiegen und sie seien ihm entgegengekommen, ohne zu warten bis er zu ihnen komme. Er habe Angst verspürt und sei losgelaufen. Sie seien ihm gefolgt, er sei Richtung Ausgang und aus dem Park gelaufen, weil da viele Leute seien. In der Nähe vom Ausgang des Parkes seien zwei Frauen gewesen, die gesehen hätten, dass die beiden Männer ihm nachlaufen würden. Sie hätten geschrien, dass die beiden Männer aufhören sollten. Er sei aus dem Park und zum Busbahnhof gelaufen. Nachdem er aus dem Bus ausgestiegen sei und sich im Dorf befunden habe, habe er seine Mutter angerufen.

 

Befragt, erklärte er, dass neben dem Park eine Parkzone (für Fahrzeuge) sei und sich dort auch Geschäfte befinden würden.

 

Die beiden Personen beschrieb er größer und kräftiger als BF2. Genauer könne er es nicht sagen, da er einfach losgelaufen sei.

 

Befragt, ob er jedes Mal davonlaufe, wenn ihn jemand auf der Straße anspreche, meinte er, gewusst zu haben, dass in seiner Region viele junge Menschen von Separatisten entführt werden würden. Die Separatisten hätten seit dem Sommer schon mehrere Jungs in der Nacht entführt.

 

Befragt, woher er gewusst habe, dass die beiden Personen Separatisten seien, meinte er, dass Separatisten junge Burschen entführen und deren Organe verkaufen würden.

 

Er meinte, dass dies alle in der Stadt wissen würden.

 

Auf neuerliche Nachfrage, woher er wisse, dass es sich bei den beiden um Separatisten gehandelt habe, meinte er, dass die Leute in der Stadt darüber gesprochen hätten.

 

Zum Vorfall im Jänner bei ihm daheim näher befragt, gab er an, mit seiner Mutter in der Küche gesessen zu sein. Der Hund habe zu bellen begonnen. Er habe die Schuhe und die Jacke angezogen und sei losgelaufen. Er sei in den Nachbargarten. Er habe Angst gehabt, da

 

seit Sommer manche junge Burschen von diesen Männern entführt worden seien und außerdem seien ihm die Männer nachgelaufen. Seine Mama habe die Tür zugesperrt und er sei losgelaufen. Sie hätten zuhause zwei Ausgänge gehabt und sei er durch den zweiten Ausgang davongelaufen.

 

Was die Personen gesagt hätten, wisse er nicht. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sie nach ihm gefragt und verlangt hätten, dass sie die Tür aufmache.

 

Auf Nachfrage, ob er jedes Mal davongelaufen sei, wenn der Hund gebellt habe, meinte er, dass die OSZE Leichen von jungen Burschen gefunden habe, worüber die Medien berichtet hätten.

 

Er wisse nicht, wieviele junge Menschen aus seiner Ortschaft von Separatisten entführt worden seien. Es sei oft der Fall gewesen, könne er aber keine Zahl nennen. Auf weitere Nachfrage, meinte er, er wisse von einem Fall, der sich im Sommer im Dorf zugetragen habe. Wie der Jugendliche geheißen habe, wisse er nicht, sei nach diesem Vorfall aber die Disco zugesperrt worden, da alle Angst gehabt hätten.

 

Befragt, ob noch andere Personen zu ihm nachhause gekommen seien, verneinte er dies. Nur am XXXX seien sie gekommen. Er habe Anfang Jänner eine Ladung erhalten, wonach er zur Armee müsse.

 

Den Vorfall im Park habe er nicht angezeigt, da die Polizei korrupt sei und die Menschen nicht schützen könne. Er habe den Vorfall keiner staatlichen Behörde gemeldet. Niemand könnte ihn schützen.

 

Unter Separatisten verstehe er die russischen angestellten Soldaten die in Donezk und Luhansk gegen die Ukraine kämpfen würden. Die Krim sei von Russland weggenommen worden. Pro-russische Separatisten seien in der ganzen Ukraine, in den zuvor genannten Gebieten würden sich russische Soldaten befinden.

 

Zur Einberufung zur ukrainischen Armee befragt, erklärte er, dass Anfang Jänner eine Ladung gekommen sei, für die seine Mutter unterschrieben habe. Musterung habe er während seiner Schulzeit gehabt. Er habe dann dort auch ein Militärbuch erhalten, wobei er nicht wisse, wo sich dieses befinde.

 

Die Ladung sei Anfang Jänner gekommen und er sei am 23.01. ausgereist. Auf Nachfrage, was dazwischen passiert sei, erwähnte er lediglich den Vorfall am XXXX

 

Befragt, wann er den Militärdienst antreten hätte müssen, meinte er, dies nicht genau sagen zu können. Er erwähnte dann Anfgang Jänner und meinte, er hätte so zwei bis drei Wochen später kommen sollen. Befragt, wo er einrücken hätte müssen, meinte er, er habe sich an die Kommando-Nummer nicht mehr genau erinnern können. Es sei eine Sammlung in der Militärstation gewesen und hätte er zu dieser Sammlung kommen sollen. Es sei in XXXX gewesen, wobei er die Straße nicht kenne. Auf Nachfrage, was genau in der Ladung gestanden sei, meinte er, dort sei gestanden, dass er verpflichtet sei, den Militärdienst zu leisten und zur Sammlung zu erscheinen. Wo sich die Ladung befinde, wisse er nicht, da sie nicht aufbewahrt worden sei.

 

Befragt, wie oft er von den ukrainischen Militärbehörden kontaktiert worden sei, gab er an, dass nur die Ladung im Jänner gekommen sei. Ansonsten sei niemand gekommen. Er sei in der Schulzeit gemustert worden, wobei er den Zeitpunkt nicht sagen könne. Er sei damals im Krankenhaus mit seinen Mitschülern untersucht worden. Welche Untersuchungen dort konkret durchgeführt worden seien, wisse er nicht. Es sei nur ein Tag gewesen.

 

Auf Vorhalt, dass er im XXXX seine Schulzeit beendet habe und zu dieser Zeit in der Ukraine keine Wehrpflicht bestanden habe, meinte er, dass er gemustert worden sei, da es alle gemacht hätten. Er beharrte auch darauf, dass es sich bei der Untersuchung um die Musterung gehandelt habe, zumal er ein Militärbuch erhalten habe.

 

Das Haus in der Ukraine sei ein großes Haus gewesen, das jetzt leer stehe. Seine Mutter habe als Schneiderin von zuhause aus gearbeitet. Er habe mit seiner Mutter gelebt. Sie seien immer zusammengewesen und hätten auch oft ihre Freizeit miteinander verbracht. Er habe als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten wollen und sich deshalb an der Sprachfakultät für die englische Sprache angemeldet.

 

Die Entscheidung, nicht zum Militär zu gehen, habe er gemeinsam mit seiner Mutter getroffen. Er wolle niemanden töten und habe selbst Angst vor dem Tod gehabt.

 

Er habe die Ukraine am 23.01.2015 verlassen und sei am 25.01.2015 im Bundesgebiet angekommen. Die Resiebewegung sei schlepperunterstützt mit einem LKW erfolgt. Auf Hinweis auf das LKW-Fahrverbot am Wochenende meinte BF2, immer gefahren zu sein.

 

Abgesehen von den geschilderten Problemen habe er keine weiteren Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt. Er habe auch aufgrund seiner Religion, politischen Einstellung oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit nie Probleme gehabt. Er sei auch niemals in Haft gewesen und sei gegen ihn auch kein Gerichtsverfahren anhängig. Weder in Österreich noch in der Ukraine habe er an einer Demonstration teilgenommen. Er sei auch nich politisch aktiv gewesen.

 

Dem BF2 wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat vorgehalten und erklärte er, auf eine schriftliche Stellungnahme hiezu zu verzichten. Er klärte hiezu, dass er nicht den ganzen Länderinformationen zustimmen könne. In der Ukraine sei Krieg, er hätte zur Armee sollen und würden dort die Menschenrechte verletzt werden.

 

Seine Versorgung in Österreich sei gesichert. Er besuche Deutschkurse und Kurse an der Uni. Mit seiner Mutter lebe derzeit in einer Pension. Er habe gemeinsame Bekannte mit seiner Mutter und rede mit Kollegen an der Uni.

 

Nach Rückübersetzung ersuchte BF2 um Änderungen, wonach er von Schulanfang an in XXXX gewesen sei und dann ins Dorf gezogen sei. Zu den geschilderten Medienberichten der OSZE erklärte er, dass die Leichen von jungen Burschen ohne innere Organe in der Ukraine gefunden worden seien. Er erklärte auch, dass er niemanden töten wolle und Gott das Leben gebe. Außerdem gab er an, dass die Medien berichtet hätten, dass den Leichen, die die OSZE in der Ukraine entdeckt habe, keine inneren Organe gehabt hätten. Im Übrigen sei die ukrainische Armee nicht in der Lage mit der russischen Armee zu kämpfen. Die Waffen seien alt und würden selten repariert werden.

 

Die BF bezogen mit Fax vom 31.03.2016 zur Lage im Herkunftsstaat derart Stellung, dass dort keine Meinunsäußerungsfreiheit herrsche und Männer zwischen 18 und 27 Jahren zum Militär einberufen würden. Im Weigerungsfall würden Gefängnisstrafen drohen. Alle Einberufenen würden in die Kampfzonen geschickt werden.

 

Zitiert wurde ein Bericht vom 03.03.2016 der Vereinten Nationen.

 

Dem Fax wurde eine handschriftlich verfasste Stellungnahme von BF1 beigelegt, in der sie kurz zusammengefasst ihr bisheriges Vorbringen wiederholte.

 

Das BFA veranlasste eine Recherche, deren Ergebnis die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.04.2016 zur Ukraine: Moldawische Volksgruppe, Demonstrationen, illegaler Organhandel ist.

 

Die BF übermittelten Ambulanzberichte der XXXX vom 06.07.2016, wonach beide nicht einvernahmefähig seien, da sie im Moment in sehr labiler psychischer Verfassung seien.

 

Die Anfragebeantwortung wurde dem Parteiengehör unterzogen, wobei ein fachliche Äußerung von XXXX vom 18.07.2016 übermittelt wurde, wonach sich die BF derzeit nicht in der Lage fühlen würden, zum Parteiengehör Stellung zu beziehen.

 

In der Folge wurde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.04.2016 dem schriftlichen Parteiengehör unterzogen, mit dem Hinweis, dass lediglich zu diesem und nicht zu persönlichen Umständen Stellung bezogen werden müsse.

 

Mit Stellungnahme vom 22.08.2016 wurde eingangs darauf verwiesen, dass mit einer Einberufung zum Militär aufgrund der derzeitigen Umstände in der Ukraine Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß verbunden sei.

 

Die Länderberichte würden bestätigen, dass es zu zahlreichen Demonstrationen gegen die Mobilmachung gekommen sei. Nur weil der Verbindungsbeamte im Internet keine Hiinweise auf Proteste in XXXX gefunden habe, sei dies kein Hinweis dafür, dass diese nicht stattgefunden hätten.

 

Im Übrigen wurde ein Internetbericht zitiert, wonach es landesweit und hier besonders im Westen und Südwesten zu Protesten gegen die Mobilmachung komme.

 

Auch wurden weitere Internetberichte über die Verfolgung von Wehrdienstverweigerern übermittelt.

 

Beigelegt wurden zwei handschriftlich verfasste Schreiben, datiert mit 22.08.2016 und 24.08.2016. Diese wurden einer Übersetzung zugeführt und legen die BF in diesen die Bedrohungsszenarion vor, die sie bereits zuvor genannt haben.

 

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 27.12.2016 wurde jeweils unter Spruchteil I. die Anträge auf internationalen Schutz vom 21.02.2015 und vom 25.01.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Ukraine abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist und in Spruchteil IV. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

 

Die Identität der BF wurde dabei festgestellt, nicht jedoch, dass ihnen im Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblichlicher Intensität drohe. Das von den BF vorgetragene Vorbringen habe aus näher dargelegten Gründen mangels Glaubwürdigkeit der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden können.

 

Aus dem bloßen Umstand der Einberufung zum Militärdienst sei im Lichte der in das Verfahren eingeführten Länderinformationen keine asylrelevante Verfolgung zu erblicken.

 

In rechtlicher Hinsicht vermeinte die belangte Behörde, dass eine asylrelevante individuelle Gefährdung der BF nicht vorliege. Spruchpunkt II. wurde dahingehend begründet, dass in der gesamten Ukraine derzeit keine extreme Gefährdungslage herrsche, durch die praktisch jeder Bewohner im Falle einer Rückkehr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Auch der psychische Gesundheitszustand der BF stelle sich im Lichte höchstgerichtlicher Judikatur sowie der eingeholten Länderinformationen zur medizinischen Versorgung in der Ukraine nicht derart dar, dass eine Abschiebung eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte mit sich bringen würde.

 

Zu Spruchteil III. führte die belangte Behörde aus, dass zwischen den BF eine Beziehungsintensität iSd. Art. 8 EMRK nicht gegeben sei. Sie seien erst kurze Zeit im Bundesgebiet, seien illegal eingereist, hätten den Großteil des Lebens in der Ukraine verbracht. Auf Grund einer Gesamtabwägung der Interessen ergebe sich, dass der Eingriff in das Privatleben der BF gerechtfertigt sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

 

Gegen diese Bescheide haben die BF fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde erhoben und die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe mit der Vertretung im Beschweredeverfahren bevollmächtigt (Vollmachten vom 10.01.2017).

 

Geltend gemacht wurden Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, infolge dessen eine mangelhafte Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen worden sei.

 

Das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und seine amtswegigen Ermittlungspflichten verletzt.

 

Das Parteingehör der BF sei verletzt worden, da das BFA, ohne die BF vom vorläufigen Beweisergebnis in Kenntnis zu setzten, plötzlich die verfahrensbeendenden Bescheide erlassen habe. Dieses Vorgehen würde der Richtlinie 2004/83/EG widersprechen und wurden in diesem Zusammenhang zwei Urteile des EUGH zitiert. Aus diesen sei zu schließen, dass das BFA die BF in Kenntnis hätte setzten müssen, dass beabsichtigt sei, einen negativen Bescheid zu erlassen, da sie den BF die Rekrutierungsversuche und die Verfolgung durch die Behörde nicht glaube.

 

Im Übrigen seien die Länderinformationen grob mangelhaft ausgewertet worden, hätte doch das Ergebnis aus diesen sein müssen, dass dem BF2 im Zusammenhang mit seiner Einberufung jedenfalls eine Art. 3 EMRK verletztende Behandlung drohe. Es wurden in diesem Zusammenhang diverse Berichte über Zustände in den Gefängnissen, das Verhalten von Kommandanten gegenüber ihren Soldaten, Kriegsverbrechen, Kriegsgefangene sowie über die Folgen des Militärdienstes für die Soldaten selbst der Beschwerde beigefügt.

 

Im Übrigen wurde auf die erstatteten Stellungnahmen der BF im Verfahren verwiesen, die vom BFA nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. In diesem Zusammenhang wurden die bereits in der Stellungnahme zitierten Berichte wiederholt.

 

In der Beschwerde wurden schließlich noch weitere Berichte zur Verfolgung von Wehrdienstverweigerern wiedergegeben.

 

Auch würden Berichte existieren, wonach die ukrainische Armee Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begehe, die in der Beschwerde wiedergegeben wurden.

 

Menschen, welche sich gegen die Mobilmachung auflehnen würden, hätten ebenso mit staatlicher Verfolgung zu rechnen. Dies würden auch die oberflächlichen Feststellungen zur Versammlungsfreiheit nicht ändern, da es sich bei der von BF1 organisierten Demonstration nicht um eine Massendemonstration gehandelt habe, welche nicht durch Medienpräsenz beschützt worden sei. Vielmehr habe es sich um einen Nebenschauplatz gehandelt.

 

Aufgrund ihrer mangelhaften Länderfeststellungen und deren mangelhaften Auswertung habe die belangte Behörde keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz gehabt.

 

Dem BFA sei auch eine mangelhafte Beweiswürdigung vorzuwerfen. Neben der bereits monierten antizipierten Beweiswürdigung hätten die BF entgegen dem Schluss der belangten Behörde, ein glaubwürdiges Vorbringen erstattet.

 

Dass BF1 sich nicht an das genaue Datum der Demonstration erinnern habe können, ergebe sich daraus, dass der einvernehmende Organwalter psychischen Druck auf sie ausgeübt und sie teilweise angeschrien habe. Sie sei zu eingeschüchtert gewesen, und habe sich nicht getraut, ein Datum zu nennen, welches möglicherweise nicht richtig sei.

 

Die belangte Behörde verletze auch systematisch ihre bereits verlängerte Entscheidungspflicht nach § 22 AsylG 2005. Hätte die belangte Behörde die BF bereits früher einvernommen, hätte sie sich vielleicht besser an Details erinnern können.

 

Das Vorbringen betreffend die BF hätte auch sehr leicht vor Ort überprüft werden können, da es einen Strafakt über sie geben müsse.

 

In der Ladung von BF1 sei nicht gestanden, dass sie innerhalb einer Woche bei Gericht erscheinen müsse, sondern, dass das Datum, welches auf der Ladung gestanden sei, eine Woche nach der Ladung gewesen sei. Die belangte Behörde hätte dieses Missverständnis leicht durch Nachfragen aus der Welt schaffen können.

 

Auf das Vorbringen rund um ein Wochenendfahrverbot in Österreich würden ins Leere zielen.

 

Es gebe im Übrigen auch Berichte, dass es seitens der Separatisten zu Entführungen zum Zweck der Organentnahme komme, weshalb BF2 besonders in Gefahr und alarmiert gewesen sei. Als der Hund gebellt habe und sich Fremde an der Gartentür aufgehalten hätten, sei BF2 geflüchtet. Dies sei aufgrund der vorherrschenden Situation in der Ukraine und der Angst, vom Militär mitgenommen zu werden, sehr lebensnah.

 

Die Ukraine sei kein Rechtsstaat europäischer Prägung und die BF hätten keine Aussicht auf staatlichen Schutz gehabt.

 

Die BF hätten Einberufungsbefehl und Ladung nicht mitgenommen, da sie, wenn sie mit diesen Dokumenten unterwegs gewesen wären, in jedem Land als Kriminelle angeshen werden hätten können. Es sei demnach lebensnah, dass sie diese Dokumente nicht mitgenommen hätten. Sie hätten auch nicht an einen allfälligen Beweis in einem späteren Asylverfahren gedacht, sondern hätten sich nur in Sicherheit bringen wollen.

 

Im Übrigen wurde dargelegt, dass jemand, dem eine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung in einem Konflikt drohe, in welchem er dem Risiko der Begehung von Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgesetzt sei, asylberechtigt sei. Dies treffe im Lichte der dargelegten Länderberichte auf den BF2 zu. Es treffe im Übrigen nicht zu, dass BF2 aus Gewissensgründen in der Ukraine Wehrersatzdienst leisten könne. Eine derartige Möglichkeit hätten nur Zuegen Jehovas und andere Religionsgemeinschaften, welche den Dienst an der Waffe verbieten würden. Er würde wegen seiner Wehrdienstverweigerung bestraft werden.

 

Die belangte Behörde hätte bei richtiger Beweiswürdigung demnach zum Schluss kommen müssen, dass die BF einer realen Gefährdung ihrer körperlichen Unversehrtheit bzw. ihres Lebens zu befürchten hätten und sie keinen staatlichen Schutz zu erwarten bzw. keine Lebensgrundlage hätten, weshalb ihnen Asyl zu gewähren gewesen wäre.

 

An der rechtlichen Beurteilung in den angefochtenen Bescheiden wurde moniert, dass die Bestrafung bei Wehrdienstverweigerung eindeutig als Verfolgungshandlung anzusehen sei, wenn es im Rahmen des Konfliktes zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Frieden komme. In der Folge wurde höchstgerichtliche Judikatur in diesem Zusammenhang zitiert.

 

An der Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes wurde moniert, dass die belangte Behörde es pflichtwidrig unterlassen habe, die beunruhigende Sicherheits- und Versorgungslage in der Ukraine ordentlich festzustellen und auszuwerten. Auch die Prüfung eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Herkunftsstaat sei nicht erfolgt.

 

Zur Rückkehrentscheidung finden sich im wesentlichen rechtliche Ausführungen zur Interessenabwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere zur Gewichtung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung.

 

Die BF würden den Umständen entsprechend gut Deutsch sprechen und versuchen, soweit es ihr psychischer Zustand erlaube, sich zu integrieren. Aufgrund ihrer Probleme könnten sie sich in ihrem Herkunftsort nicht mehr niederlassen. Sie hätten auch keine Möglichkeit, sich woanders in der Ukraine nierdezulassen, zumal sie faktisch keine Bindungen mehr zum Herkunftsstaat hätten.

 

Es wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung mit den BF durchzuführen.

 

Vorgelegt wurden weitere Deutschkursbesuchsbestätigungen, ein Schreiben eines SOS-Kinderdorfes über das ehrenamtliche Engagement von BF1 im Ausmaß von 12 Stunden, ein Schreiben und eine Stellungnahme vom 09.01.2017 des behandelnden Psychotherapeuten, ein Empfehlungsschreiben von XXXX vom 08.01.2017 betreffend BF2 sowie die bereits erwähnten Berichte zum Herkunftsstaat.

 

Am 13.06.2017 wurden die BF im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung zu den Fluchtgründen befragt, Länderberichte zur Ukraine wurden dabei erörtert und die BF außerdem zu ihrem Gesundheitszustand und den von ihnen gesetzten integrativen Maßnahmen in Österreich befragt. An der Beschwerdeverhandlung nahm die Rechtsvertreterin der BF teil (Vollmachten vom 12.06.2017). Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

 

Zu den in der Beschwerdeverhandlung erörterten Länderberichten wurde eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme gewährt.

 

Vorgelegt wurden dabei weitere Berichte zum Herkunftsstaat – insbesondere eine Bestätigung, wonach eine Gruppe von Separatisten im Mai 2014 nach XXXX gekommen sei – sowie Unterlagen zu integrativen Aspekten und zum Gesundheitszustand.

 

Betreffend BF1 wurden weitere Deutschkursbesuchsbestätigungen, eine fachliche Äußerung von XXXX vom 22.05.2017, ein ÖSD Deutschzertifikat A2 vom 06.03.2017, ein Schreiben eines SOS-Kinderdorfes vom 31.05.2017 über die ehrenamtliche Tätigkeit im Ausmaß von 18 Stunden, ein Schreiben der XXXX vom 30.03.2017, Ein Nachweis über Freiwilligentätigkeit der Caritas vom 09.01.2017 samt Fotos, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit belegen sowie ein Empfehlungsschreiben vom 08.06.2017 vorgelegt.

 

Zu BF2 wurden eine Stellungnahme von XXXX vom 29.05.2017, ein XXXX Ambulanzbericht vom 09.06.2017, eine weiteres Schreiben von XXXX über den BSI vom 29.05.2017, ein Nachweis über Freiwilligentätigkeit der Caritas vom 23.02.2017, eine Studienbestätigung der XXXX vom 14.02.2017 über die Meldung als außerordentlicher Studierender sowie eine Deutschkursbesuchsbestätigung vom 09.06.2017 vorgelegt.

 

In der am 06.07.2017 eingelangten Stellungnahme wurde neuerlich auf Judikatur zur möglichen Asylrelevanz im Zusammenhang mit Wehrdienstverweigerung verwiesen, wonach diesem Umstand dann asylrechtliche Bedeutung zukommen könne, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruhe, oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine politische Gesinnung unterstellt werde und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnimmäßigkeit fehle. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen könne auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.

 

Zumal in der zitierten Entscheidung die Zurückweisung der Revistion darauf beruht habe, dass der Revisionswerber als Zeuge Jehova Werhersatzdienst leiste könne, stehe diese Möglichkeit für den BF2, der dieser religiösen Gruppe nicht angehöre, nicht offen.

 

Das Fluchtvorbringen von BF2 erfülle die oben zitierten höchstgerichtlichen Voraussetzungen. Das Verhalten der BF beruhe auf politischen Überzeugungen und wegen dem Nichtfolgeleisten der Einberufung durch den BF2 und durch die Organsation der Demonstration gegen die Einberufung durch BF1 werde den BF vom ukrainischen Staat eine opposiotionelle Gesinnung unterstellt.

 

Es wurden die §§ 110 und 114 des ukrainischen Strafgesetzbuches zitiert. Bei diesen handle es sich um politische Delikte und wurde auf einen verhafteten Journalisten verwiesen, der in einem youtube Video andere dazu auffordere, sich dem Wehrdienst zu entziehen, weil er der Meinung sei, dass die Einberufungswellen illegal seien, da die Ukraine nie den Krieg ausgerufen haben. In diesem Zusammenhang wurden Internetberichte zitiert.

 

BF2 erfülle auch die weiteren im eingangs zitierten Judikat dargelegten Voraussetzungen, um sein Vorbringen als asylrelevant zu beurteilen. So hätte BF2 aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung mit einer Haftstrafe zu rechnen, was aus den Art. 335 bis 337 des urkainischen Strafgesetzbuches hervorgehe. Eine Haftstrafe sei jedenfalls unverhältnismäßig und würden sich die Haftbedingungen derart gestalten, dass von einer Verletzung von Art. 3 EMRK auszugehen sei.

 

Schließlich gehe aus der Berichtslage hervor, dass der Konflikt in der Urkaine völkerrechtliche Verträge verletze, wobei beide Seiten für Verletzungen des Kriegsrechts verantwortlich seien.

 

Die Wahrscheinlichkeit sei sehr hoch, dass sich der BF2 bei Wehrdienstleistung an völkerrechtswidrige Militäraktionen beteiligen müsste. Es gebe noch keine höchstgerichtliche Judikatur, was genau mit völkerrechtswidrigen Militäraktionen genau gemeint sei, weshalb der Antrag gestellt wurde, die ordentliche Revision zur Klärung dieser Rechtsfrage zuzulassen. In der Folge wurde dargelegt, dass vermutlich das Genfer Abkommen und im Speziellen das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte gemeint sei, dessen Art. 4 zitiert wurde.

 

Schließlich wurden von den BF selbst verfasste und von einer Dolmetscherin übersetzte Stellungnahmen der Beschwerde beigelegt.

 

BF1 wiederholte darin ihr Vorbringen und führte detailliert und mit Datum versehen die Ereignisse an, die zur Ausreise geführt hätten. Insbesondere gab sie den Inhalt der ihr im Februar übergegebenen Ladung samt Datum und Uhrzeit an, zu dem sie und ihr Sohn vor Gericht erscheinen hätten müssen. Auch ihr Sohn habe nämlich eine Ladung vor Gericht wegen Art. 335 und 336 des ukrainischen Strafgesetzbuches erhalten. Sie selbst sei wegen Art. 110 und 114 des Kriminalgesetzbuches geladen worden. Sie führte die fünf Anklagepunkte aus, die ihr von den Militärangehörigen des Militärkommandos, die ihr die Ladungen ausgehändigt hätten, vorgelesen hätten.

 

BF2 legte seine Verfolgungsgründe erneut dar, wobei er detailliert auf die verschiedenen kriminellen Gruppen, die in XXXX vor Ort seien, einging und auch die Chronologie des Tätigwerdens der Separatisten in XXXX schilderte.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Stellungnahmen, die gemeinsam verfasste Beschwerde vom 17.01.2017, durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.06.2017, durch Einsicht in die am 06.07.2017 hg. eingelangte abschließende Stellungnahme, die im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, Unterlagen zu integrativen Aspekten sowie Berichte zur Lage in der Ukraine, durch Einsicht in Auszüge aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung der Länderinformationen bestehend aus nachfolgenden Quellen:

 

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.01.2016 betreffend gerichtliche Praxis bei Wehrdienstverweigerung;

 

* aktuelles LIB der Staatendokumentation sowie

 

* aktueller Bericht des auswärtigen Amtes Berlin vom 07.02.2017.

 

1. Feststellungen:

 

Feststellungen zu den BF:

 

Die BF sind Staatsangehörige der Ukraine. Sie sind Angehörige der moldawischen (BF1) und der ukrainischen Volksgruppe (BF2). Sie gehören dem orthodoxen Glauben an und steht ihre Identität aufgrund der vorgelegten unbedenklichen Dokumente (teils in Kopie) fest.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

 

Aus dem bloßen Umstand des Erhalts einer Ladung von die Militärbehörde ist im Lichte der in das Verfahren eingeführten Länderinformationen keine asylrelevante Verfolgung zu erblicken.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

 

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die BF an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.

 

Die BF halten sich nach illegaler Einreise seit Jänner bzw. Februar 2015 durchgehend im Bundesgebiet auf und leben von der Grundversorgung.

 

Die BF habe mehrere Deutschkurse besucht und hat BF1 eine Prüfungsbestätigung auf dem Niveau Deutsch A2 vorgelegt.

 

Sie gehen keiner legalen Beschäftigung nach und konnten auch nicht darlegen, in absehbarer Zeit einer legalen Beschäftigung nachgehen zu können.

 

BF1 übt Freiwilligentätigkeit aus und war bei der Caritas und in einem SOS-Kinderdorf in Projekten unterstützend tätig, in denen es ums Schneidern gegangen ist.

 

BF2 war bei der Caritas als Freiwilliger im Verkauf tätig.

 

Eine fortgeschrittene Integration der BF im Bundesgebiet ist nicht erfolgt.

 

Die BF sind unbescholten.

 

Im Herkunftsstaat verfügen die BF über familiären Anschluss und ein Haus. Dort konnten sie bis zur Ausreise das wirtschaftliche Auslangen finden und sind beide einer Beschäftigung nachgegangen, wobei BF1 im Fall einer Rückkehr unverändert möglich ist, als selbständige Schneiderin das fianzielle Auslangen für sich und BF2 zu finden.

 

Auch steht es den BF frei, sich an einem beliebigen Ort in der Ukraine außerhalb der Konfliktzonen in der Ostukraine und der Krim niederzulassen.

 

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der BF:

 

Aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

 

KI vom 15.4.2016, Neue Regierung bestätigt (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

 

Das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) hat Wolodymyr Hrojsman am 14. April zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. 257 der aktuell 421 Abgeordneten stimmten dafür. Mit der Abstimmung wurde gleichzeitig auch das Rücktrittsgesuch von Amtsvorgänger Arsenij Jazenjuk angenommen. Anschließend wurde die neue Regierung im Paket abgesegnet. Die Regierungskoalition besteht nun aus dem Petro-Poroschenko-Block und der Narodnyj Front (Volksfront) und verfügt formal über 227 Stimmen.

 

Der Gesundheitsminister ist noch nicht bestimmt. Außenminister und Verteidigungsminister, welche beide vom Präsidenten bestimmt werden, bleiben im Amt. Internationale Partner der Ukraine äußerten sich erleichtert über das Ende der politischen Krise in der Ukraine, welche durch den angeblich zu laschen Kampf der alten Regierung gegen die Korruption ausgelöst worden war (UN 14.4.2016; vgl. RFE/RL 15.4.2016.

 

Quellen:

 

 

 

1. Politische Lage

 

Die Ukraine befindet sich in einer schwierigen Umbruchsituation, die einerseits durch die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und den Konflikt in der Ost-Ukraine, andererseits durch Reformbemühungen geprägt ist. Die Präsidentschaftswahlen am 25.05.2014 konnten mit Ausnahmen von Teilen der Ostukraine und der Krim in der ganzen Ukraine ohne nennenswerte Auffälligkeiten durchgeführt werden. Petro Poroschenko ging mit 54,7% im ersten Wahlgang als klarer Sieger hervor. Julia Tymoschenko erreichte mit 12% den zweiten Platz. Am 07.06.2014 wurde Petro Poroschenko als Präsident vereidigt, am 26.10.2014 das Parlament neu gewählt. Ministerpräsident Jazenjuk führt seitdem eine Regierungskoalition aus fünf Parteien (AA 05.2015).

 

Am 27.11.2014 trat das neugewählte Parlament erstmals in Kiew zusammen. Der neuen Regierungs-Koalition gehören unter anderem der Block von Präsident Petro Poroschenko und die Volksfront von Jazenjuk an. Neuer Parlamentspräsident ist der bisherige Vize-Premier Wolodimir Groisman. In der Obersten Rada säßen vorerst nur 418 von ursprünglich 450 Abgeordneten. Die übrigen Plätze blieben frei, weil Teile der umkämpften Ostukraine sowie die im März von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim an der Wahl nicht teilnehmen konnten (Presse 27.11.2014).

 

Die Ukraine-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Heidi Tagliavini, legt ihr Amt nieder. Zu den konkreten Beweggründen der Schweizer Spitzendiplomatin, die zwischen den Konfliktparteien vermittelte, machten die OSZE und das Außenministerium in Bern keine Angaben. In diplomatischen Kreisen wurde auf den bisher schwersten Bruch der im März 2015 vereinbarten Waffenruhe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Rebellen in der zurückliegenden Woche verwiesen. Zudem sei eine weitere Gesprächsrunde zwischen den Konfliktgegnern ergebnislos beendet worden (Standard 7.6.2015).

 

In Kiew kommt es immer wieder zu Protesten vor allem mit sozialen Forderungen. Die prowestliche Führung, die nach gewaltsamen Massenprotesten auf dem Maidan im vergangenen Jahr an die Macht gekommen war, wirft den Demonstranten vor, von russischen Geheimdiensten gesteuert und bezahlt zu sein. Auf Flugblättern war von einem "Maidan 3.0" die Rede - nach den beiden prowestlichen Massenprotesten 2004/2005 und 2013/2014 (Standard 8.6.2015).

 

Präsident Poroschenko ficht in Kiew allerdings bei weitem nicht nur mit Kremlchef Putin, sondern auch gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder der eigenen Führungsspitze. Dabei spitzt sich hinter den Kulissen derzeit besonders der Konflikt mit dem Oligarchen und Ex-Gouverneur von Dnepropetrowsk Ihor Kolomoisky zu. Nachdem Poroschenko zuletzt dessen Vertrauten Igor Paliza als Gouverneur von Odessa entlassen und den Posten mit Michail Saakaschwili besetzt hatte, revanchierte sich Kolomoisky mit einem Überfall rechter Schläger auf die Gay-Parade in Kiew, um Poroschenko im Westen zu diskreditieren (Standard 10.6.2015).

 

Die Regionen der Ukraine:

 

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(Quelle: Uni Bremen 27.5.2015)

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen unterstützt von russischen Staatsangehörigen die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Luhansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, seitdem erlitten sie jedoch zum Teil schwerwiegende Verluste bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland (AA 05.2015a).

 

Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützte die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine. Diese Unterstützung wird bis in die Gegenwart fortgesetzt (AA 05.2015b).

 

Mit seiner Unterschrift kündigte Präsident Poroschenko die letzten bilateralen Sicherheitsabkommen mit Russland auf. Beendet werden damit per sofort ein Verteidigungsbündnis, zwei Verträge über die Zusammenarbeit der Militärgeheimdienste sowie zwei Transitverträge für russische Truppen. Besonders die Auflösung des Vertrags über den Landtransport russischer Soldaten und von deren Familien in die Republik Moldau wiegt für Moskau schwer. Der Vertrag regelte die Versorgung der 14. Russischen Armee, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Tiraspol, der «Hauptstadt» der selbsternannten Republik Transnistrien, stationiert ist (NZZ 9.6.2015).

 

Auf der russisch besetzten Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Ostukraine waren Entführungen und Misshandlungen von Gefangenen an der Tagesordnung und betrafen Hunderte von Menschen. Besonders gefährdet waren Vertreter lokaler Behörden, pro-ukrainische politische Aktivisten, Journalisten und internationale Beobachter. Bis Ende 2014 waren im Zuge des Konflikts in der Ostukraine mehr als 4.000 Menschen getötet worden. Zahlreiche Zivilpersonen starben durch wahllosen Beschuss von Wohngebieten, insbesondere durch den Einsatz von ungelenkten Raketen und Mörsergranaten (AI 25.2.2015, vgl. HRW 29.1.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

2.1. Krimhalbinsel

 

Die EU und die USA hatte die Annexion der Krim vor einem Jahr als Völkerrechtsbruch verurteilt und Strafmaßnahmen verhängt. Auf der Krim hatten die Menschen in einem international nicht anerkannten Referendum am 16. März (2014) für den Beitritt zu Russland gestimmt. Am 18. März wurde in Moskau die Aufnahme der Halbinsel in die Russische Föderation vertraglich besiegelt (Presse 18.3.2015).

 

Nach der Annexion der Krim im März 2014 fanden dort russische Gesetze Anwendung, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unterdrückten. Zivilgesellschaftliche Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, weil sie die rechtlichen Anforderungen Russlands nicht erfüllten. Die einheimische Bevölkerung wurde zu russischen Staatsbürgern erklärt. Wer die ukrainische Staatsbürgerschaft behalten wollte, musste die Behörden darüber informieren (AI 25.2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

2.2. Ostukraine

 

2.3. Aktuelles Lagebild Ostukraine:

 

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(Quelle: IAC 10.6.2015)

 

Schwer bewaffnete pro-russische Separatisten kämpfen in der Ost-Ukraine gegen offizielle ukrainische Kräfte und haben sich in den nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk konstituiert. Die Opferzahlen betrugen laut VN-Zählungen im Mai 2015 über 6.100; daneben führte der Konflikt bisher zu rund 1,25 Mio. Binnenflüchtlingen. Unter dem Eindruck einer erneuten Verschärfung des Konflikts und nach langwierigen Verhandlungen auf oberster Ebene im sogenannten Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) verständigte sich die Kontaktgruppe am 12. Februar 2015 auf das sogenannte Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Absprachen. Der Rückzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie kam daraufhin in Gang, wurde jedoch nach OSZE-Beobachtung bisher von keiner Seite vollständig umgesetzt (AA 05.2015).

 

In der Ostukraine ist trotz des Waffenstillstandsabkommens keine Ruhe eingekehrt, seit Anfang Juni wird wieder mit schweren Waffen gekämpft. Am Dienstag berichteten die Konfliktparteien über Gefechte entlang fast der gesamten Frontlinie. Die aktivsten Kampfhandlungen wurden aus Awdejewka, Horliwka, Krymskoje, Marjinka und Schirokino gemeldet. Diplomatisch gibt es immerhin eine vorsichtige Annäherung:

Die Rebellen haben neue Vorschläge zur Verfassungsänderung der Ukraine an die Kontaktgruppe geschickt. Einzelne Gebiete mit Sonderstatus oder ihre Vereinigungen sollen unveräußerlicher Bestandteil der Ukraine bleiben. Die Macht in der Region sollen laut diesem Vorschlag aber weiterhin Sachartschenko und das Oberhaupt der "Luhansker Volksrepublik" Igor Plotnizki ausüben (Standard 10.6.2015, vgl. BBC 3.6.2015).

 

Nach den jüngsten Kämpfen im Donbass hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine massive Aufrüstung im Osten des Landes angekündigt. Mehr als 50.000 Soldaten seien derzeit im Kampfgebiet im Einsatz. Bis zum Jahresende soll die Kampfstärke auf insgesamt 250.000 erhöht werden. Nach einem Angriff prorussischer Separatisten wurde in den vergangenen Tagen auch wieder schweres Kriegsgerät in die Region gebracht. Während sich Kiew und Moskau gegenseitig für die neuerliche Eskalation verantwortlich machen, warnt die EU vor einer Gewaltspirale. Brüssel forderte die Konfliktparteien zum wiederholten Male auf, das Minsker Waffenruheabkommen umzusetzen (Presse 4.6.2015).

 

Angesichts des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine hat die Regierung in Kiew die Europäische Menschenrechtskonvention in den betroffenen Regionen teilweise ausgesetzt. Eine entsprechende Benachrichtigung traf beim Europarat in Straßburg ein. Demnach garantiert die Regierung in den Regionen Donezk und Luhansk, wo sich die Rebellen Kämpfe mit Regierungstruppen liefern, mehrere Grundrechte nicht mehr. Dazu gehören das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Gerichtsverfahren und auf Schutz des Familienlebens. Kiew begründet die Aussetzung mit einer "bewaffneten Aggression" Russlands gegen die Ukraine. Eine Aussetzung der Menschenrechtskonvention ist vorgesehen, wenn die Sicherheit eines Landes etwa durch einen Krieg oder andere Notsituationen gefährdet ist. Der betroffene Staat muss diese Maßnahme begründen und auch angeben, welche Paragrafen des Abkommens und welche Gebiete davon betroffen sind (Standard 10.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, in der Praxis war diese jedoch Gegenstand von politischem Druck, Korruption, Ineffizienz und Mangel an Vertrauen der Öffentlichkeit. In manchen Fällen wirkte der Ausgang von Prozessen vorbestimmt. Korruption ist in Exekutive, Legislative und Judikative und in der Gesellschaft allgegenwärtig. Richter beschwerten sich weiterhin über Verschlechterungen bei der Gewaltenteilung, einige beklagten Druck durch hochrangige Politiker. Lange Verfahrensdauern, speziell vor Verwaltungsgerichten, unzureichende Finanzierung, Mängel bei der Rechtsberatung und die Unfähigkeit der Gerichte Urteile durchzusetzten, waren ebenfalls ein Problem. Die neue Strafprozessordnung vom November 2012 schränkte die Verwendung der Untersuchungshaft ein, reduzierte die Anreize zum Erzwingen von Geständnissen und gab der Verteidigung mehr Verfahrensrechte.

 

Verfassung und Gesetze garantieren das Recht auf Regress für Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Organe. Allerdings behindert eine ineffiziente und korrupte Justiz die Ausübung dieses Rechts. Einzelpersonen können sich an den parlamentarischen Ombudsmann für Menschenrechte wenden. Nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe steht auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. In den ersten 11 Monaten 2013, erließ der EGMR 60 Urteile gegen die Ukraine. Die meisten betrafen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, unangemessen lange Verfahren, Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit, sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 27.2.2014).

 

Der während der Präsidentschaft Janukowitsch zu beobachtende Missbrauch der Justiz als Hilfsmittel gegen politische Mitbewerber und kritische Mitglieder der Zivilgesellschaft hat sich unter den neuen politischen Voraussetzungen nach den revolutionären Entwicklungen des EuroMaidan vom Winter 2013/14 nicht prolongiert. An den strukturellen Unzulänglichkeiten im ukrainischen Justizwesen vermochte aber auch das neue politische Umfeld bislang nichts zu ändern. Richter haben in der Ukraine eine fünfjährige Probezeit zu durchlaufen, bevor sie auf Lebenszeit ernannt werden. Die erstmalige Ernennung zum Richter erfolgt durch den Staatspräsidenten auf Vorschlag des Obersten Justizrats, die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit durch das Parlament. Angesichts der Abhängigkeit des Obersten Justizrats von der Präsidialadministration ist die politische Abhängigkeit von Richtern zumindest während ihrer Probezeit evident. Besondere Besorgnis ruft die gängige ukrainische Haftpraxis sowie die umfassende Abhängigkeit der Richter von der Staatsanwaltschaft hervor. Ukrainische Richter kommen beinahe ausnahmslos den Haftanträgen und den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft nach.

 

Die Justiz ist selektiv und unfair und verletzt Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention". Richter und Staatsanwälte in der Ukraine hätten kein Verständnis für die Prinzipien der Unschuldsvermutung und der Gleichheit der Parteien vor Gericht. "Nur 0,2% aller Personen, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden, werden von Gerichten freigesprochen. Das bedeutet, dass die Unschuldsvermutung im wirklichen Leben nicht besteht und das die Rechtsprechung nicht als unparteiische und unabhängige Kontrollinstanz der Exekutive funktioniert." Das Rechtsverständnis ukrainischer Richter und Staatsanwälte sei von sowjetischer Tradition geprägt (ÖB 09.2014).

 

Im April 2014 wurde seitens des Parlaments ein Gesetz zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Justiz verabschiedet, demzufolge die bisherige Praxis der weitgehenden Unterstellung der Richter unter die Gerichtspräsidenten abgeschafft wurde und diese in weiterer Folge unabhängig von politischen Einflüssen machte. Ein Entwurf einer Justizreformstrategie wurde gemeinsam mithilfe der EU entwickelt (EC 25.3.2015).

 

Mit der Reform der ukrainischen Strafprozessordnung eng einhergehend ist die Umsetzung des am 2. Juni 2011 verabschiedeten und mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen Gesetzes über den unentgeltlichen Rechtsbeistand, welches die Liste der potenziellen Nutznießer bedeutend ausweitete und einen umgehenden Rechtsbeistand nach Inhaftierung nach besten europäischen Standards gewährleistet. Seit Inkrafttreten des Gesetzes stehen dafür über 3.000 auf Basis eines Auswahlverfahrens rekrutierte Rechtsanwälte zur Verfügung. Die Strafverfolgungsbehörden haben von sich aus für einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu sorgen, sollte der Inhaftierte außerstande sein, die Kosten seines Rechtsbeistands selbst zu tragen. Sie selbst belastende Aussagen von Inhaftierten, die in Abwesenheit eines Rechtsbeistands getroffen wurden, können im folgenden Gerichtsverfahren nicht gegen sie verwendet werden (ÖB 09.2014)

 

Quellen:

 

 

 

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Nach dem Sturz von Wiktor Janukowytsch versprach die neue Regierung öffentlich, man werde diejenigen strafrechtlich verfolgen, die für Tötungen und Misshandlungen von Protestierenden auf dem Maidan verantwortlich seien. Doch abgesehen von Anklagen gegen die ehemalige politische Führungsriege wurden so gut wie keine konkreten Schritte unternommen. Nur zwei Angehörige der Sicherheitskräfte mussten sich vor Gericht für Folter und andere Misshandlungen im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten verantworten. Es handelte sich dabei um Rekruten niedrigen Ranges aus einer dem Innenministerium unterstellten Einheit. Sie wurden am 28. Mai 2014 wegen "Überschreitung von Befugnissen oder Vollmachten" (Artikel 365 des Strafgesetzbuchs) zu Bewährungsstrafen von drei bzw. zwei Jahren verurteilt (AI 25.2.2015).

 

Die EU errichtete eine "EU Advisory Mission for Civilian Security Reform Ukraine (EUAM Ukraine)", um die Ukraine bei der Reform ihres zivilen Sicherheitssektors zu unterstützen, insbesondere bei der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und im Bereich der Polizei. Eine diesbezügliche notwendige Polizeireformstrategie, insbesondere im Zusammenhang mit den gewaltsamen Übergriffen bei den Euromaidan-Protesten Mitte Februar 2014 und der Rolle illoyaler Polizisten am Anfang der Destabilisierungsphase in der Ostukraine, wurde seitens der Regierung angenommen. Auch mit einer Reform der Militärischen Kräfte wurde noch vor der Annexion der Krim begonnen, sie befindet sich aber noch in einem frühen Stadium (EC 25.3.2015).

 

Mit Präsidentendekret Nr. 252 vom 6. April 2012 wurde ein Komitee zur Reform der Strafverfolgungsbehörden eingerichtet. Sollte dieses Komitee bereits einschlägige Vorschläge ausgearbeitet haben, sind sie bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Von einem Pilotprojekt zur Einrichtung kommunaler Polizeitruppen in Lemberg im Sommer 2014 erwartet man sich Erfahrungen für eine dezentralere Organisation des Polizeiwesens (ÖB 09.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Ukraine hat den Ombudsmann als Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UN- Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe installiert. Zusammen mit der neuen Strafprozessordnung, das die Gründung eines unabhängigen Untersuchungsbüros für Folterfälle vorsieht, sollte das die Fälle von Folter erheblich reduzieren (EC 20.3.2013; vgl. AI 23.5.2013).

 

Folter wird von der Verfassung verboten. Nach der neuen Strafprozessordnung dürfen unter Folter erzwungene Geständnisse auch nicht mehr als Beweis im Verfahren verwendet werden. Es gibt aber Berichte, dass weiterhin Beamte solcherart Geständnisse erpressen. Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums gab es 2013 bis August, also noch unter der Präsidentschaft Janukowitsch, 9.878 Beschwerden wegen Folter und unerlaubter Gewaltanwendung durch Polizisten. Die Behörden untersuchten demnach 231 dieser Fälle und es gab bis November 5 Verurteilungen von Polizisten wegen Folter und disziplinäre Maßnahmen gegen 45 weitere. Laut Büro des Generalstaatsanwalts gab es 2013 bis Oktober 2.857 offene Verfahren wegen Folter durch Polizisten. 820 Misshandlungsfälle (950 Beamte betreffend) wurden den Gerichten übergeben, davon 54 ausdrückliche Folter-Vorwürfe. Folter ist vor allem in Gefängnissen ein Problem (USDOS 27.2.2014).

 

Nach wie vor kommt es zu Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei, darunter Folter und andere Misshandlungen, sowie zur exzessiven Anwendung von Gewalt bei Demonstrationen. Die dafür Verantwortlichen bleiben größtenteils straflos, und Untersuchungen dieser Vorfälle führen zu keinem Ergebnis. Es gibt Entführungen von Einzelpersonen, insbesondere durch pro-russische paramilitärische Kräfte auf der russisch besetzten Halbinsel Krim. Aber auch in den umkämpften Gebieten der Ostukraine kommt es zu Entführungen durch beide Konfliktparteien. Beide Seiten sind für Verletzungen des Kriegsrechts verantwortlich. Auf der Krim sind die russischen Beschränkungen der Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeführt worden. Pro-ukrainische Aktivisten und Krimtataren geraten ins Visier paramilitärischer Kräfte und werden von den De-facto-Behörden verfolgt (AI 25.2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

6. Korruption

 

Korruption ist in Exekutive, Legislative und Judikative und in der Gesellschaft allgegenwärtig. Obwohl Korruption öffentlich Bediensteter strafbar ist, werden die Gesetze nicht effektiv umgesetzt und korrupte Beamte bleiben oft straflos. Trotzdem gab es 2013 Schritte der Regierung zur Stärkung der Antikorruptionsgesetzgebung. Kritiker meinen aber, diesen Gesetzen fehle es an Durchsetzungsmechanismen. Die Offenlegungspflicht für das Einkommen von Regierungsvertretern sieht keine Strafen bei Nichtbefolgung vor. Gesetzesänderungen aus dem Jahre 2012 machten außerdem öffentliche Beschaffungsprozesse intransparenter.

 

Bis Juni 2013 hatte der Generalstaatsanwalt Korruptionsanklagen gegen 340 niedere Beamte an die Gerichte weitergeleitet. Vorwürfe gegen höhere Regierungsbeamte wurden hingegen nicht untersucht, obwohl Korruption höherer Ebenen gemeinhin als großes Problem empfunden wird, speziell im Beschaffungswesen. Bis Juni 2013 hatte der Generalstaatsanwalt Korruptionsanklagen gegen 11 Richter an die Gerichte weitergeleitet (USDOS 27.2.2014).

 

Seitens der Regierung, des Parlaments und der Präsidialverwaltung wurden einige neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption unternommen. In der Anti-Korruptionsgesetzgebung wurden u.a. die Strafen erhöht, alle Formen von Korruption kriminalisiert und die Zeugenschutzregelung gestärkt. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2014 von Transparency International rangiert die Ukraine am 142. von 175 Plätzen (2013: 144. von 177) (EC 25.3.2015, vgl. FH 28.1.2015).

 

Am 14. Mai 2013 verabschiedete das ukrainische Parlament ein neues Antikorruptionsgesetz, nicht zuletzt aufgrund einer im Aktionsplan zur Liberalisierung des Visaregimes für die Ukraine vorgesehen Vorgabe. Das Gesetz fordert unter anderem verstärkte Berichtspflichten für (Neben‑)Einkünfte und Aufwendungen von öffentlich Bediensteten und von Bediensteten staatlicher Betriebe sowie ihrer Familien. Das Gesetz sieht außerdem den Schutz von Personen vor, die Korruption anzeigen. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes lassen jedoch auf sich warten. Das Versprechen der aktuellen Regierung Jazenjuk, ein nationales Anti-Korruptionsbüro einzurichten, scheiterte bislang an der Ablehnung der entsprechenden Gesetzesinitiativen im Parlament. Als positiver Schritt wird die Verabschiedung eines neuen Gesetzes "Über öffentliche Auftragsvergaben" am 10. April 2014 gewertet. Insbesondere die neuen Publizitätskriterien sollen den Vergabeprozess transparenter und damit kontrollierbarer machen (ÖB 09.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

7. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

 

Das neue Gesetz über zivile Organisationen trat am 1.1.2013 in Kraft und ist ein wichtiger Schritt nach vorne für die Vereinigungsfreiheit. Wenn es gut umgesetzt wird, wird es NGOs die Registrierung erleichtern und Probleme wie Gebietsbeschränkungen ihrer Tätigkeit angehen (EK 20.3.2013).

 

Erhöhter Druck auf die Zivilgesellschaft, NGOs und Aktivisten war ein Problem, zumindest unter der Präsidentschaft Janukowitschs. Verfassung und Gesetze garantieren jedenfalls Vereinigungsfreiheit. Die Regierung respektierte dieses Recht generell, es blieben aber Einschränkungen. Es existieren Registrierungsauflagen, aber es liegen keine Berichte vor, dass die Regierung sie benutzt hätte um bestehende Organisationen aufzulösen oder die Bildung neuer zu verhindern. Das neue Gesetz über zivile Organisationen trat am 1.1.2013 in Kraft. Es vereinfacht die Registrierung und hebt Beschränkungen ihrer Tätigkeit auf (USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

8. Ombudsmann

 

Die Ukraine ratifizierte im Jahr 2006 das "Optional Protocol to the Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment" und verpflichtete sich, innerhalb eines Jahres einen "national preventive mechanism (NPM)" zu etablieren. Dies fand letztendlich durch die Verabschiedung eines Gesetzes am 2. Oktober 2012 statt, welches den "Ukraine’s Parliament commisioner for Human Rights" (Ombudsmann) als NPM namhaft machte. Unter dem NPM werden regelmäßige und unangekündigte Besuche von Haftanstalten durchgeführt. Der NPM bedient sich hierfür etablierter Menschenrechtsorganisationen. Die Verwaltungen der Haftanstalten zeigten sich bei derartigen Besuchen bislang kooperativ (ÖB 09.2014).

 

Die Verfassung sieht eine Ombudsmann-Institution vor, offiziell der Parlamentarische Kommissär für Menschenrechte. Im April 2012 wurde Valeriya Lutkovska in dieses Amt gewählt. Im November 2012 begann der parlamentarische Ombudsmann für Menschenrechte in Kooperation mit Gruppen der Zivilgesellschaft mit der Umsetzung des Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UN-Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, um Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen zu reduzieren. Der Ombudsmann kann Untersuchungen (Probleme, Missbrauch) bei den Sicherheitsbehörden initiieren. Er steht für Beschwerden über Gerichtsverfahren auch nach Ausschöpfung des Instanzenzuges zur Verfügung. Seit Mai 2013 gibt es einen Repräsentanten des Ombudsmanns für Kinderrechte, Anti-Diskriminierung und Genderfragen. Das Büro des Ombudsmanns arbeitet oft mit NGOs zusammen, vor allem in beratenden Bürgerräten in Projekten zur Beobachtung der Menschenrechtspraxis (USDOS 27.2.2014, vgl. UPCHR o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

9. Wehrdienst

 

Mit dem Erlass "Über Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit des Landes" ist die Wehrpflicht nun mit sofortiger Wirkung wieder in Kraft getreten. Ziel sei es, der "Gefahr für die territoriale Einheit und der Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine" zu begegnen. In der Ukraine müssen Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren wieder ihren Wehrdienst leisten (ORF 1.5.2014, vgl. BBC 2.5.2014).

 

Das ukrainische Parlament erhöhte das obere Alterslimit für die Wehrpflicht von 25 auf 27 Jahre.

 

Das Gesetz sieht vor, dass männliche Staatsbürger, die älter als 18 Jahre und nicht älter als 27 Jahre und die nicht vom Wehrdienst befreit sind, zum Wehrdienst eingezogen werden (GS 20.3.2015).

 

Die derzeitige Mobilmachung in der Ukraine aufgrund der Entwicklungen in der Ostukraine bezieht sich auf den zu Mobilmachung vorgesehenen Personenkreis (Männer wie Frauen) ohne weitere Spezifizierung. Es handelt sich in der nicht bloß um die Mobilmachung von Schlüsselpersonal oder ausschließlich Spezialisten.

Alle wehrpflichtigen Männer zwischen 25 und 60 Jahren (Reihenfolge:

Freiwillige, Reservisten, Wehrpflichtige [Freiwillige, vorzugsweise jene die Wehrpflichterfahrung haben; Reservisten und Wehrpflichtige wiederum vorzugsweise jene die zum Zeitpunkt der Einberufung Arbeitslos bzw. nicht erwerbstätig sind.]); 50-60-Jahrige jedoch nur auf freiwilliger Basis. Frauen zwischen 25 und 50 Jahre können einberufen werden (ÖB 20.2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

9.1. Wehrersatzdienst

 

Ukrainische Staatsbürger, die einer laut ukrainischer Gesetzgebung aktiven religiösen Gemeinschaft angehören, deren religiöse Überzeugung keinen Waffengebrauch zulässt, können einen Ersatzdienst ableisten. Der Ersatzdienst kann bei Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen, die staatliches Gemeindeeigentum sind, absolviert werden. Die Tätigkeit muss im Zusammenhang mit dem sozialen Schutz der Bevölkerung, der Gesundheitsvorsorge, Umweltschutz, Baumaßnahmen oder der Landwirtschaft bzw. mit Organisationen des Roten Kreuzes in Verbindung stehen. Der Ersatzdienst dauert 1¿ mal länger als der Militärdienst (IOM 08.2013).

 

Wehrpflichtige haben das verfassungsmäßig grundgelegte Recht einen Wehrersatzdienst zu leisten. Dieses Recht ist im entsprechenden Gesetz über den Wehrersatzdienst spezifiziert und auf religiöse Gründe eingeschränkt. Das heißt, dass in der Ukraine nur Personen Wehrersatzdienst leisten dürfen, die einer entsprechend anerkannten Religionsgemeinschaft angehören (UK 2006, vgl. IRB 2006).

 

Quellen:

 

 

 

 

9.2. Wehrdienstverweigerung

 

Wehrdienstverweigerung bzw. Nichtfolgeleistung der Einberufung während einer Mobilmachung wird gemäß den Artikeln 335-337 des Strafgesetzbuches der Ukraine folgendermaßen bestraft:

 

Artikel 335. Die Strafe für die Nichtfolgeleistung der Einberufung zum Wehrdienst sieht eine Inhaftierung bis zu 3 Jahren vor.

 

Artikel 336. Die Strafe für die Nichtfolgeleistung der Einberufung während einer Mobilmachung sieht eine Inhaftierung von 2 bis zu 5 Jahren vor.

 

Von einer tatsächlichen Strafverfolgung ist in der Praxis auszugehen – inwieweit der Strafumfang völlig ausgeschöpft wird ist jedoch der ÖB nicht bekannt (ÖB 20.2.2015).

 

Quelle:

 

 

10. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen. Eine Reihe von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ist in der Ukraine aktiv. Ihr Engagement wird deutlich wahrgenommen. Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen sowie schleppende Gerichtsverfahren.

 

Die Bürgergesellschaft entwickelte sich nach der "Orangenen Revolution" deutlich lebendiger als zuvor. Es entstand außerdem eine pluralistische Medienlandschaft, die allerdings unter der Präsidentschaft von Janukowytsch zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt war (AA 05.2015).

 

Die gravierendsten Menschenrechtsprobleme 2013 waren erhöhte Einmischung der Regierung in und Druck auf Medien; erhöhter Druck auf NGOs und die Zivilgesellschaft; sowie die politisch motivierte Strafverfolgung von Exponenten der Regierung Timoschenko (USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

11. Haftbedingungen

 

Die Haftbedingungen in ukrainischen Gefängnissen sind Gegenstand wiederkehrender massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Am 29. April 2013 verabschiedete das Ministerkabinett der Ukraine das "National Target Programme to Reform the State Penal Service of Ukraine. Das Programm setzt seinen Schwerpunkt auf die Regelung der Arbeitsbedingungen in ukrainischen Haftanstalten, wobei nicht so sehr der soziale Aspekt des Erlernens von Fähigkeiten für die Zeit nach Verbüßung der Haft als vielmehr die Nutzung der Arbeitskraft der Häftlinge zur Mitfinanzierung des ukrainischen Haftsystems im Vordergrund steht. Bezüglich der medizinischen Betreuung von Häftlingen trifft das Programm lediglich allgemeine Aussagen über die Ausstattung von Gefängnisambulanzen und fordert eine Strategie im Umgang mit Tuberkulose in ukrainischen Haftanstalten (ÖB 09.2014)

 

Der Präsident unterzeichnete eine neue Strafprozessordnung, die eine deutliche Verbesserung gegenüber der vorherigen darstellt. In ihr ist klar formuliert, dass eine Haft im Augenblick der Festnahme durch die Polizei beginnt und Häftlinge von diesem Moment an Anspruch auf einen Anwalt und einen unabhängigen medizinischen Experten haben. Sie legt außerdem eindeutig fest, dass Untersuchungshaft nur bei außergewöhnlichen Umständen angeordnet werden soll, entsprechend den Empfehlungen des Europarats. Außerdem ist vorgesehen, dass alle zwei Monate automatisch geprüft wird, ob die Untersuchungshaft weiterhin gerechtfertigt erscheint. Anlass zu Bedenken gab, dass ein Anwalt nur bei besonders schweren Delikten, die mit einer Gefängnisstrafe von mehr als zehn Jahren geahndet werden können, Pflicht ist. Prozesskostenhilfe ist ebenfalls nur in diesen Fällen vorgesehen (AI 23.5.2014).

 

Die Haftbedingungen entsprechen nicht internationalen Standards und sind manchmal sogar eine Gefahr für Leib und Leben der Gefangenen. Schlechte Hygiene, Missbrauch und ungenügende medizinische Versorgung sind Probleme. Gemäß staatlicher Gefängnisbehörde waren 2013 bis November 128.512 Personen in Haft, davon 22.483 in Untersuchungshaft. Ca. 7.977 waren Frauen und 927 Jugendliche. Diese Gruppen werden in der Regel getrennt untergebracht, es gibt aber Berichte über Untersuchungsgefängnisse, wo keine Trennung Jugendlicher und Erwachsener stattfinden soll. 830 Insassen starben im og. Zeitraum, davon 77 durch Selbstmord. Die Zustände in den temporären Polizeigefängnissen und Untersuchungsgefängnissen sind härter als in normalen Gefängnissen der niedrigen und mittleren Sicherheitsstufe. Haft in temporären Polizeigefängnissen ist stark rückläufig. Die Regierung erlaubt unabhängiges Monitoring der Hafteinrichtungen durch nationale und internationale Menschenrechtsgruppen. Im November 2012 begann der parlamentarische Ombudsmann für Menschenrechte in Kooperation mit Gruppen der Zivilgesellschaft mit der Umsetzung des Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UN-Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, um Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen zu reduzieren. Bis November 2013 führte ein gemischtes Beobachterteam 266 Besuche von Hafteinrichtungen usw. in der Ukraine durch. Der Ombudsmann veröffentliche einen Bericht darüber, in dem er systemische Probleme wie Nichtbeachtung von Grundrechten, schlechte Hygiene, physische und psychische Misshandlung anspricht (USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

12. Todesstrafe

 

Die Todesstrafe wurde in der Ukraine 1999 offiziell abgeschafft (AI o. D.).

 

Quelle:

 

 

13. Frauen/Kinder

 

Vergewaltigung ist gesetzlich verboten, jedoch erwähnt das Gesetz nur indirekt die Vergewaltigung in der Ehe. Gemäß ukrainischer Generalstaatsanwaltschaft gab es in den ersten 9 Monaten d.J. 2013 447 angezeigte Fälle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung. Es gab Anklagen in 231 dieser Fälle. Häusliche Gewalt gegen Frauen war weiterhin ein ernstes Problem. Vergewaltigung in der Ehe ist verbreitet. Im November 2013 standen

88.162 Personen wegen häuslicher Gewalt unter polizeilicher Überwachung. 2012 waren es 117.400 gewesen. Im ersten Halbjahr 2013 wurden beim Sozialministerium 65.797 Beschwerden wegen häuslicher Gewalt registriert, davon 58.039 von Frauen, 412 von Kindern. Die Polizei sprach in den ersten 11 Monaten 2013 95.329 Verwarnungen aus und verhängte 108.467 Strafen wegen Gewalt bzw. Nichtbeachten von Schutzanordnungen. Diese Strafen beinhalteten Bußgelder und gemeinnützige Arbeit (USDOS 27.2.2014).

 

Alleinstehenden (unverheirateten) Frauen und alleinerziehenden Adoptivvätern/-müttern von Adoptivkindern, deren Geburtsurkunde keine Informationen zu Mutter oder Vater enthält, steht Unterstützung zu. Die Leistungen stehen auch Witwen/Witwern mit Kindern zu, die vor dem Todesfall geschieden wurden, die keine Rente wegen des Ausfalls des Hauptversorgers der Familie oder andere Sozialleistungen erhalten. Alleinstehende Frauen mit Kindern, die nicht verheiratet sind, aber mit einem Mann zusammenleben, haben keinen Anspruch auf diese Leistungen. Eine Bescheinigung des Standesamtes ist Voraussetzung für den Erhalt der Leistungen. Die Leistungen betragen pro Kind mindestens 10 % des monatlichen Mindesteinkommens der Familie (seit 1. Januar 2007, 30 %) (IOM 08.2013).

 

Quellen:

 

 

 

13.1. Kinder

 

Seit Mai 2013 gibt es einen Repräsentanten des Ombudsmanns für Kinderrechte, Anti-Diskriminierung und Genderfragen. Er erhielt bis Dezember 601 Beschwerden bezüglich Kinderrechte und besuchte 112 Einrichtungen für Kinder. Der daneben existierende Ombudsmann des Präsidenten für Kinderrechte erhielt mehr als 1.000 Beschwerden. Die ukrainische Staatsbürgerschaft wird durch Geburt in der Ukraine (jus soli) oder über die Eltern erworben (jus sanguinis). Ein Kind das staatenlosen Eltern in der Ukraine geboren wird ist Ukrainer. Kinder müssen innerhalb einen Monats aber der Geburt registriert werden. In den ersten 11 Monaten 2013 wurden 1.164 Kinder Opfer von Verbrechen, darunter 77 Fälle sexueller Vergehen (USDOS 27.2.2014).

 

Alle Bürger der Ukraine können, ungeachtet ihrer Hautfarbe, politischen und religiösen Überzeugung, ihres Geschlechts, ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, ihres Besitztums, Wohnortes, sprachlicher und anderer Eigenschaften eine kostenlose weiterführende Schulbildung an staatlichen und kommunalen Bildungseinrichtungen erhalten. Für Kinder, die körperlich oder geistig gefördert werden müssen, gibt es spezielle Schuleinrichtungen der Klassen 1-3 sowie entsprechende Einrichtungen für Kinder, die eine Langzeitförderung benötigen (IOM 08.2013).

 

Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an sozial schwache Familien vergeben werden. Hinzu kommt ein nicht unbeträchtlicher Zuschuss bei der Geburt oder bei der Adoption eines Kindes sowie eine Beihilfe für Alleinerziehende (ÖB 09.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

14. Bewegungsfreiheit

 

Die Verfassung und Gesetze garantieren die Freiheit für innerstaatliche Bewegungen, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereingliederung. Die Regierung respektierte allgemein diese Rechte (USDOS 27.2.2014).

 

Am 11. Dezember 2003 trat in der Ukraine das Gesetz Nr. 1382-IV der Ukraine über das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine in Kraft. Darin ist vorgesehen, dass Bürger der Ukraine, sowie legal aufhältige Staatenlose und Fremde die im Titel genannten Rechte genießen und eine Registrierung oder Nicht-Registrierung keine Vorbedingung für die Ausübung oder Grund für die Aberkennung verfassungsmäßiger Rechte sein kann. Das Gesetz definiert den Ort des dauerhaften Aufenthalts (Place of permanent residence) als territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person mehr als sechs Monate im Jahr lebt. Demgegenüber ist der Ort des zeitweiligen Aufenthalts (Place of temporary residence) jene territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person weniger als sechs Monate im Jahr lebt. An einem neuen dauerhaften Aufenthaltsort muss man sich innerhalb von 10 Tagen ab Ankunft registrieren. Änderungen des Aufenthalts innerhalb derselben territorialen Verwaltungseinheit müssen der Behörde innerhalb von sieben Tagen gemeldet werden. Die Registrierung am Ort des zeitweiligen Aufenthalts muss innerhalb von sieben Tagen ab Ankunft erfolgen.

Artikel 6 des Gesetzes der Ukraine über das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine sieht vor, dass Daten bezüglich des Aufenthalts nur in Ausnahmefällen gemäß den Gesetzen der Ukraine oder mit Einverständnis der betroffenen Person weitergegeben werden. Außer von der betreffenden Person, können diese Daten nur vom Geheimdienst, der Polizei oder den Gerichten eingesehen werden. In der Praxis soll es aber nicht unmöglich sein, sich auf illegalem Weg mit Meldeinformation zu versorgen, etwa durch korrupte Polizisten. Soziale Rechte sowie Zugang zu Renten, medizinischen und kommunalen Leistungen sind in der Ukraine nach wie vor eng mit dem Ort der Meldung verbunden. Trotzdem ist es möglich an einem anderen Ort zu wohnen und zu arbeiten ohne sich umzumelden und trotzdem weiterhin Zugang zu medizinischer Notversorgung in der gesamten Ukraine zu haben. Überhaupt sei es durchaus möglich, auch bei längerer Abwesenheit an einer Adresse gemeldet zu bleiben, da es in der Ukraine keine behördlichen Überprüfungen in Meldeangelegenheiten gibt (BAA 23.2.2010).

 

Quellen:

 

 

 

15. Binnenflüchtlinge

 

Rund 20.000 Menschen, die wegen der russischen Besetzung der Krim geflohen waren, erhielten staatliche Hilfen zur Umsiedlung in andere Regionen. Durch den Konflikt in der Ostukraine wurden Schätzungen zufolge fast eine Million Menschen vertrieben. Etwa die Hälfte von ihnen blieb im Land, die übrigen gingen überwiegend nach Russland. Die Binnenvertriebenen in der Ukraine erhielten zumeist eine begrenzte staatliche Unterstützung und waren ansonsten auf eigene Mittel, familiäre Netzwerke und die Hilfe von Freiwilligenorganisationen angewiesen. Im Oktober 2014 wurde ein Gesetz zu Binnenvertriebenen verabschiedet, das ihre Lage jedoch bis zum Jahresende noch nicht merklich verbessert hatte (AI 25.2.2015).

 

Rund 1,15 Millionen sogenannte "Binnenvertriebene" (Internally Displaced Persons, IDP) sollen sich derzeit in der Ukraine aufhalten, weitere 670.000 sind in andere Länder geflohen – knapp 525.000 nach Russland, schätzt das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (Unhcr). Laut den offiziellen Zahlen des russischen föderalen Migrationsdienstes haben bisher 318.000 Menschen aus dem Donbass um einen Flüchtlingsstatus angesucht. Zählt man all jene dazu, die bei Verwandten und Freunden Zuflucht gefunden haben, kommt man nach Angaben der Behörden auf 940.000 ukrainische Flüchtlinge in Russland (Profil 31.3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

16. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Die Ukraine ist eine offene, bislang wenig diversifizierte und stark modernisierungsbedürftige Volkswirtschaft. Die ukrainische Wirtschaft ist 2014, vor allem infolge der Auswirkungen der Kampfhandlungen im Osten des Landes, um 7% geschrumpft. Die gegenwärtige ukrainische Regierung hat sich einem umfassenden Reformprogramm verschrieben, dessen Umsetzung die Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft deutlich erhöhen dürfte (AA 05.2015).

 

Laut dem Bericht zur sozioökonomischen Lage der Ukraine im ersten Halbjahr 2013 waren 21,84 Millionen Personen (15-70 Jahre) wirtschaftlich aktiv, die Zahl der beschäftigten arbeitsfähigen Personen lag bei 20,08 Millionen (Gesamtbevölkerung der Ukraine im Juni 2013: 45.480,300 Menschen). Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung betrug am 1. Juli 2013 59,3%, wovon 22% im informellen Sektor beschäftigt waren. Die Arbeitslosigkeit lag bei 8%. Die Regionen mit der höchsten Beschäftigung sind Kiew, Donezk, Dnjepropetrowsk, Charkow (östliche Ukraine). Die Regionen mit der niedrigsten Beschäftigung sind Lwow, Iwano-Frankowsk und Ternopil (westliche Ukraine). Der durchschnittliche Monatsverdienst eines Arbeitnehmers lag im Mai 2013 bei 3253 UAH. Arbeitnehmer und andere Versicherte (z.B. Unternehmer), die arbeitslos gemeldet sind und für 12 Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit nicht weniger als 26 Wochenstunden gearbeitet und Rentenbeitragszahlungen geleistet haben, können staatliche Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Beihilfe wird ab dem achten Tag nach der Meldung der versicherten Person beim staatlichen Arbeitsamt ausbezahlt und richtet sich nach der Anzahl der Arbeitsjahre. Nicht versicherte Personen (keine Rentenbeitragszahler) sind nicht anspruchsberechtigt. Die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger im Juni 2013 betrug 398.500 Personen. Die durchschnittliche Höhe der Arbeitslosenhilfe lag bei 1087 UAH (IOM 08.2013).

 

Das monatliche Mindesteinkommen für alle Branchen liegt bei UAH

1.218 (USD 150), basierend auf dem monatlichen Existenzminimum, das die Regierung festgelegt hat (USDOS 27.2.2014). Der Durchschnittslohn lag im Jahr 2013 bei UAH 3.265 (entspricht zum Stand 12. August 2014 rund EUR 186) (ÖB 09.2014).

 

Der Ukrainische Statistische Dienst weist für 2013 in der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Bevölkerungsgruppe der Männer zwischen 15 und 59 und der Frauen zwischen 15 und 55 Jahren eine Arbeitslosenquote von 7,7% aus (erfasst nach der Methodologie der International Labour Organization). Im Vorjahr hatte die Arbeitslosenquote 8,1 % betragen. In der Altersgruppe von 15 bis 70 Jahren waren im Jahr 2013 65,0% erwerbstätig (USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

16.1. Sozialbeihilfen

 

Ukrainische Staatsbürger, Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der Ukraine haben, haben Anspruch auf soziale Unterstützung seitens des ukrainischen Staates. Es gibt zahlreiche Rechtsvorschriften, die diejenigen Personengruppen definieren, die Unterstützung erhalten können. Die gewährten sozialen Leistungen sind in der Regel unzureichend. Es gibt zwei Hauptformen der staatlichen Unterstützung:

 

a) Materielle Unterstützung (Geld, Nahrung, Kleidung, Schuhe, Brennstoff etc.) – Die Höhe der finanziellen Unterstützung wird entsprechend dem monatlichen Einkommen der betreffenden Person festgelegt, und b) Soziale Dienstleistungen (Essen, Transportdienste, Lieferung von Medikamenten etc.). Die Voraussetzungen für die Gewährung sozialer Unterstützung sind sehr verschieden und richten sich nach der Art der beantragten Leistung. In der Regel muss der Antragsteller die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe nachweisen, z.B. nach: dem Verlust des Arbeitsplatzes, Arbeitsunfall bzw. Arbeitsunfähigkeit. Es gibt Leistungen im Falle von Schwangerschaft und Mutterschaft, für Senioren und Hinterbliebene. Verschiedene NGOs unterstützen ebenfalls Menschen in sozialen Notlagen (IOM 08.2013, vgl. ÖB 09.2014).

 

Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde im Jahr 2013 mit UAH 1.218 festgelegt (entspricht zum Stand 12. August 2014 rund EUR 70). Im Jahr 2010 galten 26,4% der ukrainischen Bevölkerung als arm, wobei 23% der Stadtbewohner, jedoch 38% der Landbewohner mit einem Einkommen unter dem Existenzminimum auszukommen hatten. Nur 56,8% der als arm Qualifizierten können sich auf Hilfe aus dem Sozialsystem stützen (ÖB 09.2014).

 

Quellen:

 

 

 

17. Medizinische Versorgung

 

Das ukrainische Gesundheitssystem ist in seinen Grundzügen nach wie vor das ehemals sowjetische Modell. Krankenhäuser und Fachärzte spielen eine zentrale Rolle, Allgemeinmediziner gibt es kaum. Eine gesetzliche Krankenversicherung wurde trotz jahrelanger Diskussionen in der Ukraine bislang nicht eingeführt. Vielmehr besteht ein in der Verfassung verankerter universeller Anspruch der Bevölkerung auf Gesundheitsleistungen, die aus Steuermitteln finanziert sein sollen (ÖB 09.2014, vgl. IOM 08.2013).

 

In der Ukraine gibt es über 7.000 Gesundheitszentren (26 Wissenschaftliche Forschungszentren, 40 Krankenhäuser und besondere Gesundheitszentren, 6 Ambulante Kliniken, 150 Sanatorien und Erholungseinrichtungen. Die Wirtschaftskrise hatte erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Infrastruktur. Die Bedingungen in den Krankenhäusern verschlechtern sich. In den Städten ist die Situation im Allgemeinen besser als in den ländlichen Gebieten. Auf dem Land lebenden Personen mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wird empfohlen, das jeweilige Gebietskrankenhaus aufzusuchen. Um in einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung versorgt zu werden, müssen Patienten ihre Ausweisdokumente (Personalausweis) und die Krankenversicherungskarte vorweisen (in privaten Kliniken ist dies nicht notwendig. Um in einer staatlichen Klinik versorgt zu werden, muss der Patient in der jeweiligen Region registriert sein (IOM 08.2013).

 

In den Spitälern sind Zuzahlungen der Patienten für die Behandlung üblich. Im Zeitraum 2003-2008 wurden rund 40% der Kosten von den Patienten selbst abgedeckt. Der Großteil dieser Eigenmittel wurde für Medizinprodukte und Medikamente ausgegeben (ÖB 09.2014).

 

Medikamente sind in den meisten Fällen erhältlich, müssen jedoch von den Patienten selbst gekauft werden. Importierte Medikamente sind teurer als solche, die in der Ukraine hergestellt werden. Aspirin (20 Tabletten), das in der Ukraine hergestellt wurde kostet ca. UAH 12,00, wenn es aus der Schweiz stammt ca. UAH 42,00. In der Ukraine gibt es ein Netzwerk von psychiatrischen Kliniken, die entsprechend dem Schweregrad der psychischen Erkrankung aufgeteilt sind. Organtransplantationen werden in bestimmten Transplantationskliniken in Kiew und Charkow sowie in normalen Krankenhäusern in Kiew, Donezk, Saporoschje, Lwow, Odessa, Iwano-Frankiwsk, Kirowograd, Lutsk, Mariupol, Mykolajiw, Cherson, Tscherkassij und Tschernowzij durchgeführt (IOM 08.2013).

 

Schätzungen zufolge sind zumindest 10% aller Geldflüsse im ukrainischen Gesundheitswesen unter dem Begriff "informelle Zahlungen" zu subsumieren. In der Regel werden derartige Zuwendungen vor der entsprechenden Behandlung geleistet. Die Höhe der Zuwendung bestimmt in der Folge die Qualität und die Schnelligkeit der Behandlung. Glaubwürdigen Schätzungen zufolge setzt sich das Gehalt eines Bediensteten im Medizinbereich im Schnitt zu 20% aus derartigen "informellen Zuwendungen" zusammen, die nicht selten – zumal auf dem Land – auch aus Naturalien bzw. bereitgestellten Dienstleistungen bestehen können. Während die medizinische Versorgung in Notsituationen in den Ballungsräumen als befriedigend bezeichnet werden kann, bietet sich auf dem Land ein differenziertes

Bild: jeder zweite Haushalt am Land hat keinen Zugang zu medizinischen Notdiensten (ÖB 09.2014).

 

Quellen:

 

 

 

18. Behandlung nach Rückkehr

 

Seitens der ukrainischen Regierung gibt es keine gesonderte Unterstützung für die Wiedereingliederung in die Ukraine heimkehrender Staatsbürger. Die Unterstützung bei der Unterbringung für Obdachlose jedoch gilt auch für ukrainische Heimkehrer. Das Zentrum für die Wiedereingliederung obdachloser ukrainischer Staatsbürger beim Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt obdachlose Menschen. Es gibt derzeit keine gesonderte Unterstützung für allein heimkehrende Frauen und Mütter, die nicht zu Ihrer Familie zurückkehren können bzw. wollen (IOM 08.2013).

 

Quelle:

 

 

AUSWÄRTIGES AMT Berlin vom 07.02.2017, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2017)

 

Bericht beruht auf Erkenntnissen, die die deutsche Botschaft in Kiew im Rahmen ihrer Kontakte und Recherchen gewonnen hat, sowie auf folgenden Quellen:

 

* amnesty international, Jahresbericht 2016 sowie laufende Berichterstattung über die Situation in der Ostukraine, u. a.:

Summary Killings During the Conflict in Eastern Ukraine, Oktober 2014, "Crimea in the dark – The silencing of dissent", Dezember 2016 und den gemeinsamen Bericht mit Human Rights Watch "You don’t exist" – Arbitrary Detentions, Enforced Disappearances, and Torture in Eastern Ukraine, 2016

 

* Menschenrechtsbeauftragte der Werchowna Rada der Ukraine: (1) Jahresbericht, Kiew 2014; (2) Monitoring of Custodial Settings in Ukraine, Kiew 2014 (beide in englischer Sprache)

 

* Kharkiv Group for Human Rights Protection, laufende Berichte über die Situation auf der Krim (in englischer Sprache)

 

* Berichte der OSZE-Beobachtermission über die Lage in der Ostukraine (http://www.osce.org/ukraine-smm )

 

* Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, laufende Berichte des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (UNHCHR) über die Menschenrechtssituation in der Ukraine

 

* Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summaryor arbitrary executions on his mission to Ukraine - A /HRC/32/39/Add.1 – vom 4. Mai 2016

 

* Bericht des Office for Democratic Institutions and Human Rights sowie des High Commissioner on National Minorities vom 17.09.2015 über die Menschenrechtslage auf der Krim

 

* Euro-Leader Donezk, laufende Newsletter und Homepage www.euroleader.in.ua

 

* UNHCR: International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update II (Januar 2015) (http://www.refworld.org/docid/54c639474.html )

 

* Council of Europe: Preliminary Observations made by the Delegation of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) which visited Ukraine from 8 to 16 September 2014, Strasbourg, 13 January 2015

 

* OSCE – ODIHR: Situation Assessment Report on Roma in Ukraine and the Impact of the Current Crisis, Warsaw, August 2014

 

* Preliminary report "Antisemitism in Ukraine, 2016" by Vyacheslav Likhachev, director of Euro-Asian Jewish Congress Xenophobia and Antisemitism monitoring group.

 

* LGBT Human Rights NASH MIR Center, Kiew: Situation of LGBT people in Ukraine in 2015

 

* Bericht (Obzor) Nr. 7 der Östlichen Menschenrechtsgruppe "?????????????? ????? ? ?????????? ???? ???????? ? ?????? ??????? ??????? ????. (Autoren Pawel Lyssjanskyj, Juliya Zhutschenko, Sergej Paschtschukow)

 

Zusammenfassung

 

* Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft einschließlich Deutschlands maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten sind rund 10.000 Menschen umgekommen. 1,7 Mio. Binnenflüchtlinge sind innerhalb der Ukraine registriert, etwa 1,5 Mio. Ukrainer sind in Nachbarländer (Russland, Polen, Belarus) geflohen. Wichtige Reformen sind – trotz zum Teil großer Widerstände – seit dem Ende der Ära Janukowytsch erfolgreich durchgeführt worden, u. a. im Bereich der Polizei, im Energie- und Bankensektor sowie im staatlichen Beschaffungswesen. Der institutionelle Rahmen für die Bekämpfung der endemischen Korruption wurde geschaffen und durch ein System zur systematischen Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse von Staatsbediensteten gestärkt. Gleichwohl stehen weitere dringende Reformschritte aus.

 

* Die Wirtschaftslage konnte - auf niedrigem Niveau – stabilisiert werden, die makroökonomischen Voraussetzungen für Wachstum wurden geschaffen. 2016 ist die Wirtschaft erstmals seit Jahren wieder gewachsen (gut 1 %).

 

* Das Parteiensystem ist plural. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, die Aktivitäten von Oppositionsparteien und -gruppen sowie die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen staatlichen Restriktionen. Eine staatliche Diskriminierung von Minderheiten findet nicht statt, die Religionsfreiheit wird respektiert.

 

* Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet. Die Ukraine ist Mitglied der VN-Anti-Folter-Konventionen. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Der Schutz ausländischer Flüchtlinge ist verbessert worden. Abschiebungen anerkannter Flüchtlinge und Asylbewerber finden nicht statt.

 

* Homosexualität ist in der Ukraine seit 1991 nicht mehr strafbar, jedoch bestehen in der Gesellschaft generell deutliche Vorbehalte gegen LGBTTI-Personen.

 

* In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als eigene Staatsangehörige behandelt. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen, ihr Selbstverwaltungsorgan (Medschlis) wurde durch Russland als terroristische Organisation eingestuft. Medien stehen unter

 

Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. In den Oblasten Donezk und Luhansk kam es in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Der VN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR) spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch von Recht und Ordnung". Auch in Gebieten, in denen ukrainische "Freiwilligen-Bataillone" gegen Separatisten vorgingen, kam es 2014 zu schweren Menschenrechtsverletzungen.

 

* Die Grundversorgung für Rückkehrer aus Deutschland ist (wie für die meisten Menschen in der Ukraine) knapp ausreichend. Die medizinische Versorgung ist laut Gesetz kostenlos und flächendeckend, qualitativ höherwertige Leistungen sind de facto jedoch von privaten Zuzahlungen bzw. selbständiger Beschaffung von Medikamenten u. ä. abhängig.

 

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft einschließlich Deutschlands maßgeblich unterstützt wird.

 

Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Kernstück der im Rahmen dieser Reformen neu geschaffenen Institutionen ist ein transparenter Auswahlprozess unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft, der deren Unabhängigkeit von politischer und finanzieller Einflussnahme sicherstellen soll.

 

Die Parteienlandschaft ist plural und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ

 

und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch (Anmerkung: die kommunistische Partei ist verboten) wieder. Noch ist der Programmcharakter der Parteien wenig entwickelt, die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren. Die Möglichkeit von Nichtregierungsorganisationen, sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen.

 

Die Annexion der Krim durch Russland und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine überschatten weiterhin die innenpolitische Entwicklung: Nach VN-Angaben sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen umgekommen; es sind rund 1,7 Mio. Binnenflüchtlinge registriert und ca. 1,5 Mio. Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt:

Die Sicherheitslage hat sich verbessert, auch wenn Waffenstillstandsverletzungen an der Tagesordnung bleiben. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt jedoch trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt neben den Lokalwahlen im besetzten Donbass der Dezentralisierungsprozess für den Donbass, den die Rada noch nicht abgeschlossen hat.

 

Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können, u. a. im Bereich der Polizei, im Energie- und Bankensektor sowie im staatlichen Beschaffungswesen. Der institutionelle Rahmen für die Bekämpfung der endemischen Korruption wurde geschaffen. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt. Die Wirtschaftslage konnte - auf niedrigem Niveau – stabilisiert werden, die makroökonomischen Voraussetzungen für Wachstum wurden geschaffen. Dennoch bleibt die Lage – nicht nur wegen der fortgesetzten Konfliktlage in der Ostukraine – fragil. Die Wirtschaft ist 2016 zum

 

ersten Mal seit Jahren wieder (um gut 1 %) gewachsen (noch 2015 Rückgang um ca. 10 %).

 

Die Jahresinflation sank 2016 auf gut 12 % (nach ca. 43 % im Vorjahr). Die Realeinkommen sind um einige Prozent gestiegen, nachdem sie zuvor zwei Jahre lang jeweils um zweistellige Prozentzahlen gefallen waren. Der (freie) Wechselkurs der Hrywnja ist etwa seit dem Frühjahr 2015 weitgehend stabil, Zahlungsbilanzungleichgewichte nahmen deutlich ab. Ohne internationale Finanzhilfen durch IWF und andere wäre die Ukraine aber vermutlich weiterhin mittelfristig zahlungsunfähig. Regierung und Nationalbank bemühen sich bislang erfolgreich, die harten Auflagen, die mit den IWF-Krediten einhergehen, zu erfüllen (u. a. Sparhaushalt auch für 2017 verabschiedet; Abbau der Verbraucherpreissubventionen für Energie; erhebliche, Konsolidierung des Bankensektors, marktwirtschaftliche Reformen, Deregulierung). Zum 1. Januar 2017 wurde der Mindestlohn auf 3.200 UAH verdoppelt. Die Sicherheitsbehörden haben sowjetische Traditionen überwiegend noch nicht abgestreift. Reformen werden von Teilen des Staatsapparats abgelehnt. Staatsanwaltschaft und

 

Sicherheitsdienst (SBU) waren jahrzehntelang Instrumente der Repression; im Bereich von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gibt es weiterhin überlappende Kompetenzen. Die 2015 mit großem Vertrauensvorschuss neu geschaffene und allseits für ihre Integrität gelobte Nationalpolizei muss sich auseinandersetzen mit einer das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinträchtigenden Zunahme der Kriminalität infolge der schlechten Wirtschaftslage und der Auseinandersetzung im Osten, einer noch im alten Denken verhafteten Staatsanwaltschaft und der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Rechtslage.

 

II. Asylrelevante Tatsachen

 

1. Staatliche Repressionen

 

1.1 Politische Opposition

 

Aktivitäten von Oppositionsparteien oder -gruppen unterliegen keinen staatlichen Restriktionen.

 

1.2 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Versammlungsfreiheit wurde im Euromaidan 2013/2014 unter erheblichen Opfern verteidigt.

 

Sie ist seither unangefochten. Auch Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen staatlichen Restriktionen, leiden jedoch unter der wirtschaftlichen Schwäche des unabhängigen Mediensektors und dem Übergewicht von Medien, die Oligarchen gehören oder von ihnen finanziert werden.

 

1.3 Minderheiten

 

Antisemitische Vorfälle sind seit Jahren rückläufig und bewegen sich auf einem stabil niedrigen Niveau. Ukrainische Wissenschaftler, NRO-Vertreter und religiöse Würdenträger der jüdischen Gemeinden sind sich weitgehend darin einig, dass sich zwar die allgemeine Sicherheitslage verschlechtert habe. Hiervon seien aber die Bürger insgesamt betroffen; eine spezifische Bedrohungslage der jüdischen Gemeinden und ihrer Mitglieder bestehe nicht. Die auch in internationalen Medien berichtete Schändung des Grabs des chassidischen Rabbi Nachman von Bratzlaw (1772–1810) in der Stadt Uman in der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember 2016 stellt insoweit einen besonders prominenten Einzelfall der nur rund 20 Vandalismusvorfälle pro Jahr gegen jüdische Einrichtungen dar, widerlegt aber nicht die grundsätzliche Tendenz. Die sofort begonnenen polizeilichen Ermittlungen nach den Tätern dauern an.

 

Roma stellen eine schwer quantifizierbare Minderheit dar. Nach offizieller Zählung umfasst sie 48.000 Personen, nach Schätzungen von Roma-NROs im Lande sollen es 400.000 sein. Diese Diskrepanz ist nur zum Teil erklärbar durch das Bedürfnis vieler sozial integrierter Roma, sich nicht zu erkennen zu geben. Unstreitig ist, dass große Teile der Roma-Bevölkerung sozial marginalisiert und benachteiligt sind (z. B. führt wie andernorts fehlende Geburtsregistrierung zu Benachteiligungen bei der Gesundheitsversorgung und Schulbildung). Es liegen keine Erkenntnisse für eine staatliche Diskriminierung vor. In der Bevölkerung bestehen teilweise erhebliche Vorurteile gegen Roma.

 

Ende August 2016 kam es im Dorf Loschtschyniwka (Gebiet Odessa) zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Angehörige der lokalen Roma-Minderheit und der Vertreibung von ca. 60 Roma aus dem Dorf.

 

Klagen von Vertretern der ungarischen und rumänischen Minderheit, diese Gruppen würden überproportional zum Wehrdienst herangezogen, sind mittlerweile entkräftet und werden nicht mehr wiederholt.

 

1.4 Religionsfreiheit

 

Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung wird von der Verfassung garantiert (Art. 35) und von der Regierung in ihrer Politik gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert.

 

1.5 Strafverfolgungs- und Zumessungspraxis

 

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis orientieren sich an westeuropäischen Standards. Untersuchungshaft wird nach umfassender Reform des Strafverfahrensrechts (mit Unterstützung der Internationalen Stiftung für Rechtliche Zusammenarbeit und ausgerichtet an deutschen Vorbildern) erkennbar seltener angeordnet als früher. Sippenhaft wird nicht praktiziert.

 

1.6 Militärdienst

 

Die Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes besteht für Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Er dauert grundsätzlich eineinhalb Jahre, für Wehrpflichtige mit Hochschulqualifikation (Magister) 12 Monate. Am 01.05.2014 wurde die früher beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht widerrufen. Danach erfolgten insgesamt sechs Mobilisierungswellen, die hauptsächlich Reservisten, aber auch Grundwehrdienstleistende (letztere zu einer sechsmonatigen Ausbildung) erfassten. Merkmale wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung spielen bei der Heranziehung keine Rolle.

 

Angesichts der andauernden militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine sollen die Streitkräfte um mehr als ein Drittel (66.000) auf 250.000 aufwachsen (204.000 Soldaten und 46.000 Zivilangestellte). Diese ambitionierte Personalerhöhung wurde vermutlich trotz weiterer Teilmobilisierungsmaßnahmen für Reservisten nicht erreicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sind nach ukrainischen Angaben mehr als 67.000 Verpflichtungsverträge unterzeichnet worden, davon 7.500 Verträge für eine Offizierslaufbahn. Ende Oktober 2016 wurde die Demobilisierung der

6. Mobilisierungswelle abgeschlossen. Eine weitere Mobilisierung ist bislang nicht vorgesehen. Wehrpflichtige wurden bis Mitte November 2016 ausschließlich auf freiwilliger Basis nach der sechsmonatigen Grundausbildung im ATO-Gebiet (Teil der Ostukraine, in denen es zu Kämpfen mit den Separatisten kommt) eingesetzt; seither geschieht dies nicht mehr. Richter, Vollzeitstudenten, Post-Graduate-Studenten, Priester, Väter mit drei und mehr minderjährigen Kindern, Parlamentsabgeordnete und Straftäter sind freigestellt. Bei den bisherigen Teilmobilisierungen ergeht an den Wehrpflichtigen ein Einberufungsbescheid des Militärkommissariats (entspricht dem deutschen Kreiswehrersatzamt). Zunächst wird versucht, den Bescheid dem Einberufenen persönlich

 

zuzustellen. Bei Unzustellbarkeit wird der Bescheid an die Arbeitsstätte gesandt, ggf. wird der Einberufene direkt an der Arbeitsstätte abgeholt. Es findet Wehrüberwachung statt:

 

Wehrpflichtige habe einen Wohnortwechsel binnen einer Woche anzuzeigen. Sollte künftig Vollmobilisierung erfolgen, wäre ein Wohnortwechsel durch die Wehrüberwachungsbehörde vorab zu genehmigen.

 

Ermittlungen, ob eine Person einberufen wurde (z. B. durch Anfragen über die Botschaft an das Außen- und Verteidigungsministerium), könnten dazu führen, dass die Wehrüberwachungsbehörden erst durch diese Nachfrage darauf aufmerksam werden, dass eine Person bisher ihrer Überwachung entgangen ist. Ohnehin wäre mit einer langen Bearbeitungszeit zu rechnen.

 

Der Ersatzdienst hat in der Ukraine kaum Tradition und ist in der Gesellschaft noch wenig verankert. Über die Zahl der Verweigerer macht das ukrainische Verteidigungsministerium keine offiziellen Angaben. NRO-Vertreter gehen von bislang 7.500 Anträgen aus. Für aktive Soldaten ist eine Verweigerung nicht vorgesehen. Das Gesetz über den Ersatzdienst vom 12.12.1991 (Nr. 1975-XII) regelt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und die Möglichkeit, den Ersatzdienst unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abzuleisten. Die Wehrpflichtigen durchlaufen bei der Musterung sämtliche Untersuchungen im jeweils zuständigen Militärkommissariat (Kreiswehrersatzamt). Spätestens zwei Monate vor dem Einberufungstermin muss der Wehrpflichtige bei der für den jeweiligen Wohnort zuständigen Behörde einen begründeten Antrag einreichen.

 

Eine Verweigerung kann nur auf die religiöse Überzeugung und die entsprechende Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Gemeinschaft gestützt werden. Bei Kriegs- oder Ausnahmezustand kann das Recht der Wahl zwischen Wehr- und Ersatzdienst gesetzlich für bestimmte Zeit eingeschränkt werden. Der Ersatzdienst dauert 27 Monate, für Hochschulabsolventen (Magister) 18 Monate. Er wird in staatlichen Sozial-, Gesundheits- und Kommunaleinrichtungen oder beim Roten Kreuz abgeleistet.

 

Strafrechtliche Verfolgung: Die Entziehung vom Wehrdienst wird nach Art. 335 ukr. StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Eine Mobilisierungsentziehung kann gemäß Art. 336 ukr. StGB mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Für Entziehung von der Wehrerfassung sieht Art. 337 eine Geldstrafe bis zu 50 Mindest-Monatslöhnen oder Besserungsarbeit bis zu zwei Jahren oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten vor, für Entziehung von einer Wehrübung Geldstrafe bis zu 70 Mindest-Monatslöhnen oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten.

 

1.7 Handlungen gegen Kinder

 

Zwangsarbeit und Zwangsrekrutierungen finden staatlicherseits nicht statt. In den von Separatisten kontrollierten Landesteilen soll es zum Einsatz von Jugendlichen in militärischen Verbänden gekommen sein.

 

1.8 Geschlechtsspezifische Verfolgung

 

Artikel 24 der Verfassung schreibt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ausdrücklich vor. Auch im Übrigen gibt es keine rechtlichen Benachteiligungen. Nach ukrainischem Arbeitsrecht genießen Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Tatsächlich werden sie jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Die Ukraine ist noch immer Herkunftsland für grenzüberschreitenden Frauen- und Mädchenhandel.

 

1.9 Exilpolitische Aktivitäten

 

Eine große Zahl von Ukrainern lebt im Ausland. Viele sind nach Kanada, in die USA, nach Israel und nach Deutschland ausgewandert. Repressionen gegen Personen, die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, nach deren Rückkehr in die Ukraine, oder Rückkehrverbote für solche Personen sind nicht bekannt.

 

2. Repressionen Dritter

 

Über Repressionen Dritter, für die der ukrainische Staat mittelbar die Verantwortung trägt, indem er sie anregt, unterstützt oder hinnimmt, liegen keine Erkenntnisse vor. Wegen der Konfliktgebiete in den Oblasten Donezk und Luhansk vgl. Nr. 4.

 

3. Ausweichmöglichkeiten

 

Die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge (Internally Displaced Persons – IDPs) ist bis Januar 2017 auf 1.650.410 Personen gestiegen (Stand: 16.01.2017 – Min. für Sozialpolitik) Nach Angaben von UNHCR halten sich darüber hinaus 1.481.377 Ukrainer in Nachbarländern auf (Asyl und andere legale Formen des Aufenthalts) auf. Die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von IDPs erfolgt auf Basis des 2014 in Kraft getretenen IDPGesetzes.

 

4. Konfliktgebiete

 

In den Gebieten außerhalb der staatliche Kontrolle, namentlich in den von Separatisten kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk sowie auf der von Russland völkerrechtswidrig besetzten Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, staatliche Befugnisse wahrzunehmen.

 

Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg.

 

Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr, Auskunftspersonen haben die Krim verlassen. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert.

 

Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NROs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewaltigungen. Auch im jüngsten Bericht (08.12.2016) spricht der VN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR) von einem "unter den Bewohnern vorherrschenden Gefühl der Angst, besonders ausgeprägt in der Region Luhansk", sowie einer durch "fortgesetzte Beschränkungen der Grundrechte, die die Isolation der in diesen Regionen lebenden Bevölkerung verschärft, sowie des Zugangs zu Informationen" gekennzeichneten Menschenrechtslage. Die Zivilbevölkerung ist der Willkür der Soldateska schutzlos ausgeliefert, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sind faktisch suspendiert.

 

Nach einem Bericht der NRO "Östliche Menschenrechtsgruppe" vom September 2016 kommt es in Gefängnissen der Separatisten zu systematischen Menschenrechtsverletzungen. Etwa 5.000 Gefangene würden gezwungen, auch gegen ihren Willen zu arbeiten. Der geringe Lohn werde sofort mit den "Unterkunftskosten" verrechnet. Dabei handelt es sich – nach Aussage der NRO – in mindestens fünf Fällen um Strafgefangene, die gemäß einer Amnestie von 2014, die von den Separatisten nicht anerkannt wird, schon längst auf freien Fuß hätten gesetzt werden müssen.

 

In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk wird die staatliche Ordnung erhalten oder wieder hergestellt, um Neuaufbau sowie humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen.

 

Problematisch waren Gebiete, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern sog. "Freiwilligen-Bataillone" gegen Separatisten vorgingen. Diese Einheiten nehmen offiziell an der sog. "Anti-Terror-Operation" teil; alle sind nunmehr der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt und offiziell nicht mehr an der sogenannten "Kontaktlinie", sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen.

 

Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. UNHCHR beklagt insbesondere, dass die Vorfälle im Rahmen der Schlacht um Ilowajsk im August 2014 weiterhin weitestgehend unaufgeklärt sind.

 

Derzeitig noch bestehende Verbände zeichnen sich nach Expertenmeinung durch Professionalismus aus.

 

Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, einige wenige Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen.

 

III. Menschenrechtslage

 

1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung

 

Der Grundrechtskatalog der Verfassung (in Abschnitt II, Art. 21 bis 63, über Rechte, Freiheiten und Pflichten) enthält neben den üblichen Abwehrrechten eine große Zahl von Zielbestimmungen (z. B. Wohnung, Arbeit, Erholung, Bildung). Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtskonventionen (Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, Internationales

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung,

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, UN-Anti-Folter-Konvention, UN-Kinderrechtskonvention, Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Europäische Menschenrechtskonvention).

 

2. Folter

 

Folter sowie grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, sind gemäß Artikel 28 der ukrainischen Verfassung verboten. Die Ukraine ist seit 1987 Mitglied der UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) und seit 1997 Teilnehmerstaat der Anti-Folter-Konvention des Europarats. Bei der Umsetzung bestehen vor allem im Strafvollzug weiterhin Defizite. Menschenrechtswidrige Verhörmethoden mit Schlägen und Tritten, überfordertes, unterbezahltes Personal, chronische Überbelegung, schlechte hygienische Verhältnisse und schlechtes Essen führen nach Einschätzung der Menschenrechtsbeauftragten des Parlaments in einigen Haftanstalten und Polizeistationen zu Zuständen, die nicht konventionskonform sind.

 

3. Todesstrafe

 

Die Todesstrafe wurde 1999 vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, im Jahr 2000 abgeschafft und durch lebenslange Haft ersetzt. Die Ukraine ist Vertragsstaat des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK.

 

4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen

 

Extralegale Tötungen sind nach den Ereignissen auf dem Euromaidan zwischen November 2013 und Februar 2014 außerhalb der Konfliktgebiete im Osten des Landes nicht mehr bekannt geworden. Die Aufklärung der Tötungsfälle im Zusammenhang mit dem Euromaidan kommt nur langsam, und der Zwischenfälle in Odessa am 02.05.2014 mit insgesamt über 160 Getöteten nur äußerst schleppend voran. Fälle von willkürlichen Festnahmen sowie Verschwindenlassen wurden aus den von Separatisten kontrollierten Gebieten sowie von der Krim gemeldet.

 

Die Haftbedingungen in ukrainischen Untersuchungshaftanstalten und Gefängnissen verbessern sich nur langsam und in den verschiedenen Anstalten nur sehr ungleichmäßig.

 

Fortschritte in einigen Vollzugseinrichtungen kontrastieren mit weiterhin schlechten Zuständen in einigen U-Haft- und unerträglichen in psychiatrischen Einrichtungen. Immerhin ist die Zahl der Insassen – nach einer Reform der StPO - deutlich rückläufig. Derzeit (01.09.2016) gibt es bei rund 100.000 Haftplätzen noch ca. 60.000 Häftlinge, ein erheblicher Rückgang im Vergleich zu 2002 (215.000). Trotz erheblicher Fortschritte sind schlecht bezahltes und unzureichend ausgebildetes Wachpersonal, überbelegte Großraumzellen, mangelhafte Ernährung, unzureichende medizinische Betreuung, unzulängliche hygienische Verhältnisse sowie unverhältnismäßig starke Beschränkungen von Kontakten zur Außenwelt weiterhin nicht völlig verschwunden.

 

IV. Rückkehrfragen

 

1. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer

 

1.1 Grundversorgung

 

Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Vor allem in ländlichen Gebieten stehen Strom, Gas und warmes Wasser z. T. nicht ganztägig zur Verfügung. Die Situation gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kinder bleibt daher karg.

 

Die ukrainische Währung Hrywnja (UAH) verlor von Anfang 2014 bis Frühjahr 2015 etwa die Hälfte ihres Außenwerts, in kurzfristigen Spitzen auch deutlich mehr. Seither ist der Wechselkurs weitgehend stabil (Anfang Januar 2017 bei knapp 30 Hrywnja pro Euro). Die Inflation konnte 2016 bei gut 12 % stabilisiert werden (2015: über 43 %); die Wirtschaft ist erstmals wieder leicht (gut 1 %) gewachsen. Zu Jahresbeginn wurde der Mindestlohn auf 3.200 UAH angehoben. Ohne zusätzliche Einkommensquellen bzw. private Netzwerke ist es insbesondere Rentnern und sonstigen Transferleistungsempfängern kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sozialleistungen und Renten werden zwar regelmäßig gezahlt, mit Ausnahme der von Separatisten besetzten Kreise in den Gebieten Donezk und Luhansk, sind aber größtenteils sehr niedrig.

 

1.2 Rückkehr und Reintegrationsprojekte im Herkunftsland

 

Die Bundesregierung unterstützt mit dem Programm "Rückkehrende Fachkräfte" gezielt die Einbindung rückkehrinteressierter Fachkräfte, die in Deutschland z. B. ein Studium oder eine Ausbildung absolviert haben, in die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit in der Ukraine. 2016 wurden über das Centrum für internationale Entwicklung und Migration (CIM) 13 (2015: 9) rückkehrende Fachkräfte, darunter 2 IDPs gefördert.

 

1.3 Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist kostenlos und flächendeckend. Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal. Dennoch ist gelegentlich der Beginn einer Behandlung korruptionsbedingt davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren auch private Krankenhäuser beziehungsweise erwerbswirtschaftlich geführte Abteilungen staatlicher Krankenhäuser gegründet worden. Die Dienstleistungen der privaten Krankenhäuser sind jedoch für den größten Teil der ukrainischen Bevölkerung nicht bezahlbar. Fast alle gebräuchlichen Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Die Apotheken halten teilweise auch importierte Arzneien vor.

 

In den Gebieten Donezk und Luhansk (unter Kontrolle der ukr. Regierung) leidet die medizinische Versorgung jedoch unter kriegsbedingten Engpässen: so wurden einige Krankenhäuser beschädigt und/oder verloren wesentliche Teile der Ausrüstung; qualifizierte Ärzte sind nach Westen gezogen. Im Donezker Gebiet gibt es zurzeit keine psychiatrische Betreuung, da das entsprechende Gebietskrankenhaus vollständig zerstört ist. Das Gebietskrankenhaus des Luhansker Gebiets musste sämtliche Ausrüstung zurücklassen und konnte sich nur provisorisch in Rubeschne niederlassen. Eine qualifizierte Versorgung auf sekundärem Niveau (oberhalb der Versorgung in städtischen Krankenhäusern) ist dort zurzeit nicht gegeben.

 

2. Behandlung von Rückkehrern

 

Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurückgekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären. Um neue Dokumente zu beantragen, müssen sich Rückkehrer an den Ort begeben, an dem sie zuletzt gemeldet waren. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich – wie bei anderen Personengruppen auch – Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben.

 

3. Einreisekontrollen

 

Grundsätzlich ist die Einreise eines ukrainischen Staatsangehörigen verfassungsmäßig garantiert (Art. 33 Absatz 2). Ob eine Rückkehr in die Ukraine erfolgen kann und wie sich Rückkehr, Einreise und Wiedereingliederung gestalten, hängt deshalb von der Staatsangehörigkeit des Rückkehrers ab. Vor einer Abschiebung oder zwangsweisen Rückkehr ist ein Nachweis der Staatsangehörigkeit zu führen. Dies setzt, soweit die Person nicht im Besitz eines gültigen ukrainischen Reisepasses ist, eine entsprechende Prüfung durch eine Auslandsvertretung der Ukraine voraus. Im Normalfall wird ein vom Betroffenen auszufüllender Antrag zur Ausstellung von Passersatzpapieren an das Außenministerium in Kiew mit der Bitte weitergeleitet, die ukrainische Staatsangehörigkeit festzustellen. Möglich ist auch die Überprüfung aufgrund eines von der ukrainischen Auslandsvertretung selbst gestellten Ersuchens an das Außenministerium. Ist der Betroffene nicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Heimreisedokumenten bereit, so haben die ukrainischen Auslandsvertretungen in der Vergangenheit mitunter deutsche Behörden gebeten, unmittelbar mit dem Innenministerium der Ukraine in Kontakt zu treten und die Modalitäten einer zwangsweisen Rückkehr zu vereinbaren. Nur ukrainische Dokumente sind anerkennungsfähig. Heimreisedokumente der EU oder der Bundesrepublik Deutschland werden nicht anerkannt. Die Ukraine stellt seit dem 01.01.2016 einen neuen Personalausweis im Kartenformat aus. Im Zeitraum von fünf Jahren wird die neue ID-Karte den "historischen" sog. Nationalpass (Inlandspass) ablösen. Antragsberechtigt sind ukrainische Staatsangehörige ab 14 Jahren.

 

4. Abschiebewege

 

Westliche Staaten ohne gemeinsame Grenze mit der Ukraine (z.B. Frankreich und Niederlande) nehmen Rückführungen illegal Eingereister in erster Linie entsprechend den Regeln des Internationalen Zivilluftfahrt-Übereinkommens von Chicago (ICAO) vor. Auch aus Deutschland finden Abschiebungen statt. Das Rücknahmeübereinkommen zwischen der EU und der Ukraine ist am 01.01.2008 in Kraft getreten.

 

V. Sonstige Erkenntnisse

 

1. Echtheit der Dokumente

 

Gefälschte Dokumente und echte nichtamtliche Dokumente mit unwahrem Inhalt werden weiterhin verwendet. Teilweise wird der Inhalt falscher Dokumente bis in Gerichtsverfahren hinein vorgetragen. Die Vorlage falscher Dokumente gilt verbreitet als Kavaliersdelikt.

 

1.1 Echte Dokumente unwahren Inhalts

 

Nach hiesigen Erfahrungen ist die Verwendung von echten Dokumenten ukrainischer Behörden mit unwahrem Inhalt nicht häufig. Ausstellung von nichtbehördlichen Bescheinigungen mit unwahrem Inhalt (z. B. Arbeitsbescheinigungen) ist ein verbreitetes Phänomen.

 

1.2 Zugang zu gefälschten Dokumenten

 

Die Verfälschung echter Dokumente kommt gelegentlich vor und betrifft in erster Linie Personenstandsurkunden sowie gerichtliche Beschlüsse und Urteile.

 

2. Ausreisekontrollen und Ausreisewege

 

Die Ausreisefreiheit wird (vorbehaltlich gesetzlicher Einschränkungen) von der Verfassung jedermann garantiert (Art. 33 Absatz 1). Ausreisewillige ukrainische Staatsangehörige müssen über einen Auslandsreisepass verfügen, der auf Antrag und gegen Gebühr ausgestellt wird.

 

Bei Ausreise zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland wird darüber hinaus anlässlich der Abmeldung von den Ordnungsämtern geprüft, ob noch Schulden oder andere rechtliche Verpflichtungen (z. B. Unterhalts- oder Steuerschulden) bestehen.

 

Die ukrainischen Grenzschutzbehörden kontrollieren an der Grenze, ob ein gültiger Auslandsreisepass und gegebenenfalls ein Visum des Ziellandes vorliegen, der Ausreisende in der Ukraine zur Fahndung ausgeschrieben ist oder andere Ausreisehindernisse bestehen.

 

Ausgereist wird vornehmlich auf dem Landweg. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass bei männlichen Reisenden an der Grenze der Status ihrer Wehrpflicht überprüft wird.

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, UKRAINE, Gerichtliche Praxis bei Wehrdienstverweigerung; Gefängnisse;

Menschenrechtsverletzungen vom 11.01.2016, Im LIB sind Informationen enthalten über Strafmaß bei Nichtbefolgung der Einberufung. Gibt es Informationen, wie restriktiv dieses Gesetz durchgesetzt wird?

 

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

 

Es wurden Berichte von UNHCR und OHCHR konsultiert. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu diesen Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm

 

Darüber hinaus wurden verschiedenen Medienberichte konsultiert.

 

Die Frage wurde außerdem an den Verbindungsbeamten des BM.I für die Ukraine weitergeleitet. Verbindungsbeamte sind speziell vom BM.I geschulte und an die Vertretungsbehörden entsandte Beamte oder Vertragsbedienstete (Angestellte), die Informationen u. a. für Fremden- und Asylbehörden sammeln, um diesen Informationen aus den jeweiligen Herkunftsstaaten zur Verfügung zu stellen.

 

Zusammenfassung:

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die diesbezüglichen Gesetze sehr wohl durchgesetzt werden, wobei sich das Strafmaß oft auf Bewährungsstrafen zu beschränken scheint. Die Gesetze können aber nur durchgesetzt werden, wenn die ukr. Behörden der Betreffenden habhaft werden und das scheint sich viel problematischer darzustellen. Korruption und gesetzliche Schlupflöcher ermöglichen es offenbar einer wesentlich größeren Zahl von Personen sich dem Militärdienst zu entziehen, als tatsächlich strafverfolgt werden.

 

Einzelquellen:

 

UNHCR berichtet im September 2015, dass die Mobilisierungswellen des Jahres 2014 auch 2015 weitergingen. Der Widerstand gegen die Einberufungen wuchs aber aufgrund verschiedener Faktoren. Die tatsächliche Praxis der Einberufung ist von Region zu Region unterschiedlich, die Strafverfolgung von Personen, die sich dem Wehrdienst oder der Mobilisierung mutmaßlich entzogen haben, wurde jedoch verstärkt. Laut Fußnote wurden vom 1.7.2014 bis 1.7.2015 661 Verfahren wegen dieser Delikte registriert. Der Strafrahmen von 2-5 Jahren wurde meist nicht ausgeschöpft, sondern die Strafen für 1-2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Und kein Verurteilter musste seine Strafe vollständig absitzen. Am 17.4.2015 waren außerdem 3.000 Verfahren gegen Militärpersonen wegen Desertion bzw. unerlaubter Abwesenheit anhängig.

 

UNHCR – Office of the United Nations High Commissioner for Refugees (9.2015): International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update III, http://www.refworld.org/docid/56017e034.html , Zugriff 8.1.2015

 

Der in obiger Fußnote zitierte Bericht schlüsselt diese Zahl noch genauer auf: Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte berichtet darin im Mai 2015, dass der Oberste Militärankläger der Ukraine mit Stand 17.4.2015, seit Jahresbeginn

7.560 Verfahren gegen Angehörige der ukrainischen Armee eröffnet hatte. Davon 1.964 wegen unerlaubter Abwesenheit, 948 wegen Desertion und 107 wegen Wehrdienstverweigerung.

 

OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (1.6.2015): Report on the human rights situation in Ukraine 16 February to 15 May 2015,

http://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/10thOHCHRreportUkraine.pdf , Zugriff 8.1.2016

 

Dem Bericht des BM.I-Verbindungsbeamten für die Ukraine ist folgendes zu entnehmen:

 

Das Gesetz über die Nichtfolgeleistung der Einberufung wird restriktiv durchgesetzt. Es sind die Verurteilungen bekannt, offizielle Statistik konnte nicht gefunden werden. Nur Fakten, die Massenmedien bringen. Zum Beispiel, in der Region Lugansk wurden 113 Fälle die Nichtfolgeleistung der Einberufung im Jahre 2015 registriert, davon sind 34 Personen bereits verurteilt worden, aber lediglich eine Person zur tatsächlichen Haftstrafe von 2 Jahren. Allen anderen wurde die Haftstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verhängt. ( )

 

Deserteure sind die Personen, die bereits zu den Streitkräften gehören. ( ) In welche Gefängnisse die Deserteure gebracht werden, konnte im Internet nicht festgestellt werden. Bekannt ist lediglich, dass solche Fälle die Militärstaatsanwaltschaft behandelt.

 

VB des BM.I in Kiew (10.12.2015): Bericht des VB, per E-Mail

 

Auf der anderen Seite besagt ein Artikel der Internetzeitung International Business Times, dass seit Beginn der Operationen im Donbass im April 2014, insgesamt ca. 16.000 Angehörige ukrainischer bewaffneter Verbände (meist solche der Freiwilligenbataillone) desertiert sind. Weiters erklärt der Artikel, dass nur etwa 1.000 dieser Fälle vom Innenministerium (Polizei) ausgeforscht werden konnten. Grundsätzlich würde die Zahl von 1.000 Deserteuren aber zu den obigen Angaben passen. Laut dem Artikel folgert der ukrainische oberste Militärankläger aus dieser Diskrepanz, dass es leicht sei, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die Polizei verabsäume es schlichtweg, die Deserteure in ihren Heimen aufzuspüren und festzunehmen. Der Chefankläger stellt implizit den Verdacht der Korruption in den Raum, indem er das geringe Gehalt der Polizisten erwähnt. Soweit zu den Deserteuren.

 

Zum Problemfeld der Personen, die sich der Einberufung entziehen, wird der stv. Chef der Mobilisierungsabteilung der ukr. Streitkräfte zitiert, dass sich zuvor ca. 27.000 Personen der 6. Mobilisierungswelle entzogen hätten, indem sie nach unbekannt verzogen oder das Land überhaupt verließen. Auch medizinische Untauglichkeit nehme zu.

 

IBT – International Business Times (5.10.2015): Ukraine War Deserters: 16,000 Troops Abandoned Military Since Conflict Began, Kiev Official Says,

http://www.ibtimes.com/ukraine-war-deserters-16000-troops-abandoned-military-conflict-began-kiev-official-2127502 , Zugriff 8.1.2016

 

Ein Artikel der US-amerikanischen Tageszeitung Washington Post vom April 2015 nennt Zahlen zur 5. Mobilisierungswelle und beschäftigt sich auch ausführlich mit dem Thema Wehrdienstverweigerung. Das Problem der Korruption wird erwähnt – und zwar in der Form dass Beamte aktiv Geld einfordern. Ein Militärbeamter bestätigt im Interview Probleme bei den Einberufungen, erwähnt aber auch die Strafen, welche Verweigerer erwarten. Genannt wird die Zahl von 13.000 unerlaubt Abwesenden. Weiters wird ausgeführt, dass die Strafen viele Betroffene aber nicht abschrecken. Die Einberufungen werden an den Ort der aufrechten Meldung gesendet. Ist man aber verzogen ohne sich umzumelden und/oder arbeitet man schwarz, sei es leicht sich der Zustellung zu entziehen. Laut dem Militär hatte man zum Zeitpunkt der Auskunfterteilung drei Viertel der 5. Mobilisierungswelle abgeschlossen. Die 6. Welle war bereits in Planung. Die Ergebnisse waren regional unterschiedlich. Während im Westen des Landes fast alle Einberufenen reagiert hätten, seien es im Osten nur etwa 17% gewesen.

 

Washington Post (25.4.2016): Ukraine’s military mobilization undermined by draft dodgers,

https://www.washingtonpost.com/world/europe/ukraines-military-mobilization-undermined-by-draft-dodgers/2015/04/25/fc3a5818-d236-11e4-8b1e-274d670aa9c9_story.html , Zugriff 11.1.2016

 

Der Misserfolg der 6. Mobilisierungswelle wird in einem Bericht der ukrainischen Zeitung Kyiv Post näher ausgeführt. 26.800 Personen hatten sich dieser entzogen, etwa 1.500 davon wurden strafverfolgt. Auch erwähnt wird das Problem der Korruption im Militärapparat, welche die Verweigerer offenbar immer wieder ausnützen können und die rechtlichen Probleme, die sich aus der Tatsache ergeben, dass trotz der Ereignisse in der Ostukraine nie das Kriegsrecht in der Ukraine verhängt wurde. Menschenrechtsanwälte bezweifeln daher sogar die Legalität der Mobilisierungen. Erwähnt werden auch 47 laufende Fälle gegen Verweigerer in Kiew und ca. 400 Personen, die deswegen Haftstrafen verbüßen sollen.

 

Kyiv Post (27.8.2016): Draft Dodgers, http://www.kyivpost.com/content/ukraine/draft-dodgers-396690.html , Zugriff 8.1.2016

 

Das renommierte US-amerikanische Außenpolitik-Magazin Foreign Policy schrieb dazu am 18.2.2015, dass die Zahl der Wehrdienstverweigerer in die zehntausende gehen könnte. Laut dem Militär seien 2014 in 13 Regionen des Landes 85.792 Einberufene dem Aufruf nicht gefolgt und

9.969 wurde die Weigerung nachgewiesen.

 

FP-Foreign Policy (18.2.2015): The Draft Dodgers of Ukraine, http://foreignpolicy.com/2015/02/18/the-draft-dodgers-of-ukraine-russia-putin/ , Zugriff 8.1.2016

 

Auch Reuters berichtete am 3.2.2015 ähnliches. Da ist die Rede von mehr als 1.300 Untersuchungen gegen Wehrdienstverweigerer. Auch ein korrupter Handel mit medizinischen Untauglichkeitsbescheinigungen wird erwähnt. Es gab in diesem Zusammenhang eine Verhaftung eines Militärbeamten.

 

Reuters (3.2.2015): Bravado, resentment and fear as Ukraine calls men to war,

http://www.reuters.com/article/us-ukraine-crisis-army-idUSKBN0L71PW20150203 , Zugriff 8.1.2016

 

Bei einer Inhaftierung: Werden die Deserteure in eigene Gefängnisse (Militär – oder Polizeigefängnis) verbracht oder in reguläre Gefängnisse?

 

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

 

Es wurde ein Bericht des britischen Home Office konsultiert, also des dortigen Innenministeriums. In öffentlich zugänglichen Internetquellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Internetrecherche in deutscher und englischer Sprache nur Informationen aus dieser einen Quelle gefunden werden. Eine ausführliche Quellenbeschreibung dieser Quelle findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm

 

Zusammenfassung:

 

Der nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass es in der Ukraine keine Militärgefängnisse gibt.

 

Einzelquellen:

 

Das UK Home Office berichtet in seiner Country Information and Guidance zum Militärdienst in der Ukraine vom November 2015, gestützt auf eine Information des britischen Außenministeriums, dass es in der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt keine Militärgefängnisse gibt. Also werden Wehrdienstverweigerer in der Ukraine im Falle einer Haftstrafe in herkömmlichen Justizvollzugsanstalten inhaftiert.

 

Die diesbezüglichen Bestimmungen werden umgesetzt, es gab aber bis November 2015 nur wenige Fälle (2 im Juli 2015), in denen Verweigerer effektiv zu 2 Jahren Haft verurteilt wurden. Meistens erhielten die Verweigerer Verwaltungsstrafen.

 

Die Bedingungen in den ukr. Gefängnissen sind weiterhin schlecht, wobei es in den letzten Jahren auch Verbesserungen gab, wie etwa Bibliotheken, etwas bessere Krankenversorgung, sanitäre Anlagen etc. Manche Gefängnisse haben verschiedene Bereiche für unterschiedliche Häftlingsgruppen (z.B. ehem. Richter, Polizisten oder Soldaten).

 

UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Ukraine:

Military service,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/479412/CIG_-_Ukraine_-_Military_service_v_1_0.pdf , Zugriff 8.1.2016

 

Begeht die ukrainische Armee Menschenrechtsverletzungen bzw. waren solche in letzter Zeit nachweisbar?

 

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

 

Es wurden Berichte von UNHCR, OHCHR, Amnesty International und des UK Home Office konsultiert. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu diesen Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm

 

Zusammenfassung:

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass Menschenrechtsverletzungen aus beiden Seiten der Front in der Ostukraine vorkommen. Sie betreffen Kombattanten, aber auch Zivilisten. Auf pro-ukrainischer Seite, scheint die Mehrzahl der Vorkommnisse jedoch nicht auf die Armee, sondern auf Freiwilligen-Bataillone (v.a. Rechter Sektor) zurückzugehen. Zuständig für die Strafverfolgung in der ukrainischen Armee ist der oberste Militärankläger der Ukraine. Der UN-Monitoring Mission sind aber keine Untersuchungen betreffend Menschenrechtsverletzungen bekannt. Einschlägige Vorwürfe dürften auch vor Gericht ignoriert werden. In der ukr. Armee selbst ist das Schikanieren jüngerer Soldaten durch ältere Jahrgänge nach wie vor ein ernstes Problem.

 

Einzelquellen:

 

UNHCR berichtet im September 2015, dass auf beiden Seiten der Front in der Ostukraine Vorwürfe betreffend Menschenrechtsverletzungen vorgebracht wurden. Es ging dabei um Tötungen, Freiheitsentziehung, Zwangsarbeit, Plünderung, Erpressung usw., die durch beide Konfliktparteien begangen worden seien. Es wird hier aber nichts zur Quantifizierung bzw. Verteilung/Gewichtung dieser Vergehen gesagt.

 

UNHCR – Office of the United Nations High Commissioner for Refugees (9.2015): International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update III, http://www.refworld.org/docid/56017e034.html , Zugriff 8.1.2015

 

Amnesty International sagt in einem Bericht vom Mai 2015 zur Misshandlung von Gefangenen im Konflikt in der Ostukraine, dass es auf beiden Seiten der Front zu Misshandlungen von Gefangenen gekommen ist, die sich nicht auf eine bestimmte Einheit oder ein bestimmtes Gebiet einschränken lassen. AI kommt aber zu dem Schluß, dass auf beiden Seiten die außerhalb der offiziellen Befehlskette agierenden Gruppen, die gewalttätigeren seien. Das wären auf der ukrainischen Seite, die uns hier zu interessieren hat, vor allem die Freiwilligen-Bataillone des Rechten Sektors.

 

Weiter unten im selben Bericht heißt es, dass die meisten Gefangenen der ukrainischen Seite vor Gericht gestellt wurden. Wenn sie dort allerdings Misshandlungsvorwürfe erhoben, sollen die Richter jedoch nie Untersuchungen angeordnet haben. Alle ehemaligen Gefangenen berichteten, dass Misshandlungen aufgehört hätten, sobald sie offizielle Hafteinrichtungen betreten hatten.

 

AI – Amnesty International (5.2015): Breaking Bodies: Torture and summary killings in eastern Ukraine, https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/1683/2015/en/ , Zugriff 11.1.2016

 

An anderer Stelle besagt AI, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht nur Kombattanten betreffen, sondern auch Zivilisten Opfer illegaler Freiheitsentziehung werden, etwa um gegen Gefangene ausgetauscht zu werden bzw. weil diese der jeweils anderen Seite gesinnungsmäßig nahestehen.

 

AI – Amnesty International (5.2015): Breaking Bodies: Torture and summary killings in eastern Ukraine, https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/1683/2015/en/ , Zugriff 11.1.2016

 

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte äußert sich in seinem Bericht zur Menschenrechtslage in der Ukraine vom Juni 2015 auch zum Thema Menschenrechtsverletzungen durch ukrainische Armee bzw. Behördenvertreter. Zuständig für die Strafverfolgung in solchen Fällen ist der oberste Militärankläger der Ukraine. Im Jahr 2015 hatte er bis zum 17.4.2015 7.560 diesbezügliche Untersuchungen eröffnet. Davon betrafen 3.019 Fälle von Verweigerung, unerlaubter Abwesenheit bzw. Desertion. Damit bleiben 4.541 Fälle, die nicht näher bezeichnet sind und u.a. Menschenrechtsverletzungen betreffen könnten. Der UN-Monitoring Mission sind aber keine dementsprechenden Untersuchungen bekannt.

 

Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken von Donetsk und Luhansk behaupten verschiedentlich, dass separatistische Kämpfer Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die ukr. Armee und Behördenvertreter wurden. Die UN-Monitoring Mission kann einige dieser Fälle bestätigen. Ermittlungen von offizieller ukr. Seite hierzu sind der UN-Monitoring Mission jedoch nicht bekannt.

 

OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (1.6.2015): Report on the human rights situation in Ukraine 16 February to 15 May 2015,

http://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/10thOHCHRreportUkraine.pdf , Zugriff 8.1.2016

 

Das UK Home Office berichtet in seiner Country Information and Guidance zum Militärdienst in der Ukraine vom November 2015, dass beim Militärdienst in der Ukraine das Schikanieren jüngerer Soldaten durch ältere Jahrgänge nach wie vor ein ernstes Problem ist, dass dies aber nach Ansicht des Home Office nicht relevant ist im Sinne des Art. 3 der EMRK (Folterverbot).

 

UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Ukraine:

Military service,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/479412/CIG_-_Ukraine_-_Military_service_v_1_0.pdf , Zugriff 11.1.2016

 

Beweiswürdigung:

 

Sowohl BF1 als auch BF2 haben im Verfahren unbedenkliche Dokumente zu ihrer Identität vorgelegt, weshalb diese festzustellen war.

 

Die BF leiden an psychischen Erkrankungen. So wurde bei beiden BF eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und leidet BF1 laut den vorgelegten medizinischen Unterlagen auch an einer Depression. Beide stehten in therapeutischer und medikamentöser Behandlung.

 

Eine Beeinträchtigung der Einvernahmefähigkeit zum jeweiligen Einvernahme- bzw. Verhandlungszeitpunkt aufgrund der psychischen Probleme wurde nicht – auch nicht in der Beschwerde und auch nicht in der abschließenden Stellungnahme – behauptet und war auch aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht fassbar. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der erkennende Richter von den BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erlangt hat, haben sich keine Bedenken gegen die Einvernahmefähigkeit ergeben. Die BF hinterließen beim erkennenden Richter vielmehr den Eindruck, dass sie – basierend auf diversen Internet- und Medienberichten – Angst vor diversen Bedrohungsszenarien in der Ukraine entwickelt haben, von denen sie jedoch nicht persönlich betroffen waren.

 

Für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens war vorerst Folgendes festzuhalten.

 

Das Verwaltungsgericht Frankfurt führte mit Urteil vom 03.11.2009, 4 K 3892/08.F.A(V) <5276056> im Zusammenhang mit einer PTBS aus, dass die Feststellung der Vorgänge im Heimatland, die Grundlage eines Traumas und daraus folgender Belastungsstörungen sein können, Aufgabe des Gerichts ist. ( ) Mit wissenschaftlichen oder medizinischen Methoden ist eine Wahrheitsfindung nicht möglich. "Ohne Überzeugung der Richtigkeit der Geschehensabläufe im Herkunftsland kann das Gericht das vom Arzt seiner Diagnose zugrunde gelegte Ereignis nicht als Realität annehmen.

 

Allfällige psychische Beschwerden können dem Vorbringen der BF demnach nicht mehr Glaubhaftigkeit verleihen.

 

Es muss auch bereits an dieser Stelle deutlich fesgehalten werden, dass sich weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeverhandlung Fehler bei der Protokollierung bzw. eine schlechte Dolmetscherleistung ergeben haben. Vielmehr werden derartige Anschuldigungen völlig beliebig während sämtlicher Befragungen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht von den BF ins Treffen geführt. Dies gipfelte darin, dass die BF sich am Ende der Beschwerdeverhandlung geweigert haben, das Verhandlungsprotokoll zu unterfertigen, dies mit dem Argument, dass sie nicht ausreichend Zeit gehabt hätten, alle wichtigen Ergänzungen vorzunehmen.

 

Hier war bereits anzumerken, dass die Rechtsvertreterin das Protokoll zur Gänze gelesen hat. Aus ihrer Sicht ist im Protokoll genau das wieder gegeben, was in der Einvernahme der beiden BF von der Dolmetscherin übersetzt wurde, vielleicht nicht jedes Wort zu 100%, dies entzieht sich naturgemäß mangels Sprachkenntnissen einer absoluten Sicherheit – doch aber das gesamte Protokoll dem Inhalt nach (S. 18 Verhandlungsprotokoll).

 

BF1 und BF2 erklärten im Übrigen vorerst in der Beschwerdeverhandlung, sich mit der Dolmetscherin gut verständigen zu können (S. 2 und 9 Verhandlungsprotokoll). Nach weit fortgeschrittener Beschwerdeverhandlung meinte BF1 dann unverhofft, dass sie den Eindruck habe, die Dolmetscherin übersetze nicht alles, was sie gesagt habe. Sie meinte auch, dass die Dolmetscherin einen Akzent habe und sie eine andere Dolmetscherin haben wolle (S. 14 Verhandlungsprotokoll). Im Zuge der Rückübersetzung nach Befragung von BF2 meinte dieser vollkomen unlogisch, die Dolmetscherin nicht verstanden zu haben. Gleichzeitig hat er sich minutenlang mit dieser auf Russisch unterhalten, um in der Folge zu behaupten, er habe sich keine ausreichenden Notizen machen können, da er vieles dem Sinn nach nicht verstanden habe (S 18 Verhandlungsprotokoll).

 

Die BF meinten auch in der Beschwerdeverhandlung, wie auch schon in der Einvernahme vor dem BFA, dass sie nicht alles sagen hätten können bzw. hegten die Befürchtung, dass nicht alles protokolliert worden sei, was sie gesagt hätten, wofür es jedoch keine Anhaltspunkte gibt.

 

Der erkennende Richter hat den BF auch die Möglichkeit gegeben, anzugeben, was sie noch zu sagen hätten, und meinte BF2 auf diese Möglichkeit, noch etwas vorzubringen, lediglich, dass er das Recht habe, alles zu sagen, was passiert sei und Fehler aus dem letzten Interview auszubügeln. Auch monierte er, dass der erkennende Richter ihn nicht immer ausreden habe lassen und er noch mehr Zeit bräuchte, um alles zu sagen, was wichtig sei. Nachdem ihm noch einmal die Möglichkeit gegeben wurde, etwas Konkretes vorzubringen, schilderte er lediglich Allgemeinposten, Geschichten die er vom Hörensagen bzw. den Medien kenne sowie sein immer gleiches Vorbringen, wonach er nicht zum Militär wolle (S. 18 und 19 Verhandlungsprotokoll).

 

Auch BF1 hat im Rahmen der Rückübersetzung ihr Vorbringen wiederholt, das sie bereits unzählige Male vorgetragen hat. Sie hat mit ihrem Verhalten die Rückübersetzung massiv beeinträchtigt und in die Länge gezogen (S. 17 Verhandlungsprotokoll).

 

Zumal beide BF offensichtlich immer weiter über allgemeine Ereignisse ohne Bezug zum Fall vortragen wollten, wurde die Verhandlung schließlich durch den erkennenden Richter beendet.

 

Beiden BF wurde im Übrigen in der Beschwerdeverhandlung (wie schon am Ende der jeweiligen Einvernahme vor dem BFA) die Möglichkeit gegeben, darzulegen, was in der Einvernahme vor dem BFA falsch gelaufen sei. BF2 erwähnte hier vollkommen irrelevante Informationen. So sei falsch protokolliert worden, wo er in Österreich nach der Schleppung ausgestiegen sei (S. 13 Verhandlungsprotokoll). Auch BF1 meinte in der Beschwerdeverhandlung, nicht alles sagen haben zu können. Auch meinte sie, dass vieles nicht ausreichend geschildert worden sei und verwies – ohne dies zu spezifizieren – darauf, dass bereits bei der Behörde vieles nicht protokolliert worden sei (S. 15 Verhandlungsprotokoll).

 

Zusammenfassend war an dieser Stelle festzuhalten, dass bei den BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht offensichtlich eine ordnungsgemäße Protokollierung und Übersetzung durch den Dolmetscher des von ihnen vorgetragenen Sachverhaltes stattgefunden hat.

 

Zum Fluchtvorbringen war auszuführen, dass BF2 vor BF1 den Herkunftsstaat verlassen hat. BF2 schilderte einerseits eine Verfolgung durch Separatisten, andererseits hätte er in der Ukraine den Militärdienst erleiden müssen. Aufbauend darauf erklärte BF1, dass sie eine Demonstration organisiert habe, die sich gegen die Einberufung junger Männer zum Militär gerichtet habe. Infolge dieser Demonstrationsteilnahme seien strafrechtliche Ermittlungen gegen sie eingeleitet worden. Im Übrigen sei sie von Separatisten, die ihren Sohn gesucht hätten, verfolgt worden.

 

Was eine allfällige Vorladung von BF2 vor die Militärbehörde betrifft, kann aus einer solchen und dem damit vebundenen Vorbringen nicht gefolgt werden, dass BF2 im Herkunftsstaat einer an asylrelevanten Merkmalen anknüpfenden Verfolgung ausgesetzt war bzw. in Zukunft ist.

 

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgericht kann bereits keine besondere Bedeutung von BF2 für das ukrainische Militär im Vergleich zu anderen ukrainischen Staatsangehörigen im wehrpflichtigen Alter erkennen. Im Lichte seines psychischen Gesundheitszustandes erscheint überhaupt abwegig, dass BF2 überhaupt zum Militärdienst eingezogen wird. Es kann im Lichte der Länderinformationen auch nicht erkannt werden, dass BF2 für den Fall, den Wehrdienst zu verweigern, einer Bestrafung ausgesetzt wäre, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde.

 

Er hat insbesondere überhaupt nicht dargelegt und im Verfahrensverlauf auch keinerlei substantiierten Hinweis dafür liefern können, dass er im Fall der Rückkehr aus asylrelevanten Gründen einberufen würde oder im Vergleich zu anderen männlichen Staatsbürgern der Ukraine schlechter behandelt würde, sollte er einer erfolgenden Einberufung keine Folge leisten.

 

Für BF2 welcher der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung angehört und gar keine militärische Ausbildung hat, kann keinerlei asylrelevante Schlechterstellung im Zusammenhang mit einem hypothetisch drohenden allfälligen Militärdienst erkannt werden.

 

Was das weitere Vorbringen betrifft, wonach BF1 infolge einer Demonstrationsorganisation strafrechtliche Verfolgung befürchtet bzw. beide BF Verfolgung durch Separatisten befürchten, war diesem die Glaubhaftigkeit abzusprechen.

 

Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BlgNR 18. GP ; AB 328 BlgNR 18. GP ] zu verweisen, die wiederum der VwGH-Judikatur entnommen wurden).

 

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

 

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

4. Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u.v.a.m.).

 

Vorausgeschickt wird, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muss (so schon VwGH vom 16.01.1987, Zl. 87/01/0230, VwGH vom 15.03.1989, Zl. 88/01/0339, UBAS vom 12.05.1998, Zahl:

203.037-0/IV/29/98 uva.m.)

 

Wie bereits dargelegt, wurde den BF in der Beschwerdeverhandlung am 13.06.2017 die Möglichkeit gegeben, sich zu den fluchtauslösenden Ereignissen zu äußern, wobei sich dabei aufgrund des persönlichen Eindrucks infolge des Aussageverhaltens der BF für den erkennenden Richter bestätigt hat, dass die BF infolge der medialen Berichterstattung über das kriminelle Vorgehen von Separatisten und anderer Gruppierung sowie aufgrund einer potentiell drohenden Einberufung zum Militärdienst den Herkunftsstaat verlassen haben.

 

Das zeitlich an erster Stelle stehende Vorbringen über einen Vorfall im Park in XXXX entbehrt jegliche Substanz. Bei diesem Vorbringen handelt es sich offensichtlich um ein Produkt der Fantasie von BF1 und konnte er hier in keiner Weise glaubhaft darlegen, dass es sich um irgendeine Form von Verfolgungshandlung durch Separatisten oder andere kriminelle Gruppen gehandelt hat, um ihm seine Organe zu entnehmen oder um ihn im Ostukrainekonflikt auf Seiten der Separatisten im Kampf gegen die Ukraine einzusetzen.

 

In der Erstbefragung hat der BF ausschließlich die Angst, zum ukrainischen Militär einrücken zu müssen, als Fluchtgrund genannt. Er hat in diesem Zusammenhang einen Vorfall am XXXX bei sich zuhause genannt, den er in den späteren Befragungen im Zusammenhang mit einem Besuch durch Separatisten genannt hat.

 

Erst in der Einvernahme vor dem BFA am 21.03.2016 und nach der zwischenzeitigen Einreise seiner Mutter erklärte er, dass die Separatisten, die in Verbindung mit den heimischen Gruppierungen stehen würden, ihn entführen und seine Organe verkaufen hätten wollen. Trotz mehrfacher Aufforderung in der Einvernahme am 21.03.2016 diesen Sachverhalt genauer zu schildern, beschränkten sich seine Schilderungen darauf, dass im Oktober 2014 im Park ein Mann aus dem Auto ausgestiegen sei, sich umgeschaut habe und zum BF2 gesagt habe: "Hey Bursche komm her." Ein zweiter Mann sei zu dieser Zeit aus dem Auto augestiegen und seien die beiden Männer ihm entgegengekommen, ohne dass BF2 in ihre Richtung gegangen sei. Er sei dann vor den beiden Männern weggelaufen und mit dem Bus nachhause gefahren. Die beiden Männer beschrieb er als kräftig und größer als er. Er konnte in der Folge auch nichts näheres zum Vorfall schildern und meinte auf mehrmalige Nachfrage, dass er von dem geschilderten Sachverhalt ausgegangen sei, da es seit dem Sommer 2014 zu mehreren Vorfällen gekommen sei, wonach Jugendliche von Separatisten verfolgt worden seien.

 

Er meinte damals auf ausdrückliche und mehrfache Nachfrage des einvernehmenden Referenten, konkrete Vorfälle zu schildern, immer nur vollkommen allgemein, dass junge Menschen aus seinem Ort von Separatisten entführt worden seien und verwies auf Medienberichte. Der einzige Vorfall von dem er wisse, sei die Entführung eines nicht namentlich bekannten Jugendlichen in einer Disko gewesen.

 

Auch in der Beschwerdeverhandlung blieb das Vorbringen rund um diesen Vorfall im Herbst 2014 mehr als dürftig bzw. ist auch hier der von den BF hineinreklamierte Verfolgungshintergrund nicht erkennbar. Er schilderte, durch den Stadtparkt gegangen zu sein. Er wisse nicht, ob der Mann, der dann aus dem Auto gestiegen sei, zivil gekleidet gewesen sei, oder eine Uniform getragen habe. Der Mann habe gesagt: "Junger Mann, komm her." Dann sei ein zweiter Mann aus dem Auto gestiegen und habe sich der erste Mann in seine Richtung begeben. Sie seien eigentlich beide auf ihn zugekommen. Er habe Angst bekommen und habe zu laufen begonnen. Ich habe mit diesen beiden Männern kein Wort gesprochen. Ich habe Angst verspürt, weil Separatisten seit 2014 junge Männer entführt haben. Er meinte auch, nicht mit Namen oder dergleichen angesprochen worden zu sein. (S. 10 Verhandlungsprotokoll)

 

BF1 meinte zu diesem Vorfall befragt, dass Separatisten versucht hätten, BF2 etwa im Oktober zu entführen. Diese meinte, nicht zu wissen, ob BF2 diese Männer bereits zuvor gekannt habe, er habe aber gewusst, dass es Separatisten seien. Auf Nachfrage, ob diese speziell gekleidet gewesen seien, meinte sie, dass ihr Sohn ähnlich aussehende Männer schon im Mai 2014 in XXXX gesehen habe. Damals sei eine Gruppe von Separatisten nach XXXX gekommen und hätten die Russische Flagge bei einem Hotel am Gebäude gehisst. Sie verwies auf einen Bericht, in dem bestätigt werde, dass derartige Männer im Mai 2014 nach XXXX gekommen seien. (S. 4 und 5 Verhandlungsprotokoll)

 

Zumal auf den vorgehaltenen Berichten paramilitärische gekleidete Personen abgebildet sind, fragte der erkennende Richter BF1, ob ihr Sohn von paramilitärischen gekleideten Personen im Stadtpark angesprochen worden sei, wobei sie im Gegensatz zum BF1 meinte, dass diese Zivil gekleidet gewesen seien (S. 5 Verhandlungsprotokoll), was BF2 im Gegensatz dazu nicht mehr gewusst haben will.

 

BF1 meinte schließlich, dass die Männer im Park den Sohn nicht gekannt hätten. Auch ihr Sohn habe diese Männer nicht gekannt. Ihr Sohn habe nur gewusst, dass sie ihn verschleppen bzw. entführen wollen hätten (S. 6 Verhandlungsprotokoll).

 

Auch nach den Ausführungen von BF1 sind demnach keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach das geschilderte Vorbringen ein Entführungsversuch durch Separatisten gewesen ist.

 

Abgesehen davon, dass der geschilderte Vorfall auch eine versuchte Polizeikontrolle sein hätte können, erscheint dieses Vorbringen im Lichte der Länderinformationen auch insoweit unlogisch, als bereits nicht logisch nachvollziehbar ist, dass im Herbst 2014, Winter 2015 Separatisten an der rumänischen Grenze junge Männer entführen, um sie in die Kampfgebiete der Ostukraine zu bringen, zumal doch unzählige Kontrollpunkte der ukrainischen Armee passiert werden müssten. Dass Separatisten es riskieren würden, bei den unzähligen Kontrollpunkten gefesselte Entführungsopfer zu transportieren, erscheint vollkommen abwegig. (S. 5 Verhandlungsprotokoll) Auch der Logik von BF1, wonach die Separatisten viel Unterstützung durch staatliche Einrichtungen und der Polizei hätten, kann nicht gefolgt werden, würde die ukrainische Armee doch allein schon deshalb solche Transporte verhindern, als andernfalls die ukrainische Armee ja den militärischen Gegner unterstützen würde. Sie beschränkte sich hier auf wenig überzeugende Alltemeinposten, wonach die ukrainische Obrigkeit korrupt sei und Menschen nicht geschützt werden würden (S. 5 Verhandlungsprotokoll).

 

Es mutet auch wenig nachvollziehbar an, weshalb die Separatisten den BF im Oktober zielgerichtet entführen hätten wollen, in der Folge jedoch erst am XXXX einen weiteren Versuch bei ihm zuhause getätigt haben wollen, um ihn zu entführen, bei diesem Entführungsversuch jedoch unverrichteter Dinge wieder gehen.

 

Zum Vorfall am XXXX meinte BF2, nachdem der Hund gebellt habe, sei er durch die Hintertür in den Nachbargarten geflüchtet. Erst in Österreich habe er von seiner Mutter erfahren, dass es sich um zwei Separatisten gehandelt habe, die nach seiner Flucht noch ein zweites Mal zu seiner Mutter gekommen seien und den BF2 gesucht hätten. BF1 will sich im Nachbargrundstück versteckt haben und sei er nachhause zurückgekehrt, nachdem der Hund nicht mehr gebellt habe und er im Hof nachgesehen habe, dass dort niemand mehr sei. (S. 11 Verhandlungsprotokoll).

 

BF1 gab vor dem BFA zu diesem Vorfall befragt an, dass zwei Leute gekommen seien, bei denen es sich um Separatisten mit einheimischen Banditen gehandelt habe. Sie meinte, beim diesem Mal gar nicht die Tür aufgemacht zu haben. Durch das Fenster habe sie gesehen, dass sie in Zivil angezogen gewesen seien. Sie hätten angeklopft und gefragt, wo ihr Sohn sei. Sie hätten gesagt, sie würden ihren Sohn brauchen. Befragt, woher sie dies wisse, wenn sie die Tür nicht aufgemacht habe, meinte sie, dass die Eingangstür ein Glas gehabt habe und man sehr gut höre. Sie habe gesagt, dass ihr Sohn nicht zuhause sei. Sie hätten gesagt, sie würden wissen, dass dieser hier wohne und mit ihnen in den Krieg ziehen müsse.

 

Dieses Vorbringen erscheint wenig nachvollziehbar, kann doch nicht erkannt werden, inwieweit Separatisten, die zu allem bereit gewesen sein sollen, bei dem Mal, bei dem BF2 daheim gewesen sein soll, sich in der Nacht von BF1 hinter verschlossener Tür abwimmeln lassen hätten sollen, um wenige Tage später – nach der Ausreise von BF2 – neuerlich zu erscheinen, um brutal gegen BF1 vorzugehen.

 

Das ganze Vorbringen, wonach ihr Sohn bloß aufgrund von Geräuschen und dem Bellen des Hundes aus dem Haus geflüchtet sein will, mutet nicht nachvollziehbar an. Hätten tatsächlich Separatistengruppen zielgerichtet nach BF2 gesucht, erscheint auch nicht nachvollziehbar, dass diese in der Nacht zu zweit einen Besuch abstatten. Bei dem genannten Interesse wäre doch davon auszugehen gewesen, dass zumindest das Haus von den Separatisten umstellt worden wäre, um einen allfälligen Fluchtversuch des Gesuchten zu verhindern.

 

Insgesamt betrachtet muss das Vorbringen rund um ein Interesse von Separatisten an BF2 als völlig konstruiert bewertet werden.

 

Interressant ist hier auch, dass BF2 in der abschließenden persönlichen Stellungnahme ein umfassendes Wissen über die kriminellen Gruppierungen in XXXX haben will. Auch legte er in der abschließenden persönlichen Stellungnahme zahlreiche konkrete Vorfälle dar, die im Jahr 2014 stattgefunden hätten, wobei er bislang solche nicht darlegen konnte und hinzu kommt, dass BF1 keine Freunde und kaum Bekannte gehabt haben will. Hier war klar festzuhalten, dass BF1 weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeverhandlung nur ansatzweise irgendein Wissen zu den in XXXX tätigen kriminellen Gruppen tätigen konnte bzw. erst in der Beschwerdeverhandlung erstmals einen konkreten Namen eines Kriminellen genannt hat. Der abschließenden Stellungnahme kann demnach keinerlei Beweiswert zugestanden werden, hätte BF2 seit Beginn des Verfahrens doch wiederholt die Möglichkeit gehabt, von Vorfällen betreffend Bekannte und andere Personen im Jahr 2014 zu erzählen.

 

Konnten die BF demnach nicht glaubhaft ein Interesse der Separatisten an ihnen bzw. eine Verfolgung durch diese darlegen, erscheint auch das Vorbringen rund um eine Verfolgung im Zusammenhang mit der Weigerung von BF2, den Wehrdienst zu leisten bzw. der von BF1 in diesem Zusammenhang durchgeführten Demonstration nicht glaubhaft.

 

Das Vorbringen erscheint hier bereits aus dem Umstand heraus nicht glaubwürdig, als BF1 entscheidende Beweismittel im Herkunftsstaat zurückgelassen haben will. So will sie die beiden Ladungen, die ihr persönlich ausgefolgt worden seien, vor der Ausreise vernichtet haben.

 

Als Grund hiefür führte sie an, dass sie befürchtet habe, sie und ihr Sohn würden als Kriminelle abgetan, sollte die beiden Ladungen jemand finden (S. 7 Verhandlungsprotokoll). Dies erscheint in keiner Weise logisch nachvollziehbar, will BF1 doch illegal und schlepperunterstützt mit einem LKW von der Ukraine bis nach Österreich gereist sein. Derart ist BF2 wenige Wochen davor erfolgreich aus dem Herkunftsstaat nach Österreich gereist. BF2 stand nach seiner Asylantragstellung in Österreich mit BF1 in Kontakt und war demnach bereits das Bewusstsein dafür geschärft, dass im Asylverfahren Beweise benötigt werden. Ein Vernichten von derartigen Beweismitteln aus dem dargelegten Grund erscheint schlichtweg lebensfremd. Auch bei der gewählten illegalen Form der schlepperunterstützten Ausreise erscheint es vollkommen abwegig, sich Gedanken darüber zu machen mit zwei Ladungen erwischt zu werden.

 

Zumal BF1 mit BF2 vor ihrer Ausreise in Kontakt gestanden ist – dies hat BF2 in der Beschwerdeverhandlung auch bestätigt (S. 11 Verhandlungsprotokoll), kann nicht erkannt werden, weshalb BF2 der BF1 nicht seine Adresse gegeben hat, um die beiden Ladungen in das Bundesgebiet zu schicken. Seine Rechtfertigung, woanch er nicht gewusst habe , dass er diese Ladungen brauchen würde (S. 12 Verhandlungsprotokoll), zielt ins Leere.

 

BF1 meinte im Übrigen auf die Frage, warum sie die Ladungen nicht ihrem Sohn übermittelt habe, dass sie damals noch nicht seine Adresse gehabt habe. Sie meinte dann auch wenig nachvollziehbar, dass ihr von den Separatisten beim Vorfall Anfang Februar das Telefon weggenommen worden sei (S. 6 Verhandlungsprotokoll), was einmal mehr das beliebige Aussageverhalten von BF1 zeigt.

 

Schließlich erklärte sie auch, bereits Anfang Februar den Entschluss zur Flucht getroffen zu haben, was den Umstand umso unlogischer erscheinen lässt, dass sie die beiden einzigen Beweismittel nicht mitgenommen hat.

 

Es kann im Übrigen bereits nicht nachvollzogen werden, weshalb BF1 den Anfang Jänner 2015 erhaltenen Einberufungsbefehl nicht mitgenommen hat, um diesen als Beweismittel vorzulegen, zumal es sich um seinen Fluchtgrund gehandelt hat.

 

Aber auch der Grund, weshalb BF1 Ladungen für sich und BF2 erhalten haben soll, lässt das Vorbringen nicht in ein glaubwürdigeres Licht rücken.

 

Sie schilderte von einer Demonstrationorganisation in XXXX vor der Militärbehörde, die sie organisiert habe. In ihrer Schilderung hat es sich dabei um eine derart niederschwellige Veranstaltungen von ein paar Müttern gehandelt, die von den Teilnehmern – auch von BF1 – nach der Aufforderung des Militärs, diese aufzulösen,tatsächlich friedlich aufgelöst wurde, dass nicht erkannt werden kann, inwieweit BF1 in der Folge eine Ladung aufgrund eingeleiteter strafrechtlicher Ermittlungen gegen sie erhalten haben soll. So wurde BF1 im Zuge der Demonstration bzw. Zusammenkunft von Müttern doch überhaupt nicht erkennungsdienstlich erfasst. Die Demonstration war auch gar nicht angemeldet. Sie soll darin bestanden haben, dass sich einige Mütter vor die Militärstation gestellt haben und BF1 vor den anderen Müttern ohne Podest und Mikrofon gesprochen haben soll.

 

Es muss schließlich auch im Fall von BF1 festgehalten werden, dass nicht erkannt werden kann, inwieweit sie sich in der abschließenden Stellungnahme konkret und detailliert erinnern will, nach welchen gesetzlichen Bestimmung gegen sie ermittelt werden soll und welches strafrechtlich relevante Verhalten ihr konkret vorgeworfen worden sein soll. Diesen ausführlichen und gegliederten Ausführungen in der Stellungnahme am Ende des Rechtsmittelverfahrens steht gegenüber, dass BF1 sich zu Beginn des Verfahrens an den Inhalt der Ladungen überhaupt nicht konkret erinnert haben will und erst im Verlauf des Verfahrens konkrete Bestimmungen genannt hat, aufgrund derer sie und ihr Sohn strafrechtlich verfolgt werden würden. Hier wird offensichtlich, dass BF1 im Verlauf des Verfahrens anhand der zahlreich zusammengesammelten Berichte und Unterlagen zur Ukraine ein beliebiges Vorbringen basierend auf den gesammelten Infomrationen erstattete. Es mutet jedenfalls nicht glaubwürdig an, dass sich BF1 nach mehrjährigem Asylverfahren besser an die Ereignisse am Beginn des Jahres 2015 erinnern will, als zu Beginn des Asylverfahrens. Hier was auch festzuhalten, dass BF1 in ihrer Stellungnahme vor dem BFA gerade den Umstand moniert hat, nicht schon wesentlich früher einvernommen worden zu sein und sich deshalb nicht mehr an alle Details und Umstände erinnern zu können.

 

Für den erkennenden Richter mutet es nach all dem Gesagten nicht nachvollziehbar an, warum BF2 sich nicht einfach bei der Militärbehörde gemeldet hat, um überhaupt eine Überprüfung seiner Tauglichkeit festzustellen.

 

Zumal BF1 bereits in der Ukraine in XXXX von einer Psychiaterin behandelt worden ist, kann auch nicht erkannt werden, dass BF2 als uneingeschränkt tauglich in den Militärdienst übernommen worden wäre und zitierte er hier vollkommen oberflächlich Zahlen zu zum Wehrdienst eingezogene Männer sowie zu in Haft befindlichen Wehrdienstverweigerern (S. 12 Verhandlungsprotokoll).

 

Wenig überzeugend meinte er in der Beschwerdeverhandlung auch, dass seine psychischen Probleme kein Grund seien, nicht kämpfen zu müssen. Er meinte dann vorerst, mit Bekannten darüber gesprochen zu haben, die Probleme mit der Sehkraft und dem Herzen gehabt hätten. Die Ärzte hätten alle hingeschickt. Die Polizei habe die Leute von der Straße weg zum Militär geschickt. Sie würden dort zwei bis drei Tage festgehalten, würden dann von einer medizinischen Kommission untersucht und seien dann nach zwei bis drei Monaten in die Anti Terrorzone geschickt worden. Auf weitere Nachfrage, wie ihm Bekannte dies erzählen hätten können, meinte er letztlich, dies aus Massenmedien gehört zu haben. Auch meinte er vollkommen beliebig, Bekannte dieser Bekannten hätten es ihm erzählt (S. 13 Verhandlungsprotokoll).

 

Abgesehen davon, dass BF2 keine Berichte vorgelegt hat, wonach in der Ukraine systematisch kranke Männer einrücken müssten und sofort in die Kampfzone geschickt werden würden, macht dieses Vorbringen auch keinen Sinn, wäre dies doch für die ukrainischen Armee kontraproduktiv und deckt sich diese Behauptung auch nicht mit den dem Parteiengehör unterzogenen Länderinformationen.

 

Betrachtet man den Hintergrund von BF2, der offensichtlich psychische Probleme hat, die gerade daher rühren, dass er Angst vor dem Militärdienst hat, erscheint für den erkennenden Richter nicht sehr wahrscheinlich, dass dieser den Militärdienst ableisten muss. Zumal er keinerlei militärische Ausbildung hat erscheint aber selbst im Falle der Ableistung des Milärdienstes in keiner Weise wahrscheinlich, dass er an vorderster Front eingesetzt würde. Eine hervorgehobene Person während eines allfälligen Militärdienstes erscheint aufgrund des Profils von BF2 vollkommen abwegig und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

 

Es kann letztlich nicht erkannt werden, in wieweit es problematisch ist, dass BF2 sich einer Prüfung unterzieht, ob er allenfalls tauglich und zum Militärdienst herangezogen werden könnte. BF2 ist demnach zumutbar, in den Herkunftsstaat zurückzukehren, um eine Überprüfung seiner Tauglichkeit durch die Militärbehörden prüfen zu lassen.

 

Es wird im Übrigen auch festgehalten, dass trotz mittlerweile strengerer Handhabe von Wehrdienstverweigerern nicht davon auszgugehen ist, dass die Strafen bei Verweigerung des Militärdienstes bzw. eine damit verbundene Haftstrafe mit einer asylrelevanten Gefährdung bzw. einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung einhergehen.

 

Auch das vorgesehene Strafausmaß für die Entziehung vom Wehrdienst bzw. Desertion erreicht laut der vorliegenden Länderberichte kein unverhältnismäßiges Ausmaß. Zudem wird im vorliegenden Berichtsmaterial auch hervorgehoben, dass bislang lediglich in wenigen Fällen eine tatsächliche Freiheitsstrafe (im Ausmaß von ein bis wei Jahren) verhängt worden sei. Der Strafrahmen von zwei bis fünf Jahren wurde meist nicht ausgeschöpft und die verhängten Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Im Berichtsmaterial wird weiters ausgeführt, dass kein Verurteilter seine Strafe vollständig absitzen hat müssen.

 

Er haben sich nach dem Gesagten keine Anhaltpunkte ergeben, dass BF2 im Fall der Rückkehr aus asylrelevanten Gründen einberufen würde oder im Vergleich zu anderen männlichen Staatsbürgern der Ukraine schlechter behandelt würde, sollte er einer erfolgenden Einberufung keine Folge leisten.

 

Bei BF2, der der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung angehört, war keinerlei asylrelevante Schlechterstellung im Zusammenhang mit einem in der Zukunft (hypothetisch) drohenden allfälligen Wehrdienst zu erkennen. BF2 hat sich nach eigenen Angaben niemals politisch betätigt und hatte keine Probleme mit Polizei oder Behörden seines Herkunftsstaats gehabt.

 

Die in das Verfahren miteinbezogenen Länderinformationen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche dar, weshalb kein Anlass besteht, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Die BF haben quer durch das gesamte Verfahren Internetberichte ohne direkten Bezug zu den BF vorgelegt, aus denen jedoch keine Verfolgung der BF im Herkunftsstaat ersichtlich ist. Auch zu den in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Berichten erklärte sie ausdrücklich, dass diese nicht konkret mit ihr zu tun hätten (S. 18 Verhandlungsprotokoll).

 

Selbst wenn sich die Länderinformationen auf Quellen älteren Datums stützen können diese als für das Verfahren relevant und aktuell angeshen werden, zumal von einer weitgehend unveränderten bzw. sich nicht verschlechterten Situation auszugehen war. Aus den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass in den westlichen Landesteilen der Ukraine keine Verschlechterung der grundsätzlich ruhigen Sicherheitslage bekannt geworden ist. Auch in Teilen der Ostukraine gehen die Bürger weitestgehend ihren normalen Alltagsgeschäften nach.

 

Generell ist als notorisch anzusehen, dass die Kampfhandlungen in der Ostukraine in den letzten Monaten beendet wurden, der Waffenstillstand im Wesentlichen eingehalten wird.

 

Die von den BF in der Beschwerdeverhandlung und in der abschließenden Stellunganhme wiederholten Bedenken gegen eine Rückkehr von BF2, der sich im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat an Menschenrechtsverletzungen im Zuge des Militärdienstes zumindest indirekt beteiligen müsste und bei einer Weigerung mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen müsste, die aufgrund der Situation in den Haftanstalten unverhältnismäßig wäre, können nach dem Gesagten und im Lichte der zitierten Länderinformationen nicht geteilt werden.

 

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der BF, einer Mutter und ihrem volljährigen Sohn, infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist trotz der derzeitigen Zustände in Regionen der Ostukraine nicht anzunehmen, weil die BF im Westen der Ukraine gelebt haben, wo unverändert eine Wohnmöglichkeit am Heimatort besteht, wo sich im Übirgen ihr leerstehendes Haus befindet und außerdem die Mutter von BF1 bzw. Großmutter von BF2 sowie weitere Angehörige aufhältig sind. Die BF haben zwar behauptet, keinen Kontakt in den Herkunftsstaat aufgrund eines kaputten Handys zu haben, muss dieses Vorbringen jedoch als Schutzbehauptung gewertet werden, hätten die BF diesfalls doch versucht, der Familie im Herkunftsstaat zu schreiben, was von den BF in der Beschwerdeverhandlung jedoch verneint worden ist. Es kann auch nicht erkannt werden, inwieweit die Mutter von BF1, die sich um ihre Schwester kümmert, in der Zwischenzeit die Ukraine verlassen hätte sollen.

 

Unabhängig davon, haben die BF eine sehr enge Bindung und im Herkunftsstaat gemeinsam gelebt, wobei BF1 über Jahr für sich und BF2 durch ihre selbständige Schneiderei versorgen konnte. Es kann nicht erkannt werden, inwieweit ihr dies nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht wiederum möglich sein sollte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Anzuwendendes Verfahrensrecht:

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Zu A)

 

Asyl:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Bürgerkriegssituation (bzw. die eines sonstigen bewaffneten Konfliktes) in der Heimat des Antragstellers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus. Der Antragsteller muss in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 8.7.2000, 99/20/0203).

 

Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Aus den Gesamtangaben der BF ist nicht ableitbar, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat Ukraine konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätten.

 

Diskriminierungen in Zusammenhang mit der Volskgruppen- oder Religionszugehörigkeit wurden nicht vorgetragen und haben sich auch aus den Länderinformationen nicht ergeben.

 

Die BF stammen im Übrigen aus der Westukraine und sind vom Konflikt im Osten der Ukraine nicht unmittelbar betroffen.

 

Das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung durch Separatisten und ein strafrechtliches Vorgehen gegen BF1 aufgrund einer Demonstrationsteilnahme waren nicht glaubhaft.

 

Zur seitens des BF2 vorgebrachten Furcht vor Ableistung des Militärdienstes in der Ukraine bzw. ihm im Falle einer Rückkehr allenfalls drohenden Repressalien aufgrund der Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls ist auf folgende maßgebliche Judikaturlinie hinzuweisen:

 

Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der FlKonv genannten Gründen erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (VwGH 8.3.1999, 98/01/0371).

 

Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der VwGH geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art 1 Abschn A Z 2 FlKonv angeführten Gründen erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0326).

 

Die Heranziehung zum Militärdienst durch die Behörden eines souveränen Staates erlangt dann Asylrelevanz, wenn eine Schlechterstellung, schlechtere Behandlung oder Unterwerfung unter ein strengeres Strafregime bestimmter, nach Religion oder sozialer Gruppe oder politischer Gesinnung abgegrenzter Personen der zum Wehrdienst herangezogenen Personen droht. Dieser Maßstab gilt aber nicht bei der Zwangsrekrutierung durch eine Rebellenarmee. Die Zwangsrekrutierung durch eine christliche Rebellenarmee, welche alle männlichen Christen ab einem bestimmten Lebensjahr umfasst, bildet allein für sich keinen Asylgrund (VwGH 8.9.1999, 99/01/0167).

 

Es kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (Hinweis E vom 27. April 2011, 2008/23/0124, mwN). Gemäß Art. 3 MRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen wiederholt unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 MRK gewürdigt (vgl. dazu das den Iran betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2006, 2005/20/0496, mwN) (VwGH 25.3.2015, Ra 2014/20/0085).

 

Wie beweiswürdigend dargelegt, hat BF2 im Verfahrensverlauf, vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen, keinerlei Anhaltspunkte auf das Vorliegen eines Sachverhaltes im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung vorgebracht. Eine ihm auf dem gesamten Gebiet der Ukraine drohende asylrelevante Gefährdung in Zusammenhang mit einer allfälligen Ableistung des Wehrdienstes bzw. Entziehung von selbigen konnte im Falle des BF2 sohin nicht erkannt werden.

 

Den BF ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen. Für die BF war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

Subsidiärer Schutz:

 

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

 

§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

 

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

 

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).

 

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

 

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.

 

Weder aus den Angaben der BF zu den Gründen, die für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Ausgehend von den dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht kein Grund davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehörige der Ukraine einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Eine völlige Perspektivenlosigkeit für die BF für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat kann somit schlichtweg nicht erkannt werden. Sowohl BF1 als auch BF2 haben bis zur Ausreise gearbeitet. Insbesondere BF1 ist es über Jahre hindurch gelungen, für sich und ihren Sohn (BF2) durch selbständige Arbeit als Schneiderin das finanzielle Auslangen zu finden. Zumal im Herkunftsstaat unverändert das Haus von BF1 steht, kann nicht erkannt werden, inwieweit sie bei einer Rückkehr dorthin in eine existenzbedrohende Lebenssituation geraten würden.

 

Es wurde bereits festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Ausreise die Mutter von BF1/ Großmutter von BF2 im Herkunftsstaat aufhältig gewesen ist. Auch deren Schwester und Tochter sind im Herkunftsstaat aufhältig.

 

Soweit die BF in der Beschwerdeverhandlung vermeinen, dass kein Kontakt zur Mutter/Großmutter bestehe, da das Handy der Beschwerdeführer zerstört worden sei, ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar, wäre es ihnen doch möglich und zumutbar gewesen, diesen Umstand schriftlich den Angehörigen im Herkunftsstaat mitzuteilen. Es kann auch nicht erkannt werden, inwieweit die Mutter/Großmutter der BF, die sich um ihre Schwester gekümmert haben soll, nicht mehr weiterhin in der Ukraine aufhalten soll, zumal die BF quer durch das gesamte Verfahren keine Probleme der Mutter/Großmutter angeführt haben.

 

Unabhängig von einem familiären Umfeld haben die BF jedoch vor der Ausreise finanziell unabhängig gelebt, weshalb im Lichte der unveränderten Situation im Herkunftsstaat – auch die Länderinformationen legen keine entscheidende Veränderung der Lage heute im Vergleich zum Zeitpunkt der Ausreise im Jahr 2015 dar – unverändert davon auszugehen ist, dass die BF für den Fall einer Rückkehr in keine existenzbedrohende Situation geraten würden.

 

Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr in die Ukraine sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Weiters gilt es zu bedenken, dass die BF im Herkunftsstaat den Großteil ihres Lebens verbracht haben, dort bis vor zweieinhalb Jahren noch aufhältig waren, sie die Sprache beherrschen und mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut sind (jedenfalls BF1 und BF2). Auch der fünf Jahre alte BF3 hat mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens im Herkunftsstaat verbracht und erklärten BF1 und BF2, dass zuhause Russisch und Ukrainisch gesprochen wird (S. 7 und 11 Verhandlungsprotokoll). BF4 ist überhaupt erst im November 2016 geboren worden, im Kleinkindalter und vollkommen von seinen Eltern abhängig.

 

Unter Verweis auf die zitierten Länderinformationen und jene im angefochtenen Bescheid kann für die Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe.

 

Wie beweiswürdigend bereits kurz ausgeführt, leiden beide BF an psychischen Erkrankungen. Beide leiden laut den aktuellsten Befunden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, wobei BF1 auch an einer Depression leidet.

 

Beide erhalten handelsübliche Psychopharmaka und stehe in psychotherapeutischer Behandlung. Eine exklusiv im Bundesgebiet verfügbare Behandlung erhalten beide nicht.

 

BF1 stand im Übrigen bereits vor der Ausreise in psychologischer Behandlung. In der Beschwerdeverhandlungen schilderten BF1 und BF2 darüber (S. 7, 8 und 9 Verhandlungsprotokoll) Zumal auch die Länderinformationen zur Ukraine eine adäquate medizinische Versorgung auch psychischer Erkrankungen bestätigen, kann nich erkannt werden, inweiweit eine solche nicht allenfalls in der Ukraine fortgesetzt werden könnte. Die BF haben im Übrigen weder in der Beschwerde noch in der abschließenden Stellungnahme behauptet, im Zusammenhang mit ihren psychischen Problemen im Herkunftsstaat in eine ausweglose Situation zu geraten.

 

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes übersieht nicht, dass das ukrainische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).

 

Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der BF im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde nicht vorgebracht und ist eine solche aufgrund adäquater Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat überhaupt nicht fassbar.

 

Den BF ist es daher nicht gelungen, darzulegen, dass sie im Falle einer Abschiebung in die Ukraine in eine "unmenschliche Lage" versetzt würden. Daher verstößt eine allfällige Abschiebung nicht gegen Art. 2, Art. 3 EMRK oder gegen die Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 und auch nicht gegen Art. 15 lit. c StatusRL.

 

Eine andere generelle Sichtweise würde im Übrigen den exzeptionellen Ausnahmecharakter des Zuspruchs subsidiären Schutzes bei nichtstaatlicher Verfolgung in nicht vertretbarer Weise relativieren, als diesfalls wohl Personen, die an leicht behandelbaren Erkrankungen ohne akuten oder lebensbedrohlichen Verlauf leiden, wenn Sie in die Europäische Union einreisen, ein Schutzstatus zu gewähren wäre.

 

Dass gerade der BF2 von schlechten Haftbedingungen bedroht wäre, blieb spekulativ und kann nicht erkannt werden, dass angesichts der Länderfeststellungen jegliche Möglichkeit eines Strafverfahrens für einen Bürger der Ukraine eine reelle Gefahr einer Bedrohung gemäß Art. 3 EMRK bedeutet.

 

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide des BFA abzuweisen.

 

Zu II.) Rückkehrentscheidung:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status von Asylberechtigten als auch von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die BF befinden sich nach ihrer Antragstellung im Jänner bzw. Februar 2015 durchgehend im Bundesgebiet. Ihr Aufenthalt ist jedoch nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet. Sie sind auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch nicht Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Die BF sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigte Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR, 21.06.1988, Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.05.1994, Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR, 19.02.1996, Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und volljährigen Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK, solange nicht jede Bindung gelöst ist (EGMR, 24.04.1996, Boughanemi, Appl. 22070/93 [Z 33 und 35]) (vgl. VfGH 12.03.2014, U 1904/2013).

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

 

Die BF verfügen in Österreich über keine relevanten familiären Beziehungen zu einer zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person. Entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bestehen zwischen den BF – Mutter und erwachsener Sohn – enge familiäre Bande, die über das normale Verhältnis von Eltern und ihren erwachsenen Kindern hinausgehen. Die BF habe im Herkunftsstaat im gemeinsamen Haushalt gelebt und ihr gemeinsames Familienleben in Österreich fortgesetzt. Beide BF sind psychisch beeinträchtigt und hat BF1 ihren Sohn (BF2) Zeit ihres Lebens versorgt. Quer durch das ganze Verafhren wurde auch die überaus enge Bande zwischen BF1 und BF2 dargelegt, wobei auch dargelegt wurde, dass BF2 im Herkunftsstaat kaum ein soziales Umfeld vorgefunden hat und seine Hauptbezugsperson BF1 gewesen ist. Vor allem unter dem Gesichtspunkt des Fortführens des bereits im Herkunftsstaat bestandenen Familienlebens war ein Familienleben zwischen BF1 und BF2 im Bundesgebiet zu bejahen.

 

Die BF sind jedoch beide im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weswegen im Falle einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben vorliegt.

 

Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben iSd. Art. 8 EMRK zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung in das Privatleben der Beschwerdeführer eingriffen wird und ob ein derartiger Eingriff gerechtfertigt ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts auf Familienleben und Privatleben statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim Bundesamt als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff aufgrund der bereits zitierten gesetzlichen Bestimmungen gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privatlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Die beiden BF sind gleichzeitig von der Rückkehrentscheidung betroffen, andere familiäre Bindungen zu Österreich bestehen nicht.

 

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

 

Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, 2006/01/0126, mit weiterem Nachweis).

 

Die BF halten sich seit zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Sie haben ihren Aufenthalt auf letztlich unbegründet gebliebene Asylanträge gestützt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 26.06.2007, 2007/01/0479, "... der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte..." und zu diesem Erkenntnis: Gruber, "Bleiberecht" und Artikel 8 EMRK, in Festgabe zum 80. Geburtstag von Rudolf MACHACEK und Franz MATSCHER

(2008) 166," ... Es wird im Ergebnis bei einer solchen (zu kurzen)

Aufenthaltsdauer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur "Bindung zum Aufenthaltsstaat" als nicht erforderlich gesehen...").

 

Gemäß der aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Integration von Asylwerbern stärker zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte – diese während eines einzigen Asylverfahrens erfolgt ist und von den Asylwerbern nicht schuldhaft verzögert wurde (vgl. VfGH 7.10.2010, B 950/10 u.a., wonach es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung – ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführer die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre – 7 Jahre verstreichen). Diese Judikatur wurde durch die Einführung der lit. I in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Rahmen der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 umgesetzt und findet sich nunmehr in § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG.

 

Es wurde nicht behauptet, dass die Dauer des bisherigen – im Licht der Judikatur vergleichsweisen kurzen – Aufenthaltes der BF in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet liegt. Derartiges war auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

 

Die BF haben in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes auch keine nennenswerte Integration und keinesfalls eine fortgeschrittene Integration dargelegt.

 

Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 8.4.2008, 21.878/06, NL 2008, 86, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich).

 

Im Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen, der die Ausweisung eines ehemaligen (nigerianischen) Asylwerbers betraf, erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen gegründet hatte und Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, da sich der Beschwerdeführer, der seine Lebensgefährtin (nach Abweisung des Asylantrages) geehelicht hatte, über die Unsicherheit seines fremdenrechtlichen Aufenthaltsstatus in Norwegen bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren sein habe müssen (EGMR 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen). In derartigen Fällen könne die Ausweisung eines Fremden nach Ansicht des Gerichtshofes (wie er im Fall da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande hervorhob) nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande mwN).

 

Unter Berufung auf diese Judikatur hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde.

 

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickte auch der Verwaltungsgerichtshof in der Ausweisung eines ukrainischen (ehemaligen) Asylwerbers, der im Laufe seines rund sechseinhalbjährigen Aufenthaltes durch den Erwerb der deutschen Sprache, eines großen Freundeskreises sowie der Ausübung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen (sowie mit seiner Unbescholtenheit) seine Integration unter Beweis gestellt hatte, da – wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausführte – die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der "auf einem (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag" gegründet gewesen sei (VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533; vgl. auch VwGH 22.1.2009, 2008/21/0654). Auch die Ausweisung eines unbescholtenen nigerianischen (ehemaligen) Asylwerbers, der beinahe während seines gesamten und mehr als 9-jährigen Aufenthaltes in Österreich einer legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte und nie öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hatte, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nicht, wobei er auch dem Argument des Beschwerdeführers, dass über seine Berufung in seinem Asylverfahren ohne sein Verschulden erst nach 7 Jahren entschieden worden war, keine entscheidende Bedeutung zugestand: Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass der Fremde spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages – auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte – im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen habe müssen (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Keine außergewöhnlichen Umstände iSd Art. 8 EMRK, die es unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Ausweisung eines (ehemaligen) chinesischen Asylwerbers, der in den letzten sieben Jahren seines rund achteinhalb Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen war und über eine österreichische Lebensgefährtin verfügte (VwGH 29.6.2010, 2010/18/0209; vgl. ähnlich auch VwGH 13.4.2010, 2010/18/0087). Zum selben Ergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei der Ausweisung eines georgischen (ehemaligen) Asylwerbers, der sich schon fast 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, über gute Deutsch-Kenntnisse verfügte und selbständig erwerbstätig war: Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass eine Reintegration des Beschwerdeführers (nicht zuletzt auch aufgrund seines Schulbesuchs in seiner Heimat) trotz behaupteter Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in Georgien weder unmöglich noch unzumutbar erscheine (VwGH 6.7.2010, 2010/22/0081).

 

Unter Berücksichtigung der Angaben der BF ergibt sich Folgendes:

 

Beide BF haben Deutschkurse besucht und hat BF1 ein entsprechende Deutschbestätigung auf dem Niveau A2 vorgelegt, wobei BF1 in der Beschwerde eingestand, aufgrund der angespannten Situation die deutsche Sprache erst lernen zu müssen (S. 14 Verhandlungsprotokoll).

 

Die BF gehen keiner legalen Beschäftigung nach. Sie haben eine solche auch nicht in Aussicht und wurde weder die Zusicherung einer Arbeit vorgetragen noch eine Einstellungszusage vorgelegt.

 

BF1 und BF2 haben sich ehrenamtlich engagiert, was aus den vorgelegten Unterlagen hervorgeht, kann aus diesem lobenswerten Engagement jedoch keine herausragende Integration erkannt werden. BF2 besucht auch vereinzelt Kurse an einer Universität als außerordentlicher Hörer.

 

Abgesehen davon haben sich jedoch keine weiteren Umstände ergeben, die für eine nachhaltige Integration sprechen. Die BF leben von der Grundversorgung in einer Unterkunft für Asylwerber, ist eine wirtschaftliche Integration nicht erfolgt und eine solche auch nicht absehbar.

 

Auch wenn vor allem BF1 (BF2 in geringerem Ausmaß) soziale Kontakte in Österreich pflegt und auch Empfehlungsschreiben vorgelegt wurden, muss festgehalten werden, dass keine Verpflichtungserklärung für die BF von den Verfassern abgegeben worden sind.

 

Zu einer allfälligen Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme war schließlich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Integration als stark gemindert erachtet wird, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11. 10. 2005, 2002/21/0124; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.). Im gegenständlichen Fall sind die Beschwerdeführer bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Im Herkunftsstaat – im Heimatort – halten sich unverändert Angehörige auf, wobei dort das Haus von BF1 und BF2 leersteht. Es besteht dort demnach unverändert eine Wohnmöglichkeit.

 

Im Vergleich zum Bundesgebiet haben es die BF im Herkunftsstaat geschafft, das wirtschaftliche Auslangen zu finden. Im Bundesgebiet ist dies den BF nicht möglich, sondern sie leben von Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF verfügen auch über entsprechende Sprachkenntnisse im Herkunftsstaat.

 

Im Lichte der kurzen Ortsabwesenheit von zweieinhalb Jahren Jahren kann auch nicht gesagt werden, dass die BF ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würden.

 

Unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs – zuletzt etwa VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247 – sind die Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass ihnen immer bewusst sein musste, dass ihr Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen war, da sie einzig wegen des Asylverfahrens über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht verfügten. Es konnte für sie daher kein ausreichender Grund zur Annahme bestehen, sie werden dauerhaft in Österreich bleiben dürfen.

 

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Die Unbescholtenheit der BF fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Bei einer Zusammenschau all dieser Umstände überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr der BF in den Herkunftsstaat sprechen.

 

Den privaten Interessen der BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH v. 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u. v.a.).

 

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07), wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.

 

Zusammengefasst ist deshalb davon auszugehen, dass die Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, jedenfalls in den Hintergrund treten.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, bzw. nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen war der belangten Behörde zwar beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung der angeführten Umstand den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben darstellt.

 

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

Im Ergebnis verfügen die BF über keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte – abgesehen von den familiären Banden zueinander – in Österreich. Die BF konnten auch keine hinreichenden eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Der persönliche, familiäre und berufliche Lebensmittelpunkt der BF lag bislang in der Ukraine. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende außergewöhnliche Integration in Österreich liegen nicht vor, auch wenn die BF durchaus Bemühungen zeigen sich zu integrieren.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

 

Nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der Beschwerdeführer ergibt sich daher und kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 nicht zu erteilen ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Umstände, welche das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung begründen würden, kamen nicht hervor. Ebenso ergibt sich aus den umfassenden beweiswürdigenden Überlegungen sowie den rechtlichen Ausführungen zur Nichtgewährung von subsidiären Schutz, dass keine Umstände vorliegen, welche gegen eine Abschiebung in die Ukraine sprechen.

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher individuellen Umstände der BF steht eine Abschiebung Art. 3 EMRK demnach nicht entgegen und konnten die BF – wie umfassend dargelegt – keine Gründe darlegen, die gegen ihre Rückkehr in den Herkunftsstaat sprechen würden.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen und konnten im Lichte der zitierten klaren Judikaturlinie zu Wehrdienst und Asyl auch dem Antrag in der abschließenden Stellungnahme, die ordentliche Revision zuzulassen, nicht näher getreten werden. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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