BVwG W102 2121798-1

BVwGW102 2121798-12.5.2016

AVG 1950 §74 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §19 Abs3
UVP-G 2000 §2 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35
AVG 1950 §74 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §19 Abs3
UVP-G 2000 §2 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W102.2121798.1.00

 

Spruch:

W102 2121798-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner Andrä als Vorsitzenden und die Richter Mag. Katharina David und Mag. Karl Thomas Büchele als Beisitzer über die Beschwerden von

1. XXXX ,

2. XXXX ,

3. XXXX ,

4. XXXX ,

5. XXXX ,

6. XXXX ,

7. XXXX ,

8. Gemeinde XXXX ,

9. XXXX ,

10. XXXX ,

11. XXXX ,

12. XXXX ,

13. XXXX ,

14. XXXX ,

15. XXXX ,

16. XXXX ,

17. XXXX ,

18. XXXX ,

19. XXXX ,

20. XXXX ,

21. XXXX ,

22. XXXX ,

23. XXXX ,

24. XXXX ,

25. XXXX ,

26. XXXX ,

27. XXXX ,

28. XXXX ,

29. XXXX ,

30. XXXX

31. XXXX ,

alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 07.01.2016, Zl. XXXX , XXXX , und gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 04.03.2016, Zl. XXXX , wegen der Zurückweisung der Anträge, dass für das Vorhaben Generalsanierung und Optimierung der 220 kV-Leitung Weißenbach - Ernsthofen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden abgewiesen.

II. Die Anträge auf Kostenersatz werden abgewiesen.

B)

I. Die Revision ist nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 18.11.2015 beantragten die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sowie der Drittbeschwerdeführer mit Schreiben vom 23.11.2015 sowie die übrigen Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.12.2015 bei der Oberösterreichischen Landesregierung als UVP-Behörde die Feststellung nach § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), dass die Generalsanierung und Optimierung der 220 kV-Leitung Weißenbach - Ernsthofen einem Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 zu unterziehen sei. Im Rahmen des Vorhabens plane die XXXX eine Optimierung der (n-1)-Sicherheit durch das Auflegen neuer querschnittsgleicher Leiterseile mit einer modernen Legierungszusammensetzung (Erhöhung der Ausfallreserve). Des Weiteren sollten bei insgesamt 16 Masten der Leitungsanlage Erhöhungen durch den Einbau eines "Zwischenschusses" verwirklicht werden. Weiters seien Einzelmaßnahmen wie Fundamentsanierungen, eine Erneuerung der Masterdung und des Korrosionsschutzes, ein Erdseiltausch sowie ein Austausch der Isolatorenketten geplant. Nach Ansicht der Beschwerdeführer seien die Bewilligungen für das gegenständliche Vorhaben nicht nach dem Starkstromwegegesetz, sondern nach den Bestimmungen des UVP-G 2000 zu erteilen gewesen.

2. Mit Bescheiden vom 07.01.2016 der UVP-Behörde wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweit- und Drittbeschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten kein Antragsrecht gem. § 3 Abs. 7 UVP-G 2000. Auch lasse sich aus der diesbezüglich ergangenen Judikatur sowie den europarechtlichen Normen keine Parteistellung ableiten. Dies werde durch zahlreiche Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts gestützt. Da den Beschwerdeführern somit weder Antragsrechte noch Parteistellung im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zukämen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3. Mit der dagegen eingebrachten Beschwerde des Drittbeschwerdeführers vom 06.02.2016 sowie der übrigen Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.02.2016 wurde von den Beschwerdeführern begründend zunächst ausgeführt, sie seien durch die angefochtenen Bescheide in ihrem "gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Gewährung der Parteistellung, auf Feststellung der Parteistellung und der damit verbundenen Antragslegitimation gemäß den Bestimmungen des UVP-G 2000 verletzt". Das gegenständliche Vorhaben sei einem Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 zu unterziehen, weswegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt sei und allfällige erteilte Genehmigungen seien gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 als nichtig zu erklären. Den Beschwerdeführern komme bei direkter Anwendung des Europarechts im Feststellungsverfahren Parteistellung zu. Die Behörde habe die Antragslegitimation bzw. die Parteistellung der Beschwerdeführer zu Unrecht verneint und so den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. In diesem Zusammenhang wird auf ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission verwiesen. Gemäß der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 2011/92/EU, könnten Bürger die gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung beantragen, die unter die Richtlinie fällt. Bei unionsrechtskonformer Anwendung der Richtlinie 2011/92/EU ergebe sich daher, dass den Beschwerdeführern im gegenständlich beantragten Feststellungsverfahren Parteistellung zukomme. Hinzu komme, dass der VwGH mit Beschluss vom 16.10.2013, ZI. EU 2013/0006-1 (2012/04/0040), diverse Fragen gemäß Art 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt habe. Abschließend wird beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die belangte Behörde zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verpflichten.

4. Mit Bescheid vom 04.03.2016 der UVP-Behörde wurden die Anträge der Beschwerdeführer 4 - 31 zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass den Antragstellern keine Antragslegitimation zukomme. Diese Frage sei von der Frage der Parteistellung in einem Feststellungsverfahren getrennt zu betrachten. Auch aus der ins Treffen geführten Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-570/13 , sei hinsichtlich der Antragslegitimation der Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Zu Antragslegitimation und Parteistellung der Beschwerdeführerin Nr. 8 ( XXXX ) führte die belangte Behörde aus, dass die Standortgemeinde in einem Feststellungsverfahren zwar Parteistellung genieße, ihr aber keine Antragslegitimation zukomme. Es handle sich bei der Gemeinde nicht um eine mitwirkende Behörde, die gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 einen Antrag auf Feststellung stellen könne. Zudem habe es die Beschwerdeführerin unterlassen, darzulegen, wodurch sich ihre Antragslegitimation begründe.

5. Mit Beschwerde vom 07.03.2016 führten die Beschwerdeführer 4 - 31 aus, dass sie sich in ihren gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten auf Gewährung der Parteistellung, auf Feststellung der Parteistellung und der damit verbundenen Antragslegitimation gemäß den Bestimmungen des UVP-G 2000 verletzt sehen würden. Im gegenständlichen Verfahren seien sie auf das Recht der Entscheidung durch den gesetzlichen Richter verletzt. Die Behörde gehe verfehlt und entgegen einer ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Umweltsenats und VwGH davon aus, dass Nachbarn oder anderen Personen eine Parteistellung oder Antragslegitimation im Feststellungsverfahren nicht zukomme. Die Beschwerdeführer verwiesen auf die Aufforderung der Europäischen Kommission vom 17.10.2013, in welcher die Republik Österreich aufgefordert worden sei, ihre Vorschriften zur Regelung hinsichtlich umweltrelevanter Entscheidungen zu verbessern. Hinzu komme, dass der VwGH mit Beschluss vom 16.10.2013, ZI. EU 2013/0006-1 (2012/04/0040), diverse Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt habe. Darüber hinaus befindet sich ein "Antwortentwurf" an den Gerichtshof in der Beschwerde. Abschließend stellten die Beschwerdeführer die Anträge auf mündliche Verhandlung sowie Kostenüberwälzung auf das Land Oberösterreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerden erwogen:

1. Zu den Rechtsgrundlagen:

1.1. Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte; im vorliegenden Fall ist dies das UVP-G 2000.

1.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 2 Abs. 1, des § 3 Abs. 1 und Abs. 7 sowie des § 19 Abs. 1 UVP-G 2000 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Mitwirkende Behörden sind jene Behörden, die nach den Verwaltungsvorschriften

1. für die Genehmigungen oder Überwachung des Vorhabens zuständig wären, wenn für das Vorhaben nicht eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen wäre,

2. für die Überwachung des Vorhabens oder die Erlassung von zur Ausführung des Vorhabens (Errichtung oder Betrieb) notwendigen Verordnungen zuständig sind oder

3. an den jeweiligen Verfahren zu beteiligen sind.

"Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Im vereinfachten Verfahren sind § 3a Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 1 lit. d und f, § 7 Abs. 2, § 12, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 5 und § 22 nicht anzuwenden, stattdessen sind die Bestimmungen des § 3a Abs. 3, § 7 Abs. 3, § 12a und § 19 Abs. 2 anzuwenden.

[...]

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(7a) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation oder ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation oder einem solchen Nachbarn/ einer solchen Nachbarin Einsicht in den Verfahrensakt zum Feststellungsverfahren zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation der Umweltorganisation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich.."

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

1. Nachbarn/Nachbarinnen: Als Nachbarn/Nachbarinnen gelten Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind; hinsichtlich Nachbarn/Nachbarinnen im Ausland gilt für Staaten, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, der Grundsatz der Gegenseitigkeit;

2. die nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Parteien, soweit ihnen nicht bereits nach Z 1 Parteistellung zukommt;

3. der Umweltanwalt gemäß Abs. 3;

4. das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zur Wahrnehmung der wasserwirtschaftlichen Interessen gemäß §§ 55, 55g und 104a WRG 1959;

5. Gemeinden gemäß Abs. 3;

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2) und

7. Umweltorganisationen, die gemäß Abs. 7 anerkannt wurden."

[...]

2. Zu Spruchpunkt A.I. - zur Abweisung der Beschwerden:

2.1. Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

2.2. Zur Frage, ob die UVP-Behörde den Antrag der Beschwerdeführer zu Recht zurückgewiesen hat, sind die Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Diese sind jedoch nicht berechtigt:

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ergibt sich, dass einen zulässigen Antrag auf Feststellung, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist, der Projektwerber, der Umweltanwalt oder die mitwirkende Behörde stellen kann. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben nach dieser Bestimmung neben dem Projektwerber und dem Umweltanwalt auch die Standortgemeinde. Nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 sind weiters auch eine anerkannte Umweltorganisation sowie - seit der Novelle des UVP-G 2000 mit BGBl. I Nr. 4/2016 - ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, gegen einen Feststellungsbescheid eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, mit dem ausgesprochen wurde, dass keine UVP durchzuführen ist.

Nachbarn können somit keinen zulässigen Antrag auf Einleitung eines UVP- Feststellungsverfahrens stellen, was in (bisheriger) ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Umweltsenates immer wieder bestätigt wurde (VwGH 28.06.2005, 2004/05/0032; VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066; VwGH 22.04.2009, 2009/04/0019; VfGH 23.11.2003, B 1212/02; US 30.07.2010, 7B/2010/4-28, Hofstätten/Raab; BVwG beginnend mit der Entscheidung vom 17.06.2014, W113 2006688-1, Spielberg Motorsportzentrum, Formel 1 Rennen sowie Entscheidung vom 24.03.2016, W104 2121923-1, Graz Puchstraße sowie zuletzt vom 27.04.2016, W113 2123370-1, Abfallbehandlungsanlagenerweiterung KG Hörtendorf).

Auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf die Entscheidung des VwGH zur Rechtssache "Gruber" (22.06.2015, 2015/04/0002) hilft den Beschwerden nicht zum Erfolg. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob Nachbarn einer geplanten Betriebsanlage an einen Bescheid gebunden sind, mit dem festgestellt wurde, dass für ein Projekt keine UVP durchgeführt werden muss. Der VwGH kam zum Ergebnis, dass ein solcher Feststellungsbescheid gegenüber Nachbarn im Verfahren über die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung, die am UVP-Feststellungsverfahren nicht beteiligt waren, keine Bindungswirkung entfaltet. Er knüpfte dabei an ein Urteil des EuGH an (16.04.2015, C-570-13), den er zuvor in diesem Fall um eine Vorabentscheidung ersucht hatte. In den vorliegenden Beschwerdefällen ist jedoch nicht die Frage der Bindungswirkung eines UVP-Feststellungsbescheides, sondern die Berechtigung zur Stellung eines Feststellungsantrages durch Privatpersonen bzw. Nachbarn relevant.

Mit dem genannten Erkenntnis vom 22.06.2015 zur Zl. 2015/04/0002 verweist der VwGH auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach in einem materienrechtlichen Verfahren Nachbarn im Rahmen ihres Mitspracherechts mit dem Vorbringen, es sei keine UVP durchgeführt worden, die Frage der Zuständigkeit der vollziehenden Behörde aufwerfen können. Nach dem Urteil des EuGH im Fall Gruber seien die Bestimmungen des Art. 11 der UVP-Richtlinie nicht restriktiv auszulegen und daher müsse auch zur Frage der UVP-Pflicht Nachbarn ein Rechtsbehelf offen stehen, und zwar gegen die Entscheidung, keine UVP durchzuführen oder in einem späteren Genehmigungsverfahren. Folge des EuGH-Urteils im Fall Gruber sei gleichzeitig, dass der Feststellungsbescheid nach UVP-G 2000 keine Bindungswirkung für Nachbarn mehr entfalte

Das diesbezügliche Vorbringen im Zusammenhang mit der Rechtssache "Gruber" geht somit ins Leere.

2.3. Ähnlich verhält es sich bei der Beschwerdeführerin Nr. 8 ( XXXX). Als Standortgemeinde kommt ihr keine Antragslegitimation betreffend das UVP-Feststellungsverfahrens zu (vgl. Ausführungen Pkt.2.2.). Rechtsrichtig ist die belangte Behörde zum Schluss gekommen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin auch nicht um eine mitwirkende Behörde handeln kann, da sie keine Behörde im funktionellen Sinn ist:

Der Begriff "Behörde", dem sich das UVP-G 2000 bedient, ist ein Rechtsbegriff und ob ein Organ eine Verwaltungsbehörde ist, ergibt sich aus den ihr übertragenen hoheitlichen Ermächtigungen (vgl. Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz 549; vgl. VfGH 07.06.1999, KI-14/99; 02.10.1993, B381/93). Ermächtigungen zu hoheitlichem Handeln sind die Erlassung bzw. Setzung von Bescheiden, Verordnungen und Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Klassische Hoheitsakte sind auch Weisungen und Vollstreckungsakte (Bernhard Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4, S. 269ff).

Unabdingbare Voraussetzung des Erfüllens des § 2 Abs. 1 UVP-G 2000 ist somit, dass es sich bei der betreffenden Einrichtung um eine Behörde handelt, was die Kompetenz zu hoheitlichem Handeln impliziert (Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP-G³ § 2 Rz 6; Schmelz/Schwarzer, UVP-G § 2 Rz 17).

Die Gemeinde ist nach Art. 116 B-VG eine Gebietskörperschaft. Als Organe der Gemeinde sind gemäß Art. 117 B-VG jedenfalls der Gemeinderat, der Gemeindevorstand und der Bürgermeister vorzusehen (vgl. Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz 870). Diese Organe sind auch in § 17 der Oö GemO 1990 vorgesehen. Gemäß Art. 118 Abs. 6 B-VG kann die Gemeinde zwar im eigenen Wirkungsbereich ortspolizeiliche Verordnungen erlassen, was auf eine Qualifikation der Gemeinde als Behörde hinweist. Nach § 41 Oö GemO 1990 ist aber auch dieses Recht dem Gemeinderat übertragen. Überhaupt weist die Oö GemO 1990 der Gemeinde an sich keine hoheitlichen Befugnisse zu, sondern beruft dazu einzelne Gemeindeorgane. Eine oberösterreichische Gemeinde kann daher keine Behörde und somit auch keine mitwirkende Behörde sein (vgl. BVwg vom 14.10.2015, W180 2009522-1, 110-kV LeitungsverbindungVorchdorf-Kirchdorf; VwGH 27.01.2016, Ra 2015/05/0083-4).

Aber auch eine Umdeutung, dass der Antrag vom Bürgermeister als mitwirkende Baubehörde gestellt wurde, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn die baubehördliche Bewilligung einer 220 kV-Leitung ist nach dem Starkstromwegegesetz zu erteilen, und somit auch die Generalsanierung bzw. Optimierung des gegenständlichen Vorhabens; ein solches Bewilligungsverfahren zählt nicht zu den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs einer Gemeinde und somit kommt auch dem Bürgermeister keine Zuständigkeit als Baubehörde zu.

Mit Beschluss vom 27.01.2016, Ra 2015/05/0083, wies der VwGH die Revision gegen die oben zitierte Entscheidung des BVwG vom 14.10.2015, W180 2009522-1, zurück. Er führte aus, die Bestimmung des § 3 Abs. 7 UVPG 2000 treffe nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine umfassende und abschließende Regelung über den Kreis der Verfahrensparteien (unter Hinweis auf die Entscheidung vom 30.06.2004, 2004/04/0076, und vom 28.05.2015, 2013/07/0105). Hiebei unterscheide sie (u.a.) zwischen den Begriffen "mitwirkende Behörde" und "Standortgemeinde". Während nach dieser Gesetzesbestimmung der Standortgemeinde in einem Feststellungsverfahren Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (sowie gegen dessen Entscheidung Revision an den VwGH) zu erheben, eingeräumt seien, komme das Recht, einen Antrag auf Feststellung zu stellen, neben dem Projektwerber und dem Umweltanwalt nur einer mitwirkenden Behörde im Sinne des § 2 Abs. 1 leg. cit. zu.

Weiters führte der VwGH in seiner Entscheidung Ra 2015/05/0083 in Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 16.04.2015, Rs C-570/13 , "Gruber", RN 44) aus, es sei, um der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) zu entsprechen, ausreichend, wenn ein zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne dieser Richtlinie gehörender Einzelner, der die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf ein "ausreichendes Interesse" oder gegebenenfalls eine "Rechtsverletzung" erfülle, die Möglichkeit habe, die Entscheidung, keine UVP durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Ob eine Standortgemeinde die Kriterien der "betroffenen Öffentlichkeit" im genannten Sinn erfülle, könne bereits deshalb dahingestellt bleiben, weil der Gesetzgeber in § 19 Abs. 3 UVPG 2000 (idF BGBl. I Nr. 95/2013) der Standortgemeinde (wie auch u.a. den an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden, die von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein können) im Genehmigungsverfahren Parteistellung und das Recht, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen wie auch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den VwGH zu erheben, eingeräumt habe.

Der beschwerdeführenden Gemeinde kommt somit kein Antragsrecht zur Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens zu. Die Beschwerde ist abzuweisen.

2.4. Die UVP-Behörde hat somit zu Recht die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen eingebrachten Beschwerden sind somit abzuweisen, da den Beschwerdeführern keine Antragslegitimation zur Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahren zukommt.

3. Zu Spruchpunkt A.II. - zur Abweisung des Antrags auf Kostenersatz:

Mit § 35 VwGVG ist ein Kostenersatz lediglich für Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgesehen. Sonstige Regelungen über die Kostentragung sind nicht statuiert. Nach der Grundregel des § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Im Anwendungsbereich des AVG gilt damit der Grundsatz der Kostenselbsttragung (VwGH 27.06.2007, 2005/04/0257). Dieser Grundsatz gilt auch gegenüber der Behörde (VwGH 02.05.2006, 2004/07/0089). Ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet nur dort statt, wo er in der Verwaltungsvorschrift geregelt ist. Da im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Kostenersatz vorgesehen ist, findet somit gemäß § 74 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG ein solcher nicht statt (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0017 mVa 29.06.2005, 2004/04/0173). Der Antrag ist somit mangels Rechtsgrundlage abzuweisen.

4. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte trotz Antrags gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, da über die Beschwerden ausschließlich auf Grund der Aktenlage entschieden werden konnte. Das Bundesverwaltungsgericht konnte nach Einsicht in den Verfahrensakt der UVP-Behörde aufgrund des schriftlichen Beschwerdevorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 Grundrechte-Charta bedeutet hätte (VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146 und VwGH 27.02.2013, 2010/05/0080, jeweils mit Hinweisen auf die Judikatur des EGMR).

5. Zu Spruchpunkt B - zur Zulässigkeit bzw. zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen Spruchpunkt A.I) ist unzulässig, da die Rechtslage bezüglich der Frage, ob Nachbarn bzw. einer Privatperson ein Antragsrecht auf Einleitung einer Umweltverträglichkeitsprüfung haben sowie zur Frage, ob einer Gemeinde als solche Behördenfunktion zukommt, klar ist. Es liegt nämlich auch dann keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053).

Die Revision gegen Spruchpunkt A.II) ist unzulässig, da zur Frage, ob den Beschwerdeführern ein Kostenersatz zuzusprechen ist, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Prinzip der Kostenselbsttragung im verwaltungsrechtlichen Verfahren einerseits und auf die eindeutige Rechtslage des VwGVG andererseits verwiesen werden kann (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0017 mVa 29.06.2005, 2004/04/0173; 27.06.2007, 2005/04/0257; 02.05.2006, 2004/07/0089).

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