BVwG W192 1416072-1

BVwGW192 1416072-112.2.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W192.1416072.1.00

 

Spruch:

W192 1416072-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso über die Beschwerde von XXXX StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.09.2010, Zl. 10 05.434-BAT zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, stellte nach illegaler Einreise am 22.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der unter Mitwirkung eines Rechtsberaters als gesetzlichen Vertreter durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte er vor, dass er der paschtunischen Volksgruppe angehöre und aus der Provinz Laghman stamme. Seine Eltern und Geschwister würden in Pakistan leben.

Er gab über die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates an, dass seine Familie in Feindschaft mit einem der Dorfbewohner gelebt habe. Es habe immer wieder aufgrund religiöser Ansichten Streitigkeiten gegeben und eines Tages sei ein Cousin des Beschwerdeführers erschossen worden. Ein anderer Cousin des Beschwerdeführers habe Blutrache geübt und ein Mitglied dieser anderen Familie getötet. Danach habe es einen "Rat der Weißbärtigen" gegeben und diese hätten den Streit geschlichtet. Danach seien die Familien wieder befreundet gewesen. An einem Festtag habe die Familie des Beschwerdeführers die früher verfeindete Familie eingeladen. Anschließend habe es wieder Streit gegeben und zwei Angehörige der Familie des Beschwerdeführers und drei Angehörige der anderen Familie seien erschossen worden. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers habe das Heimatdorf verlassen und sei nach Pakistan gegangen. Zwei Jahre später seien die "Leute" wieder gekommen und hätten sich rächen wollen und es sei in der Nacht auf das Haus der Familie des Beschwerdeführers geschossen worden, wodurch dessen Vater und seine Schwester verletzt worden seien. Seine Mutter habe den Beschwerdeführer zu den Brüdern seiner Großmutter gesandt, die dann seine schlepperunterstützte der Ausreise organisiert hätten. Im Falle einer Rückkehr in dem Herkunftsstadt fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben.

In weiterer Folge ergab sich, dass der Beschwerdeführer bereits am 20.06.2010 anlässlich einer versuchten illegalen Einreise in Österreich erkennungsdienstlich behandelt worden war und damals einen anderen Namen angegeben und sich als volljährig bezeichnet habe. Der Beschwerdeführer führte dazu aus, dass der Schlepper ihm geraten habe, falsche Personalien anzugeben. Der Beschwerdeführer wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Altersschätzung anhand ärztlicher Untersuchungen durchgeführt werde.

Laut einem gerichtsmedizinischen Gutachten vom 12.08.2010, das sich auf eine Befragung und körperliche Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.07.2010, auf ein am 15.07.2010 hergestelltes Röntgenbild der linken Hand, auf ein am 15. 07.2010 angefertigtes Panoramaröntgen des Gebisses und eine am 16.07.2010 erfolgte zahnärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers stützt, hat beim Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 15 Jahren bestanden und könne das zum Zeitpunkt der Untersuchung geltend gemachte chronologische Alter von 15 Jahren aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden.

Am 24.09.2010 erfolgte im Beisein seines gesetzlichen Vertreters eine niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt. Dabei gab der Beschwerdeführer (AW) auf Befragen durch den Leiter der Amtshandlung (LA) zu den Gründen für seine Antragstellung im Wesentlichen folgendes an:

"...

LA: Wissen Sie, von wann bis wann Sie in Pakistan waren?

AW: Also die letzten 2,5 bis 3 Jahre glaube ich. Nach der Feindschaft.

LA: Wann konkret haben Sie Ihre letzte Wohnadresse in Afghanistan, im Dorf LL1 zum letzten Mal verlassen?

AW: Das war circa vor 2,5 bis 3 Jahren. Genauer kann ich das nicht angeben.

LA: Waren Sie seither noch einmal in Afghanistan aufhältig?

AW: Nein. Aber ich bin über Afghanistan ausgereist.

LA: Mit wem zusammen haben Sie denn Afghanistan vor circa 2,5 bis 3 Jahren zuletzt verlassen?

AW: Meine Eltern, meine vier Onkeln und deren Kinder.

...

LA: Ist Ihre Familie im Dorf LL1, Laghman, Afghanistan angesehen, höher gestellt?

AW: Reich waren wir nicht, aber unsere Feinde waren angesehen.

LA: Wer konkret waren denn die Feinde Ihrer Familie im Dorf LL1, Laghman, Afghanistan?

AW: Der NN1. Der NN2. Dann der NN3. Der NN4. Der NN5. Das sind alles Bauern und die sind alle 5 Brüder.

LA: Bitte nennen Sie nun die Gründe, die zu Ihrer Flucht aus Afghanistan vor circa 2,5 bis 3 Jahren geführt haben? Nehmen Sie sich dazu Zeit und erzählen Sie ausführlich bitte.

AW: Ich habe doch alles erzählt. Hier steht schon alles, was ich früher im Verfahren gesagt habe.

LA: Das hier heute ist die inhaltliche, somit die ausführlichste Einvernahme in Ihrem Asylverfahren. Es ist erforderlich, dass Sie heute alle Gründe ausführen, die Sie zur Flucht aus Afghanistan bewogen haben? Bitte schildern Sie mir das, was in Afghanistan zu Ihrer Ausreise geführt hat so, als wäre ich selbst dabei gewesen?

AW: Es war im Moment Ramadan. Mein Onkel väterlicherseits NN6 ist in die Moschee in LL1 gegangen. NN6 ist mit den anderen Dorfbewohnern zusammen in der Moschee gesessen und sie haben über die Uhrzeit, bis wann man in der Nacht essen kann, damit man am Tag gestärkt ist, geredet. Dabei ist zwischen Onkel NN6 und dem NN1 Streit entstanden. NN1 hat meinen Onkel beschimpft. Mein Onkel NN6 hat das seinen Söhnen erzählt und die hatten dann Streit mit dem NN1. Da sind auf beiden Seiten Leute verletzt worden. Einer hatte eine Kopfverletzung, der andere was anderes. Die Dorfbewohner haben den Streit dann geschlichtet. Danach eines Tages war mein Vater mit dem Auto unterwegs und er wurde von unseren Feinden angehalten. Sie haben mit Steinen den Weg blockiert. Mein Vater ist umgekehrt und so konnte er entkommen.

LA: In welchem Jahr war dieser Streit zwischen Ihrem Onkel väterlicherseits NN6 und dem NN1?

AW: Das alles war im Ramadan vor 5 bis 5,5 Jahren.

LA: Als die Söhne von NN6 vor circa 5 bis 5,5 Jahren Streit mit dem NN1 hatten, ist dabei auch jemand getötet worden?

AW: Nein, niemand.

LA: Wie haben die Dorfbewohner von LL1 den besagten Streit dann geschlichtet?

AW: Sie haben die Streitenden auseinander gebracht.

LA: Wie lange war dann Ruhe, nachdem die Dorfbewohner von LL1 den besagten Streit geschlichtet hatten?

AW: 5 oder 6 Tage danach wurde meinem Vater der Weg von den Feinden blockiert.

LA: Welche Personen, wer konkret hat denn Ihrem Vater damals den Weg mit Steinen blockiert?

AW: NN1 und seine Brüder. NN2, NN3, NN4 und NN5.

LA: Was passierte weiter?

AW: Mein Vater hat das im Dorf dann erzählt und es wurde daraufhin gleich in LL1 eine Jirga einberufen.

LA: Wer leitete diese Jirga?

AW: Die Dorfältesten und die Dorfbewohner. Bei dieser Jirga wurde unser Streit geschlichtet und auch unsere Feinde waren damit einverstanden und unsere Familien haben sich versöhnt und es wurde umarmt.

LA: Wie lange hielt dieser Frieden zwischen Ihrer Familie und der Familie von NN1 dann an?

AW: Noch am gleichen Tag der Jirga haben wir die Feinde zu uns zum Essen eingeladen. Also am ersten Beiramtag, nachdem die Jirga war.

LA: Bitte schildern Sie mir, wie dieses Essen im Haus Ihrer Familie in LL1 abgelaufen ist, als Sie NN2, NN3, NN4, NN1 und NN5 eingeladen haben?

AW: Sie sind zu uns nach Hause gekommen, haben das Abendessen gegessen. Da ist dann eine Person aus deren Familie gekommen und sagte, jemand aus ihrer Familie wäre krank. NN3 und NN5 sind dann weggegangen. Ob wirklich jemand krank war, das wissen wir nicht. Dann hat der NN2 dem NN1 durch Gesten gesagt, dass er rausgehen soll.

NN2 sagte dem NN1, dass in der Ortschaft LL2, das ist ein Ort in LL1, Schüsse gefallen sind. An dem Abend feierte jemand im Dorf Verlobung und dort wurde geschossen. Der NN2 meinte, dass in LL2 auf NN3 und NN5 geschossen worden wäre.

Zwei Cousins von mir sind dann nachgegangen um zu schauen, was NN5 und NN3 da nichts zu gestoßen ist.

Befragt, es sind folgende Cousins von mir nachgegangen: NN7 und NN8, das sind die Söhne von meinem Onkel NN6. Es war auch ein Freund von meinen Cousins mit. Dieser Freund war bewaffnet. Meine beiden Cousins NN8 und NN7 wurden von unserem Feind NN5 erschossen. Der Freund meiner Cousins hat auf der anderen Seite drei Leute der Feindesfamilie erschossen.

LA: Können Sie sich erklären, weswegen der NN5 Ihre beiden Cousins NN8 und NN7 erschossen hat, wenn doch tagsüber durch einen Jirgabeschluss sich Ihre beiden Familien wieder versöhnt hatten?

AW: Es war ein Trick unserer Feinde.

LA: Woher wissen Sie, dass das ein Trick war?

AW: Wenn man nachdenkt, dann weiß man, dass das ein Trick war. Sie haben die Jirga akzeptiert. Dass die zwei Feinde weggegangen sind, das war die Falle.

Ich war nicht dabei, als meine zwei Cousins gestorben sind, aber sie wurden dann auch beerdigt.

LA: Nachdem an diesem besagten Abend Ihre Cousins väterlicherseits NN8 und NN7, sowie drei Personen der Feindesfamilie gestorben sind, wie ging es dann weiter?

AW: Nach diesem Vorfall haben uns die Dorfbewohner geraten, von hier wegzugehen. Sie meinten, wenn wir hier bleiben, werden auf beiden Seiten noch mehr Menschen getötet. Noch in der gleichen Nacht, wo das alles passiert ist, sind wir samt den Tieren aus dem Dorf LL1 weggegangen. NN7 und NN8 wurden später von den Dorfbewohnern beerdigt.

LA: Wer aller aus Ihrer Familie hat denn in dieser besagten Nacht dann Ihr Heimatdorf LL1, Laghman auf Anraten der Dorfbewohner verlassen?

AW: Meine gesamte Familie, Eltern und Geschwister, und meine vier Onkel väterlicherseits mit deren Familien. Wir sind dann auf einen Berg gegangen und waren dort circa 6 Tage und haben in dieser Zeit unsere Tiere verkauft. Danach sind wir nach Pakistan gegangen.

LA: Ist jemand aus Ihrer Familie, bzw. auch Ihre vier Onkel väterlicherseits und deren Familien danach nochmals nach Afghanistan zurückgekehrt?

AW: Nein. Nur ich bin über Afghanistan hierher gekommen.

LA: Gab es seit der besagten Nacht, in der Ihre zwei Cousins väterlicherseits NN7 und NN8 getötet wurden, nochmals ein Zusammentreffen zwischen den Feinden Ihrer Familie und Ihrer Familie?

AW: Ja. In LL3, Pakistan.

LA: Was passierte da bei diesem Zusammentreffen?

AW: Sie haben nachts unser Haus in LL3 überfallen und haben meine kleine Schwester NN9 und meinen Vater verletzt. Sie haben geschossen. Am nächsten Tag hat mir meine Mutter Geld gegeben und sagte, ich soll fliehen. Mein Onkel mütterlicherseits NN10 hat mich dann bis nach Torkham gebracht und dort erwartete mich mein Großvater mütterlicherseits. Er hat mich dann zu sich nach Hause in LL4 gebracht. Nach ein paar Tagen dort hat mich mein Großvater hierher weggeschickt.

LA: Sie führten ja aus, dass Sie über Afghanistan hierher nach Österreich gereist sind. Gab es irgendeinen Sie betreffenden Vorfall, als Sie über Pakistan gereist sind?

AW: Nein. In den Tagen bei meinem Großvater mütterlicherseits und auch sonst nicht in Afghanistan.

LA: Woher wissen Sie eigentlich, dass genau die Feinde Ihrer Familie aus dem afghanischen Dorf LL1, das Haus Ihrer Familie in Pakistan, LL3 überfallen haben?

AW: Mein Vater hat sie dabei gesehen. Wir alle haben geschlafen und mein Vater wurde schlafend angeschossen. Als er aufwachte, hat er versucht, sich zu wehren, dabei wurde er seitlich am Oberkörper verletzt. Ich habe mit meinem Vater nicht im selben Raum geschlafen. Ich habe die Schüsse gar nicht gehört und meine Mutter hat mich aufgeweckt. Sie hat geweint und geschrien. Niemand von unseren Feinden wurde dabei verletzt, als sie uns in LL3 überfallen haben.

LA: Wann passierte denn dieser Überfall auf das Haus Ihrer Familie in der pakistanischen Stadt LL3?

AW: Als ich hier ankam, war der Vorfall 60 bis 70 Tage davor.

LA: Haben Sie somit alle Gründe für Ihre Flucht aus Afghanistan genannt?

AW: Ja, das habe ich. Sonst war nichts weiter.

LA: Was mich interessiert, haben Sie sich in der Angelegenheit mit der Feindschaft mit der Familie des NN1 und seinen Brüdern auch an die afghanische Polizei gewendet?

AW: Ja. Beide Familien sind zum Bezirksvorsteher nach LL5 gegangen und der Bezirksvorsteher gab meinem Vater Recht. Die Feinde selbst waren schon dort, als mein Vater nach LL5 ging. Das war gleich nach dem Vorfall in der Moschee, mit dem das Problem angefangen hat. Konkret, nachdem meine Cousins Streit mit dem NN1 und seinen Söhnen hatten.

LA: Hat sich Ihre Familie danach nochmals an den Bezirksvorsteher in LL5 gewendet?

AW: Nein. Danach, nachdem Personen getötet wurden, sind wir gleich geflüchtet. Außer der Familie von NN1 hatte meine Familie in Afghanistan mit niemandem Probleme.

Vorhalt: Anfangs führten Sie heute mehrfach aus, dass Ihre gesamte Kernfamilie und Ihre vier Onkeln väterlicherseits samt Familien Afghanistan von Ihrem Heimatdorf LL1 in Laghman aus verlassen haben vor 2,5 bis 3 Jahren. Dem widersprechend führten Sie weiter aus, dass sämtliche Vorfälle zwischen Ihrer Familie und der Familie des NN1 vor 5 bis 5,5 Jahren passiert sind und Ihre gesamte Familie gleich im Anschluss, also vor 5 bis 5,5 Jahren, Afghanistan verlassen haben. Erklären Sie mir das bitte!

AW: Ich weiß jetzt nicht, was ich angegeben habe.

Vorhalt: Erstbefragt am 22.06.2010 führten Sie aus, ein Cousin von Ihnen hätte einen Angehörigen der Feindesfamilie aus Rache dafür getötet, dass zuvor ein anderer Cousin Ihrer Person erschossen worden wäre. Heute führen Sie aus, Ihre zwei Cousins NN8 und NN7 wären von der Feindesfamilie in eine Falle gelockt und erschossen worden. Deshalb hätte ein Freund Ihrer Cousins drei Mitglieder der Feindesfamilie getötet! Erklären Sie mir das bitte!

AW: Das was ich heute angegeben habe, habe ich auch bei der Polizei so angegeben. Ich habe nie angegeben, dass ein Cousin von mir getötet wurde.

Vorhalt: Heute führen Sie als Grund für die Jirga zwischen Ihrer und der Feindesfamilie aus, dass Ihr Onkel väterlicherseits NN6 mit dem NN1 in der Moschee Streit hatte und dieser Streit dann auch weiter von den Söhnen von NN6 mit NN1 ausgetragen wurde, jedoch niemand getötet wurde. In der Erstbefragung vom 22.06.2010 begründeten Sie die Jirga damit, dass einer Ihrer Cousins und daraufhin ein Mitglied der Feindesfamilie getötet worden wäre! Erklären Sie mir das?

AW: Nein. Getötet wurde da niemand.

Vorhalt: Auch führten Sie am 22.06.2010 aus, dass es nach der Jirga nochmals einen weiteren Vorfall gegeben hat, wo drei Leute aus der Feindesfamilie und zwei Leute Ihrer Familie getötet wurden. Heute führten Sie aber nur einen Streit ins Treffen, bei dem Ihre Cousins NN8 und NN7 und drei Ihrer Feinde gestorben sind. Äußern Sie sich hierzu bitte!

AW: Damit habe ich den gleichen Vorfall gemeint.

Vorhalt: Auch führten Sie erstbefragt auch aus, dass die Probleme mit der Feindesfamilie durch eine Jirga erst beigelegt wurden, jedoch nach etwa zwei Jahren wieder Streit ausgebrochen wäre. Laut Ihren heutigen Einlassungen vergingen während der Jirga in LL1 und dem Vorfall, wo 3 Feinde und Ihre 2 Cousins NN8 und NN7 getötet wurden, aber nur einige Tage. Erklären Sie mir das bitte!

AW: Ich habe das auch dort so erzählt, ich habe nicht von zwei Jahren gesprochen sondern, dass alles im Ramadan angefangen hat.

Vorhalt: Die polizeiliche Erstbefragung Ihrer Person erfolgte im Beisein Ihres gesetzlichen Vertreters. Sie äußerten am 22.06.2010 keinerlei Verständigungsschwierigkeiten. Der anwesende Dolmetscher übersetzte die Niederschrift der Erstbefragung am Ende wortwörtlich und Sie äußerten keinerlei Korrekturen nach dieser Rückübersetzung und bestätigten die Richtigkeit Ihrer sämtlichen Ausführungen mittels Fingerabdruck. Bitte erklären Sie mir das!

AW: Aber das, was Sie mir heute vorgehalten haben, das habe ich nicht angegeben.

LA: Hatten Sie ausreichend Zeit und Gelegenheit und haben alle Gründe für Ihre Flucht aus Afghanistan genannt?

AW: Ja.

LA: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme mit der Polizei, gab es ein Gerichtsverfahren Sie betreffend?

AW: Nein. Beides nicht.

LA: Theoretisch, was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan?

AW: Ich habe Angst vor unseren Feinden.

...

LA an gesetzl. Vertreterin: Wollen Sie noch etwas zu Protokoll geben oder Anträge stellen?

Antwort gesetzl. Vertreterin: Nein, danke.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift wortwörtlich rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?

AW: Es ist alles richtig so."

Am selben Tag legte die gesetzliche Vertreterin ein Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 11.08.2010 vor und verzichtete auf die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu den Länderfeststellungen des Bundesasylamts. Eine Stellungnahme zu den dem Beschwerdeführer bei der Einvernahme vorgehaltenen Widersprüche und Unstimmigkeiten seiner Angaben wurde nicht erstattet.

1.2. Mit dem nunmehr hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.) sowie ihm gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.), wobei ihm gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.09.2011 erteilt wurde (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers gemäß nachstehenden beweiswürdigenden Erwähnungen nicht glaubwürdig gewesen seien:

"Dem von Ihnen geschilderten Fluchtgrund und der damit zusammenhängenden Gefährdungslage Ihrer Person im Ihrem Heimatstaat Afghanistan wurde von der ho Behörde aufgrund der massiven inhaltlichen und zeitlichen Widersprüche innerhalb Ihres Vorbringens die Glaubhaftigkeit vollinhaltlich versagt.

Im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BAA am 27.09.2010 führten Sie im Wesentlichen aus, dass Sie Afghanistan aus den nachfolgenden Gründen verlassen hätten:

Ihre Familie wäre in Ihrem Heimatdorf LL1, Distrikt LL5, Provinz Laghman in Afghanistan mit fünf Personen namens NN1, NN3, NN4, NN5 und NN2 verfeindet gewesen. Es hätte sich dabei um fünf Brüder gehandelt, die im Dorf LL1 angesehen gewesen wären.

Im Monat Ramadan vor fünf bis fünfeinhalb Jahren wäre es dann zu einem Streit zwischen NN1 und einem Ihrer gesamt vier Onkel väterlicherseits, konkret Ihrem Onkel NN6, gekommen. NN6 hätte seinen Söhnen von dem Streit, bei dem es um die Uhrzeit des nächtlichen Essens im Ramadan gegangen wäre, berichtet. Diese hätten daraufhin eine Auseinandersetzung mit dem NN1 gehabt, bei welcher auch Beteiligte verletzt, jedoch niemand getötet worden wäre. Die Dorfbewohner hätten die Streitenden auseinandergebracht.

Fünf oder sechs Tage nach dem geschilderten Vorfall wäre Ihr Vater bei einer Autofahrt von NN1, NN3, NN4, NN5 und NN2 an der Weiterfahrt mittels einer Steinblockade auf der Straße aufgehalten worden. Ihr Vater hätte gewendet und von dem Vorfall die Dorfbewohner von LL1 unterrichtet.

Es hätte daraufhin eine Jirga in Ihrem Heimatdorf stattgefunden und Ihre Familie, sowie die Familie des NN1 und seiner vier Brüder hätten Frieden geschlossen.

Noch am selben Tag hätte Ihre Familie Ihre "vormaligen" Feinde NN1, NN3, NN4, NN5 und NN2 zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. NN3 und NN5 wären - laut Ihrer Vermutung mit einem Vorwand - vorzeitig weggegangen um einen Kranken zu besuchen. NN2 und NN1 hätten außerhalb des Hauses miteinander gesprochen und hätte NN2 den NN1 über Schüsse informiert, die in der Ortschaft LL2 Ihres Heimatdorfes gefallen wären. Erklärend führten Sie in der Einvernahme am 27.09.2010 noch aus, dass die damaligen Schüsse in Ghata Shagai bei einer dortigen Hochzeitsfeier abgefeuert worden wären.

Zwei ihrer Cousins namens NN7 und NN8 wären daraufhin NN3 und NN5 nachgegangen um zu schauen, ob den beiden nichts zugestoßen ist. Auch ein Freund Ihrer beiden Cousins, er wäre bewaffnet gewesen, hätte diese begleitet. In der Ortschaft LL2 angekommen, wären Ihre Cousins väterlicherseits NN8 und NN7 vom NN5 erschossen worden. Der bewaffnete Freund Ihrer beiden Cousins hätte daraufhin drei Mitglieder der Feindesfamilie getötet. Es hätte sich laut Ihnen also um einen Trick der Familie von NN1 gehandelt, der Ihre Cousins NN7 und NN8 in eine Falle hätte locken wollen.

Die Bewohner des Dorfes LL1 hätten Ihrer Familie geraten, Ihr Heimatdorf zu verlassen um noch mehr Todesopfer auf beiden Seiten zu vermeiden. Ihre gesamte Familie - außer einer Tante väterlicherseits namens XXXX und deren Söhne XXXX, XXXX, XXXX und XXXX - hätte daraufhin Ihre Heimatdorf LL1 letztmals verlassen, danach noch circa sechs Tage auf einem Berg verbracht, dort das Vieh Ihrer Familie verkauft und dann Afghanistan nach Pakistan verlassen.

Dort in der pakistanischen Stadt LL3 hätte Ihre gesamte Familie und auch die Familien Ihrer vier Onkel väterlicherseits XXXX, XXXX, NN6 und XXXX in weiterer Folge seit den Vorfällen in Afghanistan, Dorf LL1 vor fünf bis fünfeinhalb Jahren gelebt.

Circa 60 bis 70 Tage vor Ihrer Ankunft in Österreich (21.06.2010) hätten Ihre Feinde aus Ihrem afghanischen Heimatdorf LL1, das Haus Ihrer Familie in Pakistan, LL3 überfallen. Es wäre in der Nacht gewesen. Ihr Vater wäre aus dem Schlaf aufgeschreckt und sowohl er, als auch Ihre jüngere Schwester NN9 wären durch Schüsse schwer verletzt worden. Sie selbst hätten die besagten Schüsse nicht gehört, da Sie in einem anderen Raum geschlafen hätten und hätten erst von Ihrer Mutter von dem Überfall durch die verfeindete Familie erfahren.

Am Folgetag hätten Sie auf Anraten Ihrer Mutter dann fluchtartig Pakistan verlassen , hätten daraufhin noch einige Tage bei Ihrem Großvater mütterlicherseits in LL4, Afghanistan verbracht und hätten sich dann weiter in Richtung Österreich begeben. Es wäre bei diesem mehrtägigen Aufenthalt Ihrer Person in Afghanistan zu keinerlei, Sie betreffenden Vorfällen gekommen.

Dass Sie sich im Verfahren der Unwahrheit Ihre Fluchtgründe betreffend bedienten, verdeutlichte sich schon einmal anhand eines eklatanten Zeitwiderspruches. So hatten Sie eingangs am 27.09.2010 ganz konkret ausgeführt, dass Sie und Ihre gesamte Kernfamilie, sowie auch Ihre vier Onkel väterlicherseits samt Familien, Afghanistan letztmals vor zweieinhalb bis drei Jahren fluchtartig nach Pakistan verlassen hätten. Dem komplett zuwiderlaufend ordneten Sie jedoch im weiteren Verlauf der mehrstündigen Einvernahme am 27.09.2010 sämtliche behauptete Ereignisse, die zur Flucht Ihrer Familie aus Afghanistan geführt hätten, einem Zeitpunkt vor fünf bis fünfeinhalb Jahren zu. Noch in derselben Nacht, in der Ihre zwei Cousins väterlicherseits NN7 und NN8 von NN5, sowie drei Mitglieder der Familie der Feindesfamilie vom Freund der beiden Getöteten erschossen worden wären, hätte Ihre Familie und die Familien Ihrer vier Onkel väterlicherseits, dass Dorf LL1 und nur Tage später auch Afghanistan zum letzten Mal verlassen.

Davon ausgehend, dass Sie die - von Ihnen ins Treffen geführten Begebenheiten - tatsächlich miterlebt haben wollen, welche weiters über eine extreme Intensität verfügt hätten und letztlich sogar bewirkt hätten, dass sich Ihr gesamtes Leben grundlegend verändert hätte, so erschüttert der entstandene Zeitwiderspruch die Glaubhaftigkeit Ihres Fluchtvorbringens massiv. Selbst wenn man davon ausgehen möchte, dass ein Minderjähriger gewisse Abläufe anders bewertet und einschätzt, rechtfertigt dies nicht ansatzweise die offensichtliche Widersprüchlichkeit, die sich zwischen den unterschiedlich behaupteten Fluchtzeitpunkten - einerseits zweieinhalb oder drei Jahre, andererseits fünf oder fünfeinhalb Jahre - auftut.

Auch ein Minderjähriger müsste in der Lage sein, zu ihn betreffenden Geschehnissen gleich lautende Angaben machen zu können. Besonders aufgrund der Tatsache, dass der entstandene Widerspruch sich auf keine genaue Datumsangabe bezieht, sondern es sich hierbei um einen mehrjährigen Zeitraum handelt, muss bemerkt werden, dass ein Fünfzehnjähriger sehr wohl dazu imstande ist, mehrjährige Zeiträume gleich lautend wiedergeben zu können. Auch Ihre Einlassung vom 27.09.2010, wonach Sie sich schlichtweg nicht mehr erinnern könnten, welchen Fluchtzeitpunkt Sie am Beginn ein- und derselben Einvernahme ausgeführt hatten, verdeutlichte, dass Sie sich im Verfahren der Unwahrheit bedienten.

Dieser Eindruck verstärkte sich weiters aufgrund zahlreicher weiterer Widersprüche, von denen Ihre sämtlichen Einlassungen im Verfahren durchzogen waren.

So hatten Sie in der Erstbefragung am 22.06.2010 noch vorgebracht, dass ein Cousin Ihrer Person ein Mitglied der Feindesfamilie getötet hätte, um Rache für den Tod eines weiteren Cousins Ihrer Person zu üben. Komplett gegenteilig wären - laut ihren Einlassungen im Zuge der mehrstündigen Einvernahme am 27.09.2010 - jedoch zwei Ihrer Cousins väterlicherseits (NN7 und NN8) in eine Falle gelockt und von der gegnerischen Familie erschossen worden, weshalb wiederum ein Freund von NN8 und NN7 drei Mitglieder der Feindesfamilie getötet hätte. Sie waren somit außerstande, gleichlautend auszuführen, welche Personen aus welcher der befeindeten Familien durch wen überhaupt zu Tode gekommen wären. Es war demnach der eigentlichen Basis Ihres Vorbringens - der angeblichen Feindschaft Ihrer Familie mit der Familie des NN1 - keine Glaubhaftigkeit beizumessen.

Zu einem weiteren Widerspruch zwischen der polizeilichen Erstbefragung (22.06.2010) und der Einvernahme vor dem BAA am 27.09.2010 kam es auch betreffend die Jirga, die im Dorf LL1, Provinz Laghman abgehalten worden wäre, um den angeblichen familienübergreifenden Konflikt zu schlichten. Denn am 27.09.2010 führten Sie noch aus, die besagte Jirga hätte den Streit zwischen Herrn NN1 und Ihrem Onkel väterlicherseits NN6, sowie dessen Söhnen schlichten sollen. Es wäre jedoch niemand bei eben diesem Streit zu Tode gekommen. Erstbefragt (22.06.2010) hingegen, wäre laut Ihnen erst eine Jirga in Ihrem afghanischen Heimatdorf abgehalten worden, nachdem bereits ein Cousin väterlicherseits Ihrer Person und im Gegenzug ein Mitglied der Feindesfamilie getötet worden wäre, somit also nach zwei Todesfällen.

Auch wäre es laut Ihnen in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BAT nur einmal zu einem Vorfall gekommen, bei dem es zwischen Ihrer und der Familie des NN1 Tote gegeben hätte. Dieser hätte sich am Abend nach der Jirga vor fünf oder fünfeinhalb Jahren zugetragen und wären dabei Ihre Cousins NN8 und NN7, sowie drei Angehörige der gegnerischen Familie getötet worden. Erstbefragt hatten Sie gegenteilig jedoch noch von zwei Begebenheiten gesprochen, bei denen es im Zuge dieses Konflikts zwischen den Familien zu Todesopfern gekommen wäre. Auf Vorhalt hin versuchten Sie diesen weiteren Widerspruch so zu erklären, dass Sie damit eigentlich denselben Vorfall gemeint hätten, was jedoch schon alleine deswegen unglaubhaft ist, da Sie doch in der Erstbefragung ganz konkret inhaltlich die Jirga in Ihrem Heimatdorf mit je einem Toten auf Ihrer, und einem Toten in Ihrer, sowie einem Toten in der gegnerischen Familie begründet hatten. Eben diese Jirga hätte laut Ihren Einlassungen vom 27.09.2010 stattgefunden, weil es Verletzte, jedoch keine Toten bei dem Streit zwischen NN1 und Ihrem Onkel väterlicherseits NN6, sowie dessen Söhnen gegeben hätte.

Weiters hätte der Frieden zwischen Ihrer Familie und der Familie des NN1 nach der, den Streit schlichtenden, Jirga laut Ihren Ausführungen vom 22.06.2010 (Erstbefragung) etwa zwei Jahre gedauert. Dem vollkommen widersprechend waren jedoch Ihre diesbezüglichen Einlassungen vom 27.09.2010, wonach noch am selben Abend der betreffenden Jirga, der Streit erneut eskaliert wäre. Auch auf Vorhalt dieses weiteren Widerspruchs waren Sie nicht in der Lage, diesen er- bzw. aufzuklären, sondern behaupteten lediglich, wie auch bereits im Vorfeld der Einvernahme vom 27.09.2010, dass Sie das in der polizeilichen Erstbefragung am 22.06.2010 nicht so gesagt hätten.

Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass weder Sie, noch Ihre gesetzliche Vertretung am 22.06.2010 (polizeiliche Erstbefragung) irgendwelche - wie auch immer geartete - Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ihnen und dem eingesetzten Dolmetscher äußerten und Sie außerdem nach wortwörtlicher Rückübersetzung der Niederschrift die Richtigkeit Ihrer sämtlichen Ausführungen mit Ihrem Fingerabdruck bestätigten. Ihre Äußerung, wonach Sie das, was Ihnen am 27.09.2010 im Zuge Ihrer mehrstündigen Einvernahme vorgehalten wurde, erstbefragt am 22.06.2010 schlichtweg nicht angegeben hätten, ist daher schlichtweg unglaubhaft und verdeutlicht lediglich Ihre Bereitschaft, vor der ho Behörde unwahre Ausführungen zu tätigen, zumal auch Ihre gesetzliche Vertretung am 22.06.2010 durchgehend anwesend war und weder Sie, noch Ihre gesetzliche Vertretung irgendwelche Verständigungsprobleme geäußert haben.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass Ihr gesamtes Fluchtvorbringen von massiven Widersprüchen und offensichtlichen Unwahrheiten durchzogen war. Ihre Ausführungen aus der Erstbefragung vom 22.06.2009 waren in keiner Weise inhaltlich und auch zeitlich mit Ihren Einlassungen in der umfassenden Einvernahme vor dem BAA am 27.09.2010 vereinbar. Auch innerhalb der Einvernahme am 27.09.2010 kam es zu massivsten Widersprüchen und bleibt bei einer Zusammenschau Ihrer sämtlichen Einlassungen seit Antragsstellung, den behaupteten Gründen für Ihre Flucht aus Afghanistan die Glaubhaftigkeit vollinhaltlich zu versagen.

Ihre gesamten Ausführungen beruhen auf Behauptungen, welche von Ihnen zum Zwecke der Asylgewährung konstruiert wurden, jedoch keinesfalls von Ihnen selbst erlebt wurden."

Die Gewährung des Status des subsidiären Schutzberechtigte erfolgte wegen der allgemein angespannten Sicherheitslage im Herkunftsstaat und da der Beschwerdeführer als Minderjähriger ohne familiären Anschluss im Herkunftsstaat keine Möglichkeit hätte, eine Existenzgrundlage zu finden.

1.3. Gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung wurde innerhalb offener Frist mit Schreiben vom 25.10.2010 Beschwerde erhoben. Darin wurde vorgebracht, dass das Bundesasylamt das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig bewertet habe, obwohl der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, viele Details und Namen zu nennen. Bei der Beurteilung der Fluchtgeschichte sollte jedoch die Tatsache, dass die Familie des Beschwerdeführers und dieser selbst seit etwa drei Jahren aus Afghanistan geflüchtet seien und er damals 13 Jahre alt gewesen sei, berücksichtigt werden. Die Umstände der Minderjährigkeit, des frühen Verlassens der Heimat und der mangelnden Schulbildung erfordern eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des Vorbringens zu den Fluchtgründen und es dürfe die Dichte dieses Vorbringens nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Jedem auch noch so sorgfältigen Durchschnittsmenschen könne passieren, dass in einer mehrstündigen Einvernahme Angaben durcheinandergeraten, umso mehr, da der Beschwerdeführer erst 15 Jahre alt sei und sich die Geschehnisse ereignet hätten, als er 13 Jahre alt gewesen sei. Daher beantrage der Beschwerdeführer, der Asylgerichtshof möge in einer mündlichen Verhandlung sein Vorbringen überprüfen.

Die Situation des Beschwerdeführers bezüglich der Blutrache sei so schwerwiegend, dass sie ein menschenwürdiges Leben im Herkunftsstadt unmöglich machen oder in unzumutbarer Weise erschweren würde. Die Behörden seien weder in der Lage noch willens, Personen zu schützen, da der Staat zu schwach sei oder die kulturellen Werte der Blutfehde-Praxis akzeptiere. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in eine extreme Notlage geraten, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle und es bestehe ohne soziales Netzwerk eine ernsthafte Bedrohung seiner Lebensgrundlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Muslim, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 22.06.2010 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Identität steht nicht fest.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers, er sei im Herkunftsstaat Verfolgungsgefahr durch Angehörige einer verfeindeten Familie ausgesetzt gewesen und habe dies auch bei einer Rückkehr zu befürchten, sind nicht glaubhaft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über seine Herkunft ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Schon das Bundesasylamt hat entsprechende Feststellungen getroffen.

Die vom Bundesasylamt getroffene, oben wiedergegebene Würdigung der Beweise bezüglich der behaupteten Asylgründe steht im Einklang mit der Niederschrift der Erstbefragung vom 22.06.2010 sowie dem Einvernahmeprotokoll vom 27.09.2010, ist gänzlich nachvollziehbar und im Ergebnis zutreffend. Es liegen keine Hinweise auf Mängel im Verfahren bei dem Bundesasylamt vor. Die vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 27.09.2010 erfolgte Behauptung, dass er seine Angaben bei der Erstbefragung gleichlautend getätigt habe, ist nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus ist die Richtigkeit der Protokollierung auch durch die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters und durch den Umstand gewährleistet, dass der Beschwerdeführer die Niederschrift nach Rückübersetzung mit Unterschriftsleistung als richtig bezeichnet und Verständigungsprobleme ausgeschlossen hat. Weiters fehlen auch Anzeichen für eine psychische Ausnahmesituation infolge einer Traumatisierung oder einer ähnlichen Erkrankung, aufgrund welcher der Beschwerdeführer allenfalls in seiner Einvernahmefähigkeit eingeschränkt gewesen wäre.

Darüber hinaus wurde es weder in der Stellungnahme des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 27.09.2010 noch in der Beschwerde unternommen, die bereits in der Einvernahme aufgezeigten und in der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Widersprüche und Unstimmigkeiten der Angaben des Beschwerdeführers auszuräumen.

Die in der Beschwerde erfolgten Hinweise auf die Minderjährigkeit, die frühe Ausreise und die mangelnde Schulbildung des Beschwerdeführers zeigen keine Mängel des vorliegend geführten Verfahrens oder der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung auf. Die jeweils unter Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers erfolgte Erstbefragung und die Einvernahmen sind nach den vorliegenden Protokollen unter Berücksichtigung des Alters des Beschwerdeführers korrekt durchgeführt worden. Sowohl aus der Art des Spracheinsatzes als auch aus dem Ductus der Fragestellungen ist ersichtlich, dass bei der Einvernahme auf das Alter und den Bildungsgrad des Beschwerdeführers Rücksicht genommen wurde. Der jeweils anwesende gesetzliche Vertreter hat gegen die Art der Durchführung der Erstbefragung und der Einvernahme auch keinerlei Einwand erhoben. Die in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Widersprüche und Unstimmigkeiten betreffen auch keine Sachverhaltselemente von bloß marginaler Bedeutung für die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sondern zentrale Abläufe der behaupteten Bedrohungssituation. Es ist der Behörde beizupflichten, dass auch von einem Fünfzehnjährigen erwartet werden kann, dass er im Verfahren kohärente Angaben darüber machen kann, ob es zwischen seiner Familie und einer verfeindeten Familie einmal oder zweimal zur Manifestation eines Konfliktes mit Todesfolge gekommen sei, ob eine Jirga im Herkunftsort nach der erstmaligen Manifestation des Konfliktes mit Todesfolge oder aus einem anderen Anlass stattgefunden habe, sowie ob die Ausreise seiner Familie aus dem Herkunftsstadt kurz nach dem Ausbruch des Konfliktes oder etwa zwei Jahre später erfolgt sei. Die Beschwerde hat über den Hinweis auf das jugendliche Alter des Beschwerdeführers hinaus nichts unternommen, die Unstimmigkeiten und Widersprüche in Verfahren aufzuklären und darzulegen, welche der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Varianten seiner Verfolgungsbehauptungen den Tatsachen entspreche und weshalb dieser im Verfahren nicht in der Lage gewesen ist, diese Umstände kohärent zu beschreiben. Daher bilden die Hinweise der Beschwerde letztlich ein unsubstantiiertes Bestreiten des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 als der die Asylgewährung regelnden Bestimmung wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hiefür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht (Z.1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z. 2).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH vom 11.06.1997, 95/01/0617; 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 30.06.2005, 2002/20/0205; VwGH vom 23.11.2006, 2005/20/0551-6, VwGH-Beschluss vom 29.06.2006, 2002/20/0167-7).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

3.2.2. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).

3.2.3. Der Beschwerdeführer hat wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gemäß den Feststellungen nicht glaubhaft gemacht.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der der Volksgruppe der Paschtunen angehört, sunnitischer Muslim ist und auch nicht politisch aktiv war, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung aus in der GFK genannten Motiven ausgesetzt wäre. Derartiges wurde auch weder im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens noch in der Beschwerde vorgebracht.

3.2.4. Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesasylamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.3.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

§ 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG entspricht zur Gänze dem Wortlaut der Bestimmung des durch das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehobenen § 41 Abs. 7 erster Satz AsylG 2005. In der Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP ) wurde zu § 21 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 64/2013 ausgeführt: "§ 21 entspricht dem geltenden § 41 AsylG 2005 und legt Sondernomen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamtes fest." Zu § 21 Abs. 7 hält die RV fest: "Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden."

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen." (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017)

3.3.2. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall erfüllt, da der Sachverhalt im Sinne der oben zitierten Judikatur aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und die in der Beschwerde erfolgte neuerliche Behauptung der Bedrohungssituation bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes bildet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die oben dargelegt wurde, ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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