VfGH G186/2018 ua

VfGHG186/2018 ua10.10.2018

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des AsylG 2005 und des BFA-VG betreffend die Voraussetzungen und das Verfahren bei Folgeanträgen nach Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes von Fremden durch das BFA; Fiktion der Erhebung einer (Partei-)Beschwerde durch Übermittlung der Verwaltungsakten an das BVwG mit System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar; kein amtswegiges Vorgehen des BVwG, keine erstinstanzliche Zuständigkeit des BVwG

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art130 Abs1 Z1, Art132 Abs1 Z1
AsylG 2005 §12a, §22 Abs10
BFA-VG §22
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G186.2018

 

Spruch:

I. Die Anträge werden abgewiesen, soweit sie sich gegen §22 Abs10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl I Nr 100 idF BGBl I Nr 68/2013, sowie gegen §22 BFA-VG, BGBl I Nr 87/2012 idF BGBl I Nr 68/2013, richten.

II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen begehren der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht, §22 Abs10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 − AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 68/2013, in eventu §22 Abs10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 und §22 Abs1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz − BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, in eventu §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 Abs1 BFA-VG, in eventu §12a Abs2 AsylG 2005 idF BGBl I 70/2015, §22 Abs10 AsylG 2005 idF BGBl I 68/2013 und §22 Abs1 BFA-VG, in eventu §12a AsylG 2005 idF BGBl I 145/2017, §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 BFA-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §§12a und 22 AsylG 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 145/2017, lauten (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Wortfolgen, die in der Fassung BGBl I 68/2013 in Geltung stehen, sind hervorgehoben):

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

 

§12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs1 Z23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß §68 Abs1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß §61 FPG oder eine Ausweisung gemäß §66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des §19 Abs2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des §5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß §5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art8 EMRK (§9 Abs1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

 

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs1 Z23) gestellt und liegt kein Fall des Abs1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß §61 FPG, eine Ausweisung gemäß §66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß §67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs1 Z23) gemäß Abs2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß §61 FPG, eine Ausweisung gemäß §66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß §67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß §34 Abs3 Z1 oder 3 BFA-VG iVm §40 Abs1 Z1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt §33 Abs2 AVG nicht.

 

(4) In den Fällen des Abs3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt §33 Abs2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs2 nicht entgegen.

 

(5) Abweichend von §§17 Abs4 und 29 Abs1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

 

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß §52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß §53 Abs2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß §61 FPG, Ausweisungen gemäß §66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß §67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß §67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

 

"Entscheidungen

 

§22. (6) Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz sind, wenn sich der Asylwerber in Schubhaft befindet, je nach Stand des Verfahrens vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht vordringlich zu behandeln. Diese Fälle sind schnellstmöglich, längstens jedoch binnen je drei Monaten zu entscheiden. Wird der Asylwerber während des Verfahrens, aber vor Ablauf der jeweiligen Entscheidungsfrist, aus der Schubhaft entlassen, sind die Verfahren nach der Frist des §73 Abs1 AVG zu Ende zu führen; §27 bleibt unberührt.

 

(7) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben die zuständige Landespolizeidirektion über die Durchsetzbarkeit von Entscheidungen im Flughafenverfahren zu verständigen.

 

(8) Kommt die Richtlinie 2001/55/EG über vorübergehenden Schutz im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastung, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten zur Anwendung oder wird eine Verordnung gemäß §62 erlassen, ist der Fristenlauf von Verfahren Betroffener nach diesem Bundesgesetz für die Dauer des vorübergehenden Schutzes gehemmt.

 

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß §62 Abs2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß §62 Abs3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß §22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß §22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

 

2. §22 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

 

§22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§12a Abs2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. §20 gilt sinngemäß. §28 Abs3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

 

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG oder eine Ausweisung gemäß §66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß §46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

 

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem zu G186/2018 protokollierten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 31. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß §52 Abs2 Z2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 und §9 BFA‑VG wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters legte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs1 bis Abs3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Eine gegen einzelne Spruchpunkte dieser Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. August 2017 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. September 2017 zurückgewiesen.

Am 17. Oktober 2017 stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, seine Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht, zudem sei er nunmehr zum Christentum konvertiert. Mit Verfahrensanordnung vom 24. Oktober 2017 teilte das BFA dem Revisionswerber gemäß §29 Abs3 Z4 und Z6 AsylG 2005 mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag gemäß §68 Abs1 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz mit mündlich verkündetem Bescheid aufzuheben. Weiters wurde dem Revisionswerber zur Kenntnis gebracht, dass er verpflichtet sei, an einem Rückkehrberatungsgespräch teilzunehmen.

Im Zuge der Einvernahme des Revisionswerbers am 16. November 2017 hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem und in der Niederschrift protokolliertem Bescheid auf. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die den Revisionswerber betreffenden Akten "zur Beurteilung der Aufhebung".

Mit Beschluss vom 28. November 2017 sprach das Bundesverwaltungsgericht "in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren" über die durch mündlich verkündeten Bescheid des BFA erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes aus, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 und §22 Abs10 AsylG 2005 iVm §22 BFA‑VG rechtmäßig sei.

Aus Anlass der gegen diesen Beschluss erhobenen Revision stellt der Verwaltungsgerichtshof den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag.

2. Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Gemäß Art130 Abs1 B‑VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, sowie weiters über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde und über Beschwerden gegen Weisungen. Nach Art130 Abs2 Z1 B‑VG können durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze vorgesehen werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung - anlässlich eines Verfahrens zu den Bestimmungen betreffend die 'Schubhaftbeschwerde' - bereits mit dem Regelungsgehalt des Art130 Abs1 B‑VG näher auseinandergesetzt. In seinem - im Erkenntnis vom 12. März 2015, G151/2014 ua, wörtlich wiedergegebenen - Prüfbeschluss hat er wie folgt ausgeführt:

'Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, dass aus Art130 B‑VG abzuleiten sein dürfte, dass den Verwaltungsgerichten nur Zuständigkeiten hinsichtlich der Entscheidung über 'Beschwerden' übertragen werden können. Das dürfte einerseits ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes ausschließen und andererseits ein entsprechendes Kontrollobjekt verlangen; erstinstanzliche Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichtes dürften daher nicht begründet werden können [...]'.

Wenngleich der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. März 2015, G151/2014 ua, hinsichtlich der geprüften Bestimmungen seine dort auf das Vorliegen einer möglichen erstinstanzlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Bezug nehmenden Bedenken nicht aufrechterhalten hat, ging er im Rahmen seiner weiteren Beurteilung doch unmissverständlich davon aus, dass bei der Beurteilung, ob die geprüften Regelungen dem Art130 B‑VG widersprechen, die im Prüfbeschluss genannten Maßstäbe heranzuziehen seien.

Aus dieser Entscheidung ergibt sich somit, dass Art130 B‑VG festlegt, dass einem Verwaltungsgericht nur Zuständigkeiten hinsichtlich der Entscheidung über 'Beschwerden' übertragen werden dürfen. Insoweit hat der einfache Gesetzgeber bei der Festlegung einer Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zu beachten, dass

1. Art130 B‑VG ein amtswegiges Tätigwerden des Verwaltungsgerichtes ausschließt,

2. ein entsprechendes Kontrollobjekt vorliegt, und

3. eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes nicht begründet werden darf.

In diesem Sinn geht auch der Verfassungsgesetzgeber im Rahmen eines rezenten Gesetzgebungsprozesses davon aus, dass es für die Schaffung einer (erstinstanzlichen) Zuständigkeit (ua auch) des Verwaltungsgerichts einer eigenen verfassungsrechtlichen Bestimmung bedarf (vgl den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses vom 11. April 2018 über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden, der der Einführung eines spezifischen datenschutzrechtlichen Rechtsschutzes, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der mit 25. Mai 2018 in Kraft tretenden DSGVO, auch vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Rahmen ihrer sonstigen Zuständigkeiten in gerichtlicher Funktion Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit [nicht der Justizverwaltung] besorgen, dienen soll; BUA 100 BlgNR 26. GP , 2).

Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Bestimmungen des §22 Abs10 AsylG 2005 und des §22 Abs1 BFA-VG besteht zunächst das Bedenken, dass der Gesetzgeber ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts angeordnet hat.

Der Bestimmung des Art130 B‑VG, wonach die Verwaltungsgerichte 'über Beschwerden' zu entscheiden haben, liegt zweifellos der Gedanke - eben in Abgrenzung zu einem amtswegigen Vorgehen - zugrunde, dass nur dann von einem Verwaltungsgericht über Streitigkeiten betreffend die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden ist, wenn solche von jemandem, der rechtliche Interessen verfolgt (seien sie eigene oder - wie etwa im Fall von Organparteien - öffentliche), an das Verwaltungsgericht herangetragen werden.

Dies ergibt sich - abgesehen vom allgemeinen Verständnis des Begriffes der 'Beschwerde' - nicht zuletzt auch aus Art132 B‑VG, der festlegt, wer berechtigt ist, wegen Rechtswidrigkeit ua eines Bescheides Beschwerde zu erheben.

Es vermag aber auch Art132 Abs5 B‑VG die hier in Rede stehende Beschwerdefiktion nicht zu decken. Art132 Abs5 B‑VG ermächtigt den einfachen Gesetzgeber nämlich nur - sei es zur Geltendmachung subjektiver Rechte oder im Fall von Organ- bzw Amtsparteien zur Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit - zur Erweiterung des Kreises der Beschwerdeberechtigten (vgl Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art132 B‑VG, Rn. 19f.). Die die Akten übermittelnde Verwaltungsbehörde behauptet aber (naturgemäß) gerade nicht, dass ihr Bescheid an irgendeiner vom Verwaltungsgericht zu berücksichtigenden Rechtswidrigkeit leiden würde, sodass es schon an der nach Art132 Abs5 B‑VG notwendigen Erfüllung des Tatbestands einer Beschwerdeerhebung 'wegen Rechtswidrigkeit' mangelt.

Entsprechend diesem Verständnis sieht auch §9 Abs1 VwGVG vor, dass eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z3) und das Begehren (Z4) zu enthalten hat.

Nach den hier in Rede stehenden Bestimmungen wird das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht aber gerade nicht durch einen vom Verfahren vor der Verwaltungsbehörde Betroffenen - im hier maßgeblichen Verfahren käme insoweit ausschließlich der Asylwerber, in dessen Rechtssphäre mittels Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes eingegriffen wird, in Betracht - initiiert. Vielmehr ordnet der Gesetzgeber in §22 Abs10 AsylG 2005 an, dass die Verwaltungsakten unverzüglich nach Erlassung des Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung nach §22 BFA-VG zu übermitteln sind. Diese Übermittlung gilt (allein) als Beschwerde. Das Vorliegen einer vom Betroffenen erhobenen Beschwerde ist somit nach dem Gesetz für die Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht als Voraussetzung festgelegt. Vielmehr ist aus der gesetzlichen Anordnung ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch den vom Bescheid Betroffenen sogar unzulässig ist.

Ein solches Verständnis wollte der Gesetzgeber diesen Bestimmungen auch erklärtermaßen beigelegt wissen, indem er dies auch in den Erläuterungen zur Änderung des §22 BFA-VG (RV 2144 BlgNR 24. GP , 15) mit dem FNG-Anpassungsgesetz (BGBl I Nr 68/2013) zum Ausdruck brachte und zudem ausführte, die neue Regelung entspreche der bisherigen (bis zum 31. Dezember 2013 geltenden) Regelung des §41a AsylG 2005 (alt):

'§22 entspricht dem geltenden §41a AsylG 2005 und legt Sonderno[r]men für das Verfahren betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes von Folgeanträgen nach §12a Abs2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest. Gemäß §12a Abs2 kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Asylwerbers, der einen Folgeantrag gestellt hat, unter bestimmten Voraussetzungen aufheben (siehe dazu §12a Abs2 AsylG 2005 und die bezughabenden Erläuterungen). Wird der faktische Abschiebeschutz vom Bundesamt mit Bescheid aufgehoben, so ist dagegen keine Beschwerde des Asylwerbers an das Bundesverwaltungsgericht zulässig oder erforderlich. Vielmehr wird diese Entscheidung 'automatisch' dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt und gilt dies als Beschwerde (siehe dazu auch §22 Abs10 AsylG 2005). [...]'

Dass der Gesetzgeber offenbar versucht, dem Art130 Abs1 B‑VG Genüge zu tun, indem er in §22 Abs10 AsylG 2005 festlegt, die von Amts wegen erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten gelte als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, vermag nichts daran zu ändern, dass mit den Bestimmungen des §22 Abs10 AsylG 2005 und des §22 BFA-VG in Wahrheit ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts angeordnet wird. Stünde es nämlich dem einfachen Gesetzgeber frei, nach Belieben festzulegen, dass irgendein näher beschriebenes Verwaltungshandeln (hier: die Übermittlung von Akten) als 'Beschwerde' eingestuft werden könnte, würde dem Art130 B‑VG (und dann auch Art132 B‑VG) ein Inhalt unterstellt, der dazu führt, dass die dortige Einschränkung, dem Verwaltungsgericht nur Entscheidungen 'über Beschwerden' übertragen zu dürfen, bedeutungslos wäre. Derartiges kann dem Verfassungsgesetzgeber aber nicht zugesonnen werden.

Dies wird auch durch einen Vergleich mit der vor dem 1. Jänner 2014 geltenden Rechtslage des B‑VG erhärtet. Daraus ergibt sich zudem, dass die nunmehrige Rechtslage auch nicht mit dem Hinweis auf die Vorgängerbestimmung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gerechtfertigt werden kann.

Art129a und Art129c B‑VG (alt) sahen (auszugsweise) in ihrer bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vor:

'A. Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern

Artikel 129a. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,

1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,

2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes,

3. in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden,

4. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Z1, soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenstrafrecht handelt, und der Z3.

 

[...]

 

Asylgerichtshof

Artikel 129c.

Der Asylgerichtshof erkennt nach Erschöpfung des Instanzenzuges

1. über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen,

2. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen.'

 

Bereits Art129a und Art129c B‑VG (alt) enthielten demnach hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten eine Einschränkung der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate und des Asylgerichtshofes auf Verfahren 'über Beschwerden'. Anders als die nunmehrige Rechtslage war eine solche Einschränkung aber nicht umfassend, sondern nur in Art129a Abs1 Z2 und Z4 und Art129c Z2 B‑VG (alt) vorgesehen. Gerade in Bezug auf Art129c B‑VG ist festzuhalten, dass die unterschiedlichen Formulierungen in dessen Z1 und Z2 nur den Schluss zulassen, dass die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes nach Art129c Z1 B‑VG (alt) zwar auf Entscheidungen über Bescheide in Asylsachen eingeschränkt werden sollte, aber damit nicht eine Einschränkung auf Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide einherging. Dies schloss es aus dem Blickwinkel des Art129c Z1 B‑VG (alt) dann nicht aus, den Asylgerichtshof (unter der Voraussetzung, dass Prüfgegenstand ein in Asylsachen ergangener letztinstanzlicher Bescheid war) auch zu einem amtswegigen Vorgehen zu berufen (demgegenüber sprach der den damaligen unabhängigen Bundesasylsenat betreffende und mit Ablauf des 30. Juni 2008 außer Kraft getretene Art129c Abs1 Z1 B‑VG noch ausdrücklich von 'Beschwerden in Asylsachen').

In seinem Erkenntnis vom 9. Oktober 2010, U1046/10, musste sich der Verfassungsgerichtshof mit dieser Frage nicht ausdrücklich näher befassen. In Pkt. II.2.2.3. der Entscheidungsgründe führte er jedoch aus:

'Die - durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an den Asylgerichtshof ausgelöste - 'automatische' Überprüfung der Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß §41a AsylG 2005 gewährleistet die rasche Überprüfung durch den Asylgerichtshof (vgl RV 330 BlgNR 24. GP ). Der Überprüfung durch den Asylgerichtshof kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der - ab Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung beginnenden - Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der Ausweisung zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass der Asylgerichtshof in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des Bundesasylamtes zu beheben, bevor es zu einer Abschiebung kommt (vgl RV 330 BlgNR 24. GP zu §41a Abs2 leg.cit.).

Unter diesem Blickwinkel wird den - in den oben genannten Erkenntnissen VfSlg 14.374/1995 und 17.340/2004 - angeführten verfassungsrechtlichen Erfordernissen Rechnung getragen.'

Daraus lässt sich ableiten, dass der Verfassungsgerichtshof im Rahmen dieser Entscheidung keine Bedenken gegen die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes gehegt hat, zumal andernfalls diesem dem Vorbringen des dortigen Beschwerdeführers zur behaupteten Verletzung des Rechtsstaatsprinzips entgegengehaltenen Argument der Boden entzogen gewesen wäre.

Vor diesem Hintergrund liegt nun - vor allem auch angesichts der der bloßen Ersetzung der Wortfolge 'den Asylgerichtshof' durch 'das Bundesverwaltungsgericht' in §22 Abs10 AsylG 2005 mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG, BGBl I Nr 87/2012) und der oben erwähnten Erläuterungen zum FNG-Anpassungsgesetz, wonach die bisherige Bestimmung des §41a AsylG 2005 (alt) fortgeschrieben werden sollte - die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der ab 1. Jänner 2014 geltenden Rechtslage des AsylG 2005 und des BFA-VG zwar auf diese Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes Rücksicht nehmen wollte, aber die erfolgte Änderung des B‑VG mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I Nr 51/2012) betreffend die Festlegung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte nicht ausreichend in seine Überlegungen einbezogen haben dürfte.

Die erkennbaren Bestrebungen der Rücksichtnahme auf die zitierten Ausführungen des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2010 vermögen aber die Bedenken gegen die Verfassungskonformität der nunmehrigen Regelungen, die ein nach Art130 Abs1 B‑VG nicht zulässiges amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts anordnen, nicht zu beseitigen.

Es besteht aber auch das Bedenken, dass mit den gegenständlichen Regelungen in unzulässiger Weise eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts geschaffen wurde.

Voranzustellen ist den folgenden Ausführungen zunächst, dass sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof - in der Lehre als 'Ersetzungsthese' bezeichnet - davon ausgehen, dass mit der Sachentscheidung eines Verwaltungsgerichts der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt und die verwaltungsgerichtliche Entscheidung an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (vgl Khakzadeh-Leiler, Die amtswegige Abänderung und Aufhebung von Bescheiden - neue Rechtsfragen, ZfV 2018/3, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung dieser beiden Gerichtshöfe und zudem jener des OGH).

Die in §22 Abs1 BFA-VG getroffene und im Zusammenhang mit §22 Abs10 AsylG 2005 zu lesende Anordnung, dass jegliche Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden nach §12a Abs2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, vom Bundesverwaltungsgericht allein infolge der Aktenübermittlung, die als Beschwerde gilt, unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen ist, hat zur Folge, dass ein solcher gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 erlassener Bescheid nie in Rechtskraft erwachsen kann. Ein solcher Bescheid gilt nämlich ausnahmslos immer als infolge der Aktenübermittlung von Gesetzes wegen in Beschwerde gezogen. Auch ist im Fall des Unterbleibens der an sich vorgesehenen unverzüglichen Aktenübermittlung nicht vom Eintritt der Rechtskraft des Bescheides auszugehen. Derartiges ist gesetzlich nicht angeordnet. Da nach den Intentionen des Gesetzes die Erhebung einer Beschwerde durch den Betroffenen nicht zulässig ist, käme ein Eintritt der Rechtskraft des Bescheides bei unterbliebener Aktenübermittlung einem gänzlichen Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung gleich, der allein durch die Untätigkeit der Behörde bewirkt würde. Eine solche Sichtweise wäre aber nicht nur mit Art130 B‑VG, sondern auch rechtstaatlichen Grundsätzen schon vom Ansatz her nicht vereinbar.

Auch wenn eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß §22 BFA-VG kraft der ausdrücklichen Anordnung in §22 Abs10 AsylG 2005 in der Rechtsform des Beschlusses zu ergehen hat, handelt es sich dabei doch immer um eine Sachentscheidung in der den Verfahrensgegenstand 'Aberkennung des faktischen Rechtsschutzes' betreffenden Rechtssache. Das ergibt sich schon aus §22 Abs1 letzter Satz AsylG 2005, wonach im Verfahren zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes §28 Abs3 zweiter Satz VwGVG nicht anzuwenden ist. Auch die oben bereits erwähnten Erläuterungen zum FNG-Anpassungsgesetz halten dazu fest, dass eine Zurückverweisung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §28 Abs2 dritter Satz (gemeint: Abs3 zweiter Satz) VwGVG nicht in Betracht komme (RV 2144 BlgNR 24. GP , 15).

Ist es aber von vornherein denkunmöglich, dass in Bezug auf die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ein Bescheid jemals in Rechtskraft erwachsen kann, und ist immer vom Verwaltungsgericht in der betreffenden Rechtssache eine Sachentscheidung zu treffen, die - wie oben ausgeführt nach der Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Verfassungsgerichtshofes - den Bescheid ersetzt, so führt dies zu einer Situation, in der ausnahmslos immer allein nur die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Rechtsbestand verbleibt. Auch wenn dem formell ein behördlicher Akt, der in die Form eines Bescheides gekleidet wird, vorangeht, läuft diese Konstruktion der Sache nach auf nichts anderes hinaus, als auf eine dem Bundesverwaltungsgericht, das von der Behörde vergleichbar einer von ihr erfolgten Antragstellung angerufen wird, erstinstanzlich zugewiesene Zuständigkeit. Dass an die Existenz des vorgelagerten Bescheides Rechtsfolgen geknüpft werden (sofortiger Eintritt der Durchsetzbarkeit, Zuwartenmüssen mit der Durchführung einer Abschiebung bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der Akten bei der zuständigen Gerichtsabteilung, vgl §22 Abs2 BFA-VG) vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern (für den Eintritt vergleichbarer Folgen ist nicht immer die Bescheiderlassung essentiell; wie das AsylG 2005 an anderen Stellen selbst zeigt, werden auch an bestimmte andere, nicht in Bescheidform ergehende Verfahrenshandlungen Rechtsfolgen geknüpft).

Würden die im Hauptantrag angeführten Bestimmungen aus dem Rechtsbestand beseitigt, würde dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dazu führen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht länger dazu berufen wäre, ein vom Amts wegen eingeleitetes Verfahren zu führen. Diesfalls obläge es dem betroffenen Asylwerber, ob er gegen einen behördlichen Bescheid, mit dem der faktische Abschiebeschutz aberkannt wird, mittels Beschwerde vorgehen möchte oder dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht in Betracht zieht. Es erscheint aus diesem Blickwinkel vorderhand nicht geboten, auch jene verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, die eine Beschleunigung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zum Ziel haben, weil diese auf das aufgrund einer von der Partei erhobenen Beschwerde durchzuführende Verfahren in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Anwendung finden könnten. Da es aber nicht ausgeschlossen ist, davon auszugehen zu müssen, dass diese Bestimmungen nur für das amtswegig eingeleitete Verfahren Anwendung zu finden haben und infolge der Aufhebung den übrig bleibenden Bestimmungen ein dem Willen des Gesetzgebers nicht zu unterstellender veränderter Sinn beizumessen sein könnte, werden die ersten beiden Eventualanträge gestellt.

Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Verfassungsgerichtshof befindet, dass es im Hinblick auf seine - auch im oben zitierten Erkenntnis U1046/10 zur Anwendung gebrachte - Judikatur geboten ist, den Anfechtungsumfang so weit zu ziehen, dass nicht ein 'verfassungswidriger Torso' übrig bleibt. Nach dieser Rechtsprechung geht es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters darlegte - unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. Auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen wird, lässt sich nicht allgemein sagen (vgl zum Ganzen VfGH 9.10.2010, U1046/10, mwN).

Träfen die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes zu und erweisen sich jene Bestimmungen, die in Bezug auf ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein ausschließlich amtswegiges Vorgehen vorsehen, in ihrer Gesamtheit - also auch die zugunsten des Betroffenen geschaffenen Bestimmungen (etwa die Festlegung einer Wartefrist vor Durchführung einer Abschiebung) - als verfassungswidrig, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass dann infolgedessen die im Erkenntnis U1046/10 zur Vorgängerreglung vertretene Ansicht, es bestehe ein ausreichender Ausgleich zwischen den Interessen des Rechtsschutzsuchenden und den öffentlichen Interessen, nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte. Dem sollen die übrigen Eventualanträge Rechnung tragen.

Zusammengefasst bestehen somit die Bedenken, dass mit den im Hauptantrag angefochtenen Regelungen gegen Art130 B‑VG verstoßen wird, weil entgegen dieser Bestimmung ein amtswegiges Vorgehen und eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts festgelegt wurde. Im Fall des notwendigerweise größer zu ziehenden Anfechtungsumfanges könnte zudem die Rechtslage nicht jenen Anforderungen entsprechen, die das rechtsstaatliche Prinzip an den Ausgleich der unterschiedlichen Interessenslagen stellt."

3. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich in dem zu G153/2018 protokollierten Antrag den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes an bzw führt diese wortgleich aus. Dem vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren liegt ein in den wesentlichen Punkten gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich gegen die Zulässigkeit des Hauptantrages wendet, und im Übrigen den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes:

 

1.1. Die antragstellenden Gerichte bringen vor, Art130 B‑VG liege 'zweifellos der Gedanke […] zugrunde, dass nur dann von einem Verwaltungsgericht über Streitigkeiten betreffend die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden ist, wenn solche von jemandem, der rechtliche Interessen verfolgt […], an das Verwaltungsgericht herangetragen werden' […]. Nach den angefochtenen Bestimmungen werde das verwaltungsgerichtliche Verfahren aber gerade nicht durch einen vom Verfahren vor der Verwaltungsbehörde Betroffenen initiiert; eine Beschwerdeerhebung durch den – vom Bescheid ausschließlich betroffenen – Asylwerber, in dessen Rechtssphäre durch die Aufhebung des Abschiebeschutzes eingegriffen werde, sei sogar unzulässig. Vielmehr gelte (allein) die Übermittlung der Verwaltungsakten durch das BFA an das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerde.

 

Die Regelung finde auch nicht in Art132 Abs5 B‑VG Deckung: Da das die Akten übermittelnde BFA gerade nicht behaupte, dass sein Bescheid an einer Rechtswidrigkeit leide, mangle 'es schon an der nach Art132 Abs5 B‑VG notwendigen Erfüllung des Tatbestands einer Beschwerdeerhebung 'wegen Rechtswidrigkeit'' […].

 

1.2. Nach Ansicht der Bundesregierung ordnen die angefochtenen Bestimmungen entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Gerichte kein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes an: Diese Auffassung vermag schon insofern nicht zu überzeugen, als das Bundesverwaltungsgericht gerade nicht in der Lage ist, ein Überprüfungsverfahren gemäß §22 BFA-VG aus Eigenem einzuleiten, setzt eine solche Überprüfung doch eine als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht geltende Übermittlung der Verwaltungsakten durch das BFA, also durch eine dritte Stelle, voraus. Zudem ist nicht vorgesehen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Unterlassung der Aktenvorlage durch das BFA befugt wäre, von diesem aus Eigenem die Verwaltungsakten anzufordern.

 

1.3. Dass diese für die Verfahrenseinleitung erforderliche Beschwerde auf einer gesetzlich geregelten Fiktion beruht, ist verfassungsrechtlich unbedenklich: Nach Art130 Abs1 Z1 B‑VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Eine solche Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann ua erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet (s Art132 Abs1 Z1 B‑VG). Art130 Abs1 Z1 B‑VG und Art132 Abs1 Z1 B‑VG regeln sohin zwar Beschwerdegegenstand, Prüfungsmaßstab und Beschwerdeberechtigung und damit einen gewissen Mindestinhalt der Parteibeschwerde – in welcher Form eine Beschwerde zu erheben und einzubringen ist, wird allerdings nicht verfassungsrechtlich festgelegt. Insbesondere existiert keine Verfassungsbestimmung, wonach der Beschwerdeführer die Beschwerde ausnahmslos selbst 'aktiv' durch einen ausdrücklichen Antrag einbringen muss. Vor allem wird nicht ausgeschlossen, dass die Erhebung einer Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art130 Abs1 Z1 B‑VG im Wege einer gesetzlich angeordneten Fiktion erfolgt. Die 'Fingierung' von Prozesshandlungen stellt eine weitverbreitete und anerkannte Regelungstechnik des (Verwaltungs-)Verfahrensrechts dar, die die (Verfassungs-)Gesetzgebung bei der Erlassung der Art130 ff B‑VG an diversen Stellen vorgefunden hat.

 

1.3.1. So finden sich allein im Bereich des Fremden- und Asylrechts gleich mehrere mit der gegenständlichen Regelung vergleichbare Konstruktionen: Beispielsweise bestimmt §16 Abs3 BFA-VG, dass eine Beschwerde, die (nur) ein Familienmitglied gegen eine im Familienverfahren ergangene zurück- oder abweisende Entscheidung des BFA erhebt, auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen gilt; ob diese anderen Familienangehörigen 'aktiv' den Willen äußern, die sie betreffenden Bescheide in Beschwerde zu ziehen, ist diesbezüglich irrelevant. Ferner ist auf §22a Abs4 BFA-VG hinzuweisen, der eine regelmäßige Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung eines Fremden in Schubhaft anordnet: Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten vorzulegen und mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht.

 

Eine gesetzliche Fiktion von Verfahrenshandlungen normieren weiters §17 Abs7 AsylG 2005, wonach ein 'in der Rechtsmittelfrist gestellter weiterer Antrag auf internationalen Schutz […] als Beschwerde oder Beschwerdeergänzung gegen den zurückweisenden oder abweisenden Bescheid' des BFA gilt, und §17 Abs8 AsylG 2005, wonach ein während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens gestellter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerdeergänzung gilt. Nach §25 Abs2 AsylG 2005 gilt das Zurückziehen eines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Zurückziehung der Beschwerde.

 

1.3.2. Aber auch im allgemeinen Verfahrensrecht sind gesetzliche Fiktionen von Prozesshandlungen gebräuchlich: So ordnet etwa §13 Abs4 AVG an, dass ein Anbringen in bestimmten Fällen nach fruchtlosem Ablauf einer Verbesserungsfrist als zurückgezogen gilt. Ebenso regeln §§30a Abs2, 33 Abs2 und 34 Abs2 VwGG, dass Revisionen in bestimmten Fällen als zurückgezogen gelten. Da die Zurückziehung eines Anbringens ihrerseits selbst ein Anbringen darstellt (vgl VwGH 15.11.2007, 2006/12/0193; 25.7.2013, 2013/07/0099; 24.7.2014, Ro 2014/07/0031), enthalten auch diese Regelungen Anbringensfiktionen.

 

1.4. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass gesetzliche Antragsfiktionen grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sind, und zwar sowohl hinsichtlich der Erhebung als auch hinsichtlich der Zurückziehung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Freilich sind derartige gesetzliche Fiktionen nicht grenzenlos möglich – vielmehr müssen sie sachlich gerechtfertigt sein. Dementsprechend ist die Verfassungsmäßigkeit der gegenständlichen Fiktion einer Beschwerdeerhebung mit Blick auf die spezifische Eigenart des Verfahrens gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 zu beurteilen:

 

1.4.1. Die Bedenken der antragstellenden Gerichte gegen die angefochtenen Bestimmungen beruhen ua darauf, dass es dem (die Verwaltungsakten übermittelnden) BFA nicht zugesonnen werden könne, zu behaupten, sein Bescheid leide an einer vom Verwaltungsgericht zu berücksichtigenden Rechtswidrigkeit. Dieses Vorbringen geht allerdings schon insofern ins Leere, als die gegenständlichen Bestimmungen keine Beschwerde des BFA vorsehen, sondern eine (Partei-)Beschwerde des durch die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes in seiner Rechtssphäre betroffenen Fremden, die gleichsam im Wege der Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht herangetragen wird.

 

Dementsprechend enthält die Beschwerde auch keine Rechtswidrigkeitsbehauptung des BFA, sondern eine des betroffenen Fremden. Die Existenz und der Inhalt dieser Rechtswidrigkeitsbehauptung erklären sich aus dem besonderen Charakter des Verfahrens nach §12a Abs2 AsylG 2005.

 

1.4.2. Das Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 kann nicht 'isoliert' eingeleitet werden; vielmehr ist ein solches Aufhebungsverfahren stets an ein Asylverfahren anlässlich eines Folgeantrags, über den noch nicht abschließend entschieden wurde […], und an ein rechtskräftig mit der vollinhaltlichen Ab- oder Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz abgeschlossenes Asylverfahren ('Erstverfahren') geknüpft. In dieser Situation liegt also bereits eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, deren Vollzug der mit der Stellung des Folgeantrags verbundene Abschiebeschutz entgegensteht. Beim Verfahren nach §12a Abs2 AsylG 2005 handelt es sich insofern um eine Art Zwischen- und Provisorialverfahren, das einen Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen (Verbleib in Österreich) und den öffentlichen Interessen (Vollzug der rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Entscheidung aus dem Erstverfahren) schafft. Hierbei wird noch nicht über den Folgeantrag als solchen entschieden. Nachdem die Entscheidung des BFA oder des Bundesverwaltungsgerichtes im Verfahren nach §12a Abs2 AsylG 2005 keine Bindungswirkung für die nachfolgende Entscheidung über den offenen Folgeantrag entfaltet, steht die Aufhebung des Abschiebeschutzes einer späteren Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht entgegen. Umgekehrt hindert die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht oder die Einstellung des Verfahrens nach §12a Abs2 AsylG 2005 durch das BFA nicht eine spätere Abweisung oder Zurückweisung des Folgeantrags.

 

Gleichwohl wird im Verfahren nach §12a Abs2 AsylG 2005 insoweit schon eine Beurteilung des Gegenstands des 'Hauptsacheverfahrens' (also des Asylverfahrens über den Folgeantrag) vorgenommen, als die Aufhebung des Abschiebeschutzes u.a. voraussetzt, dass, erstens, eine entscheidungswesentliche Änderung des dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sachverhaltes voraussichtlich nicht eingetreten ist und, zweitens, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung voraussichtlich keine Verletzung des Fremden in seinen nach Art2, 3 oder 8 EMRK oder dem 6. oder 13. ZPEMRK gewährleisteten Rechten bewirken würde. Eine Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 kommt mithin nur dann in Betracht, wenn eine (qualifizierte) Prognoseentscheidung ergibt, dass kein Sachverhalt nachträglich eingetreten ist, der die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (§3 AsylG 2005) oder eines subsidiär Schutzberechtigten (§8 AsylG 2005) oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §55 AsylG 2005 rechtfertigen würde. Insofern werden im Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes – im Sinne einer 'Grobprüfung' – bereits Rechtsfragen beurteilt, die Gegenstand des Asylverfahrens über den Folgeantrag sind (vgl idS VfSlg 19.215/2010, wonach 'vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer Ausweisung erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen' sind).

 

1.4.3. Ein Fremder, der einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, strebt nicht bloß an, die temporäre Aussetzung seiner Abschiebung auf Grundlage der im Erstverfahren erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu erreichen, dafür würde ein nachträglicher Antrag auf Duldung (§46a Abs1, insbesondere Z1 FPG) bereits genügen. Er beabsichtigt vielmehr, ein grundsätzlich auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht zu erlangen, nämlich den Status eines Asylberechtigten iSd. §2 Abs1 Z15 AsylG 2005. Die Zuerkennung dieses Aufenthaltsrechts hätte zur Folge, dass die im Erstverfahren erlassene Rückkehrentscheidung und damit der gegen den Fremden vorliegende Abschiebetitel gegenstandslos wird (s §60 Abs3 Z1 FPG). Durch die Stellung eines Folgeantrags bringt der Fremde daher (auch) seine Absicht zum Ausdruck, die im Erstverfahren erlassene Rückkehrentscheidung – einschließlich des damit verbundenen Ausspruchs über die Zulässigkeit der Abschiebung (§52 Abs9 erster Satz FPG) – aus dem Rechtsbestand zu beseitigen und eine Abschiebung für die Zukunft zu unterbinden.

 

1.4.4. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 läuft diesem vom Fremden angestrebten Ziel nun aber fundamental zuwider. Indem der Fremde seinen Folgeantrag – und die darin jedenfalls mitenthaltene Behauptung, dass seine Abschiebung unzulässig sei – nach der Erlassung des Bescheides über die Aufhebung des Abschiebeschutzes aufrechterhält und das Asylverfahren weiterbetreibt (anderenfalls käme ihm ohnehin kein Abschiebeschutz mehr zu), bringt er weiterhin vor, schutzbedürftig zu sein. Hiermit behauptet er aber zugleich, die rechtliche Beurteilung des BFA im Rahmen des Verfahrens nach §12a Abs2 AsylG 2005 sei unzutreffend, mithin der Aufhebungsbescheid rechtswidrig. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, dem Fremden in typisierender Betrachtungsweise von Gesetzes wegen den Willen zuzusinnen, gegen eine Aufhebung des Abschiebeschutzes Beschwerde zu erheben.

 

1.4.5. Aus den spezifischen Umständen einer Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG2005 ergibt sich auch eine hinreichende inhaltliche Determinierung der auf einer gesetzlichen Fiktion beruhenden Beschwerde. Der angefochtene Bescheid und die belangte Behörde stehen fest. Jedenfalls behauptet der betreffende Fremde, in seinem Recht verletzt zu sein, nicht der Gefahr einer Abschiebung ausgesetzt zu werden, wenn ein – durch die Stellung und Aufrechterhaltung des Folgeantrags jedenfalls behauptetes – Abschiebeverbot vorliegt. Auch die Gründe, auf die sich diese (implizit) behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 stützt, lassen sich klar und unmissverständlich aus dem im Verfahren über den Folgeantrag zum Ausdruck kommenden Vorbringen des Fremden entnehmen, einer Schutzgewährung zu bedürfen. Hierbei gilt es zu bedenken, dass der Fremde vor einer Aufhebung des Abschiebeschutzes durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu befragen und vom BFA einzuvernehmen ist (s §19 Abs1 und 2 AsylG 2005; RV 330 BlgNR XXIV GP  13), was ihm die Möglichkeit bietet, sein Vorbringen näher darzulegen. Schließlich besteht kein Zweifel daran, dass mit der Beschwerde die ersatzlose Behebung des Aufhebungsbescheides des BFA angestrebt wird.

 

1.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Gesetzgebung mit den angefochtenen Bestimmungen eine der Verfahrensökonomie dienende Beschwerdefiktion geschaffen hat, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art130 ff B‑VG entspricht.

 

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

 

2.1. Die antragstellenden Gerichte sind der Auffassung, die angefochtenen Bestimmungen hätten zur Folge, dass ein gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 erlassener Bescheid des BFA nie in Rechtskraft erwachsen könne. Auch handle es sich bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes 'immer um eine Sachentscheidung in der den Verfahrensgegenstand 'Aberkennung des faktischen Rechtsschutzes' betreffenden Rechtssache' […]. Dies führe 'zu einer Situation, in der ausnahmslos immer allein nur die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Rechtsbestand verbleibt' […]. Diese Konstruktion laufe 'der Sache nach auf nichts anderes hinaus, als auf eine dem Bundesverwaltungsgericht, das von der Behörde vergleichbar einer von ihr erfolgten Antragstellung angerufen wird, erstinstanzlich zugewiesene Zuständigkeit' […].

 

2.2. Nach Auffassung der Bundesregierung gehen die Bedenken der antragstellenden Gerichte schon deshalb ins Leere, weil sie auf der unzutreffenden Prämisse beruhen, dass gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 erlassene Bescheide ausnahmslos durch nachfolgende verwaltungsgerichtliche Sachentscheidungen ersetzt werden.

 

2.2.1. Wie dargelegt, gilt die Vorlage der Verwaltungsakten als (Partei-)Beschwerde des betroffenen Fremden […] – folglich kommen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §22 BFA-VG grundsätzlich die allgemein für Bescheidbeschwerden geltenden Bestimmungen zur Anwendung. Dementsprechend hat auch der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass es dem beschwerdeführenden Fremden – ebenso wie bei 'regulären' Parteibeschwerden – jederzeit freistehe, eine Beschwerdeergänzung an das Bundesverwaltungsgericht zu richten und dadurch auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen (vgl VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, Rz. 25). In diesem Sinn sind grundsätzlich auch jene allgemeinen Bestimmungen für Bescheidbeschwerden anzuwenden, die die Disposition des Rechtsschutzsuchenden über den Beschwerdegegenstand betreffen. Es steht dem Fremden daher mangels gegenteiliger Vorschriften frei, die Beschwerde – aus welchem Grund auch immer – zurückzuziehen, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren einzustellen hat und der Bescheid des BFA in (materielle) Rechtskraft erwächst.

 

2.2.2. Zu einer Einstellung des Beschwerdeverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht könnte es aber auch wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kommen, weil durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl VwGH 20.1.2016, Ro 2014/04/0045). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn nach Übermittlung der Verwaltungsakten an das Bundesverwaltungsgericht einer der Endigungstatbestände des §12 Abs1 AsylG 2005 eintritt, wodurch der Abschiebeschutz ohnehin erlischt, oder das Verfahren über den Folgeantrag nachträglich zugelassen wird, wodurch der Fremde das vorläufige Aufenthaltsrecht nach §13 Abs1 AsylG 2005 erlangt und die vorangehende Aufhebung des Abschiebeschutzes gegenstandslos wird.

 

2.3. Dass es zu kurz greift, die Überprüfung des Aufhebungsbescheides als erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu charakterisieren, zeigt sich überdies daran, dass das anhängige Beschwerdeverfahren einer amtswegigen Aufhebung des Bescheides durch die zuständige Behörde iSd. §68 Abs2 bis 4 AVG nicht im Wege steht (vgl VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029).

 

2.4. Im Hinblick auf die Ausführungen der antragstellenden Gerichte bezüglich eines Unterbleibens der Aktenübermittlung wird darauf hingewiesen, dass diesfalls […] die aufschiebende Frist von drei Arbeitstagen für die Durchführbarkeit der Abschiebung gemäß §22 Abs2 zweiter Satz BFA-VG nicht zu laufen beginnt.

 

2.5. Diesem Bedenken der antragstellenden Gerichte ist sohin von vornherein der Boden entzogen.

 

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

 

5. Das Bundesverwaltungsgericht stellte zu den Zahlen G197/2018, G198/2018, G204/2018, G206/2018, G211/2018, G214/2018, G215/2018, G221/2018, G222/2018, G227/2018, G245/2018, G247/2018, G254/2018, G255/2018, G259/2018, G263/2018, G266/2018, G277/2018, G278/2018, G280/2018 bis G282/2018, G285/2018, G290/2018, G291/2018, G293/2018, G300/2018 und G303/2018 weitere Anträge, denen im Wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde liegen und in denen es sich den vom Verwaltungsgerichtshof erhobenen Bedenken anschließt.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte zur Zahl G273/2018 einen weiteren Antrag, in dem er hinsichtlich der Bedenken auf seinen zur Zahl G186/2018 protokollierten Antrag verweist.

Der Verfassungsgerichtshof führte zu diesen Anträgen des Bundesverwaltungsgerichtes und des Verwaltungsgerichtshofes (im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG) kein weiteres Verfahren durch.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die zu G186/2018 und G153/2018 protokollierten, in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Mit ihren jeweiligen (gleichlautenden) Hauptanträgen begehren der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des §22 Abs10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 idF BGBl I 68/2013.

Zur Zulässigkeit des Hauptantrages führt der Verwaltungsgerichtshof aus, er habe im vorliegenden Fall im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung nicht nur jene Bestimmungen anzuwenden, die es erlauben, den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen. Vielmehr habe er im Fall einer zulässigen Revision auch eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes von Amts wegen aufzugreifen und daher die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen ohne Zweifel anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass zur Herstellung des verfassungskonformen Zustandes damit das Auslangen gefunden werden könne, den dritten und vierten Satz des §22 Abs10 AsylG 2005 aus dem Rechtsbestand zu beseitigen.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der mit den Hauptanträgen angefochtenen Wortfolgen zweifeln ließe.

1.3. Die Bundesregierung erachtet die Hauptanträge allerdings deshalb als unzulässig, weil sie zu eng gefasst seien. Die Aufhebung des §22 Abs10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 hätte nach Ansicht der Bundesregierung zur Folge, dass das BFA die Verwaltungsakten nicht mehr unverzüglich an das Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln hätte. §22 Abs2 zweiter Satz BFA‑VG würde allerdings weiterhin normieren, dass mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder die Ausweisung umsetzenden Abschiebung bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten sei. Ohne Übermittlung der Verwaltungsakten würde diese dreitägige Frist nicht zu laufen beginnen, die Abschiebung bliebe damit bis auf Weiteres mangels Eintritts des fristauslösenden Ereignisses dauerhaft unzulässig. Die Aufhebung im von den Hauptanträgen erfassten Umfang würde damit eine Rechtslage schaffen, die der Intention des Gesetzgebers diametral entgegenstehe und einem Akt der positiven Gesetzgebung gleichkomme. Die antragstellenden Gerichte hätten daher (zumindest) auch die Aufhebung des §22 Abs2 zweiter Satz BFA-VG beantragen müssen.

1.4. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.5. Für die Hauptanträge ergibt sich daraus, dass der Anfechtungsumfang zu eng gewählt wurde:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die in den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes geäußerten Bedenken nicht nur gegen §22 Abs10 AsylG 2005, sondern auch gegen §22 Abs1 BFA‑VG richten. Vor dem Hintergrund dieser Bedenken reicht daher die alleinige Anfechtung des dritten und vierten Satzes des §22 Abs10 AsylG 2005 nicht aus. Vielmehr hätten die antragstellenden Gerichte auch §22 Abs1 BFA‑VG anzufechten gehabt, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl VfGH 10.3.2015, G201/2014, 27.6.2018, G177/2017).

Es besteht zudem jedenfalls − wie die Bundesregierung im Ergebnis zutreffend ausführt – ein untrennbarer Zusammenhang des mit dem Hauptantrag angefochtenen dritten und vierten Satzes des §22 Abs10 AsylG 2005 mit §22 Abs2 zweiter Satz BFA‑VG, der einen Verweis auf die Aktenübermittlung nach §22 Abs10 AsylG 2005 enthält. Es genügt daher nicht, §22 Abs10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 aufzuheben, weil §22 Abs2 zweiter Satz BFA‑VG inhaltsleer bzw nicht verständlich zurückbliebe. Bei Wegfall der Bestimmungen über die unverzügliche Aktenübermittlung durch das BFA wäre nämlich unklar, ab wann die dreitägige Frist, während der mit der eine Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten ist, zu laufen beginnt.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Hauptanträge als zu eng gefasst.

1.6. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für die (jeweils) ersten, zweiten und dritten Eventualanträge, mit denen die Aufhebung des §22 Abs1 bzw Abs2 zweiter Satz BFA‑VG nicht begehrt wird. Auch diese sind zu eng gefasst und daher unzulässig.

1.7. Hingegen erweist sich der jeweils vierte Eventualantrag als teilweise zulässig:

Mit dem (jeweils) vierten Eventualantrag begehren der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung der §§12a und 22 Abs10 AsylG 2005 sowie des §22 BFA‑VG. Diese Bestimmungen, die die Voraussetzungen und das Verfahren hinsichtlich der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes für Folgeanträge regeln, stehen jedenfalls in einem Regelungszusammenhang. §12a AsylG 2005 ist jedoch von dem den Sitz der die behauptete Verfassungswidrigkeit bildenden (präjudiziellen) dritten und vierten Satz des §22 Abs10 AsylG 2005 offenkundig trennbar. Gleiches gilt auch für den mit diesen Eventualanträgen angefochtenen ersten und zweiten Satz des §22 Abs10 AsylG 2005, zumal damit lediglich die Form der Bescheiderlassung durch das BFA geregelt wird. Die Anträge sind daher zu weit gefasst und zurückzuweisen, soweit sie sich gegen §§12a und 22 Abs10 erster und zweiter Satz AsylG 2005 wenden.

§22 Abs10 letzter Satz AsylG 2005 und §22 BFA‑VG sind hingegen nicht offenkundig trennbar. Soweit die Anträge die Aufhebung des §22 Abs10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 und des §22 BFA‑VG begehren, sind sie daher zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die antragstellenden Gerichte äußern zunächst das Bedenken, der Gesetzgeber habe in §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 Abs1 BFA‑VG ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes angeordnet. Ein derartiges amtswegiges Tätigwerden widerstreite Art130 B‑VG, wonach die Verwaltungsgerichte "über Beschwerden" zu entscheiden hätten, die von jemandem, der rechtliche Interessen verfolge, an das Verwaltungsgericht herangetragen würden. Dies ergebe sich auch aus Art132 B‑VG, der festlege, wer berechtigt sei, wegen Rechtswidrigkeit eine Beschwerde zu erheben. Art132 Abs5 B‑VG ermächtige den Gesetzgeber zwar, den Kreis der Beschwerdeberechtigten zu erweitern; die die Akten übermittelnde Verwaltungsbehörde behaupte aber (naturgemäß) nicht, dass ihr Bescheid an irgendeiner Rechtswidrigkeit leiden würde. Auch werde das Verfahren gerade eben nicht durch einen vom Verfahren vor der Verwaltungsbehörde Betroffenen initiiert; vielmehr sei aus der gesetzlichen Anordnung ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch den vom Bescheid Betroffenen sogar unzulässig sei. Selbst wenn der Gesetzgeber in §22 Abs10 AsylG 2005 festlege, die von Amts wegen erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten gelte als Beschwerde, vermöge dies nichts daran zu ändern, dass mit dieser Regelung ein amtswegiges Tätigwerden angeordnet werde.

Des Weiteren werde mit den gegenständlichen Regelungen in unzulässiger Weise eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes geschaffen. Mit der Sachentscheidung eines Verwaltungsgerichtes werde der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt; die verwaltungsgerichtliche Entscheidung trete an die Stelle des angefochtenen Bescheides. Ein gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 erlassener Bescheid gelte ausnahmslos immer als infolge der Aktenübermittlung von Gesetzes wegen in Beschwerde gezogen; insofern könne ein derartiger Bescheid nie in Rechtskraft erwachsen. Auch für den Fall, dass die Aktenübermittlung durch die Verwaltungsbehörde unterbleibe, sei ein Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gesetzlich nicht angeordnet. Werde (umgekehrt) davon ausgegangen, dass der Bescheid bei unterbliebener Aktenübermittlung in Rechtskraft erwachse, käme dies einem gänzlichen Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung gleich, der durch die Untätigkeit der Behörde bewirkt würde. Eine solche Sichtweise wäre aber nicht nur mit Art130 B‑VG, sondern auch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

2.3. Der Antrag ist nicht begründet.

Gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Das schließt einerseits ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes aus und verlangt andererseits ein entsprechendes Kontrollobjekt; erstinstanzliche Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichtes können daher nicht begründet werden (vgl VfSlg 19.970/2015; siehe auch Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art130 B‑VG, Rz 34; Fuchs, Der Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verwaltungsgerichte erster Instanz, JRP 2007, 276 [281]; Holoubek, Der Beschwerdegegenstand vor dem Verwaltungsgericht erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 213 [224]).

2.4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes wird mit der vorliegenden, in §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 BFA‑VG angeordneten Konstruktion kein amtswegiges Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichtes angeordnet:

2.4.1. Gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 wird nämlich nicht das Bundesverwaltungsgericht, sondern vielmehr das BFA, also die Verwaltungsbehörde, von Amts wegen tätig. Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Nach den Erläuterungen zu §22 Abs10 AsylG 2005 erfolgt diese Übermittlung der Verwaltungsakten "automatisch" (RV 330 BlgNR 24. GP , 21), also von Amts wegen. Das Bundesverwaltungsgericht wird indes nicht aus Eigenem tätig; vielmehr wird die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides erst mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl auch VfSlg 19.215/2010 zu §22 Abs10 AsylG 2005 idF BGBl I 122/2009, dem dieselbe Gesetzessystematik zugrunde lag: "Die – durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an den Asylgerichtshof ausgelöste – 'automatische' Überprüfung der Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß §41a AsylG 2005 gewährleistet die rasche Überprüfung durch den Asylgerichtshof [vgl RV 330 BlgNR 24. GP ].").

2.4.2. Des Weiteren liegt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes auch eine Beschwerde iSd Art130 B‑VG vor. In ihrer Äußerung geht die Bundesregierung davon aus, dass "die gegenständlichen Bestimmungen keine Beschwerde des BFA vorsehen, sondern eine (Partei-)Beschwerde des durch die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes in seiner Rechtssphäre betroffenen Fremden".

Gemäß Art132 Abs1 Z1 B‑VG kann eine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet ("Parteibeschwerde"). Art132 B‑VG regelt somit, wem die Beschwerdeberechtigung zukommt; eine Beschwerde kann ausschließlich von einem legitimierten Beschwerdeführer erhoben werden (vgl Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art132 B‑VG, Rz 1). Die Beschwerdelegitimation knüpft dabei an den jeweiligen Beschwerdegegenstand an. Die gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten an das Bundesverwaltungsgericht gilt nach der ausdrücklichen Anordnung des §22 Abs10 vierter Satz leg.cit. als Beschwerde gegen den Bescheid des BFA. Den Erläuterungen zufolge sei "eine gesonderte Beschwerde aus Eigenem […] daher nicht zulässig" bzw "erforderlich" (RV 330 BlgNR 24. GP , 21 und RV 2144 BlgNR 24. GP , 15).

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesregierung nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass der Gesetzgeber mit der Übermittlung der Verwaltungsakten intendiert, eine Parteibeschwerde, also die Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit durch den Betroffenen im Sinne des Art132 Abs1 Z1 B‑VG, zu fingieren.

2.4.3. Die vom Gesetzgeber in §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist – vor dem Hintergrund des engen inhaltlichen Zusammenhanges des Aufhebungsverfahrens mit dem Folgeantrag – mit dem in Art130 und 132 B‑VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar:

Die Bundesregierung verweist zu Recht darauf, dass das Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 stets in Zusammenhang mit einem Asylverfahren anlässlich eines Folgeantrages steht, über den noch nicht abschließend entschieden wurde. (VfSlg 19.215/2010). Diesem Folgeantrag geht ein rechtskräftig mit der vollinhaltlichen Ab- oder Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz abgeschlossenes, rechtsstaatlich durchgeführtes, Asylverfahren ("Erstverfahren") voraus, das mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde. Folglich wurde bereits vor der Stellung eines Folgeantrages zumindest einmal eine Refoulement-Prüfung bzw Interessenabwägung vorgenommen (vgl auch RV 330 BlgNR 24. GP ).

Gemäß §12a Abs2 Z1 AsylG 2005 kann der faktische Abschiebeschutz nur aufgehoben werden, wenn eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß §61 FPG, eine Ausweisung gemäß §66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß §67 FPG vorliegt. §12a Abs2 Z2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung (vgl Muzak, Die Einschränkungen des faktischen Abschiebeschutzes im Asylverfahren, migralex 2010, 2 [4]); die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl RV 330 BlgNR 24. GP ). Darüber hinaus sieht §12a Abs2 Z3 leg.cit. vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen sind.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu §12a und §41a Abs2 AsylG 2005 idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 heben hervor, dass sich die Refoulement-Prüfung auf einen seit dem Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens geänderten Sachverhalt zu beziehen hat (RV 330 BlgNR 24. GP ). Die – durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an das Bundesverwaltungsgericht ausgelöste – "automatische" Überprüfung der Entscheidung des BFA gewährleistet die rasche Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht. Der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der – ab Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung beginnenden – Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des BFA zu beheben, bevor es zu einer Außerlandesschaffung kommt (vgl dazu bereits VfSlg 19.215/2010 unter Verweis auf RV 330 BlgNR 24. GP ).

Die Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP , AB 387 BlgNR 24. GP ) erklären die Einführung der Sonderbestimmungen für Folgeanträge mit der Praxis in der Vergangenheit. Diese habe gezeigt, dass Fremde, deren Asylantrag auch nach Beschwerden vor dem Asyl- und Verfassungsgerichtshof ab- oder zurückgewiesen wurde, oftmals einen oder auch mehrere weitere Asylanträge gestellt hätten (diese Feststellung wird in den Materialien mit entsprechendem Datenmaterial untermauert). Diese Anträge würden oft nicht dem berechtigten Vorbringen neuer Asylgründe dienen, sondern allein auf die Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und damit auf die ungerechtfertigte Verlängerung des faktischen Aufenthalts in Österreich abzielen. Diese Vorgehensweise stelle für das Asylsystem eine enorme Belastung dar und gefährde den geordneten Vollzug des Fremdenwesens.

Die angefochtenen Bestimmungen gewährleisten für den vorliegenden Zusammenhang, dass im Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rasch entschieden wird. Mit einem Folgeantrag auf internationalen Schutz begehrt ein Fremder, den Status eines Asylberechtigten iSd §2 Abs1 Z15 AsylG 2005 zu erlangen. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 durch das BFA läuft dem vom Fremden mit der Stellung des Folgeantrages erkennbar verfolgten Ziel, sich (rechtmäßig) im Bundesgebiet aufzuhalten, zuwider. Zudem greift die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, der Fremden zunächst durch §12 Abs1 AsylG 2005 ex lege zusteht, in deren verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte ein.

Der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht gehen zwar zu Recht davon aus, dass Art130 B‑VG grundsätzlich der Gedanke zugrunde liegt, ein Verwaltungsgericht habe nur dann über Streitigkeiten betreffend die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden, wenn solche von jemandem, der rechtliche Interessen verfolgt, an das Verwaltungsgericht herangetragen werden. Doch kann dem Gesetzgeber im vorliegenden Fall, wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er den von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden in typisierender Betrachtungsweise unterstellt, eine Abschiebung für die Zukunft unterbinden und daher den Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bekämpfen zu wollen. Vor diesem Hintergrund geht der Gesetzgeber in der spezifischen Konstellation der §§22 Abs10 AsylG 2005 und 22 BFA-VG zulässigerweise davon aus, dass eine Beschwerdeerhebung in Form einer gesetzlichen Fiktion den rechtlichen Interessen des von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden entspricht.

2.4.4. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid gemäß §22 Abs10 letzter Satz AsylG 2005 auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist sohin gehalten, (sämtliche) Rechtswidrigkeiten aufzugreifen. Abgesehen davon ist es dem betroffenen Fremden nicht verwehrt, eine Stellungnahme abzugeben bzw durch eine Beschwerdeergänzung auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen (vgl VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451). Dies wird durch §22 Abs1 dritter Satz BFA-VG bestätigt, der die Geltung des §20 leg.cit. normiert und damit eine Beschränkung des zulässigen (Beschwerde-)Vorbringens auch für das Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes anordnet. Dem Fremden wird insofern von Gesetzes wegen insbesondere auch nicht die Möglichkeit genommen, von ihm behauptete Rechtswidrigkeiten des Aufhebungsbescheides vorzubringen.

2.5. Dem Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht ist auch nicht beizutreten, wenn sie davon ausgehen, dass mit der vorliegenden Konstruktion eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes begründet wird: Gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das BFA gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 ergeht in Bescheidform. §22 Abs10 AsylG 2005 beruft das Bundesverwaltungsgericht folglich dazu, über die Rechtmäßigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde zu erkennen, gibt also ein entsprechendes Kontrollobjekt – den verwaltungsbehördlichen Bescheid – vor. Damit ist das Bundesverwaltungsgericht jedoch (ausschließlich) zur Überprüfung des Bescheides des BFA berufen und wird daher als Kontroll- bzw Rechtsmittelinstanz, nicht jedoch als erste Instanz tätig. Dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß §22 Abs1 letzter Satz BFA‑VG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat, ist im Hinblick auf Art130 Abs4 B‑VG unbedenklich (vgl auch VfSlg 19.970/2015). Vor dem Hintergrund des Art130 B‑VG ist in vorliegendem Fall auch die Frage der Rechtskraftfähigkeit des gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 erlassenen Aufhebungsbescheides unerheblich. Die in §22 Abs10 AsylG 2005 und §22 BFA-VG vorgesehene Konstruktion ist daher auch insoweit mit Art130 B‑VG vereinbar (vgl auch VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

2.6. Entscheidung über die Anträge zu G197/2018, G198/2018, G204/2018, G206/2018, G211/2018, G214/2018, G215/2018, G221/2018, G222/2018, G227/2018, G245/2018, G247/2018, G254/2018, G255/2018, G259/2018, G263/2018, G266/2018, G277/2018, G278/2018, G280/2018 bis G282/2018, G285/2018, G290/2018, G291/2018, G293/2018, G300/2018 und G303/2018:

Da diese Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes und des Verwaltungsgerichtshofes den zu G186/2018 und G153/2018 protokollierten Anträgen im Wesentlichen gleichen, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs3 Z4 VfGG davon abgesehen, ein weiteres Verfahren in diesen Rechtssachen durchzuführen. Dies erfolgt in Hinblick darauf, dass die in den Verfahren über die Anträge zu G197/2018, G198/2018, G204/2018, G206/2018, G211/2018, G214/2018, G215/2018, G221/2018, G222/2018, G227/2018, G245/2018, G247/2018, G254/2018, G255/2018, G259/2018, G263/2018, G266/2018, G277/2018, G278/2018, G280/2018 bis G282/2018, G285/2018, G290/2018, G291/2018, G293/2018, G300/2018 und G303/2018 aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Entscheidung über die sonstigen Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes bereits geklärt sind.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher abzuweisen, soweit sie sich auf §22 Abs10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 sowie auf §22 BFA-VG beziehen.

2. Im Übrigen sind die Anträge als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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