VwGH Ro 2021/01/0010

VwGHRo 2021/01/00102.4.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Oktober 2020, Zl. 405‑11/183/1/81‑2020, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Parteien: 1. S M, 2. S M, 3. S M, und 4. Z M, alle in S und vertreten durch Dr. Kurt Kozák, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §18
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
FrPolG 2005 §94
MeldeG 1991 §19
NAG 2005 §19 Abs2
NAG 2005 §2b Abs1
NAG 2005 §2b Abs3
NAG 2005 §2b Abs4
PaßG 1992 §4
PStG 2013 §36 Abs2
PStG 2013 §36 Abs4
StbG 1985 §10
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §11
StbG 1985 §19 Abs2
StbG 1985 §39a
StbG 1985 §39a Abs5
StbG 1985 §4
StbG 1985 §5
StbG 1985 §5 Abs3
StbV 1985 §2 Abs1 Z1
StbV 1985 §2 Abs2
StbV 1985 §2 Abs4
StGB §224a
VStG §35 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021010010.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Nach den (unstrittigen, zum Teil dislozierten) Feststellungen des Verwaltungsgerichts stellte der Erstmitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Somalia, am 14. Mai 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, weil er in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Reportagen als selbstständiger Journalist von der Al‑Shabaab‑Miliz verfolgt worden sei. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. September 2012 wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2 Dabei reiste der Erstmitbeteiligte mit einem gefälschten belgischen Reisepass unter Verwendung einer falschen Identität in das österreichische Bundesgebiet ein. Das diesbezügliche Strafverfahren wegen § 224a StGB (Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden) wurde, nachdem der Erstmitbeteiligte gemeinnützige Leistungen (im Ausmaß von 80 Stunden) verrichtete, gemäß § 201 Abs. 5 iVm § 199 StPO eingestellt.

3 Die Ehegattin des Erstmitbeteiligten, (nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wohl) ebenso eine Staatsangehörige von Somalia, reiste am 12. Dezember 2013 mit dem Flugzeug legal nach Österreich ein, wo ihr mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ebenso der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

4 Der Ehe entstammen vier minderjährige Kinder, darunter die Zweit- bis Viertmitbeteiligten, die ebenso alle Staatsangehörige von Somalia sind.

5 Am 15. Mai 2018 stellte der Erstmitbeteiligte den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mit Erstreckung der Verleihung auf seine minderjährigen bereits in Österreich geborenen Kinder, die Zweit- bis Viertmitbeteiligten (betreffend den Viertmitbeteiligten mit Antrag vom 25. April 2019).

6 Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung (Amtsrevisionswerberin) vom 15. November 2019 wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen.

7 Begründend führte die Amtsrevisionswerberin im Wesentlichen aus, durch den rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 14. Mai 2012 erfülle der Erstmitbeteiligte die Voraussetzung des § 11a Abs. 4 Z 1 StbG (nach der Rechtslage vor der Änderung durch BGBl. I Nr. 56/2018).

8 Jedoch müssten neben der Voraussetzung des § 11a Abs. 4 Z 1 StbG auch die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 StbG gegeben sein. § 10 Abs. 1 Z 6 zweiter Fall StbG normiere einen gegenüber dem Einbürgerungswerber strengeren Maßstab als das Fremdengesetz 1997 (Verweis auf VwGH 3.9.1997, 97/01/0123). Sodann verweist die Amtsrevisionswerberin auf das Strafverfahren wegen § 224a StGB, welches gemäß § 201 Abs. 1 iVm §199 StPO eingestellt wurde. Beim Erstmitbeteiligten sei am 14. Mai 2012 ein gültiger belgischer Reisepass gefunden worden, wobei eine kriminaltechnische Untersuchung ergeben habe, dass es sich um eine Totalfälschung handle. Bei seiner Einvernahme habe der Erstmitbeteiligte unter anderem angegeben, er habe gewusst, dass der Reisepass gefälscht und die Übergabe und Bezahlung des Passes in Athen erfolgt sei. Dem damit vom Erstmitbeteiligten begangenen Vergehen nach § 224a StGB komme insbesondere Bedeutung zu, als durch den gefälschten belgischen Reisepass vorgetäuscht werden sollte, der Erstmitbeteiligte sei im rechtmäßigen Besitz der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates des EWR. Wenngleich die Tathandlung vor mehr als sieben Jahren gewesen sei und das Gericht die Schuld des Erstmitbeteiligten nicht als schwer angesehen habe und es sohin zu einer Einstellung des Strafverfahrens nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen gekommen sei, sei dieser Vorfall von der Staatsbürgerschaftsbehörde in der Gesamtschau als negativ zu werten, weil der Erstmitbeteiligte dieses gerichtliche Strafverfahren im Rahmen seiner Antragseinbringung bei der Amtsrevisionswerberin am 15. Mai 2018 verschwiegen und sich das begangene „qualifizierte“ Urkundsdelikt (besonders geschützte Urkunde) gegen ein hohes Schutzgut gerichtet habe. Da der Erstmitbeteiligte belehrt worden sei, dass sowohl getilgte als auch mittels Diversion, Ermahnung oder Ähnlichem abgeschlossene gerichtlich oder verwaltungsbehördliche Straftaten ein Verleihungshindernis darstellen könnten, werde das Verschweigen des aktenkundigen Strafverfahrens gegenüber der Staatsbürgerschaftsbehörde als Verantwortungslosigkeit und Missachtung gegenüber den Bestimmungen des StbG gewertet.

9 Neben dem Urkundsdelikt nach § 224a StGB habe der Erstmitbeteiligte drei Übertretungen im Straßenverkehr nach der StVO (Übertretung nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO am 21.7.2016 wegen Parken im Parkverbot, Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO am 30.11.2017 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 24 km/h und Übertretung des § 52 lit. a Z 3a StVO am 1.6.2018 wegen Nichtbeachtung des Verbotszeichens „Einbiegen nach links verboten“) sowie eine Übertretung des Art. III Abs. 1 Z 2 EGVG (am 10.2.2014, weil der Erstmitbeteiligte einen näher bezeichneten Autobus benützt habe, ohne das nach dem Tarifbestimmungen festgesetzte Entgelt ordnungsgemäß zu entrichten) und eine Übertretung nach der Gewerbeordnung (Nichterstattung der Anzeige über die Bestellung eines gewerblichen Geschäftsführers nach § 39 Abs. 2 GewO 1994 im Zeitraum vom 3.8.2018 bis 7.8.2018) begangen. Die massive Überschreitung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Salzburger Stadtgebiet sei negativ zu werten, zumal gerade von einem Berufskraftfahrer (der Erstmitbeteiligte sei seit dem 3. Juli 2017 gewerblich selbständiger Taxiunternehmer) zu verlangen sei, dass er bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag lege.

10 Durch die genannten Vormerkungen habe der Erstmitbeteiligte gezeigt, dass er keine ausreichende Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden. Der seit der rechtskräftigen Bestrafung wegen dieser Vormerkungen vergangene Zeitraum (knapp mehr als ein Jahr) sei noch zu kurz, um verlässlich auf ein zukünftiges Wohlverhalten schließen zu können. Daher liege das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 zweiter Fall StbG vor und seien der Antrag des Erstmitbeteiligten auf Verleihung und auch die Anträge auf Erstreckung der Verleihung abzuweisen.

11 Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Erstmitbeteiligten gemäß § 11a Abs. 4 Z 1 StbG idF vor BGBl. I Nr. 56/2018 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen (1.), gemäß § 17 Abs. 1 StbG die Verleihung auf die (minderjährigen) Zweit- bis Viertmitbeteiligten erstreckt (2.) und ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision zulässig sei (3.).

13 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst im Wesentlichen fest, der Erstmitbeteiligte sei Staatsangehöriger von Somalia und am 14. Mai 1992 in Baraawe, Somalia, geboren. Seine Geburt sei über Antrag nachbeurkundet worden (Verweis auf die Geburtsurkunde des Standesamtsverbands Salzburg vom 1. September 2015, Zl. 036031/2015), weil der Erstmitbeteiligte über keine somalische Geburtsurkunde verfüge. Nach seiner schulischen Laufbahn habe der Erstmitbeteiligte als selbständiger Journalist bei zwei näher bezeichneten Radiosendern in Somalia gearbeitet. Am 4. Juni 2010 habe der Erstmitbeteiligte seine (näher bezeichnete) Ehegattin geheiratet.

Am 7. Jänner 2012 sei der Erstmitbeteiligte nach Österreich geflüchtet, weil er in seinem „Heimatland“ wegen seiner Reportagen von der islamistischen Al‑Shabaab‑Miliz verfolgt worden sei. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. September 2012 sei seinem am 14. Mai 2012 gestellten Antrag auf internationalen Schutz stattgegeben und ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden.

14 Im Hinblick auf den gesicherten Lebensunterhalt des Erstmitbeteiligten stellte das Verwaltungsgericht fest, die Ehegattin des Erstmitbeteiligten habe im Jahr 2017 vom Land Salzburg eine Förderung (einmalige „Hilfe für werdende Mütter“) in der Höhe von € 600,00 bezogen.

15 Sodann traf das Verwaltungsgericht Feststellungen zum gerichtlichen Strafverfahren wegen § 224a StGB und einem weiteren Strafverfahren wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung, der versuchten Nötigung, der Sachbeschädigung und der versuchten Körperverletzung, bei dem der Erstmitbeteiligte mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. März 2017 von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen worden sei. Darüber hinaus traf das Verwaltungsgericht Feststellungen zu den bereits von der Amtsrevisionswerberin im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen.

16 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, es habe in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Erstmitbeteiligten gewinnen können. Bis auf ein Verwaltungsdelikt (welches er nicht zuordnen habe können) habe der Erstmitbeteiligte „nach kritischer Analyse“ die Verantwortung übernommen und so glaubhaft gemacht, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Im Gesamteindruck habe der Erstmitbeteiligte die Bereitschaft vermittelt, sich sowohl am gesellschaftlichen (Vereinstätigkeit, Mitarbeit in einem Ehrenamtsprojekt der Diakonie, Dolmetschertätigkeit und Transportdienste für die Caritas), wirtschaftlichen (selbständiger Taxiunternehmer, der drei Mitarbeiter in Vollzeit beschäftige) und kulturellen (Besuch von Museen und Veranstaltungen im Rahmen des Familienpasses Salzburg) Leben in Österreich zu beteiligen und sich auch zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft zu bekennen.

17 Im Hinblick auf die Identitätsfeststellung habe sich das Ermittlungsverfahren sehr umfangreich gestaltet. Im Asylverfahren sei beim Erstmitbeteiligten eine „Verfahrensidentität“ (Personenstandsdaten nach eigenen Angaben ohne entsprechende Nachweise) verwendet worden, weil der Erstmitbeteiligte über keinen amtlichen Lichtbildausweis verfügt habe. Ob der Erstmitbeteiligte in Somalia tatsächlich über einen somalischen Reisepass verfügt habe, habe nicht festgestellt werden können. Ebenso habe der Erstmitbeteiligte keine somalische Geburtsurkunde vorlegen können. Im Verfahren vor der Amtsrevisionswerberin habe der Erstmitbeteiligte allerdings seine Geburtsurkunde des Standesamtsverbandes Salzburg vom 1. September 2015 vorlegen können. Diese habe der Erstmitbeteiligte erhalten, nachdem er unter Vorlage seiner somalischen Heiratsurkunde, seines Konventionsreisepasses, seines Asylbescheides und einer Geburtsurkunde der Ehegattin, einen Antrag gemäß § 36 Abs. 2 und 4 Personenstandsgesetz 2013 ‑ PStG 2013 (Antrag auf nachträgliche Beurkundung: Beurkundung der Geburt des Erstmitbeteiligten mit 14. Mai 1992 in Baraawe, Somalia) gestellt habe. Das einzige amtliche somalische Dokument, das der Erstmitbeteiligte vorlegen habe können, sei die Originalheiratsurkunde der Demokratischen Republik Somalia vom 5. Juni 2010. Diesem Dokument habe die österreichische Botschaft in Nairobi im Verfahren vor der Amtsrevisionswerberin (mit Schreiben vom 6. November 2019, unter anderem aufgrund des Umstandes, dass die Beglaubigung von Urkunden aus Somalia seit 1. Jänner 2013 auf Basis des Konsularbeglaubigungsgesetzes [KBeglG] und der Konsularbeglaubigungsverordnung ([KBeglV] ausgesetzt werde) keinen Glauben geschenkt.

18 In weiterer Folge habe die Verhandlungsrichterin überprüft, ob dem Erstmitbeteiligten die Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes sowie einer Geburtsurkunde möglich sei. Zu diesem Zweck habe sie die österreichische Botschaft in Nairobi kontaktiert. Diese habe sodann den Asyl‑Länder‑Bericht (Stand: März 2020) übermittelt, wonach die meisten Personen, die nach 1991 in Somalia geboren worden seien, nie offiziell registriert worden seien. Bis vor wenigen Jahren habe es keine Behörden gegeben, die Ausweisdokumente ausstellen haben können. Somit besitze der Großteil der Bevölkerung in Somalia keine Papiere. Würden Dokumente ausgestellt, erfolge dies allein aufgrund der mündlichen Angaben der antragstellenden Person und möglicherweise anwesenden Zeugen oder Verwandten, da kein zentrales Personenstandverzeichnis existiere. Den Dokumenten mangle es daher an nachweisbaren Grundlagen und Verlässlichkeit der Angaben. Dieser Umstand „öffnet die Tür für Betrug und Missbrauch“. Die verlässliche Feststellung von Identitäten erfolge oft nur durch die Ältesten eines Dorfes oder durch Verwandte bzw. Bekannte. Personen mit fünf verschiedenen Reisedokumenten und jeweils anderslautenden Namen seien keine Seltenheit. Hinzu kämen erschwerend die häufige Namensgleichheit bzw. verschiedene Schreibweisen. Die Echtheit von Dokumenten sowie Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. der Wahrheitsgehalt von Dokumenten könne somit von den österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden. Zuletzt anhand dieses Asyl‑Länder‑Berichtes sei im vorliegenden Fall klar gewesen, dass die Auflösung des somalischen Staatswesens am 26. Jänner 1991 zu einem vollständigen Stillstand der staatlichen Rechtspflege geführt habe und es dem nach 1991 geborenen Erstmitbeteiligten nachweislich nicht möglich sei, seine Identität durch die Vorlage eines gültigen somalischen Reisedokumentes oder einer somalischen Geburtsurkunde zu belegen.

19 So habe die Verhandlungsrichterin den Erstmitbeteiligten im Rahmen ihrer amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung aufgefordert, seine Identität anhand anderer unbedenklicher Dokument nachzuweisen. Der Erstmitbeteiligte habe sodann neben der bereits erwähnten Heiratsurkunde weitere Unterlagen vorgelegt, einen Familienstammbaum der nächsten Verwandten, drei näher bezeichnete Referenzschreiben, eine Fotodokumentation (private und berufliche Fotos), auf zwei näher bezeichneten Fotos werde der Erstmitbeteiligte von zwei Personen, einem freien Fotojournalisten und einer ehemaligen Mitarbeiterin eines näher bezeichneten Radiosenders, identifiziert, ein Abschlusszeugnis der Ridwan Primary School in Baraawe, ein USB‑Stick mit drei MP3‑Dateien und eine „notariell beglaubigte Erklärung“ von einer näher bezeichneten Person, dass der Erstmitbeteiligte ihr Bruder sei.

20 Daraufhin habe die Verhandlungsrichterin zu den angeführten Radiosendern, zum Dachverband der somalischen Journalisten (FESOJ‑Federation of Somali Journalists) und dem ehemaligen Schulleiter der Ridwan Primary School Kontakt mittels Email‑Nachricht aufgenommen. Vom ehemaligen Schulleiter habe die Verhandlungsrichterin eine Rückmeldung bekommen, wonach dieser den Erstmitbeteiligten als sehr guten Schüler in Erinnerung habe. Darüber hinaus habe sich von sich aus ein ehemaliger langjähriger Journalistenkollege des Erstmitbeteiligten per Email‑Nachricht gemeldet und bestätigt, dass der Erstmitbeteiligte ein sehr fleißiger und engagierter Journalist gewesen sei. Dass der Erstmitbeteiligte vor seiner Flucht aus Somalia als Journalist tätig gewesen sei, sei bereits durch die im Asylverfahren im Jahr 2012 vorgelegten Referenzschreiben belegt und werde aktuell auch von der FESOJ bestätigt und durch zahlreiche berufliche Fotos und schriftliche Erklärungen belegt. Sodann führte das Verwaltungsgericht näher zum vorgelegten Abschlusszeugnis des Erstmitbeteiligten und dem vom Erstmitbeteiligten erstellten Familienstammbaum aus.

21 Abschließend habe die Verhandlungsrichterin den Erstmitbeteiligten zur Eheschließung am 4. Juni 2010 befragt und hätte sich nach dieser Einvernahme für die Verhandlungsrichterin ohne Zweifel ergeben, dass der Erstmitbeteiligte am 4. Juni 2010 vor einem näher bezeichneten Richter mit seiner Ehegattin die Ehe geschlossen habe. Aus diesem Grund habe sie auch von einer zusätzlichen Einvernahme der Ehegattin Abstand genommen. Im Übrigen seien in dem Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte vorgekommen, wonach es sich bei der Heiratsurkunde um eine Fälschung gehandelt habe.

22 Dass der Erstmitbeteiligte am 14. Mai 1992 in Baraawe in Somalia als S M (in der hier gebräuchlichen Schreibweise) geboren worden sei, ergebe sich für die Verhandlungsrichterin neben den glaubwürdigen Angaben des Erstmitbeteiligten und dem Schulzeugnis auch aus der Heiratsurkunde und dem Umstand, dass der eheschließende Richter die Personenstandsdaten des Erstmitbeteiligten in die Heiratsurkunde aufgenommen habe.

23 Im Hinblick auf die Feststellung der Identität sei es dem Erstmitbeteiligten somit gelungen, die Verhandlungsrichterin davon zu überzeugen, dass er „S M in Baraawe, Somalia“ sei.

24 In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht zur Identität des Erstmitbeteiligten zunächst auf § 5 StbG und weiter auf § 2 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 und das dort geregelte Absehen von der Vorlage von Urkunden und Nachweisen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 4 leg. cit. Sodann führte das Verwaltungsgericht aus, der Erstmitbeteiligte habe seine Identität im Beschwerdeverfahren weder durch einen somalischen Reisepass noch durch eine somalische Geburtsurkunde nachweisen können. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die meisten Personen die nach 1991 in Somalia geboren worden seien, nie offiziell registriert worden seien und daher keine Papiere hätten.

25 Der Erstmitbeteiligte habe jedoch eine mit 5. Juni 2010 datierte Heiratsurkunde der Demokratischen Republik Somalia, Ministerium für Justiz und religiöse Angelegenheiten, im Original vorgelegt. Als ausländische Urkunde bedürfe diese grundsätzlich der Beglaubigung (Verweis auf § 311 Abs. 2 ZPO). Aufgrund § 9 der KBeglV, BGBl. II Nr. 467/2012, sei jedoch die Beglaubigung von Urkunden aus Somalia seit 1. Jänner 2013 ausgesetzt. Für die Dauer der Aussetzung unterlägen die Urkunden aus den in dieser Bestimmung angeführten Staaten der freien Beweiswürdigung.

26 Ausgehend von den Feststellungen auf Basis der durchgeführten Beweiswürdigung habe der Erstmitbeteiligte durch Vorlage der Heiratsurkunde (die unter anderem auch die Basis der am 1. September 2015 ausgestellten Geburtsurkunde des Standesamtsverbandes Salzburg sei) bewiesen, dass er S M, geboren 1992, sei. Zahlreiche weitere näher angeführte Dokumente (Abschusszeugnis der Ridwan Primary School, drei näher bezeichnete Referenzschreiben, eine Fotodokumentation, eine Identifizierung durch einen ehemaligen Journalistenkollegen und eine ehemalige Mitarbeiterin jenes Radiosenders, bei dem auch der Erstmitbeteiligte beschäftigt gewesen sei, USB‑Stick mit zwei MP3‑Dateien, eine notariell beglaubigte Erklärung, die Email‑Nachricht eines ehemaligen Journalistenkollegen, Email‑Nachricht des ehemaligen Schulleiters, Email‑Nachricht der FESOJ) und seine persönliche Einvernahme hätten dieses Beweisergebnis noch erhärtet.

27 Zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG führte das Verwaltungsgericht aus, es sei unstrittig, dass der Erstmitbeteiligte mit einem gefälschten belgischen Reisepass ins österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Dass der Erstmitbeteiligte jedoch niemals beabsichtigt habe, die Alias‑Identität auch im Asylverfahren zu verwenden, ergebe sich für die Verhandlungsrichterin daraus, dass sein Fluchtgrund und die auf seine wahre Identität lautenden ‑ den Fluchtgrund beweisenden ‑ Referenzschreiben keine Übereinstimmung mit der Alias‑Identität auf der Totalfälschung des belgischen Reisepasses aufwiesen. Somit sei der hier vorliegende Sachverhalt mit jenem, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, zu Grunde gelegen sei, nicht unmittelbar zu vergleichen. Dass die Persönlichkeitsprüfung zugunsten des Erstmitbeteiligten ausfalle, habe dieser nur dem Umstand zu verdanken, dass seit diesem Vorfall mehr als acht Jahre vergangen seien und er keine weiteren gerichtlich strafbaren Handlungen mehr begangen habe.

28 Zu den Übertretungen bleibe insgesamt festzuhalten, dass der Erstmitbeteiligte keine schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen mit besonderem Unrechtsgehalt (Verweis auf § 10 Abs. 2 Z 2 StbG) zu verzeichnen habe. Schwer ins Gewicht falle allerdings die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h um 24 km/h am 30. November 2017. Nachdem seit der Tat allerdings fast drei Jahre verstrichen seien und der Erstmitbeteiligte trotz seiner Tätigkeit als Taxifahrer seither keine derartigen strafbaren Verhaltensweisen mehr gesetzt habe, gehe die Verhandlungsrichterin davon aus, dass der Erstmitbeteiligte aus dem Vorfall „seine Lehren gezogen hat“ (der Erstmitbeteiligte habe sich von einem Fahrgast zum Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit verleiten lassen, weil dieser ansonsten sein Flugzeug verpasst hätte).

29 Dies gelte auch dafür, dass man ein öffentliches Verkehrsmittel nur benützen dürfe, wenn man dafür ein gültiges Ticket gelöst habe und seinen Pkw nicht im Parkverbot abstellen dürfe. Dass der Erstmitbeteiligte am 1. Juni 2018 das Verbotszeichen „Einbiegen nach links verboten“ in der Nähe des Hauptbahnhofes Salzburg „nicht bemerkte“, sei darauf zurückzuführen gewesen, dass dieses Verkehrsschild zum Tatzeitpunkt erst seit kurzem dort angebracht gewesen sei. Dieser Umstand sei im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt worden, in dem es zu einer Ermahnung gekommen sei. Der Unrechtsgehalt bzw. die Eingriffsintensität sei auch hier als gering einzustufen. Vom Verwaltungsgericht eingeholte Abfragen zeigten im Ergebnis, dass der Erstmitbeteiligte seine in der Vergangenheit aufgezeigten Defizite im Hinblick auf die Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften nachhaltig korrigiert habe. Zum Umstand, dass der Erstmitbeteiligte im Zeitraum 3. August 2018 bis 7. August 2018 das „Taxigewerbe mit 2 Personenkraftwagen“ ausgeübt habe, ohne nach dem Ausscheiden des bisherigen gewerberechtlichen Geschäftsführers innerhalb eines Monates eine ordnungsgemäße Anzeige eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers bei der Gewerbebehörde zu erstatten, hielt das Verwaltungsgericht fest, „diese Form der Sorglosigkeit“ (der Erstmitbeteiligte habe „die Verantwortung an den Steuerberater ausgelagert“) stelle noch kein Indiz für ein erhöhtes Gefahrenpotential dar. Dazu komme, dass der Erstmitbeteiligte seit der verfahrensgegenständlichen Antragstellung nur mehr diese Verwaltungsvormerkung zu verzeichnen habe. Im Übrigen werde es zu keiner gleichgelagerten Verwaltungsübertretung mehr kommen, weil der Erstmitbeteiligte nunmehr einen „eigenen“ Gewerbeschein besitze. Anders als noch zum Entscheidungszeitpunkt der Amtsrevisionswerberin betrage der Wohlverhaltenszeitraum nunmehr 26 Monate.

30 Daher komme das Verwaltungsgericht einzelfallbezogen zum Ergebnis, dass der Erstmitbeteiligte die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erfülle. Dies insbesondere deshalb, weil dieser „aus seinen in der Vergangenheit begangenen Fehlern gelernt hat“, zudem seien im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine negative Einstellung des Erstmitbeteiligten gegenüber den zum Schutz vor Gefahren für die Sicherheit sowie die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassenen Gesetzen hindeute.

31 Hinweise, wonach sich der Erstmitbeteiligte entgegen § 11 StbG nicht am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich beteilige und sich nicht zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft bekenne, hätten sich nicht ergeben.

32 Zum gesicherten Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Z 7 StbG führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit vorliegend maßgeblich ‑ aus, die Amtsrevisionswerberin habe eingewendet, dass der Erstmitbeteiligte und seine Ehegattin insgesamt dreimal um die „Hilfe für werdende Mütter“ angesucht hätten und in der Folge mit finanziellen Mitteln des Landes Salzburg unterstützt worden seien. Dazu sei festzuhalten, dass ausschließlich der Bezug der „Hilfe für werdende Mütter“ im Jahr 2017 von rechtlicher Relevanz sei, weil die anderen Bezüge außerhalb der Durchrechnungszeiträume lägen. Die „Hilfe für werdende Mütter“ werde als einmalige Förderung [„Sozialer Dienst“ gemäß § 22 Abs. 2 Z 5 Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl. 19/1975 idgF (SHG)] in der Höhe von € 600,00 oder bei laufendem Bedarfsorientiertem Mindestsicherungsbezug in der Höhe von zumindest vorläufig € 300,00 ausgezahlt. Da der Erstmitbeteiligte und seine Ehegattin zum Zeitpunkt, als sie die materielle Förderung gemäß § 22 Abs. 2 Z 5 SHG beantragt und ausbezahlt bekommen hätten, keine Bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen hätten, könnten die bezughabenden Bestimmungen des SHG bzw. des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. 63/2010 idgF (MSG), bzw. die diversen Mindestsicherungsverordnungen außer Betracht bleiben. Gemäß § 22 Abs. 1 SHG seien „Soziale Dienste“ Leistungen zur Befriedigung gleichartiger, regelmäßig auftretender persönlicher, familiärer oder sozialer Bedürfnisse von Hilfesuchenden. Nach § 23 SHG erbringe und sichere diese sozialen Dienste das Land Salzburg als Träger von Privatrechten; auf die Leistungen bestehe kein Rechtsanspruch. Sodann erfolgt die Wiedergabe einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.9.2015, Ra 2015/10/0103).

33 Nach weiteren Ausführungen zu den sonstigen Verleihungsvoraussetzungen und der Erstreckung führte das Verwaltungsgericht zu § 10 Abs. 3 StbG aus, dem Erstmitbeteiligten sei es aufgrund des Umstandes, dass er niemals offiziell registriert worden sei, nicht möglich gewesen, aus dem bisherigen Staatsverband auszuscheiden. Das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband sei dem Erstmitbeteiligten allerdings auch unzumutbar, weil er als Asylwerber in diesem asylrelevant verfolgt werde.

34 Da sämtliche Verleihungsvoraussetzungen erfüllt, keine Erteilungshindernisse festgestellt worden seien und den Mitbeteiligten das Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband nicht möglich und zumutbar sei, sei dem Erstmitbeteiligten die Staatsbürgerschaft unmittelbar zu verleihen und die Staatsbürgerschaft auf die Zweit‑ bis Viertmitbeteiligten zu erstrecken. Der Erstmitbeteiligte habe am 15. Oktober 2020 vor dem erkennenden Gericht das Gelöbnis gemäß § 21 StbG mündlich abgelegt.

35 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, die ordentliche Revision sei zulässig, „weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der entscheidungsrelevanten Rechtsfrage, ob es sich bei der Leistung gemäß § 22 Abs 2 Z 5 SHG (‚Hilfe für werdende Mütter‘) um eine Sozialhilfeleistung im Sinne des § 10 Abs 5 StbG handelt, bislang fehlt. Darüber hinaus kommt der Beantwortung dieser Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.“

36 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei (samt Antrag auf Kostenersatz) unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit der Revision

37 Die Amtsrevision schließt sich zunächst der Auffassung des Verwaltungsgerichtes zur Zulässigkeit der Revision an. Dazu führt die Amtsrevision aus, der Bezug der „Hilfe für werdende Mütter“ im entscheidungsrelevanten Durchrechnungszeitraum vor Antragstellung (November 2017) in der Höhe von € 600,00 durch den Verleihungswerber und seine Ehegattin stelle eine Inanspruchnahme einer Sozialhilfeleistung gemäß § 10 Abs. 5 StbG dar, zumal dieser Anspruch im SHG geregelt sei und seit 2012 insgesamt dreimal gewährt worden sei.

38 Darüber hinaus bringt die Amtsrevision zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs. 3 StbG und zur Rechtsfrage, ob und inwieweit ungeprüfte Identitätsfeststellungen der Asylbehörde in den Staatsbürgerschaftsverleihungsbescheid übernommen werden dürften.

39 Zu dieser Rechtsfrage bringt die Amtsrevision vor, mit der Aushändigung des Verleihungsbescheides werde einer bestimmten Person mit einer in der Urkunde festgehaltenen Identität eine neue Staatsbürgerschaft verliehen. Schon das öffentliche Interesse daran, dass die Einbürgerungsurkunde auch im Hinblick auf die beurkundeten Personendaten richtig sei, mache eine Überprüfung der diesbezüglichen Identitätsangaben ‑ auch unter erschwerten Bedingungen ‑ erforderlich. Ein Absehen von den angeführten Dokumenten bedinge, dass die Identität des Verleihungswerbers anhand anderer unbedenklicher Dokumente festgestellt werde.

40 Vorliegend habe der Verleihungswerber im Staatsbürgerschaftsverfahren versucht, seine Identität durch den vom Bundesasylamt ausgestellten Konventionsreisepass sowie eine Geburtsurkunde des Standesamtes Salzburg auf Grundlage des § 35 Abs. 2 Z 3 PStG 2013 nachzuweisen. Diese (von österreichischen Behörden ausgestellten) Identitätsdokumente basierten jeweils auf jener Verfahrensidentität, welche im Asylverfahren mangels nachgewiesener Identität auf Grundlage der Angaben des Verleihungswerbers angenommen worden sei. Der somalischen Heiratsurkunde des Verleihungswerbers habe die Österreichische Botschaft Nairobi (mit Stellungnahme vom 6. November 2019) anders als das Verwaltungsgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung keinen Glauben geschenkt. Nach Ansicht der Amtsrevisionswerberin bildeten diese Dokumente im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft ohne Hinzutreten weiterer geeigneter Beweismittel keinen ausreichenden Identitätsnachweis. So auch nicht das Schulzeugnis des Verleihungswerbers, zumal er im Lebenslauf zum Staatsbürgerschaftsantrag zu seinen besuchten Schulen andere Angaben als im Asylverfahren gemacht habe. Das Eheschließungsjahr in der somalischen Heiratsurkunde (2010) korrespondiere nicht mit den Angaben des Verleihungswerbers im Asylverfahren (dort 2011). In den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen bestehe keine Grundlage dafür, dass von der Vorlage von diesen Dokumenten abgesehen werden könne (Verweis auf ein näher bezeichnetes Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg). Das Verwaltungsgericht nehme auch aufgrund eines Asyl‑Länder‑Berichtes als erwiesen an, dass auch der Verleihungswerber aufgrund des Fehlens eines zentralen Personenstandsregisters nicht registriert sei, obwohl ihm in Mogadischu‑Hamar ein Reisepass für seine journalistische Tätigkeit ausgestellt worden sei.

41 Aus den Erläuterungen (zum FPG, NRG und StbG) gehe hervor, dass es oft Fremden in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht gelinge, ihre Identität durch unbedenkliche Urkunden nachzuweisen. § 5 Abs. 3 StbG solle ausschließlich für diese Fälle den Behörden die Möglichkeit geben, die Papillarlinienabdrücke abzunehmen, da die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei feststehen solle. Das Verwaltungsgericht habe die Identität des Verleihungswerbers im Staatsbürgerschaftsverfahren trotz hoher Dokumentenunsicherheit in Somalia als freibewiesen festgestellt, unter anderem aufgrund diverser Referenzschreiben und anhand eigener Email‑Anfragen nach Somalia „mittels von Verleihungswerber ausgewählten Zeugen“, deren Identität selbst nicht durch das Verwaltungsgericht entsprechend geprüft worden sei bzw. geprüft hätten werden können.

42 Insbesondere sei auffällig, dass bislang keine eidesstattliche Erklärung und Identitätsprüfung des Vaters des Verleihungswerbers, geboren vor 1991, vorliege, der die Reise des Erstmitbeteiligten nach Österreich organisiert habe und bei der traditionellen Hochzeit anwesend gewesen sei, wovon es keine Fotodatei gebe. Dem Akt der Amtsrevisionswerberin sei zu entnehmen, dass der Verleihungswerber die Staatsbürgerschaft für den Besuch seines Vaters in Somalia dringend benötigt habe und selbst angegeben habe, wieder in sein Heimatland reisen zu wollen.

43 Darüber hinaus sei die Amtsrevision auch zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abweiche. So habe das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Erstmitbeteiligten, der erst seit 12. Mai 2012 im Bundesgebiet lebe, die Art und Schwere der nach Auffassung der Amtsrevisionswerberin schwerwiegenden, gravierenden Übertretungen nicht berücksichtigt. Bei einer verkürzten Einbürgerungsdauer von sechs Jahren, die am 12. Mai 2012 mit einer strafbaren Handlung begonnen habe, seien „keine Begünstigungen in der Gesamtprognose“ zulässig, auch wenn sich der Erstmitbeteiligte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich „überaus“ beteilige und in der Rechtsberatung auf Werkvertragsbasis arbeite. Vielmehr dürften keine Zweifel im Lichte des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegen.

44 Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass „ehrliches Bereuen“ des Einbürgerungswerbers an der Notwendigkeit eines längeren Wohlverhaltens nichts zu ändern vermöge (Verweis auf VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0397). Von dieser Rechtsprechung sei das Verwaltungsgericht vorliegend abgewichen, wenn es zugunsten des Verleihungswerbers angeführt habe, es habe „einen persönlichen Eindruck vom Verleihungswerber gewinnen können, dass er nach kritischer Analyse die Verantwortung für seine Verwaltungsdelikte übernahm und dem Verwaltungsgericht sohin glaubhaft machte, aus seinen Fehlern gelernt zu haben“.

45 Auch sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Berufskraftfahrer besondere Sorgfalt bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften an den Tag zu legen hätten, abgewichen (Verweis auf VwGH 22.7.2019, Ra 2019/01/0248).

46 Aufgrund der Art, Schwere und Häufigkeit der begangenen Übertretungen widerspreche auch deshalb ein Wohlverhaltenszeitraum von 26 Monaten der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und sei ein längerer Wohlverhaltenszeitraum zu verlangen. Die Amtsrevision sei aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Ansicht, dass in diesem Fall ein Wohlverhaltenszeitraum von zumindest 36 bis 48 Monaten als angemessen zu betrachten wäre. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, seit der vom Erstmitbeteiligten begangenen gerichtlich strafbaren Handlung seien mehr als acht Jahre vergangen, verkenne, dass dem Erstmitbeteiligten in weiterer Folge auch fünf Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt worden seien und dieser die letzte Verwaltungsübertretung erst am 7. August 2018 beendet habe (Verweis auf VwGH 9.9.2003, 2002/01/0469).

47 Zudem komme nach Ansicht der Amtsrevisionswerberin dem vom Verleihungswerber begangenen Vergehen nach § 224a StGB unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung insbesondere dadurch Bedeutung zu, dass durch den gefälschten belgischen Reisepass vorgetäuscht werden sollte, er sei im rechtmäßigen Besitz der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates des EWR. Wenngleich die Tathandlung vor mehr als nunmehr acht Jahren „gewesen sei“, das Gericht seine Schuld „nicht als schwer ansah“ und es zu einer Einstellung des Strafverfahrens nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen gekommen sei, sei dieser Vorfall in der Gesamtschau als negativ zu werten, zumal das Verwenden einer falschen Identität bei der Einreise ins Bundesgebiet sich gegen ein hohes Schutzgut in Bezug auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft und gegen öffentliche Interessen gerichtet habe. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit befasst, dass durch den gefälschten belgischen Reisepass vorgetäuscht werden sollte, der Verleihungswerber sei im rechtmäßigen Besitz der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates des EWR. Somit habe der Verleihungswerber auch bei seiner Einreise gegen grenzüberschreitende Normen verstoßen und bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass ein‑ und dieselbe Person auch im internationalen Rechtsverkehr mit unterschiedlichen amtlichen Ausweispapieren auftreten könne. Der Eurodac‑Treffer der Kategorie 2 vom 6. April 2012 in Griechenland (ersichtlich im IAP‑Web / vormals EKIS‑Web) sei vom Verwaltungsgericht nicht geprüft worden. Damit bleibe offen, welche Identitäten der Verleihungswerber bis zum 14. Mai 2012 verwendet habe.

48 Die Revision ist insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen der Amtsrevision zum Identitätsnachweis nach § 5 Abs. 3 StbG zulässig.

Identitätsnachweis nach § 5 Abs. 3 StbG

Grundsätzliche Rechtsfrage

49 In der vorliegenden Revisionssache stellt sich zunächst die grundsätzliche Rechtsfrage, in welcher Weise ein Fremder in einem Verleihungsverfahren nach dem StbG seine Identität nachzuweisen bzw. wie die Staatsbürgerschaftsbehörde auf dieser Grundlage die Identität eines Verleihungswerbers festzustellen hat. Zum diesbezüglich maßgeblichen § 5 Abs. 3 StbG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (FrÄG 2009), BGBl. I Nr. 122, besteht noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Rechtslage

50 Diesbezüglich normiert § 5 StbG idF des FrÄG 2009 Folgendes:

ABSCHNITT I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

...

§ 5. (1) Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann die Behörde im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen.

(2) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm die Behörde auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DANN‑Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DANN‑Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen.

(3) Gelingt es dem Fremden nicht, seine Identität, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so kann die Behörde die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anordnen. Die Weigerung des Fremden, an der Abnahme mitzuwirken, ist von der Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.“

51 Die Erläuterungen zu Abs. 3 (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP , 55) führen aus:

„Oft gelingt es Fremden in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht ihre Identität durch unbedenkliche Urkunden nachzuweisen. Abs. 3 soll ausschließlich für diese Fälle den Behörden die Möglichkeit geben, die Papillarlinienabdrücke abzunehmen, da die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei feststehen soll. Eine Weigerung des Fremden hierbei mitzuwirken, ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigten [sic!]. Siehe dazu auch die korrespondierenden Bestimmungen im § 39a und die Erschleichungstatbestände des § 64.“

52 § 19 StbG idF des FrÄG 2009 lautet auszugsweise:

§ 19. ...

(2) Der Fremde hat am Verfahren mitzuwirken und der Behörde alle notwendigen Unterlagen und Beweismittel sowie ein Lichtbild zur Verfügung zu stellen. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Beweismittel jedenfalls vorzulegen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art der Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

53 Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung führen (unter anderem) aus:

„Die Regelungen zur Antragstellung auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft werden radikal vereinfacht und an die bewährte Bestimmung des NAG (§ 19 Abs. 1) angeglichen.

... Die Ausübung der Verordnungsermächtigung hat sich selbstverständlich am Sinn des Gesetzes zu orientieren und somit kann nur die Vorlage von Dokumenten vorgeschrieben werden, die in jedem Fall benötigt werden. Dem Erfordernis des § 13 Abs. 3 AVG wird durch diese Regelung genüge getan. Diese Bestimmung entspricht im Übrigen dem geltenden § 19 Abs. 3 NAG und hat sich dort bewährt.“

54 § 39a StbG idF des Materien‑Datenschutz‑Anpassungsgesetzes 2018, BGBl. I Nr. 32, lautet auszugsweise:

§ 39a. (1) Die Behörden nach diesem Bundesgesetz dürfen personenbezogene Daten nur verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten nach diesem Bundesgesetz besteht kein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 DSGVO sowie kein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung gemäß Art. 18 DSGVO. Darüber sind die Betroffenen in geeigneter Weise zu informieren.

...

(5) Die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Berufsvertretungsbehörden sind ermächtigt, Fremde, die die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, gemäß § 5 Abs. 3 erkennungsdienstlich zu behandeln. Zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung dürfen nur geeignete und besonders geschulte Bedienstete, welche der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, ermächtigt werden. Die erkennungsdienstliche Behandlung hat unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu erfolgen.

(6) Die §§ 64 Abs. 1 bis 5, 65 Abs. 4 und 73 Abs. 7 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Sicherheitsbehörden die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Berufsvertretungsbehörden treten.

(7) Die Behörde hat einen Fremden, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern. Kommt der Betroffene der Aufforderung nicht nach, ist er schriftlich, unter Hinweis auf die Folgen einer mangelnden Mitwirkung, ein weiteres Mal zur Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung aufzufordern.

...“

55 Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung (vgl. RV 65 BlgNR 26. GP , 114) führen unter anderem aus:

„ ... Im Hinblick auf die zahlreichen Rechte und Pflichten, die an die österreichische Staatsbürgerschaft anknüpfen, insbesondere das Wahlrecht, die Berechtigung zur Teilnahme an Volksbegehren und Volksabstimmungen sowie die Wehrpflicht, liegt es stets im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass das Bestehen oder Nichtbestehen der österreichischen Staatsbürgerschaft zu jeder Zeit richtig und zweifelsfrei, also unter Berücksichtigung der vollständigen dafür maßgeblichen Datenlage beauskunftet werden kann. ...“

56 § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1985 zur Durchführung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 329 idF BGBl. II Nr. 87/2017 (Staatsbürgerschaftsverordnung 1985), lautet auszugsweise:

Zu § 19 StbG

...

§ 2. (1) Dem Antrag auf Verleihung oder Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft sind folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 4 Z 4 und 5 FPG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. aktuelles Lichtbild des Antragstellers (von 3,5 x 4,5 cm bis 4,0 x 5,0 cm);

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Nachweis über die Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde, Nachweis über Namensänderung;

...

(2) Von der Vorlage von Urkunden und Nachweisen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 4 kann abgesehen werden, wenn deren Beschaffung nachweislich nicht möglich ist und die Identität des Antragstellers anhand anderer unbedenklicher Dokumente festgestellt werden kann, wobei zur Beurteilung der Unbedenklichkeit insbesondere Verfahren gemäß § 5 StbG herangezogen werden können.

...

(4) Eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden nach Abs. 1 besteht nicht, wenn die zu beweisenden Tatsachen oder Rechtsverhältnisse durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR, § 56a StbG), oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register festgestellt werden können.“

57 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Identität im Staatsbürgerschaftsverfahren grundsätzlich festgehalten (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, mwN):

„62 Auch staatsbürgerschaftsrechtlich ist die Bekanntgabe der wahren Identität von wesentlicher Bedeutung.

63 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass unrichtigen Namensangaben im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren wesentliche Bedeutung zukommt, geht es doch in diesem Verfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten. Von daher kann jedenfalls nicht gesagt werden, es sei belanglos, auf welchen Namen ein Verleihungsbescheid ausgestellt wird (vgl. VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470).

64 Daher ist die Staatsbürgerschaftsbehörde auch bei Vorlage eines Lichtbildes nicht ihrer Verpflichtung enthoben, sich von der Identität des Verleihungswerbers auf geeignete Weise zu überzeugen (vgl. VwGH 20.9.2011, 2008/01/0777).

65 Der Antragssteller ist wiederum verpflichtet, der Staatsbürgerschaftsbehörde seine persönlichen Umstände im Verleihungsverfahren vollständig darzulegen (vgl. VwGH 25.2.2014, 2012/01/0156, mwN). Auf diese Verpflichtung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in einer Rechtssache hingewiesen, in der ein Verleihungsverfahren nach StbG wiederaufgenommen wurde, weil hervorgekommen sei, dass der (dortige) Beschwerdeführer auf Grund falscher Angaben über seine Identität in Österreich unter verschiedenen Namen registriert worden sei und ein unter einer Alias‑Identität erlassenes Aufenthaltsverbot verschwiegen habe (vgl. VwGH 29.1.2014, 2012/01/0064). Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass die Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG auch umfasst, dass die diesbezüglichen Angaben wahrheitsmäßig erfolgen.“

58 Im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren geht es darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten. Daher ist die Staatsbürgerschaftsbehörde auch bei Vorlage eines Lichtbildes nicht ihrer Verpflichtung enthoben, sich von der Identität des Verleihungswerbers auf geeignete Weise zu überzeugen. Der Antragssteller ist wiederum verpflichtet, der Staatsbürgerschaftsbehörde seine persönlichen Umstände im Verleihungsverfahren vollständig darzulegen (vgl. zu allem VwGH 2.9.2020, Ra 2020/01/0263‑0264, mwN).

Feststellung der Identität nach § 5 Abs. 3 StbG

59 Nach dieser Rechtslage ist die grundsätzliche Rechtsfrage, in welcher Weise ein Fremder in einem Verleihungsverfahren nach dem StbG seine Identität nachzuweisen bzw. wie die Staatsbürgerschaftsbehörde auf dieser Grundlage die Identität eines Verleihungswerbers festzustellen hat, wie folgt zu beantworten:

60 Grundsätzlich hat der Fremde gemäß § 19 StbG am Verfahren mitzuwirken und der Behörde alle notwendigen Unterlagen und Beweismittel sowie ein Lichtbild zur Verfügung zu stellen.

61 § 5 StbG sieht unterschiedliche Untersuchungsmethoden vor, welche die (Staatsbürgerschafts)Behörde in bestimmten Fällen anordnen kann. Neben der Feststellung zur Minderjährigkeit des Fremden (Abs. 1) und zu einem behaupteten Verwandtschaftsverhältnis (Abs. 2) betrifft § 5 Abs. 3 StbG Feststellungen betreffend die Identität des Fremden (vgl. auch Eberwein/Schwarzenbacher in: Plunger/Esztegar/Eberwein [Hrsg], StbG [2017] § 5 Rz. 1).

62 Zunächst hat der Fremde gemäß § 5 Abs. 3 StbG seine Identität, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen.

63 Unter „Identität“ wird die einwandfreie Feststellung jedenfalls des Namens und Geburtsdatums des Fremden zu verstehen sein. Dem Fremden obliegt diesbezüglich zunächst die Beweislast (arg. „nachzuweisen“ in § 5 Abs. 3 StbG; vgl. zu allem auch VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0250, mwN, zu § 14 Abs. 1 Z 1 Passgesetz 1992), wenn seine Identität nicht bereits durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register unzweifelhaft festgestellt werden kann (vgl. § 2 Abs. 4 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985).

64 Dieser Nachweis hat gemäß § 5 Abs. 3 StbG „durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel“ zu erfolgen. Eine Urkunde ist dann unbedenklich, wenn sie die gehörige äußere Form aufweist (vgl. so aus der ständigen Rechtsprechung zur Hinterlegungsanzeige nach § 17 Abs. 2 ZustG etwa VwGH 30.7.2020, Ra 2019/07/0036, mwN). Zu diesem Nachweis kommen nur amtliche Lichtbildausweise (z.B. Reisepass oder Führerschein) in Betracht (vgl. zum Reisepass nach Passgesetz 1992 als Identitätsdokument VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0014, Rn. 16, mwN). Die Vorlage anderer amtlicher Dokumente (z.B. Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde etc.) genügen mangels eines Lichtbildes oder anderer Identitätsmerkmale für den gemäß § 5 Abs. 3 StbG zunächst vorgesehen Nachweis der Identität durch den Fremden nicht (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 18). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass eine Meldebestätigung nach § 19 MeldeG nicht als Identitätsdokument angesehen werden kann (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0014). Insoweit fordert das Gesetz, dass Nachweise vorgelegt werden, deren Nachprüfung in Österreich möglich sein muss (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 23).

65 Gelingt dies dem Fremden nicht, so kann die Behörde gemäß § 5 Abs. 3 StbG die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anordnen. Diese Maßnahme gemäß § 5 Abs. 3 StbG stellt eine erkennungsdienstliche Behandlung dar, zu der die nach dem StbG zuständigen Behörden und Berufsvertretungsbehörden gegenüber Fremden, die die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, ermächtigt sind (vgl. § 39a Abs. 5 StbG).

66 Die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger dient der Beweisführung über die Identität (vgl. Eberwein/Schwarzenbacher in: Plunger/Esztegar/Eberwein [Hrsg], StbG [2017] § 5 Rz. 5). Dem liegt auch zu Grunde, dass die Legitimationswirkung eines Identitätsmerkmals desto höher ist, je eindeutiger das Merkmal einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Das trifft in besonderem Maß auf biometrische Daten (Fingerabdrücke, Erbinformationen etc.) zu (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 17).

67 Zweck dieser Bestimmung ist es nach dem Willen des Gesetzgebers, dass die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei feststehen soll (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP , 55). Dies deckt sich mit der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der staatsbürgerschaftsrechtlich die Bekanntgabe der wahren Identität von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, mwN), weil es im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren darum geht, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten (vgl. VwGH 2.9.2020, Ra 2020/01/0263‑0264, mwN).

68 Mit anderen Worten wird durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Status des Verleihungswerbers entsprechend seiner im Verleihungsverfahren festgestellten Identität neu gestaltet. An die österreichische Staatsbürgerschaft knüpfen zahlreiche Rechte und Pflichten, insbesondere das Wahlrecht, die Berechtigung zur Teilnahme an Volksbegehren und Volksabstimmungen sowie die Wehrpflicht, an (vgl. die obzitierten Erläuterungen zu § 39a StbG). Der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ist auch Voraussetzung für die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses (vgl. VwGH 25.10.2017, Ra 2017/22/0050, mit Verweis auf § 4 Passgesetz 1992), der wiederum als Identitätsdokument dem Nachweis der Identität dienen kann (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0014, Rn. 16, mwN).

69 Daher liegt es stets im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass das Bestehen oder Nichtbestehen der österreichischen Staatsbürgerschaft und damit auch die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft richtig und zweifelsfrei feststeht (vgl. die obzitierten Erläuterungen zu § 5 Abs. 3 und § 39a StbG).

70 Im Übrigen geht auch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) von der Notwendigkeit einer zweifelsfreien Identität aus, wenn etwa § 19 Abs. 2 NAG verlangt, dass der Fremde der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen hat. So hat der Verwaltungsgerichtshof (zur Verwendung einer falschen Identität in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG) festgehalten, dass es darum geht, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität identifizierbaren Person einen Aufenthaltstitel zu erteilen und dadurch ihren rechtlichen Status zu gestalten. Insofern kann jedenfalls nicht gesagt werden, es sei belanglos, für welche Identität ein Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076, mwN, u.a. auf VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470, betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft). § 2b Abs. 1 NAG sieht vor, dass Fremde, die einen Aufenthaltstitel beantragen, bei der Abnahme der Papillarlinienabdrücke mitzuwirken haben.

71 Diese Rechtslage bedeutet für die Feststellung der Identität nach § 5 Abs. 3 StbG Folgendes:

72 Gelingt es dem Fremden nicht, seine Identität, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen (vgl. § 5 Abs. 3 StbG), so wird es, wenn seine Identität nicht bereits durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register unzweifelhaft festgestellt werden kann (vgl. § 2 Abs. 4 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985), im Regelfall zur Beweisführung über die Identität geboten sein, gemäß § 5 Abs. 3 StbG die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anzuordnen, um davon ausgehend beweiswürdigend die Identität des Fremden für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei festzustellen (vgl. zum Nichtvorliegen eines Regelfalls etwa die Hinderungsgründe nach § 2b Abs. 3 und 4 NAG).

73 Dies zeigt auch § 2 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985, der davon spricht, dass von der Vorlage von Urkunden und Nachweisen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 4 leg. cit. abgesehen werden kann, wenn deren Beschaffung nachweislich nicht möglich ist und die Identität des Antragstellers anhand anderer unbedenklicher Dokumente festgestellt werden kann. Zur Beurteilung der Unbedenklichkeit können nach § 2 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 insbesondere Verfahren gemäß § 5 StbG herangezogen werden.

74 Führt dieses (im Gesetz ausdrücklich zu diesem Zweck vorgesehene) Beweismittel (alleine oder in Zusammenhalt mit anderen Dokumenten ‑ vgl. § 2 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985) und die daran anschließenden Ermittlungen, insbesondere die Einsicht in den Behörden zur Verfügung stehende Register (vgl. § 2 Abs. 4 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985) nicht zur zweifelsfreien Feststellung der Identität, so hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen auf andere Weise von Amts wegen zu versuchen, die Identität des Fremden zweifelsfrei festzustellen (vgl. idS zum Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG und der zur Feststellung nach § 27 Abs. 1 StbG führenden Beweiswürdigung VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0484, mwN; vgl. zur Offizialmaxime im Staatsbürgerschaftsverfahren auch Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017] § 5 Rz. 19).

75 Der Feststellung der Identität dient die Einsichtnahme in dafür geeignete Dokumente bzw. Datenbanken oder die direkte oder indirekte Identifizierung durch Identitätszeugen (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 16; vgl. zur Einsicht in den Behörden zur Verfügung stehende Register auch § 2 Abs. 4 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985). Im Zusammenhang mit (dem Festnahmegrund) der „mangelnden Identifizierbarkeit“ nach § 35 Z 1 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Maßnahmen zur „sonstigen Identitätsfeststellung“ ausreichende Verlässlichkeit bieten müssen, und zwar in einem solchen Maß, wie es üblicherweise durch Vorzeigen eines Ausweises erreicht wird. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf eine „Identitätsbezeugung“ durch eine unbedenkliche dritte Person, also durch Identitätszeugen, hingewiesen (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2018/03/0008, mwN). In diesem Stadium der Beweiswürdigung kann die Vorlage anderer amtlicher Dokumente (z.B. Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde etc.) in Verbindung mit Identitätszeugen ausreichen (vgl. dagegen kritisch Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 18).

76 In diesem Zusammenhang weisen die Mitbeteiligten in ihrer Revisionsbeantwortung zu Recht auf den Umstand hin, dass eine allzu strenge Sichtweise es nahezu jedem Konventionsflüchtling, für welchen in seinem Herkunftsstaat vor seiner Flucht keine Urkunden zur Identitätsfeststellung ausgestellt haben werden können, unmöglich machen würde, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen (vgl. insoweit zu Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention, wonach die vertragschließenden Staaten „so weit wie möglich“ die Gleichstellung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern, auch VwGH 11.10.2012, 2010/01/0004).

77 Es ist aber auch auf die Mitwirkungspflicht der Partei (vgl. § 4 und § 19 Abs. 2 StbG) hinzuweisen, die gegenüber der Pflicht zur amtswegigen Erforschung umso größer ist, als es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht unmöglich ist, personenbezogene Auskünfte über einen Betroffenen zu erhalten und es deshalb der Mitwirkung des Betroffenen bedarf (vgl. zu § 27 StbG VwGH 6.7.2020, Ra 2019/01/0345, Rn. 19, mwN).

78 Eine gesetzliche Verpflichtung der Behörde, Sachverhalte vom Inland aus aufzuklären, welche die persönlichen Verhältnisse eines Fremden im Ausland betreffen, besteht nicht (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 23). Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Asylgesetz 2005 bereits darauf hingewiesen, dass eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen. Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, z.B. polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen. Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten des § 18 AsylG 2005 daher nicht umfasst und den Asylbehörden auch nicht erlaubt (vgl. etwa VwGH 1.10.2020, Ra 2020/19/0196, mwN). Dies gilt ebenso im Verfahren nach dem StbG.

79 Kann die Identität des Fremden auch dann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, so ist der Antrag auf Verleihung letztlich abzuweisen, weil nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. die oben wiedergegebenen Erläuterungen zu § 5 Abs. 3 StbG) die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei feststehen muss und es im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren darum geht, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen.

80 Gleiches gilt, wenn der Fremde im Verfahren seiner Mitwirkungspflicht nach § 4 bzw. § 19 Abs. 2 StbG nicht nachkommt. Insoweit trifft § 5 Abs. 3 letzter Satz StbG die ausdrückliche Regelung, dass die Weigerung des Fremden, an der Abnahme (der Papillarlinienabdrücke der Finger) mitzuwirken, von der Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist.

Einzelfallbezogene Beurteilung

81 In der vorliegenden Revisionssache hat sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung der Identität des Erstmitbeteiligten, dessen Staatsangehörigkeit unstrittig war, in rechtlicher Hinsicht zutreffend auf § 5 StbG und § 2 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 gestützt, diese Bestimmungen jedoch nicht entsprechend der oben angeführten Rechtslage angewendet:

82 Das Verwaltungsgericht hielt zunächst zutreffend fest, dass das Asylverfahren auf Grundlage der „Verfahrensidentität“ des Erstmitbeteiligten (nach dessen eigenen Angaben ohne entsprechende Nachweise) geführt wurde (vgl. zur „Verfahrensidentität“ bei einem Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0187, wonach eine solche besteht, wenn es sich bei jener Person, der der Aufenthaltstitel erteilt bzw. ausgefolgt wird, mit Sicherheit um jene handelt, in Bezug auf die die dauerhafte Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausgesprochen wurde; vgl. auch VwGH 26.9.2007, 2007/19/0086, und die darin anschließende Folgejudikatur, nach der das Feststehen der Identität eines Fremden keine besondere gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist).

83 Schon aus diesem Grund kann auch der (dem Erstmitbeteiligten ausgestellte) Konventionsreisepass (§ 94 FPG) keine unbedenkliche Urkunde nach § 5 Abs. 3 StbG zur zweifelsfreien Feststellung der Identität darstellen, selbst wenn er gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 iVm § 2 Abs. 4 Z 4 und 5 FPG als gültiges Reisedokument anzusehen ist (vgl. zum Konventionspass nach § 94 FPG auch VwGH 25.6.2019, Ra 2017/19/0261, mwN).

84 Fallbezogen tritt hinzu, dass die „Verfahrensidentität“ des Erstmitbeteiligten ‑ wie auch die Amtsrevision zutreffend ausführt ‑ deshalb zweifelhaft war, weil der Erstmitbeteiligte bei seiner Einreise nach Österreich einen gefälschten (belgischen) Reisepass mit einer nachweislich falschen Identität besessen hat.

85 Zu den nach § 2 Abs. 2 Z 1 und 2 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 vorzulegenden Urkunden führte das Verwaltungsgericht aus, es habe nicht festgestellt werden können, ob der Erstmitbeteiligte in Somalia tatsächlich über einen somalischen Reisepass verfügt habe. In diesem Punkt weist die Amtsrevision darauf hin, dass dem Erstmitbeteiligten nach seinen eigenen Angaben in Somalia (Mogadishu) ein Reisepass für Reisen innerhalb Somalias ausgestellt wurde.

86 Ebenso habe der Erstmitbeteiligte keine somalische Geburtsurkunde, allerdings eine gemäß § 36 Abs. 2 und 4 PStG 2013 ausgestellte Geburtsurkunde vorgelegt. Zu diesem Dokument ist darauf hinzuweisen, dass dieses für sich allein genommen mangels eines Lichtbildes oder anderer Identitätsmerkmale für den gemäß § 5 Abs. 3 StbG zunächst vorgesehen Nachweis der Identität durch den Fremden nicht genügt (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 18). Zudem lagen der Ausstellung dieses Personenstandsdokuments auch lediglich die „Verfahrensidentität“ des Erstmitbeteiligten im Asylverfahren zu Grunde.

87 Das einzige amtliche somalische Dokument, das der Erstmitbeteiligte vorlegen habe können, sei die vom Erstmitbeteiligten vorgelegte Heiratsurkunde. Zu diesem Dokument hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend auf § 9 KBeglV, BGBl. II Nr. 467/2012, hingewiesen, wonach die Vornahme von Beglaubigungen von Urkunden (unter anderem) betreffend Somalia ausgesetzt wurde. Dies spricht bereits gegen die Unbedenklichkeit dieser Urkunde, was fallbezogen auch durch die Stellungnahme der Österreichischen Botschaft Nairobi dokumentiert wurde.

88 Die sonstigen vom Erstmitbeteiligten vorgelegten Dokumente und Beweismittel erfüllen nicht die von § 5 Abs. 3 StbG verlangte Voraussetzung der Unbedenklichkeit bzw. Gleichwertigkeit (nach der oben dargestellten Rechtslage). Für die vom Verwaltungsgericht angeführte „notariell beglaubigte“ Erklärung gilt, da es sich (nach Einsicht in die Aktenlage) um eine Beglaubigung vor dem Notariat Hiraabe in Somalia handelt, das zur somalischen Heiratsurkunde Gesagte (vgl. § 9 KBeglV). Die Identität des Erstmitbeteiligten konnte auch nicht bereits durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register unzweifelhaft festgestellt werden.

89 Somit ist davon auszugehen, dass es dem Erstmitbeteiligten vorliegend nicht gelungen ist, gemäß § 5 Abs. 3 StbG seine Identität durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen.

90 In diesem Stadium des Verfahrens ist jedoch nach dem Obgesagten zur Beweisführung über die Identität im Regelfall geboten, gemäß § 5 Abs. 3 StbG die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anzuordnen, um davon ausgehend beweiswürdigend die Identität des Fremden für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei festzustellen. Im vorliegenden Einzelfall, insbesondere im Hinblick auf die Volljährigkeit des Erstmitbeteiligten, liegt keine besondere Konstellation vor, welche die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger nicht zugelassen hätte. Das Verwaltungsgericht hat auch keine Feststellungen getroffen, dass Papillarlinienabdrücke der Finger des Erstmitbeteiligten bereits in anderen zur Verfügung stehende Registern abfragbar gewesen wären. Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht dieses Beweismittel nicht zur Identitätsfeststellung herangezogen.

91 Dagegen sind selbstständige Ermittlungen im Ausland, wie sie das Verwaltungsgericht vorliegend vorgenommen hat, vom Gesetz nicht gefordert, da eine gesetzliche Verpflichtung der Behörde, Sachverhalte vom Inland aus aufzuklären, welche die persönlichen Verhältnisse eines Fremden im Ausland betreffen, nicht besteht (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyerl, StbG 1985 [2017], § 5 Rz. 23) und eigenen hoheitlichen Ermittlungen im Herkunftsstaat allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 1.10.2020, Ra 2020/19/0196, mwN).

92 In diesem Zusammenhang weist die Amtsrevision zutreffend auf den Umstand hin, dass es naheliegend gewesen wäre, die Ehegattin des Erstmitbeteiligten als Identitätszeugin zu dessen Identitätsfeststellung zu vernehmen, zumal diese nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (mit dem Flugzeug) legal nach Österreich eingereist ist.

Sozialhilfeleistung nach § 10 Abs. 5 StbG

93 Das Verwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermisst, ob es sich „bei der Leistung gemäß § 22 Abs 2 Z 5 SHG (‚Hilfe für werdende Mütter‘)“ um eine Sozialhilfeleistung im Sinne des § 10 Abs 5 StbG handelt.

94 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 23.4.2020, Ro 2020/01/0004, mwN).

95 Mit der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts wird schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil die vom Verwaltungsgericht bezeichnete „Hilfe für werdende Mütter“ in dem in der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen Zeitraum in der vom Verwaltungsgericht angeführten Bestimmung des § 22 (Soziale Dienste) nicht angeführt ist (vgl. § 22 S.SHG, LGBl. Nr. 19/1975 idF LGBl Nr 47/2015). Die „Hilfe für werdende Mütter“ ist nach dieser Rechtslage lediglich in § 10 S.SHG, LGBl. Nr. 19/1975, angeführt. Die „Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen“ in § 15 S.SHG wurde durch das Salzburger Mindestsicherung-Begleitgesetz, LGBl. 64/2010, aufgehoben. Im § 22 Abs. 2 Z 5 S.SHG findet sich diese Leistung so nicht. Erst aus der Aktenlage ergibt sich, dass die „Hilfe für werdende Mütter“ offenbar unter die „Beratungsdienste“ nach dieser Bestimmung fällt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts handelt es sich um eine einmalige Förderung des Landes Salzburg als Träger von Privatrechten (vgl. auch § 23 S.SHG). Nähere Feststellungen zu den Förderungsbedingungen finden sich nicht.

96 Schon aus diesem Grund war der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Rechtsfrage nicht weiter nachzugehen. Die vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsfrage ist aber auch aus einem anderen Grund vorliegend nicht relevant:

Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG

97 Die Amtsrevisionswerberin stützte die Abweisung des Antrages des Erstmitbeteiligten auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (mit den oben dargestellten Argumenten) auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG.

98 Das Verwaltungsgericht kam dagegen im angefochtenen Erkenntnis (aus den oben dargestellten Argumenten) zur Auffassung, dass dieses Verleihungshindernis nicht vorliegt. Diese Auffassung weicht mehrfach von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ab:

99 Das Verwaltungsgericht vertritt zur Einstellung des Strafverfahrens (gemäß § 201 Abs. 5 iVm § 199 StPO) nach § 224a StGB die Auffassung, der Erstmitbeteiligte habe niemals beabsichtigt, die Alias‑Identität auch im Asylverfahren zu verwenden. Dies unterscheidet den vorliegenden Einzelfall zwar ‑ wie vom Verwaltungsgericht angeführt ‑ fallbezogen von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 2018, Ra 2017/01/0417, zugrunde lag, ändert aber nichts daran, dass das dem Strafverfahren zugrundeliegende Verhalten des Erstmitbeteiligten am Maßstab des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu beurteilen ist. Insoweit vertritt das Verwaltungsgericht die Auffassung, die „Persönlichkeitsprüfung“ falle zugunsten des Erstmitbeteiligten aus, weil seit diesem Vorfall mehr als acht Jahre vergangen seien und er keine weiteren gerichtlich strafbaren Handlungen mehr begangen habe.

100 Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass die Einstellung eines Strafverfahrens im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren Bindungswirkung nicht entfaltet und es der belangten Behörde demnach nicht verwehrt ist, über den der zurückgelegten Anzeige zugrundeliegenden Sachverhalt ein selbständiges Ermittlungsverfahren zu führen und eigene Beweiswürdigungserwägungen vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht an eine gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an. Auch Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (z.B. nach einer Diversion) kommt, gehören zum Gesamtverhalten, von dem die belangte Behörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (vgl. zu allem VwGH 13.2.2020, Fe 2019/01/0001, mwN).

101 Vorliegend hielt das Verwaltungsgericht zum Verhalten des Erstmitbeteiligten fest, es sei unstrittig, dass der Erstmitbeteiligte (im Mai 2012) mit einem gefälschten belgischen Reisepass ins österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Die Amtsrevision hat dazu (bereits im vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid) festgehalten, dass durch den gefälschten belgischen Reisepass habe vorgetäuscht werden sollen, der Mitbeteiligte sei im rechtmäßigen Besitz der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates des EWR.

102 Nach dem am 1. Mai 2004 (StRÄG 2004) in Kraft getretenen § 224a StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wer eine falsche oder verfälschte besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, von einem anderen übernimmt, sich oder einem anderen verschafft, befördert, einem anderen überlässt oder sonst besitzt. Mit dieser Bestimmung sollen zum einen möglichst alle der Fälschung nachfolgenden Verhaltensweisen kriminalisiert werden, durch welche die von den bereits hergestellten Falsifikaten ausgehende abstrakte Gefahrenlage für die Sicherheit des Rechtsverkehrs mit qualifizierten Urkunden prolongiert wird. Zum anderen sollen zugleich die Vorbereitungshandlungen für den späteren Gebrauch derselben erfasst werden (vgl. OGH 27.7.2005, 13 Os 47/05v, mwN). In den Materialien wird unter anderem auf

„eine entsprechende Verpflichtung auf Grund der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. b Z (ii) des Schleppereiprotokolls zur VN‑Konvention gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität3, in welcher die Kriminalisierung des Beschaffens, des Zur-Verfügung-Stellens und des Besitzens eines falschen oder verfälschten Reisedokumentes oder Identitätsausweises (‚fraudulent travel or identity document‘ iSd Definition des Art. 3 lit. c des Protokolls) vorgesehen ist. Österreich ist daher auch auf Grund des von Österreich unterzeichneten VN‑Schleppereiprotokolls in Bezug auf öffentliche Urkunden zur Kriminalisierung dieser Tathandlungen verpflichtet“

verwiesen (RV 309 BlgNR 22. GP , 8). Solcherart dokumentieren die Erläuterungen ‑ neben der in der Rechtsprechung des OGH dargelegten abstrakten Gefahrenlage für die Sicherheit des Rechtsverkehrs mit qualifizierten Urkunden ‑ die Notwendigkeit der Kriminalisierung dieser Tathandlungen zur Bekämpfung der Schlepperei. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 10 Abs.1 Z 6 StbG bereits festgehalten, dass der Bekämpfung der Schlepperei hinsichtlich des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ‑ auch aus unionsrechtlicher Sicht ‑ ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 13.2.2020, Fe 2019/01/0001, mwN).

103 Bei der Prüfung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist (im Beschwerdeverfahren: vom Verwaltungsgericht) eine Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers zu treffen. Es ist auch zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellt (vgl. zu allem VwGH 2.9.2020, Ra 2020/01/0323, mwN).

104 Ein längeres Wohlverhalten des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten kann für eine Prognose nach dieser Bestimmung von Bedeutung sein (vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0406, mwN). So hat der Verwaltungsgerichtshof eine negative Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG als rechtmäßig beurteilt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht von längerem Wohlverhalten des Antragstellers seit dem zuletzt von ihm begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhalten ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN).

105 Ausgehend von dieser Rechtsprechung zeigt die Amtsrevision zutreffend auf, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der Beurteilung dieses Verhaltens, der Zeitraum des Wohlverhaltens sei seit dem ‑ nach dem Obgesagten als schwerwiegend einzustufenden - Besitz eines gefälschten Reisepasses (iSd § 224a StGB) ausschließlich in Bezug auf gerichtlich strafbare Handlungen zu bemessen, zu kurz greift.

106 Was die Beurteilung der vom Verwaltungsgericht festgestellten Verwaltungsübertretungen des Erstmitbeteiligten in diesem Zeitraum (in den Jahren 2014, 2016, 2017, 2018, zuletzt im Zeitraum 3.8.2018 bis 7.8.2018) anlangt, hat das Verwaltungsgericht ‑ wie von der Amtsrevision aufgezeigt ‑ verkannt, dass das in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tragend angeführte „ehrliche Bereuen“ des Mitbeteiligten an der Notwendigkeit eines längeren Wohlverhaltens nichts zu ändern vermag (vgl. bereits VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0397).

107 Auch die Auffassung, die (zuletzt begangene) Übertretung nach der GewO 1994 werde dadurch relativiert, als es „zu keiner gleichgelagerten Verwaltungsübertretung mehr kommen“ werde, „weil der Erstmitbeteiligte nunmehr einen ‚eigenen‘ Gewerbeschein besitze“, weicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass eine fehlende Wiederholungsgefahr im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG rechtlich unerheblich ist (vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0406, mwN).

108 Der Rückgriff des Verwaltungsgerichts auf § 11 StbG bei der Beurteilung von § 10 Abs. 1 Z 6 StbG (wenn es ausführt, Hinweise, wonach sich der Erstmitbeteiligte entgegen § 11 StbG nicht am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich beteilige und sich nicht zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft bekenne, hätten sich nicht ergeben), ist verfehlt, da bei Vorliegen eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG die in § 11 StbG normierte Orientierung des Fremden zwingend verneint werden muss (vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2018/01/0095, mwN).

Ergebnis

109 Aus diesen Erwägungen hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

110 Die Mitbeteiligten haben bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Kostenersatz (vgl. etwa VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN).

Wien, am 2. April 2021

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