VwGH Ra 2019/01/0397

VwGHRa 2019/01/039723.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Wiener Landesregierung gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. August 2019, Zl. VGW-152/089/8333/2019-26, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: J K in W), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §1 Abs3
StbG 1985 §10
StbG 1985 §10 Abs1 Z6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010397.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Bescheid der Wiener Landesregierung als Staatsbürgerschaftsbehörde (im Folgenden: Behörde) vom 14. Mai 2019 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen der demokratischen Republik Kongo, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen. 2 Begründend führte die Behörde aus, der Mitbeteiligte habe innerhalb von drei Jahren insgesamt vier Mal die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten (festgestellte Übertretungen der StVO). Bei einer näher bezeichneten Geschwindigkeitsübertretung

aus 2016 handle es sich um eine schwerwiegende Übertretung, da der Mitbeteiligte die zulässige Höchstgeschwindigkeit um fast das Doppelte (56 km/h statt 30 km/h) überschritten habe. Da der Mitbeteiligte regelmäßig im Abstand von etwa einem Jahr Übertretungen begangen habe, die letzte Übertretung erst vor etwa acht Monaten erfolgt sei, könne eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden und sei es nicht möglich, eine positive Zukunftsprognose zu erstellen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht). Angefochtenes Erkenntnis

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Mitbeteiligen stattgegeben und dem Mitbeteiligten gemäß § 11a Abs. 7 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen (I.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (II.).

4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht (unter anderem) fest, dem Mitbeteiligte sei mit näher bezeichnetem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien die Lenkberechtigung (wegen Nichtabsolvierung der Mehrphasenausbildung) vom 16. Jänner 2017 bis 25. März 2018 entzogen worden.

5 Weiter führte das Verwaltungsgericht - soweit vorliegend wesentlich - begründend aus, auch der Entzug der Lenkberechtigung im Zeitraum von 16. Jänner 2017 bis 25. März 2018 sei aus Sicht des Verwaltungsgerichtes weder für sich alleine noch in Verbindung mit den festgestellten anderen Verwaltungsübertretungen (noch nicht) geeignet, anzunehmen, vom Mitbeteiligten ginge eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aus. Dieser Entzug sei wegen Nichtabsolvierung der Fahrausbildung erfolgt und nicht etwa wegen Lenkens eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand oder aus anderen Gründen, die auf eine besondere Gefährlichkeit bzw. Rücksichtslosigkeit des Mitbeteiligten im Straßenverkehr schließen lassen würden.

6 Zwar ergebe sich aus den getroffenen Feststellungen auch, dass der Mitbeteiligte trotz Entzugs der Lenkberechtigung am 13. Mai 2017 in Wien ein Fahrzeug gelenkt habe. Jedoch habe der Mitbeteiligte auf das Verwaltungsgericht einen sehr einsichtigen Eindruck gemacht. Das Verwaltungsgericht habe sich im Zuge der mündlichen Verhandlung insgesamt davon überzeugen können, dass die Mitbeteiligte seine damaligen Taten "ehrlich bereue". Er habe in der persönlichen Einvernahme glaubwürdig angegeben, dass er sein damaliges Fehlverhalten bedauere. Er habe aus seinen Verwaltungsübertretungen gelernt und die Konsequenzen gezogen, indem er sämtliche Strafen bezahlt und sein Auto verkauft habe. Auf das Verwaltungsgericht habe der Mitbeteiligte den Eindruck eines besonnenen und rechtstreuen Menschen gemacht, der sein Fehlverhalten ehrlich bereue und gewillt sei, sich in Zukunft an die österreichische Rechtsordnung zu halten.

7 Wenngleich die letzte Verwaltungsübertretung am 5. August 2018 erst knapp ein Jahr zurückliege, habe der Mitbeteiligte das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass er nach seinen Verwaltungsübertretungen im Zeitraum März 2016 bis August 2018 ehrlich bemüht gewesen sei und nach wie vor sei, sich rechts- und gesetzestreu zu verhalten.

8 Unter Berücksichtigung der sonst festgestellten Umstände (zehn Jahre rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet; positive Ablegung der Externistenprüfung, gute Deutschkenntnisse, unselbständige verantwortungsvolle Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe) komme das Verwaltungsgericht sohin zu einer positiven Prognoseentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG. 9 Da der Mitbeteiligte alle sonstigen Verleihungsvoraussetzunge n erfülle, sei ihm die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen gewesen.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Behörde, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

11 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

12 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei mehrfach von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen:

So gehöre das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrrecht und sei für die Verneinung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG stets ein längeres Wohlverhaltens des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten zu verlangen.

Vorliegend sei die letzte Verwaltungsübertretung erst ein Jahr zurück gelegen und liege daher ein ausreichender Wohlverhaltenszeitraum keineswegs vor.

13 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt. Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes 14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung (§ 1 Abs. 3 FSG) zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrrecht gehört. Weiters ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verneinung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ein längeres Wohlverhalten des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten zu verlangen. Dabei ist zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll (vgl. zu allem VwGH 22.7.2019, Ra 2019/01/0258, mwN). 15 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall - wie von der Amtsrevision vorgebracht - abgewichen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht verkannt, dass das in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tragend angeführte "ehrliche Bereuen" des Mitbeteiligten an der Notwendigkeit eines längeren Wohlverhaltens - insbesondere vor dem Hintergrund des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung - nichts zu ändern vermag.

Ergebnis

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 23. Dezember 2019

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