Normen
ÄrzteG 1998 §54;
AVG §56;
B-VG Art133 Abs4;
LuftfahrtG 1958 §169 Abs1 Z3 litg;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016030028.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 hatte die revisionswerbende Behörde (in Folge auch: ACG) die Mitbeteiligte in ihrer Eigenschaft als flugmedizinische Sachverständige - ein Widerruf deren (befristeten) Autorisierung als flugmedizinische Sachverständige wurde mit einem früherem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufgehoben, woraufhin ihr die Autorisierung neuerlich erteilt wurde (vgl VwGH vom 9. September 2015, Ra 2015/03/0042, 0045) - aufgefordert, sie möge nach Abschluss von flugmedizinischen Tauglichkeitsuntersuchungen in Hinkunft die flugmedizinischen Unterlagen (Antragsformular, Untersuchungsbericht, Tauglichkeitszeugnis) unverzüglich vorlegen sowie die Antragsformulare und medizinischen Untersuchungsberichte gemäß AMC1.ARA.MED.135 der Verordnung (EU) Nr 1178/2011 sämtlicher seit 8. Jänner 2015 durchgeführten Tauglichkeitsuntersuchungen in Kopie binnen einer bestimmten Frist übermitteln.
2 Mit Schreiben vom 21. Jänner 2015 legte die Mitbeteiligte der ACG die angeforderten Unterlagen vor und beantragte ua (zusammengefasst) die Feststellung, sie sei nicht verpflichtet, die in AMC1.ARA. MED.135 vorgegebenen Antragsformulare bzw Untersuchungsberichte zu verwenden, anlässlich laufender Tauglichkeitsuntersuchungen von Piloten mehr als das Zeugnis und das Ergebnis der Beurteilung im Bericht an die ACG zu übermitteln, es sei denn, dies sei für die Tauglichkeitsbescheinigung oder für konkrete Aufsichtszwecke erforderlich und werde vom medizinischen Sachverständigen der ACG verlangt.
3 Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 wies die ACG (neben weiteren, im Revisionsverfahren nicht mehr wesentlichen Spruchpunkten) diese Feststellungsanträge ab. Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung führte sie aus, der Mitbeteiligten fehle die Berechtigung zur Stellung der Feststellungsanträge, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Erlassung eines Feststellungsbescheids nur dann zulässig sei, wenn dies entweder ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sei, oder wenn die Erlassung eines Feststellungsbescheids im öffentlichen Interesse oder insofern im Interesse einer Partei liege, als es für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle. Letzteres sei nur dann der Fall, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukomme, ein Recht oder Rechtsverhältnis in Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Im konkreten Fall sei ein derartiges subjektives Interesse der Mitbeteiligten auf Erlassung eines Feststellungsbescheids zu verneinen gewesen, weil die ACG ihre Rechtsansicht hinsichtlich der angesprochenen Unionsvorschriften als auch der Übermittlung detaillierter Untersuchungsergebnisse gegenüber der Mitbeteiligten klar und erschöpfend dargelegt habe. Angesichts der klaren Rechtslage liege kein strittiges Recht oder Rechtsverhältnis vor. Aus dem Datenschutzgesetz 2000 und dem § 54 ÄrzteG 1998 könnten im Übrigen nur die Betroffenen selbst ein subjektives Recht auf den Schutz (ihrer) personenbezogenen Daten ableiten, nicht aber der behandelnde Arzt. Die Mitbeteiligte habe daher kein rechtliches Interesse an der Erlassung der beantragten Feststellungsbescheide.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde. Sie machte im Wesentlichen geltend, die ACG habe ihr Rechtsschutzinteresse an der beantragten Feststellung zu Unrecht verneint. Zwischen ihr und der ACG bestünde Uneinigkeit bezüglich der Reichweite der die Mitbeteiligte als flugmedizinische Sachverständige treffenden Verpflichtungen, es drohe der Widerruf ihrer Zulassung und ein Verwaltungsstrafverfahren; der Umweg, über diese Verfahren die strittigen Fragen zu klären, sei nicht zumutbar. Sie habe daher ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Erlassung der Feststellungsbescheide.
5 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, hob den angefochtenen Bescheid (in dem im Revisionsverfahren relevanten Umfang) ersatzlos auf und trug der ACG die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht, auf das Wesentliche zusammengefasst, Folgendes aus: Die ACG habe, dem Wortlaut des Spruchs des angefochtenen Bescheids nach, die Feststellungsanträge zwar "abgewiesen". Der Begründung sei jedoch eindeutig zu entnehmen, dass die ACG nicht in der Sache über die Feststellungsanträge entschieden, sondern deren Zulässigkeit verneint habe; der angefochtene Bescheid sei daher als Zurückweisung der Feststellungsanträge zu werten. Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht sei somit ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, während es dem Verwaltungsgericht verwehrt sei, darüber hinaus in der Sache zu entscheiden.
7 Entgegen der Auffassung der ACG seien die Feststellungsanträge zulässig: Im vorliegenden Fall gäbe es unterschiedliche Rechtsauffassungen zu den mit den Feststellungsanträgen aufgeworfenen Fragen. Die Mitbeteiligte riskiere, bei Übertretung der in Rede stehenden (Unions‑)Vorschriften eine Verwaltungsübertretung nach § 169 Abs 1 Z 3 lit g LFG iVm der VO (EU) Nr 1178/2011 zu begehen und bestraft zu werden. Zudem befürchte sie eine Verletzung ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflichten und habe datenschutzrechtliche Bedenken. Vor diesem Hintergrund bestehe kein anderer zumutbarer Rechtsweg als die Erlangung von Feststellungsbescheiden; die verfahrensgegenständlichen Anträge erwiesen sich daher als ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob der Inhalt unionsrechtlicher Verpflichtungen von flugmedizinischen Sachverständigen im Zusammenhang mit der VO (EU) Nr 1178/2011, Anhang IV, MED.A.025 und Anhang VI, ARA-MED 135, insbesondere im Hinblick auf zu verwendende Formulare und auf deren Vorlage an die Behörde, einer bescheidmäßigen Feststellung auf Antrag des flugmedizinischen Sachverständigen zugänglich sei, sei die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG als zulässig zu erklären gewesen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorgelegte ordentliche Revision der belangten Behörde (der ACG). Zu ihrer Zulässigkeit führt die Revision in Ergänzung zur Begründung des Verwaltungsgerichts aus, das Verwaltungsgericht sei von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen: Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2014, Ro 2014/12/0018, bestehe eine Antragslegitimation auf Feststellung nur hinsichtlich eigener strittiger Rechte. Davon sei das Verwaltungsgericht insofern abgewichen, als der Mitbeteiligten weder aus dem Datenschutzgesetz 2000 noch aus § 54 ÄrzteG 1998 ableitbare Rechte zukämen, sie vielmehr Rechte ihrer Probanden geltend mache. Zudem setze die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden voraus, dass das betreffende Recht strittig sei, woran es vorliegend aber fehle, weil die Rechtslage ohnehin klar bzw durch die Behörde klargestellt worden sei. Letztlich weiche die angefochtene Entscheidung auch insofern von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ab, als danach weder über die Anwendbarkeit und die Auslegung eines Gesetzes ein Feststellungsbescheid ergehen dürfe, noch über die Frage des Vorliegens von Anspruchsvoraussetzungen. Eben das habe die Mitbeteiligte aber mit ihren Feststellungsanträgen bezweckt.
9 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung der Revision, in eventu ihre Abweisung begehrt.
10 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden.
13 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl VwGH vom 8. September 2016, Ro 2015/11/0016, mwN).
14 Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Revision nicht zulässig:
15 Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass die ACG mit dem Bescheid vom 10. Februar 2015 nicht inhaltlich über die Feststellungsanträge der Mitbeteiligten entschieden, sondern deren Zulässigkeit verneint hat. Diese Beurteilung ist auf Basis der Aktenlage nicht zu beanstanden und wird auch von den Parteien des Revisionsverfahrens insoweit nicht in Frage gestellt. Die Revisionswerberin macht vielmehr - unter Beibehaltung ihrer bisherigen Argumentation - geltend, es lägen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheids nicht vor.
16 Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens war daher - wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat - ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Feststellungsanträge (vgl VwGH vom 19. Oktober 2016, Ro 2016/12/0009, mwN).
17 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids dann zulässig, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann, ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids als subsidiärer Rechtsbehelf unzulässig (vgl ua VwGH vom 31. März 2006, 2005/12/0161, vom 19. September 2012, 2012/01/0008, und vom 26. März 2015, 2013/11/0103, je mwN).
18 Die danach für die Beurteilung der Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden maßgeblichen Faktoren sind die gleichen, unabhängig davon, aus welcher Rechtsvorschrift (etwa: Bundesgesetz, Landesgesetz, Verordnung, EU-Verordnung) die strittige Rechtsvorschrift abgeleitet wird. Mit der - oben dargestellten - Argumentation des Verwaltungsgerichts ist daher für sich genommen die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Es zeigt aber auch die ergänzende Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht auf, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere von den dadurch gezogenen Leitlinien zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden, abwiche.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat gerade in dem von der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis vom 18. Dezember 2014, Ro 2014/12/0018, betont, dem Rechtsunterworfenen sei es im Falle des Bestehens unterschiedlicher Rechtsauffassungen nicht zumutbar, die betreffende Handlung zu setzen bzw zu unterlassen und sodann im Rahmen eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit dieses Verhaltens klären zu lassen. Zu Recht macht daher die Mitbeteiligte geltend, dass ein allfälliges Verwaltungsstrafverfahren nach § 169 Abs 1 Z 3 LFG kein geeigneter Weg zur Klärung der der Mitbeteiligten als flugmedizinische Sachverständige treffenden Verpflichtungen ist. Das Gleiche gilt für ein Verfahren auf Widerruf der Autorisierung als flugmedizinische Sachverständige.
20 Das Argument der Revisionswerberin, durch § 54 ÄrzteG 1998, wonach der Arzt zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet ist, würden nur Rechte seiner Probanden begründet, nicht aber eigene, verkennt, dass die Rechtssphäre der Mitbeteiligten auch dadurch berührt wird, dass ihr Verpflichtungen auferlegt werden; auch die erforderliche Klarstellung des Umfangs dieser Verpflichtungen kann daher gegebenenfalls ein rechtliches Interesse an einer Feststellung begründen.
Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist die strittige Rechtsfrage nicht etwa schon deshalb als "geklärt" anzusehen, weil die ACG ihre Auffassung dazu dargestellt hat. Zudem wurde im behördlichen Bescheid gerade nicht über den Umfang der die Mitbeteiligte treffenden Verpflichtungen abgesprochen, vielmehr - wie dargestellt - die Zulässigkeit der Feststellungsanträge verneint. Die Feststellungsanträge der Mitbeteiligten zielten auch nicht etwa auf eine - unzulässige - bloß abstrakte Entscheidung von Rechtsfragen (Anwendbarkeit bzw Auslegung eines Gesetzes), vielmehr stellte sich die Frage, ob die Mitbeteiligte die angesprochenen Verpflichtungen treffen, vor dem Hintergrund der Aufforderung der ACG, die Mitbeteiligte möge die strittigen Vorlagepflichten binnen einer bestimmten Frist erfüllen andernfalls entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden würden, eben nicht bloß abstrakt, vielmehr bestand ein konkreter Anlassfall für die Feststellungsanträge.
21 Auch das Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin ist daher nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG darzutun.
22 Die Revision war daher zurückzuweisen.
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 19. Juni 2017
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