VwGH 2012/01/0008

VwGH2012/01/000819.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Dr. AH, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. August 2008, Zl. E1/347326/2008, betreffend Feststellungsantrag nach dem Sicherheitspolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §56;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 9. Juni 2008 (mit Eingabe vom 5. Juni 2008) an die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag, mit Bescheid festzustellen, dass die Bundespolizeidirektion Wien nicht berechtigt sei, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern über ihn im Zusammenhang mit dem Betrieb seiner Rechtsanwaltskanzlei Auskünfte betreffend die in § 53 Abs. 3a Z. 1 bis 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 114/2007, genannten Informationen zu verlangen.

Diesen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides wies die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 17. Juli 2008 als unzulässig zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 2008 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides sehe das Gesetz nicht vor. Ein öffentliches Interesse an der begehrten Feststellung sei nicht gegeben, weil dadurch keine Gefahr von Nachteilen für die "Allgemeinheit" abgewehrt werden könnte. Auch ein Parteiinteresse dahin, dass der Antrag für den Beschwerdeführer ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellen würde, liege nicht vor. Auch unter dem Gesichtspunkt seines Berufes als Rechtsanwalt habe er keine stärkere Stellung als jede andere Person. Jedermann könne unter gewissen (jedoch nur seltenen) Fällen von der herangezogenen Gesetzesbestimmung betroffen sein. Ein rechtliches Interesse wäre nur gegeben, wenn der Feststellungsbescheid fallbezogen geeignet wäre, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Beschwerdeführers zu beseitigen. Das Vorliegen eines solchen konkreten Falles habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch könnte ihm der begehrte Feststellungsbescheid keine grundsätzliche Rechtssicherheit verschaffen, weil der Antrag sich nur auf eine von mehreren in einem möglichen Anlassfall in Frage kommenden Sicherheitsbehörden (nämlich die Bundespolizeidirektion Wien) beziehe. Hole hingegen eine andere Sicherheitsbehörde, insbesondere die Bundesministerin für Inneres als oberste Sicherheitsbehörde, eine Auskunft nach § 53a Abs. 3a SPG ein, entfalte der begehrte Bescheid keine bindende Wirkung. Insoweit würde der Feststellungsantrag sich nicht als geeignetes Mittel zur Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung erweisen. Der Antrag verfolge nur das prozessuale Interesse des Beschwerdeführers, einen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Verwaltungsakt zu erreichen. Würde seiner Argumentation gefolgt, müssten die Sicherheitsbehörden gegenüber einer Vielzahl von Personen, die Verschwiegenheitspflichten zu beachten haben, Feststellungsbescheide erlassen. Würde aber das Kriterium der Verschwiegenheitspflicht für die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 3a SPG als nicht ausschlaggebend erachtet, könnte sogar "jedermann" die Erlassung eines Feststellungsbescheides begehren.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat über diese Beschwerde mit Erkenntnis vom 1. Juli 2009, B 1697/08-11, wie folgt zu Recht erkannt:

"Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist."

Der Beschwerdeführer ergänzte mit Schriftsatz vom 3. August 2009 die an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides verletzt. Er macht dazu im Wesentlichen geltend, die Bestimmung des § 53 Abs. 3a SPG sei verfassungswidrig. Gegen den (näher dargestellten) verfassungswidrigen Eingriff in seine Rechtssphäre könne er sich nicht anders als mit Hilfe des Feststellungsantrages zur Wehr setzen, um die "präjudiziellen Normen" einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zuzuführen. Er habe "ein dringendes Interesse" an der Klärung, ob bzw. inwiefern die Bundespolizeidirektion Wien berechtigt sei, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern über ihn im Zusammenhang mit seiner Rechtsanwaltskanzlei Auskünfte betreffend die in § 53 Abs. 3a Z. 1 bis Z. 3 SPG genannten Informationen zu verlangen oder nicht. Insbesondere sei zu klären, inwieweit "durch verfassungskonforme Interpretation" mit solchen Auskünften der anwaltlichen Verschwiegenheit derselbe Rechtsschutz wie durch andere Verfahrensbestimmungen zuzukommen habe. Verletzt seien (durch § 53 Abs. 3a SPG) das "Recht auf Gleichheit, auf Erwerbsausübung, auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf Achtung des Privat- und Familienlebens, auf Unverletzlichkeit des Hausrechts und der Wohnung, das Brief- und Meldegeheimnis, das Recht auf Datenschutz, das Recht auf ein faires Verfahren und das Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen".

§ 53 Abs. 3a SPG lautet:

"Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste (§ 92 Abs. 3 Z. 1 Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003, BGBl. I Nr. 70) und sonstigen Diensteanbietern (§ 3 Z. 2 E-Commerce-Gesetz - ECG, BGBl. I Nr. 152/2001) Auskunft zu verlangen über

1. Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses,

2. Internetprotokolladresse (IP-Adresse) zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt ihrer Übermittlung sowie

3. Namen und Anschrift eines Benutzers, dem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war,

wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen und sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung eines Anschlusses nach Z 1 kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluss geführtes Gespräch durch Bezeichnung eines möglichst genauen Zeitraumes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2011, Zl. 2009/12/0211, mwN).

Die Behörde kann im Spruch eines Feststellungsbescheides nicht über abstrakte Rechtsfragen "entscheiden", also weder über die Geltung bzw. Anwendbarkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen noch über ihre Auslegung. Ein zulässiger Gegenstand eines Feststellungsbescheides liegt insoweit nicht vor (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/07/0157, vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0083, vom 22. März 2001, Zl. 2001/07/0041, sowie vom 21. Dezember 2001, Zl. 98/02/0311; und Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, § 56, Rz. 72).

Der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers zielt darauf ab, die Anwendbarkeit bzw. Grenzen der Anwendbarkeit des § 53 Abs. 3a SPG durch die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides zu klären. Sein Antrag hat nicht die Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses zum Gegenstand. Die begehrte bescheidmäßige Feststellung ist zudem nicht geeignet, die Gefährdung einer Rechtsposition des Beschwerdeführers abzuwehren, ermächtigt § 53 Abs. 3a SPG die Sicherheitsbehörden doch nicht (im Sinne des gestellten Feststellungsantrages) uneingeschränkt von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und von sonstigen Diensteanbietern bestimmte Auskünfte zu verlangen, sondern bloß bei Vorliegen der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 2009, G 147, 148/08; und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 2009, B 1697/08).

Zudem ist dem Beschwerdeführer aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 2009, B 1697/08-11, Folgendes entgegenzuhalten:

"§ 53 Abs. 3a SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden bloß, bei Vorliegen gesetzlich bestimmter Voraussetzungen von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und von sonstigen Diensteanbietern bestimmte Auskünfte zu verlangen (vgl. VfGH 1.7.2009, G 147, 148/08).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher nicht geeignet, die Gefährdung einer Rechtsposition darzutun, die mittels der begehrten bescheidmäßigen Feststellung abgewehrt werden könnte."

Die belangte Behörde hat den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers daher zu Recht zurückgewiesen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2012

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