VwGH Ra 2015/03/0042

VwGHRa 2015/03/00429.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen

1. der AUSTRO CONTROL Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH (protokolliert zu hg Zl Ra 2015/03/0042), und 2. des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (protokolliert zu hg Zl Ra 2015/03/0045) gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Mai 2015, Zl W219 2008969-2/11E, betreffend Widerruf der Autorisierung zur flugmedizinischen Sachverständigen (mitbeteiligte Partei: Dr. C H in W, vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 6), den Beschluss gefasst:

Normen

32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.001;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 lita;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litb;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litc;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litd;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 lite;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030;
AVG §38;
EURallg;
LuftfahrtG 1958 §34;
LuftfahrtG 1958 §9;
VwGG §34 Abs1;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.001;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 lita;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litb;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litc;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 litd;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030 lite;
32011R1178 FlugpersonalV Zivilluftfahrt AnhangIV MED.D.030;
AVG §38;
EURallg;
LuftfahrtG 1958 §34;
LuftfahrtG 1958 §9;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, der nunmehr erstrevisionswerbenden Partei (iF: ACG) vom 23. April 2012 war dem Antrag der Mitbeteiligten vom 4. November 2011 auf neuerliche Autorisierung zur flugmedizinischen Sachverständigen der Klasse 1 (Authorised Medical Examiner, AME) gemäß § 34 Abs 4 LFG iVm § 7 Abs 1 ZLPV 2006 und Anlage 2 JAR-FCL 3.090, stattgegeben worden. Der Spruch dieses Bescheids hält weiter fest, dass die Autorisierung befristet ist und am 31. Mai 2015 endet, und dass mit der Autorisierung die Berechtigung zur Durchführung der erforderlichen flugmedizinischen Untersuchungen sowie zur Ausstellung von Tauglichkeitszeugnissen näher genannter Klassen besteht.

In der Begründung wurde dargelegt, dass die Mitbeteiligte am 4. November 2011 den gegenständlichen Antrag, dem Bestätigungen über die Absolvierung flugmedizinischer Fortbildungen angeschlossen gewesen seien, gestellt habe. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei überprüft worden, ob die für eine neuerliche Autorisierung erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 34 Abs 5 LFG iVm JAR-FCL 3.090 erfüllt seien. Für eine neuerliche Autorisierung müsse die Durchführung von mindestens 20 flugmedizinischen Untersuchungen, mindestens 6 davon unter der unmittelbaren Aufsicht der zuständigen Behörde, während der Gültigkeitsdauer der bisherigen Autorisierung sowie die Absolvierung der vorgeschriebenen Auffrischungsausbildung in Flugmedizin nachgewiesen werden. Die Mitbeteiligte habe die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Eine Nachfrage bei der zuständigen Ärztekammer habe ergeben, dass sie an dem von ihr angegebenen Standort eine Ordination gemeldet habe. Somit seien die Voraussetzungen für die beantragte neuerliche Autorisierung erfüllt. Die "derzeitige Autorisierung" ende am 31. Mai 2012; die neuerliche Autorisierung sei gemäß § 34 Abs 4 LFG iVm § 7 Abs 1 ZLPV 2006, Anlage 2 JAR-FCL 3.090 lit e, ab 1. Juni 2012 auf drei Jahre befristet.

2. In der Folge wurde die der Mitbeteiligten mit dem genannten Bescheid erteilte Autorisierung von der ACG mit Bescheid vom 12. Mai 2014 widerrufen, wobei dem im Wesentlichen Folgendes zu Grunde gelegt worden war:

Die Mitbeteiligte habe sich nicht an einschlägige Anforderungen an ihre Tätigkeit als flugmedizinische Sachverständige gehalten. So habe sie keine detaillierten Untersuchungsergebnisse an die ACG als Aufsichtsbehörde übermittelt, sodass diese ihren Aufsichtspflichten nicht nachkommen habe können. Um die kontinuierliche Aufsicht dennoch zu gewährleisten, sei von der ACG eine (unangekündigte) Inspektion in der flugmedizinischen Stelle der Mitbeteiligten durchgeführt worden, in deren Rahmen die Mitbeteiligte die geforderte umfassende Einsicht in die flugmedizinische Dokumentation verweigert habe, wodurch es der ACG unmöglich gemacht worden sei, ihrer Aufsichtspflicht im notwendigen Ausmaß nachzukommen.

Dadurch habe die Mitbeteiligte eine zur Gewährleistung der Sicherheit der Luftfahrt gesetzlich vorgesehene Sicherheitsstufe beseitigt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, über die das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. Mai 2015 dahin entschied, dass in Stattgebung der Beschwerde der Bescheid vom 12. Mai 2014 ersatzlos aufgehoben werde (der mit dem Bescheid gleichfalls verfügte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde war vom Bundesverwaltungsgericht bereits mit Teilerkenntnis vom 25. Juni 2014 ersatzlos behoben worden). Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

In der Begründung dieser Entscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang wieder und traf dann Feststellungen zum Ablauf einer in der Ordination der Mitbeteiligten von der ACG am 11. März 2014 durchgeführten Inspektion sowie zur Reaktion der Mitbeteiligten auf Auskunftsverlangen der ACG.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes aus:

Der Widerruf der in Rede stehenden Autorisierung greife von allen Aufsichtsmaßnahmen am stärksten in die Rechte des davon Betroffenen ein und dürfe daher unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur als ultima ratio Anwendung finden. Zwar komme der behördlichen Aufsicht für die Sicherheit im Luftverkehr in Anbetracht des hohen Gefahrenpotenzials besondere Bedeutung zu und könne die Verweigerung der Herausgabe wichtiger Daten bei Gefahr im Verzug ebenso wie die Widersetzung gegen aufsichtsbehördliche Maßnahmen einen Widerruf der Autorisierung eines flugmedizinischen Sachverständigen - und zwar nicht zwingend erst im Wiederholungsfall - nach sich ziehen (Verweis auf VwGH vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0017).

Wenn es bei der unangekündigten Inspektion am 11. März 2014 auch zu einer gewissen Eskalation von "beiderseitigen Befindlichkeiten" gekommen sein möge, habe die Mitbeteiligte sich dieser aufsichtsbehördlichen Maßnahme im Grunde nicht widersetzt, sondern sich ihr gestellt. Sie habe weder bei der Inspektion noch danach dem höchsten Aufsichtszweck, der Sicherheit im Luftverkehr, zuwider gehandelt; die ACG selbst habe ausgeführt, bei der Inspektion habe keine Gefahr im Verzug bestanden. Dass die ACG die Vorlage sämtlicher Untersuchungsdaten von insgesamt sieben namentlich genannten Probanden verlangt habe, sei nicht durch eine mit diesen Personen verbundene konkrete Gefahr und deren Abwehr begründet worden, vielmehr habe es sich um eine ausgewählte Stichprobe gehandelt. Die Mitbeteiligte habe der ACG in der Folge vor Ort eine stichprobenweise Einschau in die Untersuchungsdaten - zunächst anonymisiert - ermöglicht. Von ihrem Standpunkt, ihre ärztliche Schweigepflicht verbiete ihr, dabei die Akten der genannten Personen offen zu legen, sei sie im Zuge der Erhebung der Beschwerde gegen den Widerruf ihrer Autorisierung abgerückt. Entgegen dem Vorbringen der ACG habe die Mitbeteiligte insgesamt - angesichts der unbestrittenen Tatsache, dass keine Gefahr im Verzug vorgelegen sei und bei der Inspektion mit der Nennung von sieben Namen von Probanden auch nur eine Stichprobe angefordert worden sei - keine Aufsichtszwecke verletzt. Dies gelte auch für einen konkret genannten Fall, wo in einem Anamnesebogen eine Frage nach "Schwindel - Ohnmachtsanfällen" in unklarer Weise beantwortet worden war, zumal die Mitbeteiligte sofort, also nicht erst mit Vorlage des vollständigen Aktes an die ACG, alle konkreten Gefährdungsmomente habe ausschließen können.

Vor dem genannten Hintergrund liege ein Verstoß der Mitbeteiligten gegen ARA.MED. 250 lit a Z 5 im Sinne eines "Verheimlichens von Sachverhalten im Zusammenhang mit dem Antrag auf ein Tauglichkeitszeugnis oder mit einem Inhaber eines Tauglichkeitszeugnisses" bzw gegen MED.A.025 lit d iVm ARA.GEN.355 lit b Z 1 nicht vor: Schon der Begriff "Verheimlichen" weise darauf hin, dass es hier nicht bloß um die Verletzung allfälliger Bekanntgabepflichten gehe, sondern dass gewissermaßen eine qualifizierte Steigerung gegenüber einer bloß pflichtwidrigen Nichtmitteilung vorliegen müsse. Eine bloße pflichtwidrige Nichtmitteilung von Daten liege jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr vor, möge andere Aufsichtsmaßnahmen wie eine Inspektion rechtfertigen, rechtfertige aber nicht per se einen Widerruf der Autorisierung. Um den Tatbestand des "Verheimlichens" zu verwirklichen, müsse ein "intentionales Element" hinzutreten, es müsse dem Betreffenden also darauf ankommen, dass die Behörde bestimmte flugtauglichkeitsbzw aufsichtszweckrelevante Tatsachen nicht erfahre. Daran fehle es im vorliegenden Fall ebenso wie an einem "Sicherheitsproblem" (vgl ARA.GEN.355 lit b Z 1), zumal Gefahr im Verzug nicht vorgelegen sei.

Zu der im Spruch des Bescheides vom 12. Mai 2014 ebenfalls zitierten Bestimmung nach Z 6 von ARA.MED.250 lit a sei festzuhalten, dass eine (sicherheitsrelevante) Beanstandung aus Audits der AME-Praxis, die nicht behoben worden sei, nicht vorliege.

Was schließlich die Frage anlange, inwieweit die Mitbeteiligte ihren Verpflichtungen betreffend die Übermittlung medizinischer Daten nach Tauglichkeitsuntersuchungen nachgekommen sei, habe die ACG den gegenständlichen Widerruf nicht auf diesen Aspekt gestützt und diese Vorgangsweise der Mitbeteiligten vielmehr ausdrücklich geduldet (Hinweis auf konkret genannte Stellen der Beschwerdevorentscheidung der ACG), weshalb diese Thematik außer Betracht bleiben könne.

Insgesamt erweise sich der Widerruf der Autorisierung der Mitbeteiligten daher als nicht rechtmäßig. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der maßgebliche Sachverhalt fest stehe und der Bescheid von Amts wegen ohne Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen erlassen worden sei, komme lediglich die ersatzlose Aufhebung gemäß § 28 Abs 5 VwGVG in Betracht.

4. In der Folge wurde mit Bescheid der ACG vom 26. Mai 2015 dem Antrag der Mitbeteiligten vom 8. September 2014 "auf neuerliche Autorisierung zum flugmedizinischen Sachverständigen der Klasse 1 (Aeromedical Examiner, AME)" "gemäß § 34 Abs 1 Luftfahrtgesetz - LFG, BGBl. Nr. 253/1957, idgF, iVm MED.D.030 der Verordnung (EU) Nr 1178/2011 und Art. 15 Abs. 2 iVm Art. 22 Abs. 2 lit. e der VO (EU) Nr 805/2011", stattgegeben. Der Spruch dieses Bescheids hält weiter fest, dass die Autorisierung befristet ist und am 31. Mai 2018 endet und dass mit der Autorisierung die "Berechtigung zur Durchführung flugmedizinischer Untersuchungen und Beurteilungen sowie zur Ausstellung flugmedizinischer Tauglichkeitszeugnisse bzw medizinischer Tauglichkeitsbescheinigungen" für näher genannte Tauglichkeitsklassen besteht (der weitere Spruchteil betrifft eine Gebührenfestsetzung). In der Begründung wird lediglich dargelegt, dass die Mitbeteiligte den Antrag auf Verlängerung der Autorisierung zum flugmedizinischen Sachverständigen (AME) gestellt habe, dass die "derzeitige Autorisierung" am 31. Mai 2015 ende und dass dem Antrag der Partei voll entsprochen worden sei, weshalb eine weitere Begründung entfallen könne.

5. Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Mai 2015 erhoben die ACG (mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015) und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015) die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die dem Verwaltungsgerichtshof vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verwaltungsakten am

22. bzw 26. Juni 2015 vorgelegt wurden.

6. Die Revisionen sind nicht zulässig.

6.1. Gemäß § 33 Abs 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen steht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 19. Dezember 2014, Ro 2014/02/0115, Folgendes ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein bei ihm anhängiges Verfahren auch im Falle einer Amtsbeschwerde bei Wegfall des rechtlichen Interesses an einer meritorischen Erledigung in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Februar 1978, VwSlg 9.495/A, sowie die hg Beschlüsse vom 6. April 1987, VwSlg 12.436/A, vom 22. Februar 2002, Zl 2001/02/0140, vom 23. Juli 2004, Zl 2004/02/0106, und vom 26. April 2010, Zl 2007/01/1186). Diese Rechtsprechung hat auch für eine Revision gemäß Art 133 Abs 6 Z 3 B-VG gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes weiterhin Gültigkeit.

Aus § 33 Abs 1 VwGG lässt sich auch entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessvoraussetzung versteht. Führt nämlich die Klaglosstellung einer revisionswerbenden Partei in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, dass eine Revision von vornherein als unzulässig betrachtet werden muss, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Situation bereits bei Einbringung der Revision vorliegt. Eine derartige Revision ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen (vgl den zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte ergangenen Beschluss vom 23. Oktober 2013, Zl 2013/03/0111, mwN)."

Mit dem genannten Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof eine Amtsrevision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückgewiesen, weil der Zeitpunkt, für den die strittige Bewilligung erteilt worden war, vor Einbringung der Amtsrevision bereits abgelaufen war.

6.3. Vergleichbar ist die Konstellation im nun vorliegenden Revisionsfall:

Die Bewilligung, die mit Bescheid der ACG vom 12. Mai 2014 widerrufen worden war, also die der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 23. April 2012 erteilte Autorisierung als flugmedizinische Sachverständige, war bis 31. Mai 2015 befristet. Im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Revisionen (18. bzw 22. Juni 2015) ist der Zeitraum, für den die strittige Bewilligung erteilt worden war (und die auf Grund der Aufhebung des Widerrufsbescheids durch das angefochtene Erkenntnis wieder aufrecht war) also bereits abgelaufen gewesen.

Der Umstand, dass die Mitbeteiligte nunmehr wieder über eine entsprechende Bewilligung verfügt, ist nicht Konsequenz des mit Revision angefochtenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, vielmehr des Umstands, dass die erstrevisionswerbende Partei selbst, die ACG, mit Bescheid vom 26. Mai 2015, neuerlich eine entsprechende Bewilligung (wiederum befristet) erteilt hat.

6.4. Den Revisionswerbern wurde mit Verfügung vom 29. Juni 2015 Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, dass auf Grund der gegebenen Konstellation vor dem Hintergrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen wäre.

6.5. Die Ausführungen in den daraufhin von den Revisionswerbern erstatteten Stellungnahmen zeigen nicht auf, dass ungeachtet des dargestellten Ablaufs weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis bestünde:

Im Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des Anhang IV (Teil-MED) bzw des Anhang VI (Anforderungen an Behörden bezüglich des fliegenden Personals, Teil ARA) der Verordnung (EU) Nr 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl L 311 vom 25. November 2011 (iF: VO), von Bedeutung:

"MED.A.025 Verpflichtungen von flugmedizinischen Zentren, flugmedizinischen Sachverständigen, Ärzten für Allgemeinmedizin und Ärzten für Arbeitsmedizin

...

c) Flugmedizinische Zentren, flugmedizinische Sachverständige, Ärzte für Allgemeinmedizin und Ärzte für Arbeitsmedizin müssen gemäß der nationalen Gesetzgebung Aufzeichnungen führen, in denen die Einzelheiten über die gemäß diesem Teil durchgeführten Untersuchungen und Beurteilungen sowie deren Ergebnisse enthalten sind.

d) Flugmedizinische Zentren, flugmedizinische Sachverständige und Ärzte für Allgemein- und für Arbeitsmedizin müssen dem medizinischen Sachverständigen der zuständigen Behörde auf Anfrage sämtliche flugmedizinischen Aufzeichnungen und Berichte sowie alle übrigen relevanten Informationen vorlegen, wenn dies für die Bescheinigung der Tauglichkeit und/oder für Aufsichtszwecke erforderlich ist.

...

Flugmedizinische Sachverständige

MED.D.001 Rechte

...

c) Der Umfang der Rechte eines flugmedizinischen Sachverständigen sowie alle damit verbundenen Auflagen sind in der Anerkennung anzugeben.

...

MED.D.005 Antragstellung

a) Anträge für den Erwerb einer Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger sind in der von der zuständigen Behörde festgelegten Form und Art zu stellen.

...

MED.D.010 Anforderungen für die Ausstellung einer Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger

Bewerber um eine Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger mit Berechtigung zur Erstausstellung, Verlängerung und Erneuerung von Tauglichkeitszeugnissen der Klasse 2 müssen:

a) über eine vollständige Befähigung und Approbation als Arzt sowie über eine Bescheinigung über den Abschluss der fachärztlichen Ausbildung verfügen;

  1. b) einen Grundlehrgang in Flugmedizin absolviert haben;
  2. c) der zuständigen Behörde nachweisen, dass sie:

(1) über geeignete Einrichtungen, Verfahren, Unterlagen sowie über funktionsfähige Ausrüstung verfügen, die für die Durchführung flugmedizinischer Untersuchungen geeignet sind, und

(2) notwendige Verfahren und Voraussetzungen geschaffen haben, um die ärztliche Schweigepflicht zu gewährleisten.

MED.D.030 Gültigkeit der Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger

Eine Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger wird für eine Dauer von höchstens 3 Jahren ausgestellt. Sie wird verlängert, sofern der Inhaber:

a) weiterhin die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Arzttätigkeit erfüllt und weiterhin gemäß nationalem Recht als Arzt eingetragen ist;

b) in den letzten 3 Jahren Auffrischungsschulung in Flugmedizin absolviert hat;

c) jedes Jahr mindestens 10 flugmedizinische Untersuchungen durchgeführt hat;

  1. d) weiterhin die Bedingungen für die Anerkennung erfüllt und
  2. e) seine Rechte gemäß den Bestimmungen dieses Teils ausübt.

    ...

    ARA.GEN.355 Beanstandungen und Durchsetzungsmaßnahmen - Personen

    a) Erhält die für die Aufsicht gemäß ARA.GEN.300 Buchstabe a zuständige Behörde im Rahmen der Aufsicht oder auf anderem Wege Nachweise für eine Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen durch eine Person, die Inhaber einer Lizenz, eines Zeugnisses, einer Berechtigung oder einer Bescheinigung ist, das bzw. die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihren Durchführungsbestimmungen ausgestellt wurde, dann nimmt die zuständige Behörde die Beanstandung auf, verzeichnet diese und teilt dies dem Inhaber der Lizenz, des Zeugnisses, der Berechtigung oder der Bescheinigung schriftlich mit.

    b) Bei Vorliegen einer Beanstandung führt die zuständige Behörde eine Untersuchung durch. Bestätigt sich dabei der Tatbestand eines Verstoßes,

    1. beschränkt oder widerruft sie die Lizenz, das Zeugnis, die Berechtigung oder die Bescheinigung bzw. setzt diese(s) aus, wenn ein Sicherheitsproblem festgestellt wird, und

    2. ergreift sie ggf. weitere Durchsetzungsmaßnahmen, die geeignet sind, eine fortgesetzte Nichteinhaltung zu unterbinden.

    ...

    ARA.MED.250 Einschränkung, Aussetzung oder Widerruf eines AME-Zeugnisses

    a) Die zuständige Behörde muss ein AME-Zeugnis beschränken, aussetzen oder widerrufen, wenn:

  1. 1. der AME die einschlägigen Anforderungen nicht länger erfüllt;
  2. 2. die Kriterien für eine Zertifizierung bzw. fortgesetzte Zertifizierung nicht erfüllt sind;

    3. die flugmedizinischen Aufzeichnungen mangelhaft geführt oder falsche Daten oder Informationen vorgelegt werden;

    4. medizinische Berichte, Zeugnisse oder Aufzeichnungen gefälscht werden;

    5. Sachverhalte im Zusammenhang mit einem Antrag auf ein Tauglichkeitszeugnis oder mit einem Inhaber eines Tauglichkeitszeugnisses verheimlicht werden oder falsche oder betrügerische Erklärungen oder Darstellungen gegenüber der zuständigen Behörde abgegeben werden;

    6. Beanstandungen aus Audits der AME-Praxis nicht behoben werden und

    7. auf Verlangen des zertifizierten AME."

    Ausgehend von der von den Revisionswerbern berufenen Bestimmung nach MED.D.030 - überschrieben mit "Gültigkeit der Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger" - ist eine Autorisierung nur für einen Maximalzeitraum von 3 Jahren gültig (shall be issued for a period not exceeding 3 years.); sie endet also - ohne weiteres - mit Ablauf der Befristung.

    Dem entspricht insoweit - im Einklang mit MED.D.001, wonach "der Umfang der Rechte eines flugmedizinischen Sachverständigen

    sowie alle damit verbundenen Auflagen ... in der Anerkennung

    anzugeben (sind)" - die Formulierung im aufgrund des Bescheids der ACG vom 26. Mai 2015 ausgestellten Zertifikat, wonach es "für einen Zeitraum von drei Jahren bis 31.05.2018 gültig (bleibt), sofern es nicht zurückgegeben, ersetzt, ausgesetzt oder widerrufen wird".

    Entgegen der in der Äußerung der ACG vorgetragenen Auffassung, wonach die "Kriterien der erstmaligen Autorisierung bei einer Verlängerung derselben nicht neuerlich zu überprüfen" seien, verlangt MED.D.030 - wie dargestellt - nicht nur, dass der Betreffende weiterhin die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Arzttätigkeit erfüllt und in die Ärzteliste eingetragen ist (lit a), sondern - neben Absolvierung von Auffrischungsschulungen und flugmedizinischen Untersuchungen (lit b und c) - auch, dass er "weiterhin die Bedingungen für die Anerkennung erfüllt" (lit d) und "seine Rechte gemäß den Bestimmungen dieses Teils ausübt" (lit e), wobei unter "dieses Teils" der gesamte "Teil MED" genannte Anhang IV zu verstehen ist, wie sich deutlicher auch aus der englischen Fassung, die in Part, Subpart und Section unterteilt, ergibt.

    Es trifft daher (entgegen der Auffassung der Revisionswerber) nicht zu, dass im Zuge der "Verlängerung" bloß die vorzunehmende Befristung "in die Zukunft versetzt" wird; vielmehr ist - insofern im Einklang mit anderen (luftfahrtrechtlichen) Bewilligungen (wie etwa Außenlandegenehmigungen nach § 9 LFG) - bei Entscheidungen über den Autorisierungsantrag zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung (sei es nun über einen erstmaligen Antrag oder einen Folgenantrag) vorliegen, mögen sie sich auch im Einzelnen unterscheiden.

    Hätte die Mitbeteiligte relevante (insbesondere Dokumentations- und Mitteilungs‑)Pflichten - fallbezogen nach MED.A.025, lit c und d - verletzt, hätte sie damit gegen MED.D.030 lit d bzw lit e verstoßen, und hätte die Verlängerung bzw neuerliche Autorisierung nicht erfolgen dürfen (dass dies zutrifft, wird von den Revisionswerbern allerdings gar nicht konkret vorgebracht).

Eben dieser Umstand war auch Thema im Widerrufsverfahren, in

dem der Mitbeteiligten vorgeworfen worden war, keine detaillierten

Untersuchungsergebnisse an die ACG übermittelt und dieser die

geforderte umfassende Einsicht in die flugmedizinische

Dokumentation verweigert zu haben - in diesem Verfahren hatte die

ACG den Widerruf auf ARA.MED.250 lit a Z 5 und 6 ("Sachverhalte

... verheimlicht"; "Beanstandungen ... nicht behoben")

bzw ARA.GEN.355 lit b Abs 1 ("Tatbestand eines Verstoßes")

iVm MED.A.025 lit d ("müssen ... auf Anfrage sämtliche

flugmedizinische Aufzeichnungen ... vorlegen ...") gestützt.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerber standen die genannten Entscheidungen (Widerrufsbescheid - neuerliche Autorisierung) daher nicht im Verhältnis Vorfrage/Hauptfrage, vielmehr war in beiden Verfahren gleichermaßen das angesprochene Thema zu prüfen.

Demgemäß bestand keine Präjudizialität der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für die Entscheidung der ACG über den Antrag auf neuerliche Autorisierung. Es war daher schon die von der ACG vorgenommene Aussetzung des Verfahrens über den Antrag der Mitbeteiligten auf neuerliche Autorisierung verfehlt, es kann aber - in Ermangelung einer bindenden Entscheidung über eine Vorfrage iSd § 38 AVG - auch der Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG nicht vorliegen.

Daran ändert weder die - wie erwähnt, zu Unrecht vorgenommene - tatsächliche Verfahrensaussetzung durch die ACG etwas noch die Einbringung eines Fristsetzungsantrags durch die Mitbeteiligte.

Zu betonen ist, dass das "Fortbestehen der strittigen Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger" sich nicht primär aus dem Inhalt der anzuwendenden Vorschriften der genannten Verordnung ergibt, vielmehr Konsequenz der Entscheidung der ACG ist, der Mitbeteiligten - mit Bescheid vom 26. Mai 2015 - neuerlich die beantragte Autorisierung zu erteilen.

6.6. Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass - ohne die (unangefochten gebliebene) neuerliche Autorisierung - nach Ablauf der vormaligen Befristung und unabhängig vom angefochtenen Erkenntnis die strittige Autorisierung als flugmedizinische Sachverständige nicht mehr bestanden hätte. Auch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses würde daran nichts ändern.

Ein rechtliches Interesse an einer meritorischen Erledigung der vorliegenden Revisionen war somit bereits bei ihrer Einbringung nicht mehr gegeben.

Von den Revisionswerbern wird nicht konkret aufgezeigt, welche Frage des Unionsrechts für die Lösung des Revisionsfalls beantwortet werden müsste; die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens war daher nicht aufzugreifen.

7. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG wegen Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung in nicht öffentlicher Sitzung in dem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen. Wien, am 9. September 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte