VwGH Ro 2015/11/0016

VwGHRo 2015/11/00168.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Höhl, über die Revision der S GmbH in M, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 1. Juni 2015, Zl. LVwG-650392/2/Kof/BD, betreffend Erteilung einer Ermächtigung nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
KFG 1967 §57a Abs2;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
KFG 1967 §57a Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. April 2015 war der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen worden. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, dass dem gewerberechtlichen Geschäftsführer der Revisionswerberin die Vertrauenswürdigkeit fehle, weil er seit November 2010 drei zum Teil schwer wiegende Verwaltungsübertretungen begangen habe: Er habe im November 2010 eine Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, im Oktober 2011 eine Übertretung des FSG (Lenken eines Kraftfahrzeugs mit Anhänger ohne entsprechende Lenkberechtigung) und im Juni 2014 eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, wobei ihm die Lenkberechtigung für zehn Monate entzogen worden sei.

2 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht bejahte das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers der Revisionswerberin, weil dieser (anders als der Betroffene in dem dem hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 2001/11/0061 zugrunde liegenden Beschwerdefall) hinsichtlich der Begehung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr nicht "Ersttäter", sondern "Wiederholungstäter" sei, die Begehung des zweiten Alkoholdelikts nur etwa ein Jahr zurückliege und ihm der Führerschein erst vor circa anderthalb Monaten wieder ausgefolgt worden sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 bei wiederholter Begehung eines Alkoholdelikts im Straßenverkehr keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliege.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision.

5 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. die hg. Beschlüsse vom 28. November 2014, Zl. Ro 2014/06/0077, vom 19. Februar 2015, Zl. Ro 2015/21/0002, vom 24. Februar 2015, Zl. Ro 2014/05/0097, vom 30. Juni 2015, Zl. Ro 2015/03/0021, und vom 14. April 2016, Zl. Ro 2016/11/0011, jeweils mwN).

10 Das Verwaltungsgericht hat die seiner Ansicht nach gegebene Zulässigkeit der Revision damit zu begründen versucht, dass zur Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG bei wiederholter Begehung eines Alkoholdelikts im Straßenverkehr keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliege. In den Zulässigkeitsausführungen der Revision wird darüber hinaus geltend gemacht, das Verwaltungsgericht weiche mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insofern ab, als keine Beurteilung nach dem Schutzzweck der Norm (zu gewährleisten, dass nur betriebs- und verkehrssichere Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen) vorgenommen, sondern die Verwerflichkeit des in Rede stehenden Verhaltens in den Vordergrund gestellt worden sei.

11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12 § 57a Abs. 2 KFG 1967 verlangt für die Verleihung der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen nach Abs. 1, dass der Betreffende vertrauenswürdig ist; ist er dies nicht mehr, ist die Ermächtigung zu widerrufen.

13 Ein Gewerbetreibender ist dann als vertrauenswürdig iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes - nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen - ausüben werde (ständige Judikatur; vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1985, Zl. 85/11/0077, vom 27. März 1990, Zl. 89/11/0080, vom 2. Juli 1991, Zl. 91/11/0026, vom 22. November 1994, Zl. 94/11/0221, und vom 27. März 2008, Zl. 2005/11/0193).

14 Bei diesen Entscheidungen stand regelmäßig ein im Zusammenhang mit der Begutachtung gesetztes Fehlverhalten im Raum. So vertrat der Verwaltungsgerichtshof etwa die Ansicht, die unrichtige Ausstellung positiver Gutachten beeinträchtige die nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 erforderliche Vertrauenswürdigkeit in hohem Maß, wobei unter besonderen Umständen bereits die Erstellung auch nur eines unrichtigen Gutachtens die Vertrauenswürdigkeit erschüttern könne (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 91/11/0026). Auch die Unterfertigung von Blankogutachten durch das geeignete Personal und die daraufhin mögliche Verwendung derartiger Blankogutachten durch anderes Personal sei geeignet, die Vertrauenswürdigkeit zu erschüttern (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 89/11/0080).

15 Die Grundlage für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ist aber nicht auf Fehlverhalten in Zusammenhang mit einer Begutachtungstätigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 beschränkt, was sich schon daraus ergibt, dass es bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit keinen Unterschied macht, ob über die erstmalige Erteilung oder den Widerruf einer bereits erteilten Ermächtigung zu entscheiden ist. Aus der gesetzlichen Formulierung, die sowohl hinsichtlich der Erteilung der Ermächtigung als auch hinsichtlich deren Widerrufs den Begriff "vertrauenswürdig" verwendet, folgt, dass in beiden Fällen von der Behörde derselbe Maßstab an die Vertrauenswürdigkeit anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 2001/11/0061; in diesem Sinn auch das zitierte Erkenntnis Zl. 85/11/0077 und der hg. Beschluss vom 29. Jänner 2016, Zl. Ra 2016/11/0009).

16 Entscheidend ist vielmehr, ob jemand die spezifische Vertrauenswürdigkeit (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2001/11/0061) besitzt, die von ihm erwartet werden darf, wenn er über eine Ermächtigung iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 verfügt oder sie erlangen will, soll doch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der über die genannte Ermächtigung verfügenden Person gewährleisten. Wesentlich ist also, ob das bisherige Verhalten - wobei das Gesamtverhalten zu prüfen ist - des Betreffenden auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes - nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen - obliegt (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2005/11/0193 mwN).

17 Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nach § 57a Abs. 2 KFG beliehenes Unternehmen hoheitliche Aufgaben erfüllt (vgl. nur etwa das Urteil des OGH vom 28. April 2015, 8 Ob 8/15g), die in die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde münden (vgl. das Urteil des OGH vom 15. September 1999, 12 Os 71/99).

18 Die belangte Behörde und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben die Annahme des Fehlens der Vertrauenswürdigkeit auf die vom gewerberechtlichen Geschäftsführer der Revisionswerberin begangenen, eingangs dargestellten Verwaltungsübertretungen gestützt. Der Betroffene sei weder durch die Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 noch durch die darauf gestützte Entziehung der Lenkberechtigung davon abgehalten worden, neuerlich einen schweren Verstoß gegen die Verkehrssicherheit zu begehen, wobei das letzte Alkoholdelikt nur etwa ein Jahr zurück liege und ihm der Führerschein erst vor etwa anderthalb Monaten wieder ausgefolgt worden sei.

19 Bei der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung handelt es sich nach dem Gesagten um das Ergebnis einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen, nämlich den Rückschluss auf das Vorliegen eines mit den seitens der Behörde und seitens des Ermächtigten als beliehenem Unternehmen selbst zu wahrenden Interessen im Einklang stehenden Persönlichkeitsbilds. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. die hg. Beschlüsse vom 24. Mai 2016, Zl. Ra 2016/07/0038, vom 17. Juli 2015, Zl. Ra 2015/20/0145, vom 9. Juni 2015, Zl. Ra 2015/08/0049, vom 24. Februar 2015, Zl. Ro 2014/05/0097, vom 1. September 2014, Zl. Ra 2014/03/0028, und vom 25. April 2014, Zl. Ro 2014/21/0033).

20 Dass dies im vorliegenden Revisionsfall anders zu beurteilen wäre, zeigen weder das Verwaltungsgericht noch die Revision auf. Die Grundlage für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ist nicht auf Fehlverhalten in Zusammenhang mit einer Begutachtungstätigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 beschränkt, das Verwaltungsgericht durfte also auch die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen in die Beurteilung mit einbeziehen. Abgesehen davon, dass dem Betroffenen nicht bloß ein einmaliges (schweres) Alkoholdelikt angelastet worden war, ist der vorliegende Fall auch hinsichtlich der seit der letzten Übertretung verstrichenen Zeit nicht mit jenem Fall zu vergleichen, der dem hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 2001/11/0061, zu Grunde lag, und durfte in die Beurteilung zudem auch das Lenken eines Kraftfahrzeugs mit Anhänger ohne entsprechende Lenkberechtigung miteinbezogen werden. Ausgehend von dem bei Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit anzulegenden strengen Maßstab (vgl. etwa die zitierten Entscheidungen Zl. 85/11/0077 und Zl. Ra 2016/11/0009) und mit Blick auf die dargelegte besondere Stellung eines nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigten hat das Verwaltungsgericht die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien nicht überschritten, wenn es die Auffassung vertreten hat, das dargelegte Gesamtverhalten erschüttere die Vertrauenswürdigkeit.

21 Die Revision war daher zurückzuweisen.

22 Eine Kostenentscheidung hatte mangels darauf gerichteten Antrags der obsiegenden belangten Behörde zu unterbleiben. Wien, am 8. September 2016

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