Normen
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170145.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 27. Februar 2017 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 VStG der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 4. Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt, indem sich die zweitrevisionswerbende Partei als Unternehmerin (Eigentümerin) an der Veranstaltung von Glücksspielen beteiligt habe. Über ihn wurden vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 10.000,-- samt Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von jeweils 100 Stunden verhängt. Gegenüber der zweitrevisionswerbenden Partei wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung für die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten ausgesprochen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wurde der dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafen von jeweils EUR 10.000,-- auf jeweils EUR 1.000,-- (die Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 100 Stunden auf 10 Stunden) herabgesetzt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde implizite abgewiesen. Weiters wurde ein Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren gemäß VStG in der Höhe von EUR 400,-- festgesetzt und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Das Landesverwaltungsgericht ging davon aus, dass die zweitrevisionswerbende Partei Eigentümerin der vier Geräte und eine bestimmt bezeichnete Gesellschaft Veranstalterin der Wetten auf den Ausgang von Hunderennen gewesen sei. Diese Gesellschaft habe für die mit den verfahrensgegenständlichen Geräten durchgeführten Ausspielungen über keine Bewilligung bzw. Konzession nach dem Glücksspielgesetz oder dem NÖ Spielautomatengesetz und für die Hunderennen auch über keine Bewilligung nach dem NÖ Gesetz über die Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher verfügt.
4 Nach umfangreichen Feststellungen zur Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes führte das Landesverwaltungsgericht aus, auf vier mit dem Internet verbundenen Glücksspielgeräten hätten Wetten auf den Ausgang von Hunderennen abgegeben werden können. Die Hunde- und Pferderennen hätten verschlüsselt aufgerufen werden können, dies über einen symbolisierten weißen Pferdekopf auf einem lilafarbenen Hintergrund. Nach Berühren dieses Buttons sei unterhalb ein weiteres Feld aufgegangen - schwarz mit der weißen Inschrift "Kurse". Dann sei eine Auflistung der einzelnen Hunde- oder Pferderennbahnen erschienen. Im Abstand von wenigen Minuten sei jeweils die Abgabe einer Wette möglich gewesen und zwar auf ein Ereignis, das in wenigen Minuten stattgefunden habe. Auf allen vier Geräten hätten in gleicher Weise Wetten auf Hunderennen abgegeben werden können. Dabei hätten zu den einzelnen Rennen die Nummern und Namen der Hunde aufgerufen werden könne, nicht jedoch Informationen dahin, wann (offenbar: zuvor, Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofs) ein konkreter Hund in welchem Rennen über welche Distanz auf welcher Bahn zu welchen äußeren Bedingungen gegen welche Konkurrenten einen Platz erreicht (gehabt) habe. Es hätten sohin keine Informationen über allfällige Erfolge der Hunde in den einzelnen Rennen abgerufen werden können und schon gar nicht über die Tagesverfassung der Hunde. Derartige Informationen seien auf den Geräten nicht einholbar und allenfalls im Internet angebotene Informationen nicht überprüfbar gewesen. Für die Kontrollorgane sei nicht ersichtlich gewesen, dass Informationen gegeben worden wären. Über Eingabe von Geld für das Spielguthaben, Auswahl des gewünschten Spieleinsatzes und Festlegen eines vermuteten Rennerfolges habe die Wette durch Betätigen einer entsprechenden Taste bzw. einer virtuellen Bildschirmtaste abgeschlossen werden können. Über Wunsch sei ein Wettschein ausgedruckt worden. Die Rennen seien mit einer fortlaufenden Nummerierung gekennzeichnet gewesen. Nach dem Zieleinlauf sei das Rennergebnis dargestellt worden. Der Wettkunde habe eine Nummer oder Farbe wählen können, durch welche jeder Hund gekennzeichnet gewesen sei. Auf diese Weise habe man eine Wette auf den Sieger oder eine Kombinationswette auf den ersten und zweiten, allenfalls auch noch auf den dritten durch das Ziel laufenden Hund abschließen können, um sodann den Rennverlauf und das Ergebnis abzuwarten. Die allenfalls gebotenen Informationen bezüglich der Verfassung des jeweiligen Hundes seien deshalb für die Beurteilung des Rennausgangs unbeachtlich gewesen, weil diese Informationen ohne die für die sinnvolle Einschätzung der Chancen des jeweiligen Hundes notwendigen Details gegeben worden seien. Jedem möglichen Einlaufergebnis sei eine bestimmte Quote zugeordnet gewesen, welche am Gerätebildschirm in einem Quotenblatt dargestellt worden sei. Der in Aussicht gestellte Gewinn habe sich durch Multiplikation des gewählten Einsatzbetrages mit der dem erwarteten Rennen entsprechenden Quote ergeben.
5 Auch wenn die Hunderennen nicht aufgezeichnet oder virtuell generiert gewesen seien, sondern in Echtzeit abgelaufen seien, seien die Wetten darauf nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts als Glücksspiele zu qualifizieren, weil die allenfalls über das Internet, keinesfalls jedoch am Wettterminal zur Verfügung gestellten Informationen deshalb nicht sinnvoll für die Beurteilung des Ausgangs des Hunderennens hätten herangezogen werden können, weil sie nicht "im beurteilungsrelevanten Zusammenhang" gestellt worden seien. Der Wettkunde habe zum Beispiel nicht erfahren, gegen welche Hunde sein Favorit die angegebenen Platzierungen erreicht habe, in welcher körperlichen Verfassung sich sein Favorit bzw. die jeweiligen Rennteilnehmer befunden hätten, über welche Distanzen die angegebenen Platzierungen erreicht worden seien, welche äußeren Rahmenbedingungen während der jeweiligen Rennen geherrscht hätten, die zwar für alle Teilnehmer gleich gewesen seien, auf welche jedoch nicht alle Teilnehmer gleich reagiert hätten. Es seien daher keine sinnvollen Informationen vorgelegen, aus welchen der Wettkunde auch nur annähernd schlüssig seine Vermutung über den Rennausgang hätte begründen können. Es sei daher davon auszugehen, dass bei den gegenständlichen Wetten die Entscheidung über den Ausgang vorwiegend vom Zufall abhänge. Die Prognostizierbarkeit einer Leistungsfähigkeit bzw. des Verhaltens einer bzw. mehrere lebendiger Tiere sei nicht gegeben gewesen, zumal die Veranstalterin durch die Staffelung der Rennbeginnzeiten alle fünf Minuten ein Umfeld habe schaffen wollen, "dass die Wette auf das Ergebnis der Hunderennen den Charakter eines Glücksspiels im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG mit sich bringt". Das Ergebnis des Ausgangs sei aus der Sicht der Wettteilnehmer zufällig und nicht mit spezieller Kenntnis und Wissen vorhersagbar gewesen. Es überwiege somit das aleatorische Element. Die Wetten auf die Hunderennen seien daher als vorwiegend zufallsabhängige Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG zu qualifizieren. Es liege auch keine sportliche Veranstaltung und somit keine Sportwette vor, zumal unter dem Begriff "Sport" verschiedene Bewegungs-, Spiel- und Wettkampfformen zusammengefasst würden, die meist im Zusammenhang mit körperlichen Aktivitäten des Menschen stünden.
6 Der Erstrevisionswerber habe daher gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG iVm. § 2 Abs. 4 GSpG verstoßen. In subjektiver Hinsicht liege zumindest "grob fahrlässiges Verschulden" vor. Der Verwaltungsgerichtshof habe nämlich bereits erkannt, dass gerade in Fällen, in denen die Möglichkeiten der Rechtsordnung im Wirtschaftsleben bis auf das Äußerste ausgereizt werden sollen, eine besondere Sorgfalt bei der Einholung von Auskünften über die Zulässigkeit der beabsichtigten Tätigkeit an den Tag zu legen ist. Weiters wurden Ausführungen zur Strafhöhe gemacht.
7 Im Rahmen der im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union durchgeführten Gesamtwürdigung gelangte das Landesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht vorliege.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis dahin abändern, dass das Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt werde. In eventu wird die Aufhebung und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht beantragt. Weiters wurde ein Antrag auf Aufwandersatz im gesetzlichen Ausmaß gestellt. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision erweist sich schon hinsichtlich des erstatteten Zulässigkeitsvorbringens zur Frage der im Spruch des Straferkenntnisses fehlenden Strafsanktionsnorm als zulässig und berechtigt.
10 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. z.B. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 und 0022, und VwGH 15.10.2013, 2010/02/0161). Im vorliegenden Fall ist bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG (vgl. VwGH 9.3.2018, Ra 2018/17/0005).
11 Das Verwaltungsgericht hat nach der hg. Rechtsprechung insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch richtigzustellen bzw. zu ergänzen (vgl. zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und § 52 Abs. 2 GSpG bereits VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 und 0022).
12 Im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis wurde als verletzte Verwaltungsvorschrift und als Strafsanktionsnorm gleichermaßen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angeführt. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Spruchpunkt 1. die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen herabgesetzt, die Strafsanktionsnorm jedoch trotz des fehlerhaften Abspruchs im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis nicht korrigiert. Schon damit belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts (vgl. z.B. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081).
13 Weiters wird im Zulässigkeitsvorbringen zutreffend darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 44a Z 1 VStG dann entsprochen wird, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden und gleichzeitig der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, eine rechtliche Prüfung vorzunehmen. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem einzelnen Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht, mithin ob die erfolgte Umschreibung der Tat im konkreten Fall im Straferkenntnis als rechtmäßig oder als unrechtmäßig zu qualifizieren ist. Das an die Umschreibung der Tat zu stellende Genauigkeitserfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wieder gegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. z.B. VwGH 21.6.2018, Ra 2017/17/0368, mwN).
14 Mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ist eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt (vgl. z.B. VwGH 28.5.2018, Ra 2017/17/0344). Das Landesverwaltungsgericht hat das angefochtene Erkenntnis auch dadurch mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, dass es den Spruch des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses nicht dahin ergänzte, dass es eine konkrete Tathandlung aufnahm, durch die das 4. Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG der unternehmerischen Beteiligung verwirklicht wurde.
15 Der Verwaltungsgerichtshof ist grundsätzlich als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. z.B. VwGH 29.12.2017, Ra 2017/17/0893, mwN). Das Verwaltungsgericht hat zu den von ihm zum Ablauf der Abgabe der Wetten auf die Hunderennen, insbesondere auch zu den den Wettenden zur Verfügung stehenden Informationen, getroffenen Feststellungen durch den sich allenfalls hierauf beziehenden bloßen Verweis auf die Verwaltungsakten keine Beweiswürdigung vorgenommen. Gerade von diesen Feststellungen, zu denen eine Beweiswürdigung fehlt, hängt im Revisionsfall jedoch die Beantwortung der Frage ab, ob die Wetten auf die Hunderennen Glücksspiele darstellen (vgl. z.B. VwGH 16.10.2014, 2013/16/0239, mwN). Mit diesem Begründungsmangel, auf den in der Revision hingewiesen wurde, belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. d VwGG.
16 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die im angefochtenen Erkenntnis - ohne Rechtsfolgen daraus abzuleiten - vertretene Rechtsansicht bei Wetten auf Hunderennen handle es sich jedenfalls nicht um Sportwetten der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht (vgl. z.B. VwGH 16.10.2014, 2013/16/0239, mwN).
17 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß obiger Ausführungen nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben. Auf das weitere Revisionsvorbringen musste im vorliegenden Verfahrensstadium nicht eingegangen werden.
Wien, am 20. September 2018
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