Normen
ASVG §111;
ASVG §112 Abs3;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113 Abs7;
ASVG §113;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
VStG §9 Abs7;
VStG §9;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung des A F in L, vertreten durch Dr. Edmund Pointinger, Rechtsanwalt in 4540 Hall, Hauptplatz 18, wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) dem A F als Bevollmächtigtem der Revisionswerberin nach § 35 Abs. 3 ASVG einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in der Höhe von EUR 2.300,-- vor.
2 Die von A F gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies die NÖGKK mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. November 2014 ab.
Dazu führte die NÖGKK begründend aus, bei einer Überprüfung durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes seien drei Dienstnehmer für die Revisionswerberin arbeitend angetroffen worden, ohne beim Krankenversicherungsträger angemeldet gewesen zu sein. A F sei von der Revisionswerberin als Bevollmächtigter gemäß § 35 Abs. 3 ASVG bestellt worden. Es sei ihm daher ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG vorzuschreiben gewesen.
3 Am 10. Dezember 2014 brachte die Revisionswerberin zu dieser Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag ein, mit dem sie die Vorlage der Beschwerde des A F an das Bundesverwaltungsgericht beantragte.
4 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2015 wies die NÖGKK den Vorlageantrag der Revisionswerberin gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG zurück und führte dazu begründend aus, Partei des Verfahrens sei A F, nicht aber die Revisionswerberin, deren Vorlageantrag somit unzulässig sei.
5 In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, A F sei für sie als Steuerberater tätig und von ihr zu ihrer Vertretung gegenüber der NÖGKK bevollmächtigt worden. Ihre Verpflichtungen nach den §§ 33 und 34 ASVG habe sie aber nicht gemäß § 35 Abs. 3 ASVG auf ihn übertragen. Sie sei selbst Partei des Verfahrens. Der Vorlageantrag sei daher zu Unrecht zurückgewiesen worden.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der NÖGKK vom 26. Jänner 2015 "als unbegründet zurück" und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Es stellte den Verfahrensgang fest und folgerte in rechtlicher Hinsicht, die NÖGKK habe A F - nicht aber die Revisionswerberin - zur Leistung eines Beitragszuschlages verpflichtet. Die Revisionswerberin habe kein subjektives Recht darauf, dass ein solcher Bescheid ihr gegenüber erlassen werde. Ein bloßes faktisches Interesse der Revisionswerberin am Ausgang des Verfahrens bewirke keine Parteistellung, sodass ihr keine Legitimation zur Stellung eines Vorlageantrages zugekommen sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die NÖGKK erstattete nach Aufforderung eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. A F brachte einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz ein, in dem er erklärt, sich den Ausführungen in der Revision anzuschließen, und beantragt, der Revision Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig, da der Verwaltungsgerichtshof noch nicht über die Parteistellung des Dienstgebers in einem Verfahren, in dem einem Bevollmächtigten nach § 35 Abs. 3 ASVG ein Beitragszuschlag vorgeschrieben wurde, erkannt hat. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
9 Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Nach § 15 Abs. 1erster Satz leg. cit sind verspätete und unzulässige Vorlageanträge von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen.
10 Die für die Beurteilung der Parteistellung der Revisionswerberin maßgeblichen Bestimmungen des ASVG samt Überschriften in der anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 lauten auszugsweise:
"An- und Abmeldung der Pflichtversicherten
§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.
(...)"
"Dienstgeber
§ 35.
(...)
(3) Der Dienstgeber kann die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben."
"ABSCHNITT VIII
Strafbestimmungen
Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften
§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht
rechtzeitig erstattet oder
(...)
(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
(...)"
"§ 112.
(...)
(3) Für Geldstrafen, die über einen Bevollmächtigten verhängt werden, haftet der Dienstgeber zur ungeteilten Hand mit dem Bestraften."
"Beitragszuschläge
§ 113. (1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor
Arbeitsantritt erstattet wurde oder
(...)
(7) § 83 und § 112 Abs. 3 gelten entsprechend."
11 § 111 ASVG sieht iVm § 35 Abs. 3 ASVG die Übertragung der nach den §§ 33, 34 ASVG bestehenden Pflichten auf Bevollmächtigte vor, die dann nach § 111 ASVG allein strafbar sind und gegen die gemäß § 113 ASVG Beitragszuschläge verhängt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass Name und Anschrift der Bevollmächtigten unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden (vgl. den hg. Beschluss vom 7. April 2016, Ra 2015/08/0217, mwN). Damit wird die Verantwortlichkeit vorrangig zu § 9 VStG geregelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, 2010/08/0162).
12 Nach § 112 Abs. 3 ASVG besteht für Geldstrafen, die über einen Bevollmächtigten verhängt werden, eine Haftung des Dienstgebers zur ungeteilten Hand mit dem Bestraften. Der Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG ist keine Verwaltungsstrafe (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, 2010/08/0255). § 113 Abs. 7 ASVG verweist jedoch auf § 112 Abs. 3 ASVG und normiert daher eine Haftung des Dienstgebers auch für dem Bevollmächtigten nach § 35 Abs. 3 ASVG vorgeschriebene Beitragszuschläge.
13 Adressat des Bescheides vom 23. Oktober 2014 war A F. Ihm hat die NÖGKK einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG als Bevollmächtigtem der Revisionswerberin nach § 35 Abs. 3 ASVG vorgeschrieben. Zu erwägen ist, ob sich eine Parteistellung der Revisionswerberin aus der Haftung des Dienstgebers nach § 112 Abs. 3 iVm 113 Abs. 7 ASVG ergibt.
14 Eine § 112 Abs. 3 ASVG vergleichbare Regelung enthält § 9 Abs. 7 VStG. Nach dieser Bestimmung haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in § 9 Abs. 3 VStG genannten natürlichen Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
15 Zu § 9 Abs. 7 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass für den Eintritt der Haftung der Gesellschaft ein entsprechender Haftungsausspruch im Spruch des Straferkenntnisses erforderlich ist. Daher wird die potenziell haftungspflichtige Gesellschaft durch ein Straferkenntnis, das keinen solchen Ausspruch enthält, nicht in Rechten verletzt und ist nicht zur Erhebung einer Berufung (nunmehr Beschwerde) legitimiert (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Februar 2012, 2011/10/0064, und (zu einer Geldstrafe nach § 111 ASVG) vom 24. November 2010, 2009/08/0039, je mwN).
16 Diese Überlegungen sind auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Die Revisionswerberin wurde daher durch die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gegenüber A F als Bevollmächtigtem nach § 35 Abs. 3 ASVG nicht in ihren Rechten verletzt. Sie war somit nicht Partei des Verfahrens und daher auch nicht berechtigt, gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG einen Vorlageantrag zu stellen.
17 Auf das weitere Vorbringen der Revisionswerberin, A F sei von der NÖGKK zu Unrecht als Bevollmächtigter nach § 35 Abs. 3 ASVG angesehen worden, weshalb die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht hätte erfolgen dürfen, war schon deshalb nicht einzugehen, weil damit der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten wird. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nämlich jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/06/0055, und vom 12. September 2016, Ra 2016/04/0066).
18 Die Revisionsbeantwortung des A F war zurückzuweisen, weil das VwGG den Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seite des Revisionswerbers nicht kennt. Die Stellung als Mitbeteiligter setzt vielmehr rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des Revisionswerbers voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2016, Ra 2015/22/0055, mwN).
Wien, am 19. Dezember 2016
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