VwGH 2010/08/0162

VwGH2010/08/01628.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des W S in Wien, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Juni 2010, Zl. UVS-06/10/8496/2009- 14, betreffend Übertretung des § 111 iVm § 33 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §36 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2010080162.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk, vom 30. Juli 2009 zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der S GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 7. April 2008 Herrn N beschäftigt habe, ohne diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - eingewandt, im Unternehmen des Beschwerdeführers sei ein verantwortlicher Beauftragter bestellt, der Beschwerdeführer sei daher nicht der Adressat der Strafnorm. Mit der Berufung wurde auch eine "Bestellungsurkunde" vom 16. Februar 2007 vorgelegt, wonach Herr F.S. als verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs. 2 VStG für das Restaurant für den gesamten Aufgabenbereich Personalwesen, einschließlich der Verantwortlichkeit für die Einhaltung ausländerbeschäftigungs- und fremdenrechtlicher Bestimmungen bestellt worden sei. Herr F.S. habe dieser Bestellung zugestimmt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in der Schuldfrage mit der Maßgabe ab, dass die S GmbH Herrn N. gegen Entgelt geringfügig beschäftigt habe, ohne diese in der Unfallversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben; die Strafe und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag wurden herabgesetzt. Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier von Bedeutung - aus, Herr N. sei in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt bei der S GmbH beschäftigt gewesen. Da der für die Arbeit gebührende Lohn die zur Tatzeit gültige Geringfügigkeitsgrenze nicht überstiegen habe, sei Herr N. gemäß § 7 Z 3 lit. a ASVG in der Unfallversicherung versichert. Der Beschwerdeführer wäre daher gemäß § 33 Abs. 2 ASVG verpflichtet gewesen, Herrn N. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Unfallversicherung anzumelden. Nach § 35 Abs. 3 ASVG könne der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach § 33 ASVG obliegenden Pflichten zwar auf Bevollmächtigte übertragen. Dies sei aber an die Voraussetzung gebunden, dass Name und Anschrift der Bevollmächtigten unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt zu geben seien. Dass der Beschwerdeführer die "Formalität" des § 35 Abs. 3 ASVG eingehalten hätte, habe er nicht einmal behauptet. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit sei daher beim Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer der S GmbH verblieben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Im Unternehmen des Beschwerdeführers sei F.S. für den Aufgabenbereich Personalwesen als verantwortlicher Beauftragter bestellt; eine diesbezügliche Bestellungsurkunde, die auch die Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten enthalte, sei der Berufungsbehörde vorgelegt worden. § 35 ASVG regle lediglich die Möglichkeit, die Verpflichtung an sich an andere zu übertragen, nicht jedoch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung. § 9 VStG regle andererseits nur die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung und sei daher die speziellere Norm, die der allgemeinen Vorschrift des ASVG vorgehe. Der Beschwerdeführer sei daher nicht Adressat der Strafnorm.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (§ 9 Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen u.a. berechtigt, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen. Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person sein, die u.a. ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist (§ 9 Abs. 4 VStG).

Die in § 9 VStG behandelten Sonderfälle der Verantwortlichkeit kommen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ("sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen") nur subsidiär, also nur dann zum Tragen, wenn nicht die in Betracht kommende (materielle) Verwaltungsvorschrift anderes bestimmt (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 9 VStG E 24 ff). Anderes bestimmen (u.a.) § 35 Abs. 3 und § 36 Abs. 2 iVm § 111 ASVG (vgl. Walter/Thienel, aaO Anm. 6).

Gemäß § 35 Abs. 3 ASVG kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 ASVG obliegenden Pflichten (An- und Abmeldung der Pflichtversicherten, Meldung von Änderungen) auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben. Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Da sohin das ASVG selbständige Regelungen trifft, ist nach dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 VStG, der die Subsidiarität dieser Bestimmung gegenüber allfälligen entsprechenden Regelungen in den besonderen Verwaltungsgesetzen normiert, § 9 Abs. 2 VStG nicht anwendbar.

Ein Bevollmächtigter haftet verwaltungsstrafrechtlich somit nur dann, wenn ihm die Meldepflichten übertragen wurden.

Die Meldepflichten sind jedoch gemäß § 35 Abs. 3 ASVG (anders als nach § 9 Abs. 2 VStG) nur unter der Voraussetzung auf Dritte übertragbar, dass Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden. Hat ein Dienstgeber den in § 35 Abs. 3 ASVG vorgezeichneten Weg der Übertragung der Meldepflichten auf Bevollmächtigte nicht beschritten, so bleibt er selbst der Gebietskrankenkasse gemäß den §§ 33 und 34 in Verbindung mit § 111 ASVG verantwortlich und zur Erstattung der erforderlichen Meldungen persönlich verpflichtet. Diese Verantwortlichkeit trifft im Wege des § 9 Abs. 1 VStG auch einen zur Vertretung einer Gesellschaft mbH berufenen Geschäftsführer (vgl. die Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, Zl. 98/08/0268, und vom 3. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0227).

Eine Bestellung eines Bevollmächtigten nach § 35 Abs. 3 ASVG (samt Bekanntgabe an den zuständigen Versicherungsträger) wurde vom Beschwerdeführer aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. September 2010

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