VwGH Ra 2015/22/0055

VwGHRa 2015/22/005520.7.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. Jänner 2015, VGW-151/064/78/2015- 1, betreffend Behebung eines Bescheides in einer Angelegenheit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs8;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §41a Abs10;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §43 Abs4;
NAG 2005 §81 Abs24;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGG §21 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VwGG §21 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGVG 2014 §28 Abs1 impl;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs8;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §41a Abs10;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §43 Abs4;
NAG 2005 §81 Abs24;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGG §21 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VwGG §21 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGVG 2014 §28 Abs1 impl;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Revisionsbeantwortung sowie die Äußerung der GP, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, werden zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 G P, eine ukrainische Staatsangehörige, stellte am 5. Juni 2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der damals geltenden Fassung. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 teilte sie mit, ihren "ursprünglich nach § 44 Abs 4 NAG (Altfassung) gestellten Antrag nunmehr auf § 41a Abs 9 NAG zweckändern" zu wollen.

2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; im Folgenden:

Behörde) vom 20. November 2014 wurde der Antrag der G P auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach dem NAG "abgewiesen, da gegen (G P) eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen" sei. Als Rechtsgrundlagen wurden § 44b Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 41a Abs. 9 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 angeführt.

3 Gegen diesen Bescheid erhob G P Beschwerde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde dieser Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid "infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben".

5 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass G P am 6. Februar 2004 in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Antrag sei - verbunden mit einer Ausweisung - mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. August 2008 rechtskräftig negativ erledigt worden. G P habe eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt. Aufgrund des langjährigen Inlandsaufenthaltes sei von einer sozialen Integration in gewissem Ausmaß auszugehen.

6 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht - gestützt auf die im Spruch zitierten Rechtsgrundlagen und auf die Bescheidbegründung - aus, dass die Behörde entgegen der Formulierung des Spruches mit dem bekämpften Bescheid keine Abweisung, sondern eine Zurückweisung des Antrags der G P vorgenommen habe. Das Abstellen auf eine Abweisung im Spruch stelle lediglich ein Vergreifen im Ausdruck dar. Die Behörde habe im Spruch explizit festgehalten, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen sei, und sie habe den Bescheid ausdrücklich auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012) gestützt, der lediglich eine Formalentscheidung ermögliche. Auch wenn die Bescheidbegründung teilweise unschlüssig sei, erschließe sich insgesamt eindeutig, dass mit dem bekämpften Bescheid de facto eine Zurückweisung des Antrags der G P erfolgt sei.

Im Hinblick auf den mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt der G P sowie den Umstand, dass die asylrechtliche Ausweisung mehr als sechs Jahre zurückliege, wäre keinesfalls mit einer Formalentscheidung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorzugehen gewesen, weshalb der bekämpfte Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet sei.

7 Das Verwaltungsgericht stellte weiter fest, dass bis zur Antragsänderung mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 ein Antrag nach § 44 Abs. 4 NAG (alt) anhängig gewesen sei, der seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, als Antrag nach § 43 Abs. 4 NAG zu werten sei. Da die Erteilungsvoraussetzungen des § 43 Abs. 4 NAG gänzlich andere seien als diejenigen in Verfahren nach § 41a Abs. 9 NAG (jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011), handle es sich um grundsätzlich zu unterscheidende Anträge. Durch das Schreiben vom 11. Oktober 2013 sei somit von der konkludenten Zurückziehung des ursprünglichen Antrags und der Einbringung eines neuen Antrags auszugehen. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG gelte daher als am 14. Oktober 2013 (Datum des Einlangens des Schreibens bei der Behörde) neu eingebracht.

Damit komme die Übergangsvorschrift des § 81 Abs. 24 NAG zur Anwendung, wonach das Verfahren ab 1. Jänner 2014 nicht von der Behörde, sondern vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Ende zu führen gewesen wäre. Die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag sei daher nicht mehr in die Zuständigkeit der Behörde gefallen, weshalb mit einer ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides infolge Unzuständigkeit vorzugehen gewesen sei.

8 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht insbesondere mit einem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0016, bzw. damit, dass die Konsequenzen der Modifikation eines verfahrenseinleitenden Antrages in wesentlichen Punkten in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt seien.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

10 G P erstattete, vertreten durch ihren Rechtsvertreter, zunächst unaufgefordert eine Äußerung, in der sie - ebenso wie der Amtsrevisionswerber - die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragte. Weiters erstattete sie auf Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge der Revision der Behörde stattgeben und "den angefochtenen Beschluss (...) als rechtswidrig aufheben".

II.

1. Zur Zulässigkeit

11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Erstantrag (aus 2009) durch das Schreiben vom 11. Oktober 2013 als zurückgezogen zu gelten habe und somit ein Neuantrag (mit diesem Zeitpunkt) vorliege. Aus den vom Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnissen könne für den vorliegenden Fall nichts gewonnen werden. Da keine gesicherte Rechtsprechung vorliege, wäre die ordentliche Revision schon aus diesem Grund zuzulassen gewesen. Zudem sei die Frage, ob eine Konstellation wie die vorliegende die Unzuständigkeit des Revisionswerbers nach sich ziehe, in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2011, 2010/22/0065) ergebe sich, dass eine nachträgliche Antragspräzisierung, bei der der wesentliche Zweck des ursprünglichen Antrags beibehalten werde, grundsätzlich zulässig sei und nicht die Zuständigkeit beeinträchtige, auch wenn es zu einer späteren Verschiebung der Zuständigkeit für Erstanträge komme.

Die Revision erweist sich als zulässig.

2. Zu den Rechtsgrundlagen

12 Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 lauten auszugsweise:

"Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. ...

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

...

‚Niederlassungsbewilligung'

§ 43. ...

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegen eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 oder 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine ‚Niederlassungsbewilligung' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. ...

...

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

..."

§ 81 NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014 lautet auszugsweise:

"Übergangsbestimmungen

§ 81. ...

(23) Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 9 und 10, 43 Abs. 3 und 4 sowie 69a Abs. 1 Z 1 bis 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012, welche vor dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und am 31. Dezember 2013 noch anhängig sind, sind auch nach Ablauf des 31. Dezember 2013 von der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

(24) Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 9 und 10, 43 Abs. 3 und 4 sowie 69a Abs. 1 Z 1 bis 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012, welche ab dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch anhängig sind, sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach den Bestimmungen des 7. Hauptstückes des AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 zu Ende zu führen.

..."

3. Zur Antragsänderung

13 Die primär zu klärende Frage ist, ob die mit Schreiben der G P vom 11. Oktober 2013 erfolgte Änderung ihres (zum damaligen Zeitpunkt als Antrag nach § 43 Abs. 4 NAG zu wertenden) Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG dazu geführt hat, dass der ursprüngliche Antrag als (konkludent) zurückgezogen anzusehen und somit von einem (im Sinn des § 81 Abs. 24 NAG) erst ab dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde anhängig gewordenen Verfahren auszugehen war.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. September 2015, Ro 2015/22/0026, - ausgehend von einer Sachverhaltskonstellation, in der der ursprüngliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG dahingehend geändert wurde, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 10 NAG beantragt wurde - festgehalten, dass in diesem Fall - zumal es sich um keine Änderung des beabsichtigten Aufenthaltszweckes handle - eine zulässige Antragsänderung vorliege. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses und insbesondere die Ausführungen zu § 23 Abs. 1 NAG wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Da es sich bei den beiden hier fraglichen Aufenthaltstiteln um sogenannte "humanitäre" Aufenthaltstitel handelt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 14. März 2013, 2012/22/0185), bewirkt die Änderung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 4 NAG auf einen solchen nach § 41a Abs. 9 NAG keine Änderung der Sache ihrem Wesen nach im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG (siehe nunmehr zu den Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 ff AsylG 2005 das hg. Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0077). Somit war nicht von einem (im Sinn des § 81 Abs. 24 NAG) ab dem 1. Oktober 2013 (erstmals) anhängig gewordenen Verfahren nach (hier) § 41a Abs. 9 NAG auszugehen.

15 Soweit das Verwaltungsgericht das hg. Erkenntnis vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0016, begründend herangezogen hat, ist Folgendes anzumerken: Der Verwaltungsgerichtshof hatte im zitierten Erkenntnis eine Situation zu beurteilen, in welcher der dortige Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ersucht hatte, den bekämpften Bescheid zu beheben und seine Sache an die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde zurückzuverweisen, damit er "dort einen Zweckänderungsantrag stellen" könne. In diesem Fall hat der Verwaltungsgerichtshof eine Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages angenommen, weil der Revisionswerber eindeutig zu erkennen gegeben habe, den ursprünglichen Verlängerungsantrag nicht mehr aufrecht zu erhalten (und er noch keinen Zweckänderungsantrag gestellt, sondern nur seine Absicht kundgetan hat, nach Behebung des Bescheides einen solchen Zweckänderungsantrag stellen zu wollen). Aus dem zitierten Erkenntnis lässt sich somit nicht der Schluss ziehen, dass im vorliegenden Fall eine unzulässige (weil "wesensändernde") Antragsänderung vorlag.

16 Aus den dargestellten Gründen erweist sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Behebung des bekämpften Bescheides der Behörde "infolge Unzuständigkeit" als unzutreffend.

4. Zum Inhalt des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides

17 Das Verwaltungsgericht hat in seiner Begründung festgehalten, dass der bekämpfte Bescheid auch deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet sei, weil die Entscheidung der Behörde als Zurückweisung des Antrags zu deuten und eine solche im vorliegenden Fall unzulässig gewesen sei.

18 Der Revisionswerber wendet sich in seiner Revision gegen diese Einschätzung und bringt vor, er habe eindeutig "ab dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der aufenthaltsbeendenden Maßnahme (...) eine Abwägung der Integrationsbemühungen vorgenommen".

19 In diesem Zusammenhang ist zunächst Folgendes vorauszuschicken:

Der Revisionswerber sieht in der Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtes einen Verstoß gegen die zu § 28 Abs. 3 VwGVG ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063). Dem ist entgegenzuhalten, dass aus der zur Zulässigkeit von Zurückverweisungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ergangenen Rechtsprechung für den vorliegenden Fall deshalb nichts abgeleitet werden kann, weil hier keine Zurückverweisung ergangen ist. Maßgeblich ist vorliegend, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von einer erstinstanzlichen Zurückweisung des Antrags der G P ausgegangen ist (siehe dazu sogleich unter Rz. 20). Ist dies zu bejahen, dann hätte - die Rechtswidrigkeit der Antragszurückweisung vorausgesetzt - die Behebung des bekämpften Bescheides durch eine (negative) Sachentscheidung zu erfolgen. Im Fall einer behördlichen Zurückweisung ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (siehe etwa den hg. Beschluss vom 12. Oktober 2015, Ra 2015/22/0115, mwN). Im Übrigen stellt auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides infolge Unzuständigkeit entgegen der Auffassung des Revisionswerbers (der - ebenso wie G P in ihren Stellungnahmen - vom "angefochtenen Beschluss" des Verwaltungsgerichtes spricht) eine (negative) Sachentscheidung dar und ist somit (hinsichtlich der Erledigungsform: zu Recht) mittels Erkenntnisses erfolgt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahrens (2013) § 28 VwGVG Rz. 17 f).

20 Inhaltlich ist zu der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Deutung der Entscheidung des Revisionswerbers als Zurückweisung anzumerken, dass mit dem bekämpften Bescheid der Antrag der G P seinem Wortlaut nach zwar "abgewiesen" wurde. Allerdings heißt es bereits im Spruch, dass die "Abweisung" ergeht, weil gegen G P eine "Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen" sei. Zusätzlich zu dieser auf den Wortlaut des - die Antragszurückweisung regelnden - § 44b Abs. 1 NAG abstellenden Formulierung wird § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ausdrücklich als Rechtsgrundlage genannt. Zwar ist die Begründung des Bescheides - wie auch das Verwaltungsgericht festgehalten hat - nicht gänzlich eindeutig, weil vereinzelt auch vor der Ausweisung eingetretene Umstände dargestellt werden. Allerdings wird mehrfach (im Übrigen auch noch in der Revision) auf die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Erlassung der Ausweisung abgestellt und letztlich festgehalten, dass "unter Würdigung der vorliegenden Integrationsbemühungen seit August 2008 ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle nicht bejaht werden" könne. Ausgehend davon ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es handle sich beim bekämpften Bescheid der Sache nach um eine Zurückweisung des Antrags der G P, nicht zu beanstanden. Ebenso wenig ist es als rechtswidrig zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht in einer Konstellation wie der vorliegenden (Inlandsaufenthalt seit mehr als zehn Jahren, seit der Ausweisung sind mehr als sechs Jahre vergangen, zumindest Ablegung einer Deutschprüfung) von der Unzulässigkeit einer Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ausgegangen ist (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 19. April 2016, Ra 2015/22/0072, mwN).

21 Dies vermag am Ergebnis des hg. Verfahrens aber deshalb nichts zu ändern, weil das Verwaltungsgericht den bekämpften Bescheid gemäß seinem Spruch ausdrücklich "infolge Unzuständigkeit" behoben hat und diese Unzuständigkeit nicht vorlag.

5. Ergebnis

22 Im Hinblick auf die Ausführungen unter Punkt II.3. war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

23 Die Revisionsbeantwortung und die Äußerung der G P waren zurückzuweisen, weil das VwGG den Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seiten des Revisionswerbers nicht kennt. Die Stellung als Mitbeteiligter setzt vielmehr rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des Revisionswerbers voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. März 2015, Ro 2014/09/0066, sowie vom 4. August 2015, Ra 2015/06/0039). G P hat allerdings, wie bereits dargestellt, ebenso wie der Revisionswerber beantragt, der Revision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.

Wien, am 20. Juli 2016

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