VwGH 2011/12/0165

VwGH2011/12/016523.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des PP in K, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 16/8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 24. August 2011, Zl. BMJ- 6000691/0006-III 1/2011, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses,

Normen

BDG 1979 §10 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4 idF 2006/I/090;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
StVG §106 Abs1;
StVG §106 Abs3;
BDG 1979 §10 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4 idF 2006/I/090;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
StVG §106 Abs1;
StVG §106 Abs3;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, wird sie zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, wird sie als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand im Zeitraum zwischen 1. Jänner 2007 und 31. Oktober 2011 als Beamter der Verwendungsgruppe E2b in einem provisorischen öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war die Justizanstalt W.

Mit Bescheid der Vollzugsdirektion vom 20. Juli 2011 wurde das provisorische öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 2 und Abs. 4 Z. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (im Folgenden: BDG 1979) mit Ablauf des 31. Oktober 2011 gekündigt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben (Spruchpunkt 1.), weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers, seiner Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen (Spruchpunkt 2.).

Im angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

"Der Beschwerdeführer war gemeinsam mit Revierinspektor K in der Nacht von 19. auf 20. Jänner 2011 zur Bewachung des Verwahrungshäftlings D eingeteilt. Dieser war am 19. Jänner 2011 nach langwierigen Ermittlungen wegen des Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 Suchtmittelgesetz festgenommen worden und steht im Verdacht, Suchtgift in einer übergroßen Menge von Spanien nach Österreich geschmuggelt zu haben. Bei seiner Festnahme wurden 5 kg Kokain und 26.000,-- Euro Bargeld sichergestellt, wobei D einen Fluchtversuch durch einen Sprung aus dem dritten Stock unternahm, der einen Knöchelbruch zur Folge hatte und im Wiener Allgemeinen Krankenhaus operativ zu versorgen war. Im Hinblick auf die besonderen Umstände anlässlich der Festnahme war die Bewachung des Verwahrungshäftlings durch zwei Justizwachebeamte ('Zweierbewachung') angeordnet. Die beiden Bediensteten hatten den Angehaltenen bereits tagsüber bis 16:20 Uhr bewacht und in der Folge Bereitschaftsdienst in der Anstalt verrichtet, während dessen üblicherweise Vorführungen zu erfolgen haben, an diesem Tag erfolgten jedoch keine. Ab 19 Uhr hatten die beiden Bediensteten Ruhezeit. Sie übernahmen die Bewachung des in einem ansonsten als Fernsehraum genutzten Raumes auf der Ebene 19 des Allgemeinen Krankenhauses untergebrachten Häftlings um 00:20 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt schlief der Angehaltene, der einen Spaltgips trug, der Knöchelbruch war frisch operiert. Der Angehaltene war nicht gefesselt, die beiden Beamten trugen ihre Dienstwaffen und wählten eine Sitzposition im Raum, die eine Benützung der Eingangstüre insbesondere durch den Angehaltenen nicht hinderte.

Um 05:25 Uhr stellten die beiden Beamten, die angeben, ferngesehen zu haben, beide vermutlich gegen 05:00 Uhr eingeschlafen und zum genannten Zeitpunkt wieder erwacht zu sein, fest, dass der Angehaltene nicht mehr in seinem Bett lag. Sie hatten seine Flucht nicht bemerkt und weder aktiv noch passiv etwa durch Wahl einer geeigneten Sitzposition zur Blockade der Türe verhindert.

Entgegen ihrer Verpflichtung, die Flucht sofort zu melden, unternahmen es die beiden Beamten zunächst auf eigene Faust, den Angehaltenen zu suchen, obwohl sie nicht wussten, wie lange die Flucht bereits zurücklag und es daher für möglich halten mussten, dass der Angehaltene sich längst außerhalb des Suchbereiches aufhielt.

Erst um 5.47 Uhr des 20. Jänner 2011 verständigten sie den Nachtdienstkommandanten der Justizanstalt Wien-Josefstadt fernmündlich von der Flucht, der eine Verstärkung und die Alarmierung der Polizei sowie die Fahndung veranlasste. Die Suchmaßnahmen mussten erfolglos abgebrochen werden, der Angehaltene ist bis heute flüchtig. Über den Vorfall wurde in mehreren Medien berichtet ...

Über den Vorfall erstattete der mit dem Beschwerdeführer eingeteilte Beamte zunächst eine falsche Meldung, in der er behauptete, den Häftling auf die Toilette begleitet zu haben, jedoch durch ein Geräusch aus der Richtung des weiterhin im Fernsehraum befindlichen Beschwerdeführers veranlasst worden zu sein, seinen Standort kurzfristig aufzugeben, währenddessen der Häftling in diesem Augenblick geflüchtet sei. Bei einer neuerlichen Befragung im Ordnungsstrafreferat am 24. Jänner 2011 blieben der Beschwerdeführer und der mit ihm eingeteilt gewesene Beamte bei dieser Darstellung. Erst im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme durch die Dienstbehörde am 27. Jänner 2011 wurde der Hergang wie oben dargestellt zugestanden.

Ein wegen Verdachts nach § 302 Abs. 1 StGB zu 37 St 47/11s der StA Wien eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde am 11. März 2011 gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt.

Disziplinarrechtlich wurden die beiden Bediensteten durch die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz am 30. Juni 2011, 2 Ds 5/11, erstinstanzlich der Verletzung von Dienstpflichten schuldig erkannt und es wurde jeweils über sie die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von zwei Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt. Infolge von Strafberufungen der beiden Beschuldigten ist dieses Erkenntnis noch nicht in Rechtskraft erwachsen; das Verfahren ist bei der Disziplinaroberkommission anhängig. Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer disziplinarrechtlich unbescholten und hat bis zum gegenständlichen Vorfall einen einwandfreien Dienst verrichtet."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Dass es die (Kern‑)Aufgabe von Beamten des Exekutivdienstes an Justizanstalten ist, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Haft (hier: die Anhaltung zum Zwecke der Haftverhängung) zu sichern und damit insbesondere Fluchten zu verhindern, ist unstrittig. Die Berufung zieht daher insgesamt nicht in Zweifel, dass sich der Beschwerdeführer die Verletzung dienstlicher Pflichten zu schulden hat kommen lassen, wodurch dem Angehaltenen die Flucht ermöglicht wurde, sondern hält nur die Sanktion für unangemessen.

Nach ständiger Rechtsprechung verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlich- rechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen, hat doch die Dienstbehörde das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen (vgl. zB VwGH vom 5. Juli 2006, Zl. 2003/12/0171 mwN).

Die der Dienstbehörde auferlegte Verpflichtung, vor der Definitivstellung eines Beamten das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen, schließt es jedoch keinesfalls aus, von einem pflichtwidrigen, eine Kündigung rechtfertigenden Verhalten trotz eines sonstigen und bisherigen dienstlichen und außerdienstlichen Wohlverhaltens auszugehen. Einerseits hätte im gegenteiligen Fall schon zuvor gesetzten Fehlverhaltens wohl schon früher eine Kündigung erfolgen müssen, andererseits kann auch ein einmaliges Fehlverhalten derart schwerwiegend sein, dass dadurch der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird; keinesfalls ist es so, dass von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden könnte, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen (VwGH 4. Juli 2001, Zl. 98/12/0049; 20. Februar 2002, Zl. 2001/12/0094).

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass der hier herangezogene Kündigungsgrund des pflichtwidrigen Verhaltens dann nicht vorliegen würde, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig wäre, auf bloßer Nachlässigkeit beruhte, einmaliger Art gewesen wäre und keine Wiederholung besorgen ließe, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung stünde (zB VwGH 23. Februar 2007, 2006/12/0075).

Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der Beschwerdeführer und der mit ihm eingeteilte Beamte haben dadurch, dass sie die Flucht eines als fluchtgefährlich bekannten, nicht gefesselten Angehaltenen ermöglicht haben, indem sie eine ungeeignete, diese Flucht nicht hindernde Sitzposition im Raum wählten, fernsehend zu einem nicht bekannten Zeitpunkt mit ihren angelegten Waffen einschliefen und durch längere Zeit schlafend die Flucht des durch einen Spaltgips massiv gehbehinderten, vermutlich springenden/humpelnden Insassen weder bemerkten noch verhinderten sowie nach deren Bemerken zunächst durch mehr als 20 Minuten niemanden alarmierten und auf eigene Faust mit angesichts der unbekannten Dauer der Fluchtbewegung insoweit unzureichenden Mitteln eine Wiederergreifung versuchten (und damit den möglichen Fluchtradius vergrößerten und die Suche erschwerten), schwerwiegende Fehlverhalten gesetzt. Deren gravierende Folgen für das Vertrauen der Allgemeinheit sind durch die nach wie vor andauernde Flucht eines mutmaßlichen Verbrechers und die mediale Kommentierung dieses Versagens der Justizwache hinreichend belegt.

Insgesamt begründen die über eine eng umgrenzte Flüchtigkeit (etwa im Sinne eines bloßen kurzzeitigen Einnickens, einer kurzen Unaufmerksamkeit) weit hinausreichende Mehrdimensionalität, Mehraktigkeit und Dauer der Fehlverhalten des Beschwerdeführers und des mit ihm eingeteilten Beamten gravierende Zweifel an deren Eignung für den Justizwachdienst, auf die mit einer Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses zu reagieren ist. Dabei wird auf die zunächst falschen Angaben zum Hergang als straflose Nachtat gar nicht gesondert eingegangen, obwohl auch sie nicht geeignet wären, das Vertrauen des Dienstgebers in eine fortgesetzt einwandfreie Dienstleistung zu fördern.

Soweit die Berufung auf wirtschaftliche oder familiäre Folgen für den Beamten oder auf eine darzulegende Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung des Beschwerdeführers Bezug nimmt, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Gesetz darauf weder in § 10 BDG 1979 noch an anderer Stelle abstellt (vgl. VwGH am 23.2.2007, Zl. 2006/12/0075). Der Umstand, dass im Disziplinarverfahren (nicht rechtskräftig) eine Geldstrafe verhängt und keine Entlassung ausgesprochen wurde, ist im Hinblick auf die dort und hier, wo die nicht volle Bewährung aufgrund vorwerfbarer Pflichtverletzungen genügt, unterschiedlich hohen Anforderungen für eine Beendigung des Dienstverhältnisses ohne Bedeutung (VwGH 24. April 2002, Zl. 2001/12/0217). Im Hinblick darauf, dass dieser Berufungsbescheid noch innerhalb offener Kündigungsfrist ergeht, bleibt schließlich für eine Zuerkennung aufschiebender Wirkung an die erhobene Berufung kein Raum."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf rechtskonforme Interpretation des § 10 BDG 1979" verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 BDG 1979 idF BGBl. I Nr. 90/2006 lautet (auszugsweise):

"Provisorisches Dienstverhältnis

§ 10. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.

(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt

während der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses (Probezeit) .................................................................... .............

1 Kalendermonat,

nach Ablauf der Probezeit ........................................................

2 Kalendermonate

und nach Vollendung des zweiten Dienstjahres .......................

3 Kalendermonate.

Die Kündigungsfrist hat mit Ablauf eines Kalendermonates zu

enden.

(3) Während der Probezeit ist die Kündigung ohne Angabe von Gründen, später nur mit Angabe des Grundes möglich. ...

(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:

1. Nichterfüllung von Definitivstellungserfordernissen,

2. Mangel der für die Erfüllung der dienstlichen

Aufgaben erforderlichen gesundheitlichen Eignung,

3. unbefriedigender Arbeitserfolg,

4. pflichtwidriges Verhalten,

5. Bedarfsmangel."

§ 106 Abs. 1 erster Satz und Abs. 3 erster Satz des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969 (im Folgenden: StVG; die erstgenannte Bestimmung in der Stammfassung, die zweitgenannte Bestimmung idF BGBl. Nr. 763/1996) lautet:

"Flucht

§ 106. (1) Ein Strafgefangener, der flüchtet, ist, soweit dies ohne Vernachlässigung der Aufsicht über andere Strafgefangene geschehen kann, unverzüglich und nachdrücklich zu verfolgen und wieder einzubringen. …

(3) Der unmittelbar aufsichtführende Strafvollzugsbedienstete hat jeden Fall einer gelungenen oder versuchten Flucht unverzüglich dem Anstaltsleiter zu melden. …"

Formell richtet sich die vorliegende Beschwerde gegen den gesamten angefochtenen Bescheid. Inhaltlich wendet sie sich freilich nur gegen dessen ersten Spruchpunkt. Soweit sie sich (formell) auch gegen den zweiten Spruchpunkt richtet, erweist sie sich als unzulässig, weil eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem ausschließlich als Beschwerdepunkt geltend gemachten, aus § 10 BDG 1979 abgeleiteten subjektiven Recht durch diesen Spruchpunkt nicht möglich erscheint.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

In der Beschwerde gegen den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde werfe ihm zu Unrecht vor, dass eine Verständigung der Justizanstalt unterblieben sei. Auf Basis der Feststellungen der belangten Behörde sei es nicht auszuschließen gewesen, dass die Dauer des Einnickens des Beschwerdeführers auch nur sehr kurz gewesen sein könnte. Vor diesem Hintergrund sei es dem Beschwerdeführer aber nicht vorwerfbar, sofort die Verfolgung des Entwichenen vorzunehmen, statt umgehend die Meldung an den Anstaltsleiter zu erstatten. Dies sei auch K, welcher als Kommandant fungiert habe als die beste Lösung erschienen. Die Beamten hätten ohnedies vorerst die Station, dann die Portiere und das AKH selbst über die Flucht des Gefangenen informiert und gebeten, alle Ausgänge zu kontrollieren und zu versperren.

In diesem Zusammenhang ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass die Anordnungen des § 106 Abs. 1 erster Satz StVG und des § 106 Abs. 3 erster Satz leg. cit. in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Dennoch erscheint nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Vorwurf einer verspäteten Benachrichtigung des Anstaltsleiters in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation berechtigt, weil § 106 Abs. 1 erster Satz StVG ein 20minütiges Zuwarten mit der Erfüllung der Pflicht nach Abs. 3 erster Satz leg. cit. hier keinesfalls zu rechtfertigen vermochte. Zunächst stand es im Zeitpunkt des Erwachens des Beschwerdeführers um 05.25 Uhr im Hinblick auf die vermutlich 25minütige Dauer des Schlafes keinesfalls fest, dass D unmittelbar vor dem Wiedererwachen der Justizwachebeamten geflohen war; zum anderen ist davon auszugehen, dass der Grenznutzen einer Verfolgung des Entwichenen durch nur zwei Strafvollzugsbeamte, gerade in einem unübersichtlichen Bereich wie dem AKH, mit Zunahme der seit der Flucht verstrichenen Zeit entsprechend abnimmt. Die belangte Behörde ist daher mit ihrem Vorwurf einer verspäteten Verständigung des Anstaltsleiters von der Flucht im Recht, zumal nicht erkennbar ist, weshalb es den Justizwachebeamten unmöglich gewesen sein sollte, (allenfalls auch während der Verfolgung des D) den Anstaltsleiter, ebenso wie die Station und die Portiere des AKH, allenfalls auch durch diese, entsprechend zu informieren. Dass dieser Verpflichtung des Beschwerdeführers eine ausdrückliche Weisung des die Kommandantenstellung innehabenden K entgegengestanden wäre, wird nicht geltend gemacht. Ebenso wenig wird bestritten, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen "unmittelbar aufsichtführenden Strafvollzugsbediensteten" im Verständnis des § 106 Abs. 3 erster Satz StVG gehandelt habe.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung sei geringfügig, beruhe auf bloßer Nachlässigkeit und sei von einmaliger Art gewesen, so dass sie insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung stehe. Hinzu komme, dass er sich während der gesamten Zeit seines bis dahin bestandenen Dienstverhältnisses (fünf Jahre und drei Monate) nichts habe zuschulden kommen lassen, vielmehr sogar mehrfach unerlaubte Gegenstände und Suchtmittel in seiner Abteilung bzw. auch in anderen Abteilungen habe sicherstellen können. Schließlich habe er auch bei einer Krankhausbewachung am 6. September 2008 einen Insassen vor der Begehung einer Selbsttötung bewahren können, indem er diesen durch seine Umsicht und durch sein schnelles und korrektes Eingreifen bei einem Toilettengang vor dem Freitod durch Strangulation gerettet habe.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z. 4 des BDG 1979, dass von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinn der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet eines sonstigen dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwer wiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 98/12/0069, mwN.).

Eine Verletzung einer Dienstpflicht durch den in einem provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten ist nur dann nicht geeignet, den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 zu begründen, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen lässt, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 95/12/0209, mwN.).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind die dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegten Pflichtverletzungen, zu denen auch eine falsche Darstellung des Sachverhaltes durch den Beschwerdeführer im Ordnungsstrafreferat am 24. Jänner 2011 hinzutritt (trotz ihres zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges), insbesondere im Hinblick auf den oben aufgezeigten Zweck des provisorischen Dienstverhältnisses die Eignung des Beamten für den konkreten Dienst zu prüfen, hinreichend schwer wiegend (und damit nicht bloß "geringfügig" im Sinne der zitierten Rechtsprechung), um - ungeachtet des sonstigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers und seiner behauptetermaßen erworbener Verdienste - den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 zu verwirklichen. Eine - nicht bindende - gegenteilige Auffassung von Organen der Personalvertretung vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer auch nach dem Vorfall weiter zum Dienst herangezogen wurde, steht einer Aufkündigung des provisorischen Dienstverhältnisses nicht entgegen, liegt es doch im Wesen einer solchen, dass die aus dem Dienstverhältnis resultierenden wechselseitigen Rechte und Pflichten nicht sofort erlöschen, weshalb der Beamte auch bis zum Auflösungszeitpunkt weiterhin zu einer Dienstleistung heranzuziehen ist. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Folge zur Ausbildung von jungen Beamten herangezogen wurde, führt nicht zu einer Verwirkung des Kündigungsrechtes.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, ihm sei kein Fall bekannt, wo ein ähnlicher Sachverhalt zur Auflösung eines provisorischen Dienstverhältnisses geführt hätte. Damit wird aber nicht einmal dargetan, dass sich ähnliche Sachverhalte in Bezug auf provisorische Justizwachebeamte überhaupt zugetragen (und nicht zu einer Kündigung des Dienstverhältnisses geführt) hätten.

Darüber hinaus behauptet der Beschwerdeführer einen konkreten Fall, in dem Justizwachebeamten ein seines Erachtens gravierenderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Entfliehen eines Häftlings vorzuwerfen gewesen sei, welches jedoch dessen ungeachtet nur zu einer Ermahnung geführt habe. Dass es sich bei diesen Beamten um solche in einem provisorischen Dienstverhältnis gehandelt hätte, wird nicht behauptet. Nun dient aber das Disziplinarrecht bzw. das als Alternative vorgesehene Führungsmittel der Ermahnung anderen Zielsetzungen als die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses. Davon abgesehen hat aber auch niemand einen Anspruch darauf, dass sich eine Behörde, die sich in anderen Fällen (allenfalls) rechtswidrig verhält, auch ihm gegenüber rechtswidrig verhalte (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1357; zur Frage der Gleichbehandlung bei Ermessensentscheidung vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. März 2012, Zl. 2011/12/0152, und vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0176).

Aus diesen Erwägungen war die gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. April 2012

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