VwGH 2008/17/0159

VwGH2008/17/015927.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache der E & SV Ges.m.b.H. (vormals:

E & SI Ges.m.b.H.) in G, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 116, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 23. Juli 2008, Zl. FMA-W00025/0002-WAW/2007, betreffend Auftrag gemäß § 24 Abs 3 WAG iVm § 70 Abs. 4 BWG, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11 Abs1;
AVG §38;
BWG 1993 §70 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
AHG 1949 §11 Abs1;
AVG §38;
BWG 1993 §70 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kosten werden keine zugesprochen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der Beschwerdeführerin nach einer Vorortkontrolle 16 Aufträge nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 erteilt. Die Beschwerde richtet sich gegen drei der Aufträge, nämlich jene betreffend die Annahme von Vorteilen von Dritten (Auftrag, nur jene Vorteile von Dritten anzunehmen, welche auch tatsächlich zu einer Qualitätsverbesserung der erbrachten Dienstleistung für den Kunden führen, und Offenlegung dieser Kosten dem Kunden gegenüber vor jedem Vermittlungsgeschäft, Ausschluss des Erhalts weiterer Vorteile bei gleichzeitigem Ausschluss der Erbringung weiterer Dienstleistungen), betreffend die aktive Unterstützung der Kreditvermittlung ihrer freien Mitarbeiter ohne Gewerbeschein und die unverzügliche Weiterleitung der geprüften Wertpapieranträge an die Fondsgesellschaften (und nicht erst nach Eingang des Vermittlungshonorars).

1.2. Nach Einleitung des Vorverfahrens, Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 9. März 2011 mit, dass die beschwerdeführende Partei die Konzession mit 10. August 2009 zurückgelegt habe. Nach dem gleichzeitig vorgelegten Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 10. August 2009 sei die mit Bescheid der Bundes-Wertpapieraufsicht vom 12. Februar 1999 der beschwerdeführenden Partei ausgestellte Konzession infolge Zurücklegung mit Wirkung vom 10. August 2009 erloschen.

1.3. Mit Verfügung vom 29. Juni 2011, Zl. 2008/17/0159-9, wurde die beschwerdeführende Partei daher aufgefordert, zur Frage einer allfälligen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen.

1.4. Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 äußerte sich die beschwerdeführende Partei dahin gehend, dass sie sich noch als beschwert erachte. Begründend bringt die beschwerdeführende Partei vor, dass § 3 Abs. 5 Z 6 WAG auf § 5 BWG verweise, der die Zuverlässigkeit von Geschäftsführern regle. Es dürften u.a. keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Zweifel an der persönlichen, für den Betrieb der Geschäfte erforderlichen Zuverlässigkeit ergeben. Das WAG stelle nicht auf eine rechtskräftige Bestrafung oder auf ein rechtskräftiges zivilgerichtliches Urteil zu Ungunsten des Konzessionswerbers ab. Gegenstand der Zuverlässigkeitsprüfung sei daher die in freier Beweiswürdigung zu klärende Frage, ob der Geschäftsleiter ein die Zuverlässigkeit ausschließendes Verhalten gesetzt habe. Werde der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben, könne die belangte Behörde bei einem durchaus möglichen neuen Ansuchen der Beschwerdeführerin um eine Konzession die Zuverlässigkeit der Geschäftsführer in Frage stellen. Gerade die in Beschwerde gezogenen Punkte des angefochtenen Bescheids seien im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter hochrelevant.

Insbesondere im Hinblick auf die Unterstellung der Unterstützung der Kreditvermittlung ohne Gewerbeschein sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auch aus gewerberechtlichen Gründen erforderlich. Die beschwerdeführende Partei betreibe nunmehr das Gewerbe der Vermögensberatung nach § 136a GewO. Eine mangelnde Zuverlässigkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen führe nach § 87 Abs. 1 Z 3 GewO zum Entzug der Gewerbeberechtigung. Die Behörde habe dabei einen sehr großen Ermessensspielraum, in dem auch die Nichtbeachtung behördlicher Auflagen einzubeziehen sei.

Schließlich stehe auf Grund des durch die Ausübung der Aufsicht erlittenen Schadens die Möglichkeit einer Amtshaftungsklage offen. Aus der Systematik der Rechtsordnung und der Verfahrensrechte, die auch auf Effizienz gerichtet seien, erscheine eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geboten.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist. Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A - verstärkter Senat -, vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0143, vom 22. Oktober 1991, Zl. 90/08/0115, oder vom 29. Jänner 2009, Zl. 2005/10/0084, bzw. die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1984, Zl. 83/11/0011, und vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061).

Die gesetzlichen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren einer Partei nämlich nicht den Anspruch auf die Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden, sondern den Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die - im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin - in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 3. November 2008, Zl. 2005/10/0214, mit weiteren Nachweisen).

2.2. Im vorliegenden Fall kann die Beschwerdeführerin nach der Zurücklegung ihrer Konzession durch einen Bescheid, mit dem ihr die oben genannten Aufträge nach WAG erteilt wurden, nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein.

Auch der Umstand, dass in einem allfälligen künftigen Verfahren nach dem Amtshaftungsgesetz die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides präjudiziell sein könnte, vermag daran nichts zu ändern. Gemäß § 11 Abs. 1 AHG hat das ordentliche Gericht im Amtshaftungsprozess das Verfahren zu unterbrechen und die Frage der Rechtmäßigkeit eines für seine Entscheidung präjudiziellen Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es den Bescheid für rechtswidrig hält. Aus diesem Grund steht auch die Absicht, Amtshaftungsansprüche gegen eine Gebietskörperschaft geltend zu machen, der Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0054, und den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2011, Zl. 2007/17/0177).

Die in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2011 angesprochene Systematik der Rechtsordnung sorgt somit für den Fall der tatsächlichen Erhebung einer Amtshaftungsklage für eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit allfälliger präjudizieller Verwaltungsakte durch den Verwaltungsgerichtshof, sodass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes "auf Vorrat" (vor der Erhebung der Amtshaftungsklage) entbehrlich und auch aus dem in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin angesprochenen Aspekt der Effizienz nicht geboten ist. Die Gefahr einer in der Stellungnahme befürchteten "parallelen Judikaturlinie" besteht insoweit nicht.

2.3. Soweit in der genannten Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei die fortdauernde Beschwer der Beschwerdeführerin aus ihrer nunmehrigen Tätigkeit auf dem Gebiet der gewerblichen Vermögensberatung oder einer allfälligen neuerlichen Antragstellung bezüglich einer Konzession nach dem WAG abzuleiten versucht wird, ist Folgendes auszuführen:

Eine vorfragenweise Beurteilung in Bescheiden entfaltet ganz allgemein keine Bindungswirkung für andere Behörden (oder auch dieselbe Behörde in einem anderen Verfahren), für deren Entscheidung dieselbe Frage oder aber eine inhaltlich vergleichbare (wenngleich nicht als Vorfrage im rechtlichen Sinn zu qualifizierende) Frage von Bedeutung ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. November 1993, Zl. 92/10/0432, vom 27. September 1994, Zl. 94/07/0054, vom 23. März 2006, Zl. 2004/07/0047, und vom 27. Jänner 2011, Zl. 2010/06/0238, sowie Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9, Rz 311 und 481). Bescheiden, mit denen einer juristischen Person gegenüber verwaltungspolizeiliche Aufträge erteilt werden, hinsichtlich der der Entscheidung zu Grunde gelegten Tatsachen und deren rechtlicher Bewertung unter dem Blickwinkel ähnlicher oder vergleichbarer Tatbestände kommt somit keine Bindungswirkung zu. Daher entfaltet ein Bescheid, mit dem verwaltungspolizeiliche Aufträge erteilt wurden, auch nach einer Einstellung eines ihn betreffenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens wegen Gegenstandslosigkeit keine Bindungswirkung für andere Behörden in dem Sinne, dass von einer rechtskräftigen Feststellung des für die Erteilung des Auftrags erforderlichen bzw. herangezogenen Sachverhalts ausgegangen werden könnte. Ein fortdauernder Rechtseingriff liegt daher nicht vor.

2.4. Daher war die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Fällt bei einer Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hierbei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Da im vorliegenden Fall ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht gesagt werden kann, ob die Beschwerde Erfolg gehabt hätte, waren keine Kosten zuzusprechen.

Wien, am 27. Jänner 2012

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