VwGH 2007/17/0177

VwGH2007/17/017714.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache 1. der GI AG, 2. des DI Mag. WK, beide in G, und 3. des HB in W, alle vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. August 2007, Zl. FMA-W00446/0006-WAW/2007, betreffend Verweigerung der Zustimmung zu einer Geschäftsleiterbestellung und Aufträge nach WAG 1997, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11 Abs1;
AVG §8;
BWG 1993 §70 Abs4 Z1;
BWG 1993 §70 Abs4 Z2;
VStG;
VwGG §33 Abs1;
WAG 1997 §24 Abs3 idF 2001/I/097;
WAG 1997 §24 Abs3;
AHG 1949 §11 Abs1;
AVG §8;
BWG 1993 §70 Abs4 Z1;
BWG 1993 §70 Abs4 Z2;
VStG;
VwGG §33 Abs1;
WAG 1997 §24 Abs3 idF 2001/I/097;
WAG 1997 §24 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kosten werden keine zugesprochen.

Begründung

1.1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. August 2007, mit dem der Bestellung eines Geschäftsleiters der Erstbeschwerdeführerin mangels Qualifikation nicht zugestimmt (Spruchpunkt I.), die Herstellung des rechtmäßigen Zustands u.a. durch Bestellung von zwei Geschäftsleitern an Stelle der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsleiter aufgetragen (Spruchpunkt II.), dem Zweitbeschwerdeführer und dem Drittbeschwerdeführer als den im Zeitpunkt der Bescheiderlassung tätigen Geschäftsleitern der Abschluss von den Konzessionstatbeständen gemäß § 1 Abs. 1 Z 19 lit. a bis c BWG unterliegenden Neugeschäften untersagt (Spruchpunkt III.) und überdies die umgehende Vorlage des Bescheids an den Aufsichtsrat aufgetragen wird (Spruchpunkt IV.).

1.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

1.3. Mit Schreiben vom 9. März 2011 teilte die belangte Behörde mit, dass mit Bescheid vom 8. Jänner 2010, Zl. FMA-W00446/0005-WAW/2009, festgestellt worden sei, dass die Konzession der Erstbeschwerdeführerin infolge Zurücklegung mit Wirkung vom 31. Dezember 2009 erloschen sei. Der genannte Bescheid wurde in Kopie vorgelegt.

Eine Abfrage im Firmenbuch ergab, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Liquidation befindet, aber noch nicht gelöscht ist.

1.4. Mit Verfügung vom 20. September 2011 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, mitzuteilen, inwieweit sie sich durch den angefochtenen Bescheid noch beschwert erachten.

1.5. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 teilten die Beschwerdeführer mit, dass sich die Erstbeschwerdeführerin im Hinblick darauf noch beschwert erachte, dass Klagen gemäß § 1 Abs. 1 AHG gegen die belangte Behörde einzubringen sein würden.

Der Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer seien beschwert, "weil ihnen ja ganz allgemein mit dem bekämpften Bescheid bescheinigt" werde, "dass sie als Geschäftsleiter im Sinne des WAG nicht geeignet" seien. Dazu wird auf die Nachteile im weiteren Berufsleben der beiden Beschwerdeführer hingewiesen; der angefochtene Bescheid sei für das weitere berufliche Fortkommen der Beschwerdeführer schädlich.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich hinsichtlich der Spruchpunkte II. (Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes) und III. (Untersagung des Abschlusses von Neugeschäften) auf § 24 Abs. 3 WAG, BGBl. Nr. 753/1996 in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001, in Verbindung mit § 70 Abs. 4 Z 1 BWG (Spruchpunkt II.) bzw. § 70 Abs. 4 Z 2 BWG (Spruchpunkt III).

§ 24 Abs. 3 WAG 1997 lautete:

"(3) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 20 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat die FMA die in § 70 Abs. 4 Z 1 bis 3 BWG genannten Maßnahmen in bezug auf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu ergreifen."

Gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 und 2 BWG, BGBl. Nr. 639/1993 in der im Jahre 2007 geltenden Fassung nach BGBl. I Nr. 141/2006 hatte die FMA unter den dort genannten Voraussetzungen

"1. dem Kreditinstitut unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;

2. im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden kann; in diesem Fall ist die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;"

2.2. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0143, vom 22. Oktober 1991, Zl. 90/08/0115, oder vom 29. Jänner 2009, Zl. 2005/10/0084).

Die gesetzlichen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren einer Partei nämlich nicht den Anspruch auf die Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden, sondern den Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die - im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin - in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 3. November 2008, Zl. 2005/10/0214, mit weiteren Nachweisen).

2.3. Im vorliegenden Fall kann die Erstbeschwerdeführerin nach der Zurücklegung ihrer Konzession durch einen Bescheid, mit dem die Bestellung eines Geschäftsleiters mangels Qualifikation nicht zur Kenntnis genommen, die Herstellung des rechtmäßigen Zustands aufgetragen, den Geschäftsleitern der Abschluss von Geschäften untersagt und die Vorlage des Bescheids an den Aufsichtsrat aufgetragen wird, nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein.

Auch der Umstand, dass in einem allfälligen künftigen Verfahren nach dem Amtshaftungsgesetz die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides präjudiziell sein könnte, vermag daran nichts zu ändern. Gemäß § 11 Abs. 1 AHG hat das ordentliche Gericht im Amtshaftungsprozess das Verfahren zu unterbrechen und die Frage der Rechtmäßigkeit eines für seine Entscheidung präjudiziellen Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es den Bescheid für rechtswidrig hält. Aus diesem Grund steht auch die Absicht, Amtshaftungsansprüche gegen eine Gebietskörperschaft geltend zu machen, der Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit nicht entgegen (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0054).

2.4. Hinsichtlich des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers kann dahin gestellt bleiben, ob diese durch den angefochtenen Bescheid in Rechten berührt werden und somit beschwerdelegitimiert sind (vgl. verneinend Johler in: Dellinger (Hrsg.), BWG, § 70 BWG Rz 2 und § 70 BWG Rz 88).

Nach der Zurücklegung der Konzession durch die Erstbeschwerdeführerin können die beiden Beschwerdeführer nicht mehr in ihrer Stellung als Geschäftsleiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Rechten betroffen sein, sodass auch hinsichtlich des auf § 24 Abs. 3 WAG in Verbindung mit § 70 Abs. 4 Z 2 BWG gestützten Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides jedenfalls eine sonstige Gegenstandslosigkeit im oben dargestellten Sinn eingetreten ist. Es war daher auf die Beschwerdelegitimation nicht näher einzugehen.

Dass die Umsetzung von Aufträgen, die an juristische Personen erteilt werden, nur durch das Handeln ihrer Organe erfolgen kann und allfällige verwaltungsstrafrechtliche Folgen für Unterlassungen in diesem Zusammenhang nur natürliche Personen treffen können, begründet nicht die Parteistellung jener natürlichen Personen im Verfahren zur Erteilung des Auftrags an das Kreditinstitut.

Durch das Vorbringen betreffend die Auswirkungen für das berufliche Fortkommen des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers in der Stellungnahme vom 24. Oktober 2011 werden nur allfällige wirtschaftliche Auswirkungen des gegenüber der Erstbeschwerdeführerin erlassenen angefochtenen Bescheides für die beiden Beschwerdeführer geltend gemacht, sodass dieses Vorbringen (auch hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte) keine fortwirkende rechtliche Betroffenheit der Beschwerdeführer aufzeigt.

2.5. Daraus ergibt sich, dass die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen war.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Fällt bei einer Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hierbei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Da im vorliegenden Fall ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht gesagt werden kann, ob die Beschwerde Erfolg gehabt hätte, waren keine Kosten zuzusprechen.

Wien, am 14. Dezember 2011

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