Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger war zunächst als Lehrling und dann als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung. Auf dem Betriebsgelände, auf dem die Beklagte angesiedelt ist, befindet sich unter anderem auch eine Tankstellenanlage. Im Juli 2007 beging der Kläger gegenüber einem Tankstellenmitarbeiter eine Körperverletzung. Im November 2007 beschädigte er bei der Beklagten im Zorn eine Türe. Bei der Weihnachtsfeier 2007 führte sein Verhalten zum Einschreiten der Polizei. Im Anschluss daran begab er sich zur Tankstelle auf dem Firmengelände. Auch am Morgen des Folgetags suchte er trotz eines ausgesprochenen Verbots die Tankstelle auf, wobei er die Gattin des Geschäftsführers der Tankstellenbetreiberin beschimpfte.
Der Kläger begehrte Kündigungsentschädigung zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung sowie angeblich zu Unrecht abgezogene Beträge. Für die beschädigte Garderobentüre nahm er einen Abzug von 42 EUR netto vor. Die Entlassung sei unberechtigt erfolgt. Ungeachtet des ihm erteilten Hausverbots habe er die Tankstelle aufgesucht, um den Grund dafür zu erfahren. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung mit dem Tankstellenleiter gekommen, in die sich die Pächterin eingemischt habe. Er habe diese weder bedroht noch beschimpft.
Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger am Tag nach der Weihnachtsfeier trotz eines entsprechenden Verbots die Tankstelle auf dem Betriebsgelände aufgesucht und den Tankstellenleiter beschimpft habe. Auch die Ehegattin des Geschäftsführers der Tankstellenbetreiberin habe er beschimpft und die Tankstelle erst nach einer Drohung mit der Polizei verlassen. Schon bei der Weihnachtsfeier habe er sich unmöglich benommen und ein Trinkglas zerbrochen. Bei früheren Vorfällen habe er einem Tankstellenmitarbeiter einen Finger gebrochen und im alkoholisierten Zustand während der Dienstzeit eine Garderobentüre eingetreten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Hinsichtlich der Vorfälle beim Grillfest und mit der Garderobentüre sei die Entlassung verfristet. Das Zerbrechen eines Glases sei lediglich als schlechtes Benehmen zu qualifizieren. Das Verbot, die Tankstelle zu betreten, sei nicht von seinem Arbeitgeber ausgesprochen worden. Die grobe Ehrenbeleidigung gegenüber der Ehegattin des Geschäftsführers der Tankstellenbetreiberin könne nur unter § 82 lit d GewO 1859 subsumiert werden. Die Beschimpfte sei aber nicht im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise statt und wies das Klagebegehren - abgesehen vom unberechtigten Abzug für angeblich zu viel konsumierten Urlaub - ab. Die Kränkung des Klägers gegenüber der Ehegattin des Geschäftsführers der Tankstellenbetreiberin sei an und für sich dem Tatbestand des § 115 StGB zu unterstellen. Für eine Beleidigung nach dieser Gesetzesstelle fehle es jedoch an der geforderten Mindestpublizität. Allerdings habe der Kläger eine Ehrenkränkung nach § 1 Z 3 des Wiener Landesgesetzes zum Schutze der persönlichen Ehre und zur Regelung der Ehrenkränkung begangen. Für das Vorliegen des Entlassungsgrundes nach § 82 lit d GewO 1859 genüge auch die Strafbarkeit nach den Normen des Verwaltungsrechts. Mit Rücksicht auf das Gesamtverhalten des Klägers habe die Ehrenkränkung auch Vertrauensunwürdigkeit in seinem Dienstverhältnis bewirkt. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verwaltungsrechtlich strafbaren Ehrenkränkungen als strafbare Handlungen nach § 82 lit d GewO 1859 fehle.
Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in der Weise abzuändern, dass der Klage zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0042392) ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Selbst wenn das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, dass ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, ist das Rechtsmittel dennoch zurückzuweisen, wenn der Rechtsmittelwerber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (9 Ob 7/10k).
Zu der vom Berufungsgericht als erheblich beurteilten Rechtsfrage, ob auch verwaltungsrechtlich strafbare Ehrenkränkungen als (sonstige) strafbare Handlungen nach § 82 lit d GewO 1859 in Betracht kommen, also diesen Entlassungsgrund verwirklichen können, führt der Kläger in der Revision nicht aus. Vielmehr gibt er dem Berufungsgericht ausdrücklich in der Beurteilung Recht, „dass es nach der Judikatur gleich zu qualifizieren sei, ob die Begehungshandlung gerichtlich oder verwaltungsrechtlich strafbar sei“. Der Kläger bezweifelt aber, dass auch landesgesetzliche Normen als relevante Straftatbestände herangezogen werden können.
Mit seinen Ausführungen in der Revision tritt der Kläger weder der grundsätzlichen Beurteilung seiner als Entlassungsgrund herangezogenen Beschimpfung gegenüber der Ehegattin des Geschäftsführers der Tankstellenpächterin nach § 82 lit d GewO 1859 noch der Ansicht des Berufungsgerichts entgegen, dass für das Vorliegen dieses Entlassungsgrundes auch die Strafbarkeit nach den Normen des Verwaltungsrechts genüge (vgl RIS-Justiz RS0060397). Er bestreitet auch nicht das Vorliegen einer verwaltungsrechtlich strafbaren Handlung nach § 1 Z 3 des Wiener Landesgesetzes zum Schutze der persönlichen Ehre und zur Regelung der Ehrenkränkung (LGBl Nr 35/1987 idF LGBl Nr 28/2001).
2. In der Entscheidung 8 ObA 218/99p hat der Oberste Gerichtshof bereits beurteilt, dass auch eine Strafbarkeit nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes, wenn sie die Vertrauensunwürdigkeit des Arbeiters bewirkt, eine Entlassung rechtfertigen kann. Die Frage, ob landesgesetzliche Verwaltungsübertretungen als sonstige strafbare Handlungen nach § 82 lit d GewO 1859 in Betracht kommen, ist in der Judikatur des Höchstgerichts somit geklärt.
Das Argument des Klägers, dass Arbeitnehmer in Wien unsachlich ungleich behandelt würden, weil die inkriminierte Ehrenkränkung in einzelnen Bundesländern nicht strafbar sei, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil in den meisten übrigen Bundesländern vergleichbare Verwaltungsstraftatbestände bestehen (vgl § 3 lit c des NÖ Polizeistrafgesetzes, § 20 lit c des Tiroler Landes-Polizeigesetzes, § 12 lit c des Vorarlberger Gesetzes über die Angelegenheiten der Sittenpolizei, § 31 Abs 1 des Salzburger Landessicherheitsgesetzes, § 3 Abs 1 Z 3 des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes).
In der Judikatur ist ebenfalls geklärt, dass das Erfordernis einer Ermächtigung des Verletzten zur Verfolgung der Tat oder das Vorliegen eines Privatanklagedelikts der Bejahung des Entlassungstatbestands nach § 82 lit d GewO 1859 nicht entgegensteht (RIS-Justiz RS0060357; 8 ObA 293/98s).
Mit den Überlegungen zur Strafbarkeit nach landesgesetzlichen Verwaltungsnormen zeigt der Kläger damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1 Die Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit und der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach den objektiven Auswirkungen der Begehungshandlung auf das Arbeitsverhältnis bzw auf das Betriebsklima oder auf den Ruf des Arbeitgebers bzw seines Unternehmens oder auf sonstige Interessen und Belange des Arbeitgebers (vgl RIS-Justiz RS0114536; RS0060407 [T8]) richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0029630). Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass der Kläger durch die inkriminierte Ehrenkränkung mit Rücksicht auf sein Gesamtverhalten (vgl RIS-Justiz RS0060363) auch Vertrauensunwürdigkeit in seinem Dienstverhältnis bewirkt habe, ist jedenfalls nicht unvertretbar.
3.2 In Anbetracht der Umstände, dass die fragliche Tankstelle auf demselben Firmengelände wie der Betrieb der Beklagten angesiedelt ist, die Beklagte zum Unternehmenskonglomerat der Verpächterin auch der Tankstelle gehört und der Kläger regelmäßig in den Arbeitspausen die Tankstelle aufgesucht hat, ist die Bejahung eines zumindest mittelbaren Zusammenhangs zwischen der dem Kläger vorgeworfenen Beschimpfung und seinem Arbeitsverhältnis ebenfalls nicht korrekturbedürftig.
4. Da die Revision insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war diese als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO; die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (RIS-Justiz RS0035962).
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