OGH 9ObA44/16k

OGH9ObA44/16k21.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl RechtsanwaltsGmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Malena Stürzenbecher, Rechtsanwältin in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 11.000 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. Dezember 2015, GZ 6 Ra 74/15x‑70, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00044.16K.0421.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (RIS‑Justiz RS0043347 [T3]); er kann aber nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0117019). Keine Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn eine Feststellung nur mit einem Beweisergebnis im Widerspruch steht (RIS‑Justiz RS0043289 [T2]).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht hier die in der Berufung geltend gemachte Aktenwidrigkeit nicht mit einer bloßen Scheinbegründung verneint, sondern darauf hingewiesen, dass die beanstandeten Feststellungen jeweils auf Wertungen und Schlussfolgerungen des Erstgerichts beruhen. Im Einzelnen sind die Argumente der Revision zu den (neuerlich) als aktenwidrig bezeichneten Feststellungen nur Ausführungen zur Beweiskraft von Aussagen oder zur Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Sachverhalts, die eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung darstellen (RIS‑Justiz RS0043131; RS0043175 [T2] ua). Dies gilt für die ‑ vom Beklagten bestrittene ‑ Sichtbarkeit des (leicht mit Sträuchern verwachsenen) Verkehrsschilds („ Unsuitable for wide vehicles “) ebenso wie für die an dem von ihm gelenkten Reisebus der Beklagten entstandenen Schäden und die bis zur ersten Berührung der Längsseiten des Fahrzeugs mit den bewachsenen Steinmauern zurückgelegte Strecke.

2. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionswerber führt im Übrigen nicht aus, inwiefern sich die seiner Ansicht nach vom Berufungsgericht nicht erledigte Rüge des angeblich mangelhaften Gutachtens des Sachverständigen auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt haben sollte (RIS‑Justiz RS0043049; RS0116273). Eine vom Berufungsgericht bereits verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz ist im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0042963).

3. Die Mäßigung des Ersatzanspruchs nach dem DHG ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0111013). Auch die Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit kann nur im Falle grober Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0026555 [T5]; 9 ObA 94/13h ua). Von einer derartigen groben Fehlbeurteilung, die das korrigierende Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderlich machen würde, kann aber hier nicht gesprochen werden.

Die Unterscheidung der vom Beklagten am Reisebus der Klägerin verursachten Schäden in die bei der Hinfahrt durch die zu enge Straße (Anstreifen des Busses an den Mauern) und die beim Rückwärtsfahren entstandenen (Kratzer durch Gestrüpp und Getriebeschaden wegen Überhitzung durch die Retourfahrt über zwei bis drei Kilometer bergauf) in „zwei separate Schadensereignisse“ hat einen versicherungstechnischen Hintergrund und ist ‑ entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ‑ für die Frage seiner Haftung oder der Mäßigung seiner Ersatzpflicht nicht von Bedeutung. In der von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung 7 Ob 54/79 wurde ausgesprochen, dass auch eine Reihe von jeweils nicht grob fahrlässigen Fehlhandlungen in ihrer Gesamtheit grobe Fahrlässigkeit begründen kann (RIS‑Justiz RS0030372). Hier hat der Beklagte am Tag der Fahrt, an dem der von der Klägerin eingeforderte Schaden am Reisebus entstand, zunächst das (für ihn sichtbare) Verkehrsschild übersehen, das Lenker breiter Fahrzeuge vor der Weiterfahrt warnte. Er ist nach dem Anstreifen beider Längsseiten des Busses an einer engen Stelle der Straße dennoch weiter gefahren, bis es nicht mehr möglich war, vorwärts zu kommen, und er hat sich schließlich dafür entschieden, im Rückwärtsgang etwa zwei bis drei Kilometer bergauf zurück zu fahren, wodurch ein Getriebeschaden durch Überhitzung entstand und der Bus fahruntüchtig wurde. Welche Auswirkung eine getrennte Betrachtung von Schadensereignissen auf das Ergebnis der Beurteilung des Ersatzanspruchs der Klägerin im konkreten Fall haben sollte, vermag die Revision nicht darzulegen.

Der Revisionswerber zeigt in seinem Rechtsmittel letztlich nicht auf, dass die Vorinstanzen mit der Minderung des Schadenersatzes auf rund ein Drittel des der Klägerin entstandenen Schadens gegen die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannten Kriterien für die Mäßigung, die schon begrifflich unscharf ist und keine exakte Rechnung sein kann (8 ObA 42/11a), verstoßen hätten. Dass es für das Mäßigungsrecht nach § 2 DHG keine „fixe“ Grenze dahin gibt, dass bei grober Fahrlässigkeit eine Mäßigung nur auf zwei Drittel des Schadens, bei leichter Fahrlässigkeit eine Mäßigung nur auf ein Drittel des Schadens vorgenommen werden könnte, wurde bereits entschieden (RIS‑Justiz RS0054738 [T3]).

4. Zum Zinsenbegehren lag die Behauptungslast dafür, weshalb der Klägerin der in § 49a erster Satz ASGG festgelegte Zinssatz nicht zustehen sollte, beim Beklagten (RIS‑Justiz RS0116030 [T3]). Unzutreffende Tatsachenbehauptungen (wie hier zum angeblich nicht schuldhaften Handeln des Beklagten) können die Berechtigung des Zinsenbegehrens nicht in Zweifel ziehen. Die Beurteilung, ob die Verzögerung der Zahlung auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht, erfolgt letztlich aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0116030 [T1]).

5. Andere für die Lösung des Falls erhebliche Gründe macht die außerordentliche Revision nicht geltend, weshalb sie insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft.

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