Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.783,06 (darin EUR 297,18 USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht räumte ein, dass es sich bei der Irrtumsanfechtung als Entscheidungsgrundlage um eine Einzelfallentscheidung handle, ließ aber dennoch die ordentliche Revision zu, weil es sich bei der ergänzenden Vertragsauslegung zur Frage der Berücksichtigung von nach dem Ausscheiden erworbenen ASVG-Zeiten um eine erhebliche Rechtsfrage handle. Die Revisionswerberin schloss sich ohne besonderes Vorbringen der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht an. Der Revisionsgegner machte dem gegenüber ausdrücklich die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage geltend. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die sich hier stellenden Rechtsfragen werden maßgeblich vom Charakter des Einzelfalls bestimmt; sie können auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung gelöst werden. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt somit nicht vor. Die Zurückweisung der Revision kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
Der Kläger war ab 1. 11. 1979 bei der Beklagten bzw deren Rechtsvorgängern angestellt. Auf Grund der „Versorgungsordnung" vom 1. 1. 1969, die unstrittig Eingang in den Einzelarbeitsvertrag des Klägers gefunden hat, erwarb dieser Anwartschaften auf eine „Altersrente". Am 19. 11. 1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. 3. 1999. Am 15. 3. 1999, noch innerhalb der Kündigungsfrist, unterfertigte der Kläger eine ihm von der Beklagten vorgelegte Vereinbarung über eine Pensionsabfindung. Hierin wurde er einleitend darauf hingewiesen, dass er einen Anspruch auf „Firmenpension gemäß BPG (Betriebspensionsgesetz)" habe. Nach dem Inhalt der Vereinbarung sollte der Kläger gegen Verzicht auf sämtliche Pensionsansprüche gegenüber der Beklagten einen Betrag von ATS 495.361 brutto (EUR 35.999,29) erhalten. Dabei handelte es sich um den von der Beklagten auf der Basis der dem BPG unterliegenden Anwartschaften des Klägers versicherungsmathematisch ermittelten Unverfallbarkeitsbetrag. Auf Grund seines Pauschalverzichts auf „sämtliche Pensionsansprüche" verzichtete der Kläger in der Pensionsabfindung - unbemerkt und unentgeltlich - auch auf sämtliche vor dem In-Kraft-Treten des BPG (1. 7. 1990) im Zeitraum 1. 11. 1979 bis 30. 6. 1990 erworbenen Anwartschaften auf eine Betriebspension. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin steht fest, dass der Kläger die Abfindungsvereinbarung bei Kenntnis der wahren Lage nicht abgeschlossen hätte.
Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass die gegenständliche Vereinbarung über die Pensionsabfindung mit einem von der Beklagten arglistig veranlassten Irrtum des Klägers behaftet ist. Die Beklagte schuf zunächst beim Kläger durch die einleitende Formulierung in der Pensionsabfindung („Herr B***** Harald hat einen Anspruch gemäß BPG [Betriebspensionsgesetz])" Vertrauen und provozierte den falschen Eindruck, der Kläger bekomme „sogar auf Grund des Gesetzes" eine Betriebspension und damit alles, was ihm zusteht. Abgesehen davon, dass das BPG keinen Anspruch auf eine Betriebspension schafft, sondern einen solchen voraussetzt (Löschnigg, Arbeitsrecht10 294 ua), ließ die Beklagte das Entscheidende unerwähnt, nämlich dass ihre seinerzeitige Leistungszusage vor dem In-Kraft-Treten des BPG gemacht worden war und die überwiegenden Anwartschaften des Klägers bereits vor dem In-Kraft-Treten des BPG erworben worden waren, sodass das BPG gemäß seinem Art V Abs 3 auf die vor dem 1. 7. 1990 liegenden Anwartschaften gar nicht unmittelbar anwendbar ist. Der Kläger benötigte das BPG auch nicht. Seine Anspruchsgrundlage war - bis zum Abschluss der Abfindungsvereinbarung - die direkte Leistungszusage der Beklagten. Durch die Bezugnahme auf das Gesetz als scheinbare alleinige Anspruchsgrundlage wurde die Einzelvereinbarung als tragende Anspruchsgrundlage verdeckt und dem Kläger der falsche Eindruck suggeriert, die schon auf Grund des Gesetzes zustehende Betriebspension auf Grund sämtlicher Anwartschaften würde abgefunden, sodass der Verzicht auf sämtliche Pensionsansprüche nicht weiter belastend sei. Tatsächlich war die gegenständliche Pensionsabfindung darauf angelegt, nur die nach dem 1. 7. 1990 erworbenen Anwartschaften abzugelten und den Kläger - ohne dies allerdings für ihn als juristischen Laien offenzulegen - auf den größeren Teil der Anwartschaften ohne Gegenleistung verzichten zu lassen. List iSd § 870 ABGB liegt ua dann vor, wenn der Vertragschließende durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in Irrtum geführt oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in seinem Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt wird. Arglist nach bürgerlichem Recht setzt keine Schädigungsabsicht, wohl aber zumindest das Bewusstsein der Täuschung des Vertragspartners voraus (3 Ob 75/06k ua). Täuschung durch Verschweigen erfordert, dass eine Aufklärungspflicht verletzt wurde (3 Ob 563/95; 6 Ob 7/06g; RIS-Justiz RS0014790 ua). Das Vorliegen von List im vorstehenden Sinn wurde vom Berufungsgericht nach der Lage des Falls mit vertretbarer Begründung und - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - auch ohne eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu begründen (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO) bejaht. Die Revisionswerberin verdrängt in ihrer Argumentation immer wieder, dass eine Pensionsvereinbarung nach ständiger Rechtsprechung als entgeltliches Geschäft zu qualifizieren ist, bei welchem der Arbeitnehmer vorgeleistet hat (9 ObA 256/99h; 8 ObA 281/99b, DRdA 2001/20 [Wöss] ua). Bei der Pensionszusage handelt es sich nicht etwa um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, sondern um aufgespartes „thesauriertes" Entgelt des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis (vgl Löschnigg aaO 293; 9 ObA 111/87; RIS-Justiz RS0021639 ua). Nachvollziehbare Gründe, weshalb der Kläger - wäre er nicht von der Beklagten fälschlich im Glauben gelassen worden, sämtliche Anwartschaften würden mit der gegenständlichen Vereinbarung fair und ordentlich abgegolten werden - auf einen Teil des Entgelts für mehr als 10 Jahre Arbeit verzichten hätte sollen, vermochte die Beklagte nicht zu nennen. Dass eine Reihe von Arbeitnehmern der Beklagten für eine Pensionsabfindung (statt für die Pension) optierte, weil sich die Aufhebung einer steuerlichen Begünstigung abzeichnete, mag schon sein. Konkrete Zahlen, die einen Verzicht des Arbeitnehmers auf mehr als die Hälfte erworbener Anwartschaften plausibel machen, blieb die Beklagte allerdings schuldig.
Auch aus dem noch von Rechtsvorgängern der Beklagten und der Belegschaftsvertretung abgeschlossenen Sozialplan ist für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts zu gewinnen; insoweit besteht auch kein Feststellungsmangel. Günstigere Einzelvereinbarungen werden durch eine Betriebsvereinbarung nicht ausgeschlossen (§ 31 Abs 3 ArbVG; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG-Kommentar § 31 Rz 8 ua). Dass auch im Sozialplan nur auf eine „Pensionsabfindung nach dem BPG" abgestellt wurde, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Es geht hier nicht darum, ob zwischen den Parteien eine Pensionsabfindung, die auf einem Verzicht hinsichtlich der vor dem 1. 7. 1990 erworbenen Anwartschaften eines Arbeitnehmers beruht, vereinbart werden durfte, sondern ob eine derartige Abfindung - frei von einem Willensmangel des Klägers - vereinbart wurde. Das listige Verleiten eines Arbeitnehmers zum Verzicht auf Anwartschaften unterscheidet sich kaum von der verpönten Situation, in der vom Arbeitgeber versucht wird, erworbene Anwartschaften auf eine Betriebspension durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Fall zu bringen, außer dass dort die dahinter stehende Absicht offen zutage tritt. Dass derartige Abreden in Pensionsvereinbarungen sittenwidrig sind, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits wiederholt erkannt (vgl 8 ObA 281/99b, DRdA 2001/20 [Wöss]; 8 ObA 258/01a; RIS-Justiz RS0107922 ua). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern insbesondere im Zusammenhang mit Vorschlägen, die auf eine Befreiung des Arbeitgebers von direkten Leistungsverpflichtungen aus einer Pensionsvereinbarung hinauslaufen, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet ist. Wie weit diese Aufklärungspflicht im konkreten Fall reicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (vgl 6 Ob 7/06g; 9 ObA 29/06i mwN ua). Eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts vermag die Revisionswerberin jedenfalls nicht aufzuzeigen. Vor der Abfindungsvereinbarung wurde nicht dezidiert offengelegt, dass der Kläger auf einen Teil des Entgelts für mehr als 10 Jahre Arbeit zu verzichten hat, um einen Teil seiner Anwartschaften abgefunden zu erhalten.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nicht die Aufhebung der Vereinbarung über die Pensionsabfindung (§ 871 ABGB), sondern deren Abänderung durch Anpassung (§ 872 ABGB), und zwar durch Abfindung auch der vor dem 1. 7. 1990 erworbenen Anwartschaften. Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass das Gestaltungsrecht auf Vertragsanpassung auch dem bei Vertragsabschluss listig Getäuschten zusteht (1 Ob 27/97w, SZ 70/96; RIS-Justiz RS0014768 ua). Richtig ist der Hinweis, dass die Vertragsanpassung bei Wesentlichkeit des Irrtums voraussetzt, dass auch der Gegner bei Kenntnis der wahren Lage den Vertrag zu anderen (dh den vom Kläger behaupteten) Bedingungen geschlossen hätte oder nach den Regeln des redlichen Verkehrs schließen hätte müssen (3 Ob 68/03a; RIS-Justiz RS0014770 ua). Der listig Irreführende ist jedoch weniger schutzwürdig als der schlichte Veranlasser eines Irrtums. Er kann dem Begehren des Vertragspartners auf angemessene Vergütung nach § 872 ABGB (Vertragsanpassung) die Einwendung, dass er den Vertrag anders nicht geschlossen hätte, nur dann entgegensetzen, wenn durch die begehrte Anpassung - worauf auch die Revisionswerberin zutreffend hinweist - wesentliche Interessen auf seiner Seite beeinträchtigt würden (Rummel in Rummel, ABGB³ § 870 Rz 7; 1 Ob 27/97w, SZ 70/96; RIS-Justiz RS0014780 ua). Derartige Rechtfertigungsgründe wurden allerdings von der Beklagten in erster Instanz nicht vorgebracht (vgl 7 Ob 501/86, SZ 59/126 ua). Auf die ventilierte Frage der Rückgängigmachung der Vereinbarung braucht daher gar nicht mehr eingegangen zu werden. Dass die Beklagte gehofft hat, bei der Pensionsabfindung des Klägers möglichst günstig auszusteigen, ist kein beachtlicher Rechtfertigungsgrund. Letztlich gilt auch hier, dass die Frage, ob die vorstehenden Beurteilungskriterien für die Vertragsanpassung zutreffen, an den Umständen des Einzelfalls unter Bedachtnahme auf die besonderen Verhältnisse zu prüfen ist. Diesen kommt aber regelmäßig keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit zu, sofern das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - keine unvertretbare Lösung gefunden hat (vgl 6 Ob 663/90 ua).
Was schließlich die Frage der Anrechnung von „ASVG-Zeiten" im Rahmen der Bemessung des Abfindungsbetrags betrifft, die der Kläger nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten bei einem anderen Arbeitgeber erworben hat, so enthält die gegenständliche Vereinbarung über die Pensionsabfindung hiezu keine besondere Regelung. Das Berufungsgericht stellte im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung und eines Rückgriffs auf die Versorgungsordnung der Beklagten darauf ab, welche Lösung vernünftige und redliche Parteien getroffen hätten. Dass es sich bei der Betriebspension nicht um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, sondern um aufgespartes Entgelt des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis handelt, wurde bereits ausgeführt. Die von der Revisionswerberin auf § 915 ABGB gestützte Vermutung, sie wollte dem Kläger - im Zweifel - ein möglichst geringes Entgelt bezahlen, kommt daher nicht zum Tragen. Das vom Berufungsgericht ermittelte Auslegungsergebnis, das auf die vom Kläger vor und während der Beschäftigung bei der Beklagten (und deren Rechtsvorgängern), nicht jedoch auf die danach erworbenen Versicherungszeiten abstellt, ist jedenfalls vertretbar. Von einer krassen Fehlbeurteilung kann keine Rede sein. Dass unter Umständen auch andere Auslegungen vertretbar seien, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0112106 ua). Die Revision der Beklagten ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035962 ua).
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