European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E114283
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO und, soweit sie sich gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet, als absolut unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Dem Revisionswerber ist zuzustimmen, dass die in einem Berufungsurteil enthaltene unrichtige (unvollständige) Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts eine Aktenwidrigkeit begründen kann. Diese ist aber dadurch zu bereinigen, dass das Revisionsgericht ‑ wie hier ‑ die tatsächlichen Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung unterzieht (1 Ob 117/14h; vgl RIS‑Justiz RS0043324; RS0116014).
2. § 15i MSchG sieht für Mütter, die keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach § 15h MSchG haben, die Möglichkeit vor, (formfrei) mit dem Dienstgeber eine Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren, wenn die Dienstnehmerin entweder noch keine drei Dienstjahre zurückgelegt hat (§ 15h Abs 1 Z 1 MSchG) oder im Betrieb ‑ wie im gegenständlichen Fall ‑ nicht mehr als 20 Dienstnehmer beschäftigt sind (§ 15h Abs 1 Z 2 MSchG). Liegt „Elternteilzeit“ nach §§ 15h oder 15i MSchG vor, so hat die Dienstnehmerin nach § 15n Abs 1 MSchG Kündigungs‑ und Entlassungsschutz gemäß den §§ 10 und 12 MSchG.
Im Anlassfall ist unstrittig, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien ‑ knapp ein Jahr nach der Geburt der Tochter der Klägerin ‑ eine Vereinbarung über eine Teilzeitbeschäftigung im Anschluss an die Karenz der Klägerin zustande gekommen ist. Fraglich ist nur, ob es sich um eine Vereinbarung von „Elternteilzeit“ im Sinn des Mutterschutzgesetzes handelt. Nicht automatisch jede vertraglich vereinbarte Herabsetzung der Arbeitszeit (bzw Änderung der Lage der Arbeitszeit) wird allein deshalb zur „Elternteilzeit“ (bzw geschützten Änderung der Lage der Arbeitszeit), nur weil die Arbeitnehmerin ein unter 7‑jähriges Kind hat. Erforderlich ist vielmehr, dass gegenüber dem Arbeitgeber auch zum Ausdruck kommt, dass „Elternteilzeit“ im Sinne des Mutterschutzgesetzes Gegenstand der Vereinbarung werden soll (9 ObA 80/10w). Da auch im Arbeitsrecht der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich ist (RIS‑Justiz RS0028642) ist es, wie schon vom Berufungsgericht zutreffend dargestellt, ohne rechtlichen Belang, ob die Klägerin subjektiv von einer Unterscheidung zwischen Teilzeit iSd § 19d AZG oder einer „Elternteilzeit“ im Sinne der Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes ausging (9 ObA 80/10b).
Die „Elternteilzeit“ soll einerseits die Kinderbetreuung sicherstellen und andererseits der Dienstnehmerin die gleichzeitige Erwerbstätigkeit ermöglichen (Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer, Mutterschutz und Väter‑Karenzgesetz § 15h MSchG Rz 2; 9 ObA 30/15z). Kommt diese Zweckbestimmung der begehrten Teilzeitarbeit zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Dienstgeber daher bekannt, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung grundsätzlich der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über „Elternteilzeit“ im Sinn des Mutterschutzgesetzes zustande gekommen ist (8 ObA 15/12g). Diese Grundsätze gelten sowohl für die Vereinbarung einer „Elternteilzeit“ nach § 15h MSchG (mit Rechtsanspruch) als auch nach § 15i MSchG (8 ObA 15/12g).
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob angesichts der nach dem jeweiligen Empfängerhorizont zu messenden Erklärungen bei objektiver Beurteilung ein redlicher und verständiger Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der konkreten Umstände (vgl dazu RIS‑Justiz RS0113932) davon ausgehen konnte, dass eine Teilzeitbeschäftigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes vereinbart werden sollte und daher das Teilzeitarbeitsverhältnis der beim Beklagten beschäftigt gewesenen Klägerin ab 22. 3. 2013 dem Kündigungsschutz des § 15n MSchG unterlag, bejaht. Die Vertragsauslegung betrifft typisch den Einzelfall und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776; 8 ObA 93/11a; 8 ObA 15/12g). In dem von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis, dass im Anlassfall eine Vereinbarung über eine „Elternteilzeit“ im Sinn des Mutterschutzgesetzes getroffen wurde, kann keine unvertretbare Beurteilung erblickt werden.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten ihren Wunsch nach einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden im Zusammenhang mit der Beendigung der Karenz (schriftlich) geäußert und als Grund für die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit ausdrücklich die notwendige Betreuung ihres Kindes angegeben. Damit musste dem Beklagten klar sein, dass der Teilzeitwunsch der Klägerin mit der Kinderbetreuung zusammenhängt. Im darauffolgenden zwischen den Parteien geführten Gespräch wurde zwar weder der Begriff „Elternteilzeit“ noch das Mutterschutzgesetz erwähnt, aber man einigte sich auf eine Herabsetzung der Arbeitszeit der Klägerin auf 20 Wochenstunden. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, dass aus den konkreten Umständen das Bestehen einer kündigungsgeschützten „Elternteilzeitver‑einbarung“ im Sinn des Mutterschutzgesetzes folgt, ist nicht zu beanstanden.
Das vorliegende Schreiben des Beklagten, in dem er ua festhält, dass es sich dabei nicht um die Vereinbarung einer „Elternteilzeit“ handle, ist bedeutungslos und vermag keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zu begründen. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift auf diesem Schreiben rechts oben unter dem Vermerk „erhalten am 13. 03. 2013“ nur den Erhalt bestätigt, damit nicht aber auch den Inhalt des Schreibens zu ihrer Erklärung gemacht hat, ist der einmal erworbene Kündigungsschutz des § 15n MSchG zwingend (8 ObA 15/12g), kann also nicht vertraglich ausgeschlossen werden.
Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.
3. Auch im arbeits‑ und sozialgerichtlichen Verfahren ist die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO davon abhängig, dass ein entsprechender Ausspruch des Berufungsgerichts erfolgt. Wenn das Berufungsgericht ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ keinen Zulassungsausspruch in seine Entscheidung aufnimmt, ist der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss nicht anfechtbar. Die insoweit als Rekurs zu behandelnde „außerordentliche Revision“ des Beklagten ‑ die Falschbezeichnung des Rechtsmittels wäre unerheblich (§ 84 Abs 2 ZPO) ‑ ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0043880; 9 ObA 44/15h; 2 Ob 225/15z ua). Ein „außerordentlicher Rekurs“ ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0043898). Die Unterlassung eines Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO kann daher auch nicht als Verfahrensmangel im Rechtsmittel gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts geltend gemacht werden.
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