European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00006.17Y.0628.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin (ein Architekturunternehmen) fordert von der Beklagten 20.000 EUR sA an restlichem Honorar für erbrachte Leistungen. Zur internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts brachte sie vor, nach Art 5 LGVÜ 2007 sei die Zuständigkeit gegeben, weil Geldschulden sowohl nach österreichischem als auch nach schweizerischem Recht am Ort des Gläubigers zu erfüllen seien.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete die mangelnde internationale und örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts ein. Der Auftrag sei in der Schweiz erteilt worden. Die Klägerin habe ihre charakteristischen Leistungen, die Planungs- und Bauleitungs- (insbesondere Bauaufsichts-)leistungen für ein Haus in der Schweiz umfasst hätten, überwiegend in der Schweiz zu erfüllen gehabt; die Parteien hätten dementsprechend auch 2 % der Baukosten als Reisekosten vereinbart, woraus sich ergebe, dass jedenfalls der überwiegende Teil der Leistungen der Klägerin in der Schweiz zu erbringen gewesen sei. Der Erfüllungsort liege daher in der Schweiz.
Das Erstgericht sprach – nach einem auf die Frage der internationalen Zuständigkeit eingeschränkten Beweisverfahren – seine internationale Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs erst nachträglich mit der Begründung zu, dass zur hier entschiedenen Zuständigkeitsfrage zwar Lehrmeinungen vorhanden seien, jedoch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Die Revisionsrekurswerberin schließt sich dem an und argumentiert zusammengefasst, der Erfüllungsort ihrer – planerischen – Leistungen sei überwiegend in Österreich gelegen, weshalb die Anknüpfung an den Ort des Bauwerks der Schweiz unrichtig sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) – nicht zulässig. Gemäß § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Dies ist hier nicht der Fall.
Der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Die Besonderheiten einer konkreten Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende Entscheidung sogar eher aus (vgl RIS‑Justiz RS0102181; 10 Ob 24/13x).
Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
2. Die Vorinstanzen haben zutreffend das am 30. Oktober 2007 in Lugano abgeschlossene Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (LGVÜ 2007) angewendet, auf das sich die Klägerin gestützt hat. Inhaltlich stimmt das LGVÜ 2007 mit den Art 1 bis 61 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (ABl L 2001/12, 1) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-VO oder EuGVVO) nahezu wortgleich überein, sodass die diesbezügliche Literatur und Rechtsprechung weitgehend auch für das LGVÜ 2007 herangezogen werden kann ( Mayr in Rechberger , ZPO 4 , Nach § 27a JN Rz 23).
Nach der Rechtsprechung bildet für Dienstleistungsverträge, bei denen der Erfüllungsort in einem Mitgliedstaat liegt, der – nach tatsächlichen und nicht nach rechtlichen Kriterien zu bestimmende (RIS‑Justiz RS0119733, RS0118507; Czernich / Kodek / Mayr , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 4 Art 7 Rz 13) – Erfüllungsort der charakteristischen Leistung für alle Klagen aus dem Vertrag das maßgebliche Anknüpfungskriterium. Damit kommt es in diesem Bereich zu einer Zuständigkeitskonzentration ( Czernich / Kodek / Mayr , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 4 Art 7 Rz 46; Simotta in Fasching / Konecny 2 , Art 5 EuGVVO Rz 154 und 155; Schmaranzer in Burgstaller/Neumayr , Internationales Zivilverfahrensrecht, Art 5 EuGVVO Rz 13; Brenn , Europäischer Zivilprozess, Rz 65). Für Verträge, die unter Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO fallen, ist daher der Erfüllungsort der charakteristischen Leistung für alle Klagen aus dem Vertrag, auch für Klagen auf Zahlung des Werklohns (2 Ob 192/07k), maßgeblich (RIS‑Justiz RS0118364; RS0118507). Entscheidend ist dabei die diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Parteien (RIS‑Justiz RS0118507 [T4]; RS0118365 [T1]). Bei Dienstleistungsverträgen mit mehreren Erfüllungsorten kommt es auf den Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung an ( Czernich / Kodek / Mayr , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 4 Art 7 Rz 26; Fucik / Klauser / Kloiber , Österreichisches und Europäisches Zivilprozessrecht 12 Art 7 EuGVVO, 701 mwN; Paulus in Geimer / Schütze , Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 52. EL, Art 7 B Vor I, Rz 125). Gleiches gilt (daher) auch im Anwendungsbereich des (insoweit gleichlautenden) Art 5 Nr 1 lit b LGVÜ 2007.
3. Die Verneinung der internationalen Zuständigkeit durch die Vorinstanzen steht mit der zur Ermittlung und Definition des Erfüllungsorts bei Dienstleistungsverträgen vorhandenen Rechtsprechung im Einklang. Der – wie erwähnt, nach tatsächlichen Kriterien zu bestimmende – Erfüllungsort der charakteristischen Leistung lässt sich jeweils nur anhand der konkreten Umstände des einzelnen Vertragsverhältnisses festlegen (vgl 6 Ob 176/08p = RIS‑Justiz RS0119733 [T5]).
Eine ausdrückliche Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit haben die Streitteile hier nicht getroffen. Die Klägerin erhielt den Auftrag von der Beklagten zur Planung des Objekts in der Schweiz im Zuge einer Besprechung in der Schweiz, als sich die Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin in dem von der Beklagten ausgewählten Ort zwei für die Errichtung des Bauwerks in Frage kommende Grundstücke ansahen. Die Parteien vereinbarten als Vertragsinhalt „insbesondere die Erstellung der Pläne sowie die künstlerische Oberleitung“. Im Rahmen dieser Oberleitung war der Geschäftsführer der Klägerin nach den Feststellungen „mehrfach vor Ort“, um seine in diesem Zusammenhang bestehende Kontrolltätigkeit auszuüben. Darüber hinaus hat die Klägerin den Einwand der Beklagten, dass sogar eine Vereinbarung über einen – nach den Baukosten zu berechnenden – Reisekostenersatz für die zu erbringenden Bauleitungs- und Bauaufsichtsleistungen getroffen worden sei, auch nicht substanziiert bestritten.
Die Entscheidung der Vorinstanzen, nach der im vorliegenden Fall im Hinblick auf das wechselseitige Vorbringen sowie den festgestellten Sachverhalt im Ergebnis von einem Überwiegen der von der Klägerin nach dem Vertragsinhalt zu erbringenden charakteristischen Leistung am Ort des errichteten Bauwerks auszugehen sei, ist daher nicht unvertretbar.
Soweit der Revisionsrekurs argumentiert, die von der Klägerin erbrachten zeichnerischen und planerischen Leistungen seien überwiegend und für die Zuständigkeit maßgeblich, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Zum jeweiligen Zeitaufwand, den die Klägerin für die von ihr aufgrund des Auftrags zu erbringenden Dienstleistungen (Planung, Bauleitung oder ‑aufsicht bzw „künstlerische Oberleitung“) erforderten, hat sie im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen erstattet.
5. In Anbetracht des nach tatsächlichen Kriterien zu bestimmenden Erfüllungsorts (RIS‑Justiz RS0119733, RS0118507) sind die im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen deutscher Landgerichte (die im Übrigen jeweils zu Zuständigkeitstatbeständen der deutschen ZPO ergingen) sowie eines deutschen Oberlandesgerichts (betreffend Vermittlungsleistungen eines Handelsvertreters in mehreren Mitgliedstaaten) für den hier zu beurteilenden Einzelfall nicht maßgebend.
6. Der Abänderungsbeschluss des Rekursgerichts (zum Zulässigkeitsausspruch der Rekursentscheidung) wurde dem Vertreter der Beklagten am 10. Jänner 2017 zugestellt (§ 89d Abs 2 GOG). Die Rechtsmittelbeantwortungsfrist von 14 Tagen (§ 521a Abs 1 ZPO) endete am 24. Jänner 2017 (§ 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 5 ZPO), die erst am 26. Jänner 2017 eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung ist daher verspätet.
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