OGH 6Ob176/08p

OGH6Ob176/08p1.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „z*****" *****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen 23.223,48 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 30. Mai 2008, GZ 2 R 90/08i-15, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionsrekurswerberin vermisst Kriterien zur Beurteilung, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 Abs 1 lit b EuGVVO nach den zwischen den Parteien geübten Gepflogenheiten zustandegekommen ist.

Das Rekursgericht hat die Grundsätze der Rechtsprechung zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dieser Bestimmung zutreffend dargelegt. Danach kommt eine Gerichtsstandsvereinbarung durch übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Begründung der Zuständigkeit zu Stande. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer auf Geschäftspapier angebrachten Gerichtsstandsklausel sind eng auszulegen, um zu verhindern, dass Zuständigkeitsvereinbarungen unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (RIS-Justiz RS0114604). Unter „Gepflogenheiten" im Sinn des Art 23 Abs 1 lit b EuGVVO wird eine zwischen den konkreten Parteien regelmäßig beachtete Praxis verstanden. Ob eine in einem konkreten Fall geübte Praxis, die Dauer der Geschäftsbeziehung und deren Intensität ausreichen, damit eine der Parteien auf eine bestimmte Form als „die übliche" vertrauen darf, richtet sich nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls und hat regelmäßig keine über diesen hinausgehende Bedeutung.

Die Auffassung des Rekursgerichts, die in deutscher Sprache formulierte, kleingedruckte und im Rahmen der Bankverbindung „versteckte" Gerichtsstandsklausel der Klägerin erlaube keine ausreichend sichere Annahme, dass es hinsichtlich des behaupteten Gerichtsstands zwischen den Streitteilen zu einer tatsächlichen Willensübereinstimmung gekommen sei, ist jedenfalls nicht unvertretbar; scheidet doch eine „Gepflogenheit" von vornherein schon dann aus, wenn ein Geschäftspartner den vom anderen gewählten und in einer ihm fremden Sprache wiedergegebenen Ausdruck nicht versteht.

2. Das Rekursgericht hat die Grundsätze der Rechtsprechung zu Art 5 Abs 1 lit b EuGVVO zutreffend dargestellt. Danach hat die Bestimmung des Orts, an dem die Lieferung zu erfolgen hat, und damit des Erfüllungsorts nach tatsächlichen Kriterien zu erfolgen. Entscheidend ist dabei die diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Parteien (4 Ob 147/03a; RIS-Justiz RS0118365 [T1]).

Wie in diesem Zusammenhang die Vereinbarung der Parteien zu beurteilen ist, wonach die Ware von einem durch die Bestellerin (Klägerin) beauftragten und bezahlten Spediteur im Lager der Lieferantin abzuholen und auf ihre Kosten an die angegebene Adresse in Österreich zu befördern ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und hat keine über diesen hinausgehende Bedeutung. Diese Vereinbarung als Festlegung eines Lieferorts am Sitz der Lieferantin zu deuten ist jedenfalls nicht unvertretbar. Wenn die Vorinstanzen auf dieser Sachverhaltsgrundlage annahmen, dass der Transport bereits in die Sphäre der Bestellerin (Klägerin) gefallen und der Sitz der Beklagten somit als Liefer- und Erfüllungsort im Sinn von Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO anzusehen ist, so bedeutet dies keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels wahrzunehmende Fehlbeurteilung.

Die Auffassung der Vorinstanzen weicht auch nicht von der Entscheidung 1 Ob 94/04m ab. Im damals zu beurteilenden Fall war nämlich nicht hervorgekommen, dass der Ort der Übergabe an den ersten Beförderer vereinbarter Lieferort gewesen wäre. Demgegenüber hatte die Bestellerin (Klägerin) im nun zu beurteilenden Fall den Spediteur jeweils mit der Abholung der Ware in Italien beauftragt und die Kosten des Transports bezahlt; die beklagte Lieferantin hatte die Bestellerin und den von dieser beauftragten Spediteur informiert, sobald die Ware zur Abholung (in Italien) bereit war.

3. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin weicht die Entscheidung der Vorinstanzen auch von der Entscheidung 8 Ob 83/05x nicht ab. Diese betraf die Erstreckung des persönlichen Geltungsbereichs einer zwischen der damaligen Klägerin und einem Dritten nach Art 23 EuGVVO geschlossenen Zuständigkeitsvereinbarung und ist somit für die vorliegende Fallgestaltung nicht einschlägig.

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