OGH 9Ob17/06z

OGH9Ob17/06z28.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Privatstiftung L*****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 6,603.656,07 sA, Feststellung (Streitwert EUR 500.000) und Zwischenanträgen auf Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2005, GZ 14 R 92/05k-63, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Leistungs- und Feststellungsbegehren sowie die Zwischenanträge der Klägerin auf Feststellung hängen von der Auslegung der am 11. 11. 2001 zwischen den Parteien unter Beitritt von Andreas N***** L***** geschlossenen schriftlichen Vereinbarung und verschiedener nachfolgender Erklärungen und Verhaltensweisen ab. Mit der Vereinbarung sollte laut Präambel eine Reihe offener Fragen mittels Generalvergleichs gelöst werden. Ob nun aber ein Vertrag, Erklärungen und Verhaltensweisen im Einzelfall richtig ausgelegt wurden, stellt nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn vom Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936, RS0044298 ua). Dies ist hier nicht der Fall:

Die Vereinbarung vom 11. 11. 2001 wurde unter der in Pkt XI. als „Geschäftsgrundlage" bezeichneten aufschiebenden Bedingung der Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin und der Genehmigung der im Schreiben der B***** vom 10. 11. 2001 beschriebenen Transaktionen (zu den dort genannten Konditionen) durch die zuständigen Gremien von B***** geschlossen. Während die Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin kein Problem war, wurde das Vorliegen einer Genehmigung durch B***** und damit der Eintritt der aufschiebenden Bedingung vom Berufungsgericht verneint. Wie nun die konkrete Regelung der Bedingung als solche auszulegen ist und ob die Erklärungen von B***** zu irgendeinem Zeitpunkt bereits als Genehmigung iSd Pkt XI. der Vereinbarung vom 11. 11. 2001 zu qualifizieren sind, sind Fragen der Auslegung im Einzelfall, denen keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. Gleiches gilt für die Überlegung der Revisionswerberin, die Parteien seien nachträglich von dieser aufschiebenden Bedingung wieder abgegangen oder haben sie zumindest konkludent abgeschwächt, sodass sie als bereits eingetreten angesehen werden könne. Der Revisionswerberin ist durchaus zuzugestehen, dass aus einer - hier allerdings nicht vorliegenden - langjährigen Abwicklungspraxis der Vertragsparteien Rückschlüsse auf den seinerzeitigen Geschäftswillen der Vertragsparteien zulässig sein mögen (vgl 1 Ob 201/98k ua). Welcher Art diese Rückschlüsse sind, hängt aber auch wieder von den Umständen des Einzelfalls ab, denen keine erhebliche Bedeutung zukommt, die die Zulässigkeit der Revision begründen könnte. Bereits allgemein gilt, dass bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage größte Vorsicht geboten ist, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (§ 863 ABGB; RIS-Justiz RS0013947 ua). Die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen oder eines Verhaltens hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0043253 ua). Richtig ist, dass bei einem bedingten Vertrag jede Beeinflussung des Ablaufs der Ereignisse wider Treu und Glauben unzulässig ist. Eine Partei darf also auf die Bedingung nicht in einer Weise einwirken, die die andere Partei nach Sinn und Zweck des Vertrags redlicherweise nicht erwarten konnte (RIS-Justiz RS0017391 ua). Wird der Eintritt einer Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten (RIS-Justiz RS0012728 ua). Ob eine derartige Vereitelung wider Treu und Glauben vorliegt, hängt wieder von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Verneinung einer Vereitelung durch die Beklagte kann nach der Lage des Falls keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts erblickt werden.

Verneint man nun aber sowohl den Eintritt der Bedingung als auch ein Abgehen von dieser Bedingung oder eine Vereitelung der Bedingung, dann ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass alle Überlegungen der Klägerin, die darauf aufbauen, die Beklagte habe die Vereinbarung vom 11. 11. 2001 zu erfüllen bzw hafte für die Folgen der Nichterfüllung, verfehlt seien, nicht zu beanstanden. Hilfsweise stützte sich die Klägerin - insoweit den Nichteintritt der Bedingung unterstellend - auch auf den erlittenen Vertrauensschaden. Dieser sei von der Beklagten zu ersetzen, weil die Klägerin auf das Wirksamwerden der Vereinbarung vertraut habe, während die Vertreter der Beklagten bereits an der Wirksamkeit des Vertrags gezweifelt haben. Nun ist es grundsätzlich richtig, dass zwischen den Vertragspartnern schon mit der Kontaktaufnahme verschiedene Sorgfaltspflichten entstehen, deren schuldhafte - also auch bereits fahrlässige - Verletzung schadenersatzpflichtig machen kann (RIS-Justiz RS0014885, RS0016374 ua). Die Verpflichtung und ihre Reichweite, den Partner über relevante Umstände aufzuklären, hängt aber maßgeblich vom eigenen Kenntnisstand ab, wird somit wiederum von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt. Generelle Aussagen, wann und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich (RIS-Justiz RS0014820 ua). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt daher auch insoweit nicht vor. Hilfsweise stützte sich die Klägerin schließlich auch auf den Titel der (ungerechtfertigten) Bereicherung. Sollte die Vereinbarung vom 11. 11. 2001 tatsächlich unwirksam sein, dann seien die auf Basis dieser Vereinbarung erbrachten Leistungen rechtsgrundlos erfolgt, sodass eine Kondiktion nach den §§ 1431 f ABGB bestehe. „Auf solche Weise" rückforderbare Leistungen seien jedenfalls „der Forderungsverzicht" (einer der Klägerin nahestehenden Dritten gegenüber einer der Beklagten nahestehenden Dritten) und „die Anteilsübertragung" (von einer der Klägerin nahestehenden Dritten auf eine andere der Beklagten nahestehende Dritte). Formal seien die Leistungen zwar nicht der Beklagten, sondern zwei Dritten erbracht worden; die Klägerin habe aber im selben Umfang Leistungen an die Beklagte erbracht, weil sie auf Grund der Vereinbarung vom 11. 11. 2001 zum Forderungsverzicht und zum Verkauf der Anteile verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte sei daher passiv legitimiert. Gemäß § 1431 ABGB kann der Rückersatz einer rechtsgrundlosen Leistung von dem begehrt werden, der sie erbracht hat. Leistung im Sinne dieser Bestimmung ist die zweckgerichtete, bewusste Vermehrung fremden Vermögens (1 Ob 2375/96p ua). Sie kann in der Hingabe einer Sache oder in einer Handlung bestehen. Macht man sich nun bewusst, dass sowohl der Verzicht als auch die Anteilsübertragung entgegen der Annahme der Klägerin in erster Instanz keine „auf solche Weise rückforderbare Leistungen" iSd § 1431 ABGB, sondern vielmehr Verträge sind, die ihrerseits Rechtsgrundlagen für verschiedene Leistungen sein können, dann ist klar, dass trotz der Naheverhältnisse zwischen den Parteien und diversen Dritten unmittelbare Rechtsgrundlage der auf Grund des Verzichts bzw der Anteilsübertragung zwischen Dritten erbrachten Leistungen nicht die Vereinbarung der Parteien vom 11. 11. 2001, sondern vielmehr die über einen Verzicht bzw eine Anteilsübertragung abgeschlossenen Verträge zwischen Dritten waren. Insoweit kann daher in Bezug auf den Verzicht und die Anteilsübertragung a priori nicht von rechtsgrundlosen Vermögensverschiebungen gesprochen werden. Ohne ein substantiiertes Vorbringen etwa in Richtung einer allfälligen Bedingtheit dieser Verträge zwischen Dritten, einer erfolgten außergerichtlichen Aufhebung oder einer erfolgreichen Anfechtung dieser Verträge besteht daher keine (schlüssige) Grundlage für die offenbare Annahme der Klägerin in erster Instanz, dass mit dem Nichteintritt der Bedingung laut Vereinbarung vom 11. 11. 2001 auch die Vereinbarungen zwischen den Dritten wegfallen seien. Da von der Klägerin der Wegfall der Verträge zwischen den Dritten als Rechtsgrundlagen für die dort erfolgten Vermögensverschiebungen nicht dargetan wurde, ist es entbehrlich, auf die darüber hinausgehende Frage einzugehen, unter welchen Umständen die Klägerin - nach Wegfall der Verträge - aktiv legitimiert sein könnte, unmittelbar (oder auf Grund einer Zession) rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen zwischen Dritten geltend zu machen, bzw unter welchen Umständen die Beklagte passiv legitimiert sein könnte, derartige Vermögensverschiebungen wegen ungerechtfertigter Bereicherung rückgängig machen zu müssen. Die Klägerin erkennt offenbar diese Problematik in der Revision, stellt nun nicht mehr unmittelbar auf die Leistungen Dritter ab, sondern will nur mehr ihre eigene Leistung, nämlich die Verwendung bei einem Dritten, kondiziert wissen. Während sie aber betont, dass Berufungsgericht habe übersehen, dass Bereicherungsansprüche auf „Abschöpfung des Vorteils" des Schuldners gerichtet seien, lässt sie offen, welcher abzuschöpfender Vorteil bei der Beklagten bereits dadurch entstanden sein soll, dass sich die Beklagte bei einem Dritten dafür verwendete, mit anderen Dritten bestimmte Verträge abzuschließen. Da es sich aber bei diesem Ansatz der Revisionswerberin um eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung handelt (§ 504 Abs 2 ZPO), kann hierauf ohnehin nicht weiter eingegangen werden. Im Übrigen kommt auch den Fragen der Auslegung des Prozessvorbringens der Parteien (RIS-Justiz RS0042828 ua) und der Schlüssigkeit des Klagebegehrens (RIS-Justiz RS0116144 ua) keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Die abschließende Behauptung der Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit der Revision, das Berufungsgericht sei „auf keine einzige ihrer zahlreichen Tatsachenrügen in der Berufung eingegangen", ist verfehlt. Der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellungen (vgl zu seiner gesetzmäßigen Ausführung Kodek in Rechberger, ZPO³ § 471 Rz 8 mwN) wurde in der Berufung der Klägerin gar nicht geltend gemacht. Auf Überlegungen der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe den „Sachverhalt nicht in seiner vollen Ausprägung gewürdigt", ist nicht einzugehen. Die Überprüfung der Beweiswürdigung ist nämlich dem Obersten Gerichtshof entzogen (§ 503 ZPO; Kodek aaO § 503 Rz 1). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO durch die Revisionswerberin nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zurückzuweisen.

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