OGH 8Ob65/13m

OGH8Ob65/13m30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj J***** S*****, geboren ***** 2005, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M***** S*****, vertreten durch Backhausen Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. April 2013, GZ 43 R 125/13w‑174, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 10. Dezember 2012, GZ 26 Ps 134/10g‑147, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00065.13M.0730.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 62 Abs 5 AußStrG kann ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden, wenn das Rekursgericht die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG verneint hat und der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Voraussetzung für die inhaltliche Behandlung des Revisionsrekurses ist aber, dass die Entscheidung von einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen kann der Revisionsrekurs nicht aufzeigen.

2. Der Oberste Gerichtshof ist (auch) im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz. Der erkennende Senat ist an die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und an deren Feststellungen gebunden, zu denen auch die im Rechtsmittel behandelte Frage gehört, ob das vorliegende Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt (RIS‑Justiz RS0043320). Da die Mutter eine persönliche Untersuchung trotz mehrfacher Aufforderung und Belehrung verweigert hat, kann in der Einholung eines Aktengutachtens (das nach dem unmittelbaren Eindruck der Mutter in der Verhandlung ergänzt wurde) kein Verstoß gegen leitende Grundsätze der Rechtsprechung liegen.

Auch die im Rechtsmittel bekämpften Feststellungen über Ereignisse in den ersten Lebensjahren des Kindes können in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden (RIS‑Justiz RS0007236 [T2, T3 und T4]; RS0108449).

3. Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft im Regelfall keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS‑Justiz RS0007009 [T4]; RS0115719; RS0007101 [T2, T3]; zur Übertragung auf den Jugendwohlfahrtsträger: 7 Ob 184/04s).

Bei der Entscheidung ist ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend, wobei eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs (RIS‑Justiz RS0047841 [T15]; RS0048712 [T1]) und nur insoweit angeordnet werden darf, als dies zur Abwendung einer drohenden Gefährdung notwendig ist. Eine Verletzung dieser Grundsätze wird hier nicht aufgezeigt.

Der Revisionsrekurs verweist wiederholt darauf, dass die Mutter eine innige Beziehung zu ihrem Sohn aufgebaut und ihn in der Vergangenheit, selbst nach Meinung außenstehender Personen, gut versorgt habe, geht aber nicht auf die eigentliche Begründung der Entscheidungen der Vorinstanzen ein, die eine ernste Gefährdung des Kindeswohls aufgrund des gegenwärtigen psychischen Zustandsbilds der Mutter, einer wahnhaften Persönlichkeitsstörung mit fehlender Einsichts‑ und Kritikfähigkeit, angenommen haben.

4. Auch bei der Gestaltung des Besuchsrechts ist allein das Kindeswohl oberstes Gebot ( Hopf in KBB 3 § 148 Rz 5; RIS‑Justiz RS0047958; RS0048062; RS0087024). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden, keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (RIS‑Justiz RS0097114).

Den Eltern steht das Menschenrecht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind zu. Dieses Recht ist nur insoweit eingeschränkt, als seine Ausübung das Wohl des Kindes gefährdet (RIS‑Justiz RS0047754). Die Aufrechterhaltung des Kontakts liegt grundsätzlich im wohlverstandenen Interesse des Kindes (RIS‑Justiz RS0048072; RS0048013).

Ausgehend von den vorliegenden Feststellungen gelingt es der Mutter wegen ihrer psychischen Problematik allerdings derzeit nicht, ihre Besuchskontakte dem Kind zu widmen und auf den Sohn einzugehen, vielmehr nützt sie sie für distanzloses Verhalten sowie unbremsbare Konfrontationsattacken und Unterstellungen gegen Mitarbeiter des Jugendwohlfahrtsträgers, die zu Irritationen des Kindes führen. Gegenteilige Behauptungen im Revisionsrekurs widersprechen dem Akteninhalt, insbesondere den detaillierten Berichten des Jugendwohlfahrtsträgers.

Vor diesem Hintergrund ist die mit dem angefochtenen Beschluss festgelegte Besuchsfrequenz zwar äußerst knapp bemessen, im Hinblick auf die derzeit unzureichende Kooperationsbereitschaft bzw -fähigkeit der Mutter ist die Entscheidung der Vorinstanzen aber auch in diesem Punkt im Interesse des Kindeswohls nicht unvertretbar.

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