OGH 8Ob145/18h

OGH8Ob145/18h24.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. 

Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. 

Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin B***** KEG, ***** (Insolvenzverwalterin: Mag. Johanna Abel-Winkler, Rechtsanwältin in Wien), hier wegen Ablehnung der Richterin des Handelsgerichts Wien Mag. *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Schuldnerin und des unbeschränkt haftenden Gesellschafters M***** A***** B*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Juni 2018, GZ 6 R 181/18h‑11, mit dem der Rekurs des unbeschränkt haftenden Gesellschafters gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. März 2016, GZ 1 Nc 10/16z‑2, zurückgewiesen und jenem der Schuldnerin nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00145.18H.1024.000

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Schuldnerin wird als absolut unzulässig zurückgewiesen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs des unbeschränkt haftenden Gesellschafters wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 252 IO) zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die für die Führung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zuständige Richterin zeigte mit Schreiben vom 3. 3. 2016 ihre Befangenheit an. Sie fühle sich den – von ihr näher ausgeführten – unterschwelligen Bedrohungen des Komplementärs nicht mehr gewachsen und sich nicht mehr unparteiisch, sondern nach einer schweren Erkrankung um ihr persönliches Wohl besorgt.

Das Erstgericht erkannte mit Beschluss vom 16. 3. 2016, ON 2, die von der Insolvenzrichterin angezeigte Befangenheit als gegeben und sprach aus, dass die Rechtssache von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter zu führen sei. Eine Aufhebung von Prozesshandlungen nach § 25 letzter Satz JN erfolgte nicht. Eine Zustellung des Beschlusses an die Schuldnerin und den Komplementär unterblieb.

Mit Schreiben vom 13. 11. 2017, ON 3, beantragten die Schuldnerin und der Komplementär die Zustellung des Beschlusses. Der Antrag wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 29. 1. 2018, ON 5, zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Beteiligung der Verfahrensparteien im Sinne einer Übermittlung der Befangenheitsanzeige nach rechtskräftiger Entscheidung darüber. Diese Grundsätze hätten auch für den Beschluss zu gelten, mit dem über die Befangenheitsanzeige entschieden wurde.

Gegen diese Entscheidung erhoben die Schuldnerin und der Komplementär Rekurs. Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom 6. 4. 2018, 6 R 80/18f, ON 8, dem Rekurs der Schuldnerin Folge, hob den Beschluss vom 29. 1. 2018 ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Zustellung des Beschlusses vom 16. 3. 2016 an die Schuldnerin auf. Den Rekurs des Komplementärs wies das Rekursgericht mit folgender Begründung zurück: Das Rekursgericht habe bereits aus Anlass zahlreicher vom Komplementär im gegenständlichen Insolvenzverfahren erhobener Rechtsmittel wiederholt darauf hingewiesen, dass dem Gesellschafter einer Personengesellschaft im Konkurs der Gesellschaft keine allgemeine Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis zukomme. Im Konkursverfahren gelte neben dem formellen und dem gesetzlichen auch der materielle Beteiligtenbegriff. Nach ständiger Rechtsprechung seien im Insolvenzverfahren daher grundsätzlich jene zum Rekurs legitimiert, die sich durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt erachten. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reiche dafür nicht aus. Dass der Komplementär durch den angefochtenen Beschluss in seiner Rechtsstellung als Gesellschafter der Schuldnerin unmittelbar beeinträchtigt sein könnte, sei nicht ersichtlich und werde von diesem auch nicht behauptet. Wegen wirtschaftlicher Schäden, die aus der Konkurseröffnung resultierten, bestehe aber keine Rechtsmittellegitimation. Eine Rechtsmittellegitimation des Komplementärs ergebe sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass er im Konkurs der Gesellschaft eine Forderung angemeldet habe. Im Eröffnungsverfahren reiche für die Rechtsmittelbefugnis eines Gläubigers die Bescheinigung seiner Insolvenzforderung. Nach der Prüfungstagsatzung hätten aber Insolvenzgläubiger nur mehr dann ein Teilnahmerecht am weiteren Insolvenzverfahren, wenn entweder ihre Forderung in der Prüfungstagsatzung festgestellt, das heißt vom Masseverwalter anerkannt und von keinem anderen Gläubiger bestritten wurde, oder wenn sie– bei nicht titulierten Forderungen – nach deren Bestreitung die Prüfungsklage gemäß den §§ 110 ff IO erhoben haben. Die bloße Forderungsanmeldung begründe hingegen – nach der Prüfungstagsatzung – kein Teilnahmerecht am weiteren Insolvenzverfahren. Die im gegenständlichen Insolvenzverfahren vom Komplementär angemeldete – nicht titulierte – Forderung sei von der Masseverwalterin bestritten worden. Dass innerhalb der vom Erstgericht bestimmten Klagefrist oder danach eine Prüfungsklage eingebracht worden wäre, werde weder behauptet noch sei dies aktenkundig. Dem Komplementär stehe somit weder aufgrund seiner Stellung als unbeschränkt haftender Gesellschafter der Schuldnerin noch aufgrund seiner Gläubigerstellung eine Rechtsmittelbefugnis gegen die angefochtene Entscheidung zu. Der von ihm im eigenen Namen erhobene Rekurs sei daher zurückzuweisen gewesen.

Nachdem dieser Beschluss und der Beschluss vom 16. 3. 2016 – dieser nur an die Schuldnerin – am 11. 5. 2018 zugestellt worden war (ON 8 verso), erhoben die Schuldnerin und der Komplementär – dieser auch unter Hinweis auf seine Gläubigerstellung – den Rekurs mit dem Antrag, den Beschluss insoweit abzuändern, dass die von der befangenen Insolvenzrichterin durchgeführten Prozesshandlungen „ab der ersten Tagsatzung am 13. 12. 2012“ für nichtig erklärt werden.

Das Rekursgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung dem Rekurs der Schuldnerin nicht Folge. Die Insolvenzrichterin habe am 3. 3. 2016 ihre nunmehrige Befangenheit angezeigt. Eine bereits davor bestehende Befangenheit sei nicht festgestellt worden. Nach der Befangenheitsanzeige gesetzte Prozesshandlungen der Insolvenzrichterin seien weder aktenkundig noch behauptet worden. Folglich habe das Erstgericht auch nicht auszusprechen gehabt, dass solche als nichtig aufzuheben seien. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Der Rekurs des Komplementärs wurde vom Rekursgericht zurückgewiesen. Dass dem Komplementär weder aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter noch allein aufgrund seiner Forderungsanmeldung eine Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis im Konkurs der Gesellschaft zukomme, habe das Rekursgericht bereits aus Anlass zahlreicher vom Komplementär im gegenständlichen Insolvenzverfahren erhobener Rechtsmittel wiederholt– zuletzt zu 6 R 80/18f – ausgesprochen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verwies das Rekursgericht auf seine im Verfahren ergangene Entscheidung 6 R 80/18f. Dass der Komplementär durch den angefochtenen Beschluss in seiner Rechtsstellung als Gesellschafter unmittelbar beeinträchtigt sein könnte, sei nicht ersichtlich und sei von diesem auch nicht behauptet worden. Wegen wirtschaftlicher Schäden, die aus der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft resultierten, bestehe aber keine Rechtsmittellegitimation des Komplementärs. Der von ihm erhobene Rekurs sei daher zurückzuweisen gewesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt. Den Revisionsrekurs ließ es mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Schuldnerin und des Komplementärs, mit dem sie die Nichtigerklärung der von der Insolvenzrichterin gesetzten Prozesshandlungen „ab der ersten Tagsatzung am 13. 12. 2012“ anstreben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Schuldnerin ist absolut unzulässig, jener des Komplementärs mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Zu I.:

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Schuldnerin nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss. Gemäß § 252 IO iVm § 

528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts, mit dem es einen Beschluss des Erstgerichts bestätigt, unzulässig (RIS-Justiz RS0044101). Dieser absolute Rechtsmittelausschluss geht der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 528 Abs 1 ZPO vor und verhindert jede Anfechtung des voll bestätigenden rekursgerichtlichen Beschlusses (RIS-Justiz RS0112314 [T5]).

Zu II.:

Den Rekurs des Komplementärs wies das Rekursgericht zurück. Dem Rechtsmittelwerber komme keine Rekurslegitimation zu.

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Insolvenzverfahren grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der sich in seinem Recht gekränkt zu sein erachtet. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist jedoch, dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht (RIS‑Justiz RS0065135; jüngst 8 Ob 48/18v). Mit anderen Worten ist Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (RIS‑Justiz RS0006497).

Von dieser Rechtsprechung ging das Rekursgericht aus. Sie wird vom Komplementär auch nicht in Frage gestellt.

2. Beschwer ist im Falle der Zurückweisung eines Rechtsmittels für den dagegen erhobenen Rekurs schon dann gegeben, wenn der Rechtsmittelwerber eine solche Rechtsmittellegitimation behauptet, weil in einem solchen Fall die für das Beschwerderecht und die sachliche Überprüfung der zweitinstanzlichen Entscheidung maßgeblichen Tatsachen dieselben sind. Das Rechtsmittelgericht hat in einem solchen Fall, wenn nicht ein vom gebrauchten Zurückweisungsgrund der zweiten Instanz verschiedener Grund zur Zurückweisung des nunmehrigen Rechtsmittels vorliegt, was hier nicht gegeben ist, in die Prüfung der Frage einzugehen und zu entscheiden, ob das nunmehrige Rechtsmittel berechtigt ist oder nicht (6 Ob 9/85; vgl auch RIS‑Justiz RS0006793).

3. Im Revisionsrekursverfahren gilt analog § 504 Abs 2 ZPO (hier: iVm § 252 IO) das Neuerungsverbot (8 Ob 137/09v; 7 Ob 172/11m [in Punkt 3.]; Zechner in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 90 mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0102849). Neuerungen sind auch im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässig (RIS‑Justiz

RS0006904).

4. Neuerungen zur Darlegung der

Rechtsmittellegitimation des Rekurswerbers sind hingegen grundsätzlich erlaubt (8 Ob 288/98f; RIS‑Justiz RS0060830). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Rechtsmittelwerber im Verfahren der Vorinstanz bereits Gelegenheit zur Erstattung des erforderlichen Tatsachenvorbringens vorfand (idS 6 Ob 225/98a; RIS‑Justiz RS0006810 [T9]; Zechner in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 96).

Hier stellte das Erstgericht dem Komplementär den Beschluss vom 16. 3. 2016 nicht zu. Seinen Antrag auf Zustellung des Beschlusses wies es inhaltlich mit der Begründung, es sei hierauf kein Anspruch vorhanden, zurück. Das hiergegen vom Komplementär angerufene Rekursgericht sprach ihm die Rechtsmittellegitimation mangels unmittelbarer Beeinträchtigung seiner Rechte ab. Angesichts dessen, dass ihm bereits im – von ihm verlorenen – Zwischenstreit über die Zustellung des Beschlusses die Rekurslegitimation abgesprochen worden war, wäre der Komplementär aber verhalten gewesen, bereits in seinem Rekurs darzulegen, weshalb ihm die Rekurslegitimation zukomme und er sich durch den Beschluss für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0043924 [T3]; vgl auch Zechner in Fasching/Konecny ² § 520 Rz 31 f sowie Vor §§ 514 ff Rz 118).

Auch stützte sich der Komplementär gar nicht darauf, dass er (im eigenen Namen) im Verfahren Sachanträge stellte, über die sodann die Insolvenzrichterin entschieden habe, sodass er in seinem Recht auf Entscheidung dieser Sachanträge durch einen unbefangenen erstinstanzlichen Insolvenzrichter verletzt sei. Das – im Übrigen nicht näher konkretisierte – Vorbringen im Revisionsrekurs, er habe als Komplementär und Gläubiger im Insolvenzverfahren „zahlreiche Anträge“ eingebracht, die von der als befangen erklärten Richterin negativ bearbeitet worden seien, sodass er in seinem Recht auf Behandlung seiner Anträge durch einen unbefangenen Richter verletzt worden sei, vermag eine erhebliche unrichtige Beurteilung des Rekursgerichts, die vom Obersten Gerichtshof gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO aufzugreifen wäre, nicht darzustellen.

5. Der Begründung dafür, dass er mangels Einbringung einer Prüfungsklage keine Rechtsmittelbefugnis aus seiner Anmeldung einer Forderung ableiten könne, hält der Komplementär im Revisionsrekurs nichts entgegen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Komplementärs war mangels Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 252 IO) zurückzuweisen.

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