European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00104.24P.0926.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung (unter anderem) des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieses Rechtsverhältnisses oder Rechts hat. Ein rechtliches Interesse ist also (materielle) Voraussetzung jedes Feststellungsbegehrens (vgl RS0039177).
[2] Die Zulässigkeit der Feststellungsklage beruht auf den Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Prozessökonomie. Ihr daraus abzuleitender Zweck ist es, einerseits die Rechtslage zwischen den Parteien klarzustellen und andererseits vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren; das über sie ergehende Urteil soll Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien sein (RS0039021 [T20]). Das Feststellungsinteresse ist schon dann gegeben, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden können (RS0039021 [T17]).
[3] Für eine negative Feststellungsklage liegt das rechtliche Interesse darin, dass die beklagte Partei das Recht behauptet, wobei es gleichgültig ist, ob dieses Recht bei objektiver rechtlicher Beurteilung überhaupt bestehen kann (RS0039260). Es genügt eine den Kläger belastende fälschliche Berühmung. Das rechtliche Interesse erfordert neben der Berühmung eines solchen Rechts aber auch eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers. Es genügt dabei schon, wenn der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird. Darüber hinaus muss die begehrte Feststellung das zur Beseitigung dieser Gefährdung geeignete Mittel sein (vgl RS0038968 und RS0039096). An die Frage der Klärungsbedürftigkeit eines Rechts oder Rechtsverhältnisses ist kein allzu strenger Maßstab anzulegen (RS0038908 [T12]).
[4] Das Bestehen eines rechtlichen Interesses richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, denen in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]). Dies gilt auch für die Frage, ob eine die Rechtsstellung des Rechteinhabers gefährdende Berühmung eines Rechts vorliegt (RS0039096 [T12]).
[5] 1.2. Der Beklagte trat bei der Errichtung des dem Kläger, seinem Bruder, gehörenden Bestandobjekts nur aus steuerrechtlichen Gründen als Bauführer auf. Er wusste, dass er auch gegenüber der Baubehörde nur formal als Bauführer bzw Bauwerber auftrete und bloß „Strohmann“ sei, dass ihm jedoch kein dingliches oder sonstiges Recht am errichteten Objekt zukommen werde. Dessen ungeachtet informierte er die Mieter darüber, dass sie die Mietzahlungen an ihn zu leisten hätten. Selbst noch im Verfahren nahm er die (unberechtigten) Standpunkte ein, dass es sich beim strittigen Gebäude um ein in seinem Eigentum stehendes Superädifikat oder um ein Zugehör eines ihm konkludent eingeräumten Baurechts nach dem BauRG handle, dass er (schlicht) „Eigentümer des Gebäudes“ sei oder, dass er „außerbücherlicher Eigentümer“ jener Grundstücksfläche geworden sei. Dass die Vorinstanzen von einer Berühmung des Beklagten ausgingen und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine negative Feststellungsklage gegen ihn bejahten, ist nicht zu beanstanden.
[6] 2. Da der Kläger bei der negativen Feststellungsklage den Nichtbestand eines ganz bestimmten Rechts oder Rechtsverhältnisses begehren muss, muss dieses genau bezeichnet und damit auch rechtlich qualifiziert werden (RS0037437 [T6]).
[7] Angesichts der in Punkt 1.2. genannten verschiedenen Berühmungen des Beklagten, denen gemein ist, dass er ein dingliches Recht an der betreffenden „Stiege“ (bzw den vermieteten Bestandobjekten) zu haben behauptet, ist die Formulierung des negativen Feststellungsbegehrens dahin, dass es sich bei dem auf der betreffenden Liegenschaft errichteten Gebäude nicht um ein dem Beklagten gehörendes Superädifikat oder ein ihm gehörendes Baurecht handle und, dass ihm „daran auch sonst kein wie auch immer geartetes dingliches Recht zusteht“, im Einzelfall nicht zu beanstanden.
[8] 3. Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt nach der Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RS0038849).
[9] Die Ansicht des Beklagten, aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage zur Leistungsklage hätte er auf Herausgabe der vereinnahmten Bestandzinse geklagt werden müssen, übersieht, dass in jenem Fall seine Rechtstellung in Hinsicht auf die Liegenschaft des Klägers nur Gegenstand einer Vorfragenbeurteilung gewesen wäre. Ein über eine solche Klage ergehendes Urteil hätte insofern keine Bindungswirkung für allfällige Folgeprozesse und damit nicht den gleichen Rechtsschutzeffekt wie die tatsächlich erhobene Feststellungsklage gehabt (vgl 5 Ob 707/82 = SZ 55/139; 18 OCg 5/18m [Pkt 3.3.]; RS0038908 [T7]).
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