OGH 8Ob102/24v

OGH8Ob102/24v24.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. J*, vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P*, Italien, vertreten durch Dr. Gerhard Schartner, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 14.601 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Juni 2024, GZ 4 R 232/23f‑14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 6. Oktober 2023, GZ 4 C 399/23y‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00102.24V.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.316,40 EUR (darin 219,40 EUR USt) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger als Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, dessen Grundflächen in einer Genossenschaftsjagd liegen, begehrte vom von der Jagdgenossenschaft – unstrittig gemäß § 11 Abs 4 Tiroler Jagdgesetz 2004 – TJG 2004 (Tir LGBl 2004/21) – zum Jagdleiter im Sinne des § 11a TJG 2004 bestellten Beklagten, der damit auch Jagdausübungsberechtigter sei, nach § 54 Abs 1 TJG 2004 den Ersatz von Wildschäden; einerseits sei Silagefutter durch Rabenkrähen verunreinigt worden, und andererseits sei durch das verunreinigte Silagefutter auch sein Vieh erkrankt.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mangels Eigenschaft des Beklagten als Jagdausübungsberechtigter und daher mangels Passivlegitimation ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob der von einer Jagdgenossenschaft nach § 11 Abs 4 TJG 2004 bestellte Jagdleiter als Jagdausübungsberechtigter im Sinne des § 54 TJG 2004 anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt betont, dass er bei der Auslegung von Rechtsmaterien, die nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallen, keine Leitfunktion hat (RS0116438; RS0113455 [T3]). Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts begründet für sich allein keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0123321). Löst das Berufungsgericht eine verwaltungsrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs oder – bei Fehlen einer solchen – der in der Literatur herrschenden Ansicht, liegt keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor (10 Ob 30/24w mwN; 8 Ob 3/24k).

[5] 2.1. Die hier relevanten verwaltungsrechtlichen Bestimmungen des TJG 2004 lauten:

§ 1

Jagdrecht, Jagdausübungsrecht

(1) Das Jagdrecht ist die aus dem Grundeigentum erfließende ausschließliche Befugnis,

a) den jagdbaren Tieren nachzustellen, sie zu fangen und zu erlegen,

b) sich erlegtes Wild, Fallwild, Abwurfstangen und die Eier des jagdbaren Federwildes anzueignen.

(2) Die Ausübung des Jagdrechtes (im Folgenden auch „Jagd“ genannt) unterliegt den Bestimmungen dieses Gesetzes.

...

§ 11

Jagdausübung

...

(2) Auf einem Eigenjagdgebiet steht die Ausübung des Jagdrechtes dem Grundeigentümer zu. Übt er dieses nicht selbst aus, so hat er die Ausübung des Jagdrechtes zu verpachten oder auf einen Jagdleiter zu übertragen.

(3) Ist eine juristische Person oder eine Mehrheit von Personen Eigentümer eines Eigenjagdgebietes, so ist die Ausübung des Jagdrechtes, sofern dieses nicht verpachtet wird, einem Jagdleiter zu übertragen.

(4) Auf einem Genossenschaftsjagdgebiet steht die Ausübung des Jagdrechtes der Jagdgenossenschaft zu. Sie hat die Ausübung des Jagdrechtes zu verpachten, sofern es nicht durch einen bestellten Jagdleiter selbst ausgeübt wird (Eigenbewirtschaftung).

...

(6) Wird die Ausübung des Jagdrechtes an eine juristische Person oder an eine Mehrheit von Personen verpachtet, so hat (haben) der Pächter (die Mitpächter) die Ausübung des Jagdrechtes auf einen Jagdleiter zu übertragen.

...

(7) Unbeschadet der Verpflichtungen nach Abs 2 bis 6 kann die Ausübung des Jagdrechtes auch sonst vom Jagdausübungsberechtigten an einen Jagdleiter übertragen werden.

...

§ 11a

Jagdleiter

(1) Wird einem Jagdleiter die Ausübung des Jagdrechtes nach § 11 Abs 2, 3, 5, 6 oder 7 übertragen oder wird ein Jagdleiter nach § 11 Abs 4 bestellt, so kommen diesem die nach den jagdrechtlichen Vorschriften dem Jagdausübungsberechtigten zugewiesenen Rechte und Pflichten zu.

...

§ 25

Eigenbewirtschaftung, freihändige Vergabe

...

(2) Hat die Jagdgenossenschaft die Verpachtung der Genossenschaftsjagd beschlossen, kann diese aber vorerst nicht durchgeführt werden, so ist die Jagd so lange durch einen bestellten Jagdleiter (§ 11 Abs 4) ausüben zu lassen, bis die Verpachtung durchgeführt ist.

9. Abschnitt

Wild- und Jagdschaden

§ 54

Haftung für Wild- und Jagdschaden

(1) Soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden, hat der Jagdausübungsberechtigte dem Eigentümer, den Teilwald- und den Einforstungsberechtigten sowie den sonstigen Nutzungsberechtigten allen entstandenen Wild- und Jagdschaden zu ersetzen; den Wildschaden jedoch nur, soweit dieser von jagdbaren Tieren verursacht wurde, die nicht der ganzjährigen Schonung unterliegen.

...

 

[6] 2.2. Auszugehen ist vom klaren Wortlaut des TJG 2004, wonach unter „Jagdausübungsberechtigter“ im Sinne des § 54 leg cit derjenige zu verstehen ist, dem das Jagdausübungsrecht nach §§ 1, 11 leg cit zukommt.

[7] Nach der zum NÖ JagdG 1974 ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 93/03/0095 tritt hinsichtlich der Ausübung des Jagdrechts nach Maßgabe der Bestimmungen des Jagdgesetzes entweder die Befugnis zur Eigenjagd, das ist die freie Verfügung des Berechtigten über die Form der Ausübung seines Jagdrechts (Selbstverwaltung, Verpachtung usw), oder die Ausschließung dieser freien Verfügung durch die gesetzlich vorgeschriebene Ausübung des Jagdrechts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über die Jagdausübung ein.

[8] Nach der zum TJG 2004 ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Ro 2018/03/0030 Rz 17 darf die Jagd nach § 4 Abs 1 TJG 2004 grundsätzlich nur auf einem festgestellten Jagdgebiet, bei dem es sich entweder um ein Eigenjagdgebiet oder um ein Genossenschaftsjagdgebiet handeln kann, ausgeübt werden. Dabei bilden (unter bestimmten näheren Voraussetzungen) alle in einer Ortsgemeinde liegenden Grundflächen, die nicht als Eigenjagdgebiete festgestellt sind, das Genossenschaftsjagdgebiet. Größe und Ausgestaltung des Genossenschaftsjagdgebiets sind damit unmittelbar davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Eigenjagdgebiet festgestellt wird; eine neu festgestellte Eigenjagd verringert in jedem Fall die Größe des Genossenschaftsjagdgebiets, auf dem die Jagdgenossenschaft zur Ausübung des Jagdrechts befugt ist (§ 11 Abs 4 TJG 2004). Die Feststellung einer Eigenjagd, ohne dass dafür die gesetzlich normierten Voraussetzungen vorliegen, greift daher in den Rechtsanspruch der Jagdgenossenschaft auf Ausübung des Jagdrechts auf dem Genossenschaftsjagdgebiet ein.

[9] 3.1. Das Berufungsgericht legte die oben zu Pkt 2.1. angeführten Bestimmungen dahin aus, dass auf einem Genossenschaftsjagdgebiet die Ausübung des Jagdrechts gemäß § 11 Abs 4 TJG 2004 der Jagdgenossenschaft selbst zustehe; sie habe die Ausübung des Jagdrechts zu verpachten, sofern sie es nicht selbst – durch einen von ihr bestellten Jagdleiter – ausübe (Eigenbewirtschaftung). Werde einem Jagdleiter die Ausübung des Jagdrechts nach § 11 Abs 2, 3, 5, 6 oder 7 TJG 2004 übertragen oder werde ein Jagdleiter nach § 11 Abs 4 TJG 2004 bestellt, so kämen gemäß § 11a Abs 1 TJG 2004 diesem die nach den jagdrechtlichen Vorschriften dem Jagdausübungsberechtigten zugewiesenen Rechte und Pflichten zu. Wie aus den Materialien zu Tir LGBl 2015/64 hervorgehe (ErläutRV 161/15 16. GP 5), solle § 11 Abs 2 bis Abs 7 TJG 2004 sicherstellen, dass der Behörde letztlich immer eine verantwortliche natürliche Person zur Verfügung stehe, die die Einhaltung jagdrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten habe. Dies könne der Jagdausübungsberechtigte selbst oder ein Jagdleiter sein. Dabei werde zwischen der Übertragung der Ausübung des Jagdrechts an einen Jagdleiter (§ 11 Abs 2, 3, 5, 6 oder 7 TJG 2004) und der Bestellung eines Jagdleiters (§ 11 Abs 4 TJG 2004) unterschieden: Die Übertragung der Ausübung des Jagdrechts sei ein Rechtsakt zwischen zwei Personen, mit dem Rechte und Pflichten begründet würden. Die Bestellung sei hingegen ein interner Akt der Jagdgenossenschaft im Rahmen der Eigenbewirtschaftung. Es sei der Wille des Gesetzgebers erkennbar, dem Jagdleiter einer Jagdgenossenschaft (als „Bindeglied“ zwischen dieser und der Behörde) „nur“ die Einhaltung der jagdrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften aufzuerlegen. Soweit das Verhältnis von Jagdgenossenschaft und bestelltem Jagdleiter betroffen sei, stünden die Materialien, wonach Letzterer nicht Jagdausübungsberechtigter wäre, entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Widerspruch zum Gesetz. Eine zivilrechtliche Haftung des bestellten Jagdleiters einer Jagdgenossenschaft für Jagd- und Wildschäden werde aber gerade nicht normiert; diese Haftung bestehe nur für den Jagdausübungsberechtigten, hier also die Jagdgenossenschaft selbst.

[10] 3.2. Diese Auslegung ist mit der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vereinbar. Unter Übertragung der Ausübung des Jagdrechts ist die Übertragung der Nutzung, also das ausschließliche Aneignungsrecht an dem sich im Jagdgebiet aufhaltenden Wild (§ 1 TJG 2004; vgl 7 Ob 756/83) zu verstehen (zum Begriff vgl allgemein auch Binder, Jagdrecht [1992] 51). Genau diese Nutzung soll im Fall der mit Tir LGBl 2002/107 im damaligen § 11 Abs 5 Tir JagdG 1983 neu geschaffenen Eigenbewirtschaftung durch eine Jagdgenossenschaft (nunmehr § 11 Abs 4 TJG 2004) aber eben nicht an eine andere Person übertragen werden müssen, sondern weiterhin bei der Jagdgenossenschaft verbleiben können, welche sie durch den von ihr bestellten Jagdleiter ausübt. Wollte man dies anders verstehen, wäre die Jagdgenossenschaft in keinem Fall zur Jagdausübung berechtigt, was der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ebenso widerspräche wie dem klaren Wortlaut des Gesetzes und den vom Tiroler Landesgesetzgeber mit Tir LGBl 2015/64 verfolgten Zielen (ErläutRV 161/15 16. GP 5).

[11] 3.3. Zudem sieht § 11 Abs 7 TJG 2004 für alle Fälle der Abs 2 bis 6 leg cit vor, dass ein Jagdausübungsberechtigter – lege non distinguente daher auch eine Jagdgenossenschaft – auch sonst eine Übertragung der Ausübung des Jagdrechts auf einen Jagdleiter vornehmen kann; wäre der bestellte Jagdleiter im Sinne von § 11 Abs 4 TJG 2004 einem Jagdleiter, dem im Sinne von § 11 Abs 2, 3, 5, 6 oder 7 TJG 2004 die Ausübung des Jagdrechts übertragen wurde, gleichzuhalten, wäre § 11 Abs 7 TJG 2004 in Ansehung der Jagdgenossenschaft überflüssig, wofür aber nichts spricht. Auch in diesem Lichte ist daher die Auslegung der Vorinstanzen zumindest vertretbar.

[12] 4. § 11a Abs 2 TJG 2004 sieht zwar vor, dass einem Jagdleiter – ohne Differenzierung zwischen den beiden genannten Fällen – die nach den jagdrechtlichen Vorschriften dem Jagdausübungsberechtigten zugewiesenen Rechte und Pflichten zukommen.

[13] In welcher Form der Jagdleiter die dem Jagdausübungsberechtigten zugewiesenen Rechte und Pflichten ausübt (in eigenem Namen oder als Vertreter des Jagdausübungsberechtigten) lässt § 11a Abs 2 TJG 2004 aber ebenso offen, wie die Frage, was unter „jagdrechtliche Vorschriften“ konkret zu verstehen ist. Aus dieser Bestimmung ist jedenfalls nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass (auch) der Jagdleiter einer Jagdgenossenschaft bereits deshalb zum nach § 54 TJG 2004 haftbaren Jagdausübungsberechtigten wird, weil er die diesem „nach den jagdrechtlichen Vorschriften“ zugewiesenen Rechte und Pflichten ausübt.

[14] 5.1. Die Revision vermag dagegen bloß eigene vom Ergebnis der Vorinstanzen abweichende Auslegungsvorschläge des Gesetzes anzubieten, ohne darzulegen, welcher verwaltungsgerichtlichen Judikatur oder welchen Stimmen im Schrifttum die durch das Berufungsgericht getroffene Auslegung des TJG 2004 zuwiderlaufen sollte. Sie zeigt damit keine im Lichte der oben zu Pkt 1. dargelegten Rolle des Obersten Gerichtshofs von diesem aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.

[15] 5.2. Dass für Wild- und Jagdschäden der Jagdausübungsberechtigte haftet, ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut von § 54 Abs 1 TJG 2004, und wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.

[16] 5.3. Ist aber der Jagdleiter einer Jagdgenossenschaft vertretbar nicht als Jagdausübungsberechtigter anzusehen, folgt daraus zwingend, dass nicht er, sondern die die Jagd eigenbewirtschaftende Jagdgenossenschaft nach § 54 Abs 1 TJG 2004 für Wild- und Jagdschäden haftet.

[17] 6.1. Es stellt sich somit keine vom Obersten Gerichtshof zu beantwortende erhebliche Rechtsfrage im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO. Die Revision war daher zurückzuweisen.

[18] 6.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte