OGH 7Ob756/83

OGH7Ob756/8312.7.1984

SZ 57/130

Normen

ABGB §383
ABGB §384
OÖ. JagdG §3 Abs1
ABGB §383
ABGB §384
OÖ. JagdG §3 Abs1

 

Spruch:

Die Anführung einer Gattung wilder Tiere in einem Landesjagdgesetz ändert nichts am Recht des Eigentümers, ein zahmgemachtes Tier dieser Gattung zu verfolgen. Der Jagdberechtigte hat an einem solchen Tier durch 42 Tage kein Aneignungsrecht

OGH 12. 7. 1984, 7 Ob 756/83 (OLG Linz 5 R 89/83; KG Steyr 2 Cg 530/81)

Text

Der Kläger züchtet in einem Gehege auf einem Waldgrundstück seit einigen Jahren Kreuzungen aus Wild- und Hausschweinen, die er "Waldschweine" nennt. Nachdem am 3. 11. 1980 aus diesem Gehege sämtliche damals dort befindlichen 22 Tiere ausgebrochen waren, wurden vom Beklagten und anderen Jägern 8 dieser Tiere abgeschossen; die übrigen sind mit Ausnahme eines Schweines am nächsten Tag in das Gehege des Klägers zurückgekehrt.

Im Rechtsmittelverfahren ist der Anspruch auf Ersatz des Geldwertes der toten Tiere strittig, den der Kläger gegen den Beklagten als Pächter und Jagdberechtigten der Genossenschaftsjagd als Ausgleichs- bzw. Schadensbetrag und hilfsweise aus dem Titel der Bereicherung begehrt.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab. Nach seinen Feststellungen ist das Auseinanderhalten von Wildschweinen und gekreuzten Wildschweinen wegen deren Ähnlichkeit und der vorkommenden Mutationen und großen Unterschiede in der Farbe schwierig. Der Begriff "Waldschwein" ist jagdrechtlich unbekannt und nicht üblich. Ähneln Kreuzungen der sogenannten Waldschweine dem Wildschwein in äußerer Form und Farbe, dann sind sie jagdrechtlich als Schwarzwild zu beurteilen und gehören zu den jagdbaren Tieren iS des oö. Jagdgesetzes. Nach dem Abschuß der strittigen Tiere setzte sich der Beklagte sowohl mit dem Landesjägermeister als auch mit dem Jagdreferenten der Landesregierung telefonisch in Verbindung und erhielt die Auskunft, daß die Tiere geschossen werden könnten, weil sie Schaden angerichtet hätten und der Beklagte als Jagdpächter den Schaden zu tragen habe. Bereits 1979 waren aus dem Gehege des Klägers 7 gleichartige Tiere, die aus dem Gehege ausgebrochen und nicht mehr zurückgekehrt waren, nach einigen Tagen vom Kläger zum Abschuß in der Genossenschaftsjagd freigegeben worden.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes seien die vom Kläger gehaltenen Tiere jedenfalls keine gezähmten Tiere gewesen, weil deren Gattung im allgemeinen wild sei und von einem zahm gemachten Tier erst gesprochen werden könne, wenn das einzelne Tier an einen Menschen gewöhnt sei. Tiere einer Mischform zwischen Haus- und Wildschweinen gehörten als Schwarzwild zu den jagdbaren Tieren iS des § 3 Abs. 1 des oö. Jagdgesetzes. Der Beklagte habe das Aneignungsrecht gehabt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß nach § 384 ABGB zahme oder zahm gemachte Tiere kein Gegenstand des freien Tierfanges seien, sondern vielmehr der Eigentümer das Recht habe, sie auf fremdem Grund zu verfolgen; ein zahm gemachtes Tier könne erst nach 42 Tagen auf gemeinem Grund von jedermann, auf Privatgrund vom Gründeigentümer in Anspruch genommen und behalten werden. Gezähmt oder zahm gemacht seien einzelne an den Menschen gewöhnte Tiere einer Gattung, die sonst in natürlicher Freiheit lebt; wild seien nur die in natürlicher Freiheit lebenden Tiere. Zahme und gezähmte Tiere seien nicht herrenlos und daher kein Gegenstand der Aneignung. Erst herrenlos gewordene Tiere könnten vom Jagdberechtigten angeeignet werden. Ein zahm gemachtes, sonst aber jagdbares Tier dürfe deshalb erst nach Ablauf der 42tägigen Frist vom Jagdberechtigten gefangen oder erlegt werden. Die Anführung des Schwarzwildes in § 3 Abs. 1 oö. Jagdgesetz als jagdbares Wild iS dieses Gesetzes schließe nicht aus, daß auch ein dem Schwarzwild zuzuzählendes Tier vom Menschen zahm gemacht wurde und aus diesem Grund dem Verfolgungsrecht des Eigentümers nach § 384 ABGB unterliege. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen sei die Ansicht des Erstrichters unüberprüfbar, daß es sich bei den vom Beklagten geschossenen Tieren jedenfalls nicht um zahme oder zahm gemachte Tiere handle. In dieser Richtung bedürfe es einer Aufnahme der weiteren, vom Kläger angebotenen Beweise.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wohl wird durch die Sondergesetze über Jagd und Fischerei der freie Tierfang iS des § 383 ABGB eingeschränkt (Klang in Klang[2] II 245). Insofern gibt das Jagdrecht - im vorliegenden Fall das oö. Jagdgesetz - seinem Inhaber ein ausschließliches Aneignungsrecht an dem in seinem Jagdgebiet sich aufhaltenden Wild (Klang aaO 247). Das Berufungsgericht hat auch nicht übersehen, daß in der Anlage zu § 3 des genannten Gesetzes das Schwarzwild aufgezählt ist. Unrichtig ist hingegen die Rechtsansicht des Rekurswerbers, daß sich aus der Gegenüberstellung der §§ 383 und 384 ABGB ein unbedingter Anspruch des Jagdberechtigten auf Aneignung jedes Tieres ergebe, das der Gattung nach zum jagdbaren Wild gehört, und daß deshalb der Jagdberechtigte auch schon während der dem Eigentümer zur Verfolgung seiner Tiere eingeräumten 42tägigen Frist zur Aneignung des Wildes berechtigt sei. Das Berufungsgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, daß sich aus den §§ 383 und 384 ABGB zwingend die Unterscheidung danach ergibt, ob es sich um ein der wilden Gattung entsprechendes Tier oder aber um ein Tier handelt, das zwar einer Gattung der wilden Tiere angehört, als einzelnes Stück aber zahm gemacht wurde. In diesem Sinn hat sich die zweite Instanz mit Recht auf Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz. 1 und 2 zu § 384, und Klang aaO 252 f. berufen. Die in § 384 ABGB gemachte klare Ausnahme der gezähmten Tiere (einer wilden Gattung) von der Regel des § 383 ABGB wäre bei anderer Rechtsansicht geradezu ohne Sinn, weil dann auch bei solchen gezähmten Tieren das Verfolgungsrecht des Eigentümers durch ein Aneignungsrecht des Jagdberechtigten unterlaufen wäre. Dieser vom Rekurswerber gewünschten Auslegung kann demnach nicht gefolgt werden.

Da das Berufungsgericht somit von einer richtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, kann der OGH dem Auftrag zur weiteren Sachverhaltsergebung nicht entgegentreten.

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