OGH 7Ob79/05a

OGH7Ob79/05a11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 8. November 2002 geborenen Sasha Wilfried G*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Nicole G*****, vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in Feldkirch, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 22. Februar 2005, GZ 1 R 40/05y-55, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob den Eltern (hier der ae Mutter) nach § 176 Abs 1 ABGB die Obsorge zu entziehen und gemäß § 213 ABGB dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ihr kommt daher keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nF zu, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wird und leitende Grundsätze der Rechtsprechung daher nicht verletzt werden (7 Ob 184/04s; 7 Ob 269/04s mwN).

Diese leitenden Judikaturgrundsätze lassen sich kurz dahin zusammenfassen, dass die Entziehung der Obsorge nur bei Gefährdung des Kindeswohles vorzunehmen ist, ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen also voraussetzt, dass er im Interesse des Kindes dringend geboten ist (5 Ob 8/03t uva). Bei der Beurteilung der Frage ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0048699; RS0047841). Die Änderung der Obsorgeverhältnisse darf nur als Notmaßnahme angeordnet werden (5 Ob 56/02z, RIS-Justiz RS0047841 [T 10]). Der Obsorgeberechtigte muss demnach die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder objektiv nicht erfüllt bzw durch sein Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährdet haben (RIS-Justiz RS0048633). Bei der Entscheidung ist nicht nur von der momentanen Situation auszugehen, sondern sind auch Zukunftsprognosen zu stellen (RIS-Justiz RS0048632). Die Entziehung (allenfalls auch nur Einschränkung) der Obsorge ist demnach dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist (1 Ob 172/01b ua).

Nur wenn gegen diese Grundsätze verstoßen und damit auf das ganz im Vordergrund stehende Kindeswohl (§ 178a ABGB) nicht ausreichend Bedacht genommen wird, ist die Entscheidung der Entziehung der Obsorge revisibel.

Von einer solchen, aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall aber gar keine Rede sein. Steht doch fest, dass die Mutter gemeinsam mit dem (Klein-)Kind in einer derart massiv vermüllten Wohnung lebte, dass es bereits zu Geruchsbelästigungen kam, und auch nach Abnahme des Kindes durchgeführte Kontrollen ergaben, dass die Mutter entgegen ihren Beteuerungen hygienische Mindesterfordernisse nach wie vor nicht beachtete. Weiters steht fest, dass die Mutter auf Grund einer Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse des Kindes ausreichend zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Angesichts dieser Umstände kann die Richtigkeit der Einschätzung der Vorinstanzen, die Mutter sei den Erziehungsaufgaben einfach nicht gewachsen, nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Von der Mutter auch noch im außerordentlichen Revisionsrekurs vermisste Feststellungen darüber, dass sie dem Kind ansonsten liebevoll entgegengekommen sei (wenngleich der Jugendwohlfahrtsträger anonym darüber informiert wurde, dass sie oft bis 6.00 früh unterwegs gewesen sei) und sie das Kind auch ausreichend ernährt habe, wurden vom Rekursgericht mangels Relevanz zutreffend für entbehrlich erachtet, weil diese Umstände jedenfalls nichts daran ändern könnten, dass die Entziehung der Obsorge im Interesse des Kindes dringend geboten ist.

Soweit die Revisionsrekurswerberin noch geltend macht, nur zeitweise nicht in der Lage gewesen zu sein, für Ordnung und Hygiene zu sorgen und lediglich entsprechende Betreuung und Kontrolle erforderlich sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist ihre betreffende Rechtsrüge daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Da die Revisionsrekurswerberin insgesamt keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen vermag, muss ihr demnach unzulässiges außerordentliches Rechtsmittel zurückgewiesen werden. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG nF).

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