OGH 7Ob63/10f

OGH7Ob63/10f21.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjährige E***** F*****, vertreten durch die Mutter H***** F*****, diese vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, gegen die beklagte Partei K***** als Trägerin des Krankenhauses R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Graziani-Weiß, Rechtsanwalt in Linz, wegen 248.731,15 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Februar 2010, GZ 1 R 145/09p-240, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers im von der Beklagten in R***** betriebenen Krankenhaus ist die nunmehr 14-jährige Klägerin seit ihrer Geburt geistig und körperlich schwer behindert. Die Beklagte haftet für alle daraus resultierenden Schäden.

Die Klägerin wird von ihrer Mutter und teilweise auch von ihrem Vater zu Hause gepflegt und betreut, wobei die dauernde Anwesenheit eines Elternteils Tag und Nacht notwendig ist. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin an Pflegeaufwand für die Zeit bis 30. 11. 2002 restlich 217.063,10 EUR sowie den Ersatz der Kosten von zwei „Delphintherapien“ in Florida in Höhe von 31.668,05 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Kosten der Delphintherapien und von 24.871,24 EUR an Pflegeaufwandersatz, insgesamt daher zur Zahlung von 56.539,28 EUR (sA). Das Mehrbegehren von 192.191,97 EUR (sA) wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch von 53.426,24 EUR, hob das Ersturteil im Ausmaß des weiteren (Pflegeaufwandersatz betreffenden) Zuspruchs von 3.113,04 EUR (sA) auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei, weil von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen worden sei und darüber hinaus keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

Die Revisionswerberin vertritt hingegen die Ansicht, dass ihr außerordentliches Rechtsmittel zulässig sei. Die Vorinstanzen seien dadurch, dass sie (betreffend den Pflegeaufwand) zusätzlich zum Bruttolohn einer professionellen Pflegeperson noch vom Arbeitgeber sonst zu entrichtende Beiträge (zur Pensions-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung etc) zugesprochen hätten, von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen. Ferner sei das Berufungsgericht von der Kostenersatz für eine Delphintherapie betreffenden Entscheidung 3 Ob 283/08a abgewichen. Es habe nämlich die Kosten dieser alternativen Behandlungsmethode zugesprochen, ohne dass zunächst eine herkömmliche billigere Tiertherapie versucht worden wäre.

Damit vermag die Revisionswerberin einen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufzuzeigen:

In Fällen, in denen ein Geschädigter - wie hier - nicht von professionellem Pflegepersonal, sondern von seinen Angehörigen betreut und gepflegt wird, sind die tatsächlichen Pflegeleistungen konkret zu ermitteln und sodann der objektive Wert der Arbeitsleistungen als Grundlage der Vergütung heranzuziehen. Es ist festzustellen, welche Kosten die Befriedigung des Pflegebedarfs durch professionelle Kräfte erfordert hätte (5 Ob 38/04f ecolex 2004, 701 ua). Dabei sind nach nunmehr ständiger Rechtsprechung die Bruttolohnkosten des fiktiven Pflegepersonals zugrundezulegen (5 Ob 50/99k ZVR 1999/109 = ecolex 1999/270 [Rabl]; 5 Ob 38/04f, RIS-Justiz RS0022789 [T12]; vgl RIS-Justiz RS0030213 [T8] und RS0031691). Der Schädiger hat den objektiven Wert der Pflegeleistungen zu ersetzen. Dieser Aufwand ist fiktiv der Bruttobetrag der Kosten der erbrachten Arbeitsstunden (5 Ob 38/04f). Da zu den Kosten der Arbeitsstunden alles zählt, was der Arbeitgeber dafür aufwenden muss, sind selbstverständlich auch die Lohnnebenkosten umfasst; und zwar unabhängig davon, ob diese bloß für den Arbeitnehmer abzuführen oder vom Arbeitgeber selbst zu leisten sind (vgl Huber, Das Ausmaß des Schadenersatzanspruchs bei Pflege durch Angehörige rund um die Uhr, ÖJZ 2007/53, 625 [629]).

Der Hinweis der Revisionswerberin auf oberstgerichtliche Rechtsprechung zu fiktiven Reparaturkosten ist verfehlt, da die Pflegeleistungen der Angehörigen nicht als fiktiver Schaden oder als fiktive Aufwendungen zur Schadensbeseitigung zu qualifizieren sind, weil die Pflege ja tatsächlich durchgeführt wird. Fiktiv ist lediglich die Berechnungsmethode, weil der Berechnung Leistungen durch professionelle Kräfte zugrundegelegt werden, die in dieser Form nicht erbracht werden (5 Ob 38/04f mwN; 8 Ob 27/09t RIS-Justiz RS0030213 [T13] ua). Der weitere Einwand der Revisionswerberin, es stehe ja fest, dass die Klägerin keine Zahlungen an die Pensions-, Kranken- und die Unfallversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung zu erbringen habe, geht schon deshalb fehl, weil bei Familienpflege überhaupt keine Pflegekosten anfallen (vgl 5 Ob 38/04f).

Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt, dass auch für die Zeit, die der pflegende Angehörige sonst außer Haus als Freizeit verbracht hätte, Ersatz gebühre, wobei die Anwendung des § 273 ZPO in Betracht komme (2 Ob 99/02a ZVR 2003/47 mwN; 2 Ob 176/05d ZVR 2007/124, 208 [Huber]). Wenn die Vorinstanzen dem folgend mangels genauerer Feststellbarkeit nach § 273 ZPO einen 10%igen Zuschlag vorgenommen haben, ist darin keine „unrichtige Ermessensausübung“ zu erkennen (vgl 2 Ob 137/09z). Diese den „Freizeitentgang“ abgeltende Aufwertung stellt entgegen der von der Revisionswerberin in der Rechtsrüge geäußerten Ansicht keine „unzulässige Doppelverrechnung“ dar.

Schließlich vermag die Revisionswerberin auch betreffend die Delphintherapien keine die Zulassung der außerordentlichen Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung und insbesondere keinen Widerspruch zur Entscheidung 3 Ob 283/08a aufzuzeigen; und zwar auch dann nicht, wenn man die Delphintherapie als eine nach dem Stand der Wissenschaft nicht bestätigte sogenannte Außenseitermethode ansieht. Nach oberstgerichtlicher Judikatur zu § 133 Abs 2 ASVG, die auch für die Frage der Anwendung von Außenseitermethoden in Fällen wie den vorliegenden herangezogen werden kann (vgl 3 Ob 283/08a), kann Kostenersatz für eine Außenseitermethode erst dann erfolgen, wenn entweder eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung steht oder eine solche erfolglos blieb (RIS-Justiz RS0104903; vgl auch RS0102470). Der Einwand der Revisionswerberin, die Vorinstanzen hätten Kosten einer alternativen Behandlungsmethode zugesprochen, ohne dass zunächst eine herkömmliche billigere Tiertherapie versucht worden wäre, übersieht die Feststellungen des Ersturteils, dass die Klägerin vor den Delphintherapien schon zahlreiche (auch Tier-)Therapien absolviert hatte, mit den Delphintherapien dann (aber) eine wesentliche positive Entwicklung in allen Bereichen und damit eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität der Klägerin einhergegangen ist. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass bei der Klägerin mit einer anderen kostengünstigeren Therapie dieser konkrete nachhaltige Heilungserfolg in eben dieser Zeitspanne erzielt werden hätte können. Unter diesen Umständen steht die Ansicht der Vorinstanzen, die Kosten für die Delphintherapien seien von der Beklagten zu ersetzen, mit den in oberstgerichtlichen Entscheidungen entwickelten Grundsätzen im Einklang.

Auch in diesem Zusammenhang und damit insgesamt wird von der Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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