OGH 8Ob27/09t

OGH8Ob27/09t30.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Erika H*****, 2.) Maximilian H*****, beide vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 93.011,93 EUR sA und Gewährung einer Rente (Streitwert: 102.975,84 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2009, GZ 3 R 173/08y-98, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der nunmehr 22-jährige Sohn der Kläger leidet aufgrund von Behandlungs- und Überwachungsfehlern, die Ärzte eines von der beklagten Partei betriebenen Krankenhauses zu verantworten haben, seit seiner Geburt an einer schweren Gehirnschädigung. Ihm wurde Pflegegeld der Stufe 7 zuerkannt, die Kläger erhalten für ihn eine erhöhte Familienbeihilfe. Die Kläger betreuten ihren Sohn zunächst allein, seit Jänner 2004 ist er tagsüber von Montag bis Freitag in einer Tagesheimstätte untergebracht. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der begehrte Zuspruch von Eigenpflegekosten der Kläger.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Einklang (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.) Die Revisionswerberin führt aus, dass die Kläger es unterlassen hätten, einen Antrag auf Zuerkennung von Förderungen gemäß § 21b BPGG zu stellen, sodass sie ihre Schadensminderungspflicht verletzt hätten.

Mittel aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung können zum Zweck der Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung pflegebedürftiger Personen im Sinne des Hausbetreuungsgesetzes (HBeG) BGBl I 2007/33 gemäß § 21b BPGG idF BGBl I 2007/34 (geändert durch BGBl I 2007/51 und BGBl I 2008/57) beantragt werden. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht vor, wenn der Geschädigte es unterließ, Sozialleistungen oder Leistungen der Sozialversicherung in Anspruch zu nehmen, gleichgültig ob es zu einer Zession der Ersatzansprüche gekommen wäre oder nicht (RIS-Justiz RS0031426), weil die Sozialversicherung nicht den Schädiger, sondern den versicherten Geschädigten begünstigen soll (2 Ob 59/07a). Welche Maßnahmen der Geschädigte aufgrund der ihn treffenden Schadensminderungspflicht im Übrigen treffen muss, ist regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellt daher, wenn wie im vorliegenden Fall keine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0022681 [T7]).

2.) Die Revisionswerberin führt aus, dass die Unterlassung der Einrechnung der an die Kläger ausbezahlten erhöhten Familienbeihilfe verfehlt sei, weil nicht der geschädigte Sohn, sondern dessen Eltern als Kläger auftreten, die aber berechtigt seien, erhöhte Familienbeihilfe zu beziehen.

Anders als das Pflegegeld, welches der Finanzierung des pflegebedingten Mehraufwands dient (RIS-Justiz RS0013477; 2 Ob 338/99s) hat die Familienbeihilfe den Charakter einer Betreuungshilfe (RIS-Justiz RS0047813). Sie dient gemäß § 1 FamLAG der Herbeiführung eines Lastenausgleichs im Interesse der Familie und soll die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - ausgleichen (RIS-Justiz RS0058747). Mit der Familienbeihilfe verfolgt der Staat den doppelten Zweck, einerseits den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten. Durch die Leistung der Familienbeihilfe (und des Kinderabsetzbetrags) soll die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für den Regelfall in Form von Transferleistungen erfolgen, während die Berücksichtigung atypischer Aufwendungen in den durch § 34 EStG 1988 gezogenen Grenzen als außergewöhnliche Belastung zusätzlich möglich ist (VfGH 30. 11. 2000, B 1340/00; vgl § 34 Abs 7 Z 1 EStG). Die Familienbeihilfe ist daher zwar Bestandteil des Einkommens des Unterhaltspflichtigen und wird diesem auch ausbezahlt, sie muss aber für den Unterhalt und die Pflege des Kindes verwendet werden (6 Ob 89/01h mwN).

Werden Sozialleistungen im Hinblick auf eine bestimmte durch das schädigende Ereignis ausgelöste soziale Situation gewährt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Dritte seine Leistungen dem Geschädigten unabhängig vom Ausmaß seines Schadenersatzanspruchs und zusätzlich zu diesem zuwenden will, sie aber nicht in der Absicht erbringt, den Schädiger zu entlasten (8 Ob 83/86; RIS-Justiz RS0023600 [T4]). Die den Eltern des geschädigten Kindes bezahlte erhöhte Familienbeihilfe (§ 8 Abs 4 bis 6 FamLAG) ist daher auf die Ansprüche des Kindes im Rahmen der Vorteilsausgleichung nicht anzurechnen (2 Ob 2/94 = RIS-Justiz RS0029465). Im Hinblick auf den dargestellten Verwendungszweck der Familienbeihilfe - auch wenn sie erhöht bezahlt wird - ist es nicht von Bedeutung, ob ein Ersatzanspruch vom Geschädigten selbst oder von jenen Personen geltend gemacht wird, die die Pflegeleistungen erbringen (5 Ob 38/04f; RIS-Justiz RS0022850).

3.) In der schon zitierten Entscheidung 5 Ob 38/04f führte der Oberste Gerichtshof - wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben (Punkt 2.2 der Rechtsrüge) - aus, dass der objektive Wert der Pflegeleistung an den Schädiger zu ersetzen ist, wobei dieser Aufwand fiktiv der Bruttobetrag ist. Dabei spielt keine Rolle, ob als Kläger der Geschädigte selbst auftritt oder die die Pflege tatsächlich leistenden Eltern, auf die der Schaden verlagert wurde (RIS-Justiz RS0022789). Auch in diesem Punkt zeigt die Revisionswerberin daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4.) Der in der Entscheidung 6 Ob 143/98t (SZ 71/146) vertretene Standpunkt, familiäre Betreuungsleistungen könnten nicht fiktiv anhand der Kosten einer Betreuung durch familienfremde Fachkräfte bewertet werden, blieb vereinzelt (so ausdrücklich 2 Ob 99/02a, 5 Ob 38/04f und 10 Ob 88/07z; ausführlich Danzl, EKHG8 § 13 E 156). Vielmehr entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichts auch hier der ständigen Rechtsprechung, wonach Pflegeleistungen nicht als fiktiver Schaden oder als fiktive Aufwendungen zur Schadensbeseitigung zu qualifizieren sind, weil die Pflege tatsächlich durchgeführt wird. Fiktiv ist lediglich die Berechnungsmethode, weil der Berechnung Leistungen durch professionelle Kräfte zugrunde gelegt werden, die in dieser Form nicht erbracht wurden (2 Ob 176/05d; 5 Ob 38/04f; RIS-Justiz RS0030213). Die Revisionswerberin entfernt sich von den Sachverhaltsfeststellungen, wenn sie ausführt, dass die Kläger weitere Aufgaben neben der Pflege des behinderten Kindes zu erfüllen hätten, wie etwa die Führung der Landwirtschaft, die Haushaltsführung oder die Pflege und Erziehung der weiteren Kinder. Ihre Pflegetätigkeit erreiche daher nicht den Wert der Pflegetätigkeit professioneller Hilfskräfte, die sich ausschließlich der Betreuung des behinderten Kindes widmen könnten. Denn das Erstgericht hat ohnedies nur das Ausmaß der tatsächlich von den Klägern für ihren Sohn geleisteten Pflegestunden festgestellt, daher sonstige Arbeiten der Kläger nicht als Pflegeaufwand berücksichtigt. In diesem Punkt ist die Rechtsrüge daher, weil sie vom festgestellten Sachverhalt abweicht, nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312).

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